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Wirtschaftliche Unsicherheit aufgrund der Covid-19-Pandemie – kein Rechtfertigungsgrund für Kettenarbeitsvertrag

GregorKaltschmid

Der Kl begann im Rahmen eines unbefristeten Dienstverhältnisses mit Probemonat für die Bekl zu arbeiten. In der Folge wurden zwei befristete Dienstverhältnisse „aufgrund der ungewissen und schlechten Wirtschaftslage“ und da „unter anderem auch ‚Corona‘-bedingt die weitere wirtschaftliche Entwicklung nicht absehbar“ sei, vereinbart. Die Vorinstanzen haben dies rechtlich als unzulässigen Kettenarbeitsvertrag beurteilt, weil damit das wirtschaftliche Risiko auf den DN überwälzt worden wäre.

Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück und führte aus:

Kettenarbeitsverträge sind nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt ist. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sachlich berechtigte Gründe für die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen maßgebend waren, trifft den AG.

Für die sachliche Rechtfertigung einer Verlängerung können auch wirtschaftliche Gründe in Frage kommen; diese kann sich aber nicht in der bloßen Überwälzung des Unternehmerrisikos erschöpfen. So ist es keine sachliche Rechtfertigung für eine Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge, dass sich der AG die Möglichkeit offenhalten will, bei Rückgang der Konjunktur die Zahl der AN sofort zu vermindern, zumal hierdurch bloß ein typisch vom Unternehmer zu tragendes Risiko auf die AN abgewälzt werden würde. Ganz allgemein ist die Ungewissheit über den Stand der Aufträge ein typisches Betriebsrisiko. Dass eine Personalreduktion durch den Abschluss unbefristeter Arbeitsverhältnisse erschwert wird, ist ebenso Teil des allgemeinen Betriebsrisikos eines AG und rechtfertigt daher nicht, mit einzelnen AN, deren Arbeitskraft nach Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses weiterhin benötigt wird, befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen und ihnen die mit einer nur befristeten Verlängerung verbundenen erheblichen Nachteile aufzubürden. Konkret als bloße Überwälzung des Unternehmerrisikos und somit nicht ausreichende Rechtfertigung wertete der OGH etwa Befristungen bei einem Piloten aufgrund der Ungewissheit des Zeitpunkts des Ausscheidens der Flugzeuge des von ihm geflogenen Typs (OGH 30.10.1996, 9 ObA 2220/96b). Auch die wiederholte Befristung von Nachhilfelehrern und Trainern im Bereich Bewerbungstraining, Berufsorientierung und Jobcoaching oder im Rahmen von AMS-Kursen aufgrund des von der Auftragslage des AG abhängigen Bedarfs an AN wurde als unzulässiger Kettendienstvertrag angesehen, da bei einer ausschließlich an dem sich jeweils ergebenden Bedarf des AG orientierten Gestaltung der Arbeitsverhältnisse das gesamte Beschäftigungsrisiko auf die AN überwälzt werden würde (OGH 26.6.1997, 8 ObA 2158/96b; OGH 20.3.2015, 9 ObA 118/14i; OGH 25.4.2018, 9 ObA 4/18f).

Das Berufungsgericht hat die Rsp des OGH zur Zulässigkeit und Frage der Rechtswirkungen der Aneinanderreihung befristeter Dienstverhältnisse und die Frage der Überwälzung des unternehmerischen Risikos ausführlich und zutreffend wiedergegeben. Die Richtigkeit dieser Ausführungen wird von der Revisionswerberin auch nicht in Frage gestellt.

Ob die Aneinanderreihung von Dienstverträgen unter den konkret gegebenen Umständen gerechtfertigt ist oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls, die keinen Anlass für grundlegende Ausführungen des OGH bietet und die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllt. Dass eine Entscheidung des OGH zu einem gleichartigen (oder hinreichend ähnlichen) Fall fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage. Nur bei groben Auslegungsfehlern oder eklatanter Ermessensüberschreitung wäre eine Entscheidung im Einzelfall überprüfbar.

Vor diesem Hintergrund verwirft der OGH den Einwand der Revisionswerberin, dass keine Rsp zur Frage existiere, ob die während des Jahres 2020 herrschende Covid-19-Pandemie mit ihren starken Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben durch behördlich angeordnete Lockdowns und Schließungen und die damit einhergehende Unsicherheit, insb für die Entwicklung eines erst ein Jahr in diesem Geschäftsbereich tätigen Unternehmens, einen berücksichtigenswerten Umstand gem § 19 AngG darstelle, welcher das Unternehmen dazu berechtigen 361 würde, über eine einmalige Befristung hinaus weitere befristete Dienstverträge abzuschließen.

Nach den Feststellungen wirkte sich nicht nur die Pandemie negativ auf die Auftragslage aus, sondern weiters die Unerfahrenheit des Kl, die Urlaubszeit, der Umstand, dass die meisten Großkunden und rund die Hälfte der sonstigen Kunden wegen der Pandemie geschlossen hatten und dass der Kl auf Direktzahlung anstelle von Lieferscheinen dringen sollte. Somit war die Pandemie nicht die einzige Ursache für die schlechte Auftragslage der Bekl.

Wenn die Revision meint, dass im Zusammenhang mit der angespannten finanziellen Lage (gemeint offensichtlich:) der Bekl der Geschäftsführer das Risiko eines unbefristeten Dienstverhältnisses nicht hätte eingehen können und dies dem Kl auch mitgeteilt worden und dieser damit einverstanden gewesen wäre, ist entgegenzuhalten, dass es nicht den schon dargestellten Feststellungen entspricht, dass eine angespannte finanzielle Lage der Bekl selbst der Grund für die mehrfache Befristung des Dienstverhältnisses gewesen war. Außerdem bestand nach den Feststellungen seitens der Bekl aufgrund von Verrechnung mit der Muttergesellschaft und der einer Schweizer AG keine Überschuldung.

Im Übrigen griff der Gesetzgeber in vielen Bereichen aufgrund der Covid-19-Pandemie ein (zB in § 1155 ABGB). Hinsichtlich der Frage eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes für Kettendienstverträge erachtete der Gesetzgeber aber eine entsprechende Sonderregelung allerdings nicht für generell notwendig, wurde doch lediglich in § 6 COVID-19-Hochschulgesetz eine Sondervorschrift für Forschungsprojekte an Universitäten als Ausnahmeregelung zu § 109 Universitätsgesetz 2002 (UG) getroffen.

Die Revision war daher zurückzuweisen.