Arbeitsrecht im Sport
Arbeitsrecht im Sport
Die Darstellung widmet sich den häufigsten Problemen des Arbeitsrechts im Berufssport. Nach dem allgemeinen Teil folgt in einem späteren Abschnitt eine Erörterung meist umstrittener Klauseln in Lizenzen, Athletenvereinbarungen, Nominierungs-, Arbeits- oder wie auch immer sonst bezeichneten Verträgen von Sportlern* mit DG, Veranstaltern, Sponsoren, Vereinen, Verbänden und Dachverbänden.
Der Schwerpunkt des gegenständlichen Beitrags liegt auf Konfliktfeldern des Individualarbeitsrechts im Bereich des Profisports.
Eine einheitliche Definition für den Begriff „Arbeitsrecht“ ist im Schrifttum nicht zu finden. Demonstrativ sei jene von Marhold zitiert, die als Gegenstand des Arbeitsrechts die Rechtsverhältnisse bezeichnet, die daraus entstehen, dass sich ein AN gegenüber einem AG gem § 1151 ABGB zur Leistung unselbständiger, abhängiger Tätigkeit verpflichtet.* Die Grenzen der sowohl privat- als auch öffentlich-rechtlichen Materie lassen sich nicht eindeutig ziehen. Sowohl im Amateur- und Hobbysport als auch im Berufssport muss jedoch die Betätigung im Rahmen des Arbeitsrechts von Vereinstätigkeiten unterschieden werden. Letztere unterliegen nicht dem Arbeits-, sondern dem Vereinsrecht und damit der vereinsrechtlichen Autonomie. Näheres dazu unter Pkt 2.3.
Eine allgemein verbindliche Definition für „Sport“ gibt es nicht. Als wesentliche, sich inhaltlich aber nicht deckende Eckpfeiler fungieren einerseits der Sportbegriff des Europarats und andererseits das Verständnis, das die Soziologie in ihrer Teilwissenschaft Sportsoziologie dem Sport zugrunde legt.* Nach der 1992 vom Europarat verabschiedeten Europäischen Sport-Charta umfasst Sport „jegliche Form körperlicher Ertüchtigung, die innerhalb oder außerhalb von Vereinen betrieben wird, um die körperliche und seelische Verfassung zu verbessern, zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln oder ergebnisorientierte Wettkämpfe auf allen Ebenen zu bestreiten
“. Das entscheidende Merkmal für „Sport“ ist demnach körperliche Ertüchtigung. Betätigungen, die mit körperlicher Ertüchtigung nicht einhergehen, sind kein Sport. Das gilt vor allem für Spiele mit Wettkampfcharakter,* denen jede Intention in Richtung körperlicher Ertüchtigung fehlt.
Die EU-Kommission hat in ihrem 2007 verfassten Weißbuch Sport* die Definition des Europarats übernommen.*
Die Sportsoziologie* definiert „Sport“ anhand der Merkmale körperliche Bewegung (spezifische Form des Umgangs mit dem Körper), Wettkampf (Leistungsvergleich), sportartenspezifisches Regelwerk (organisierte Form des Umgangs mit dem Körper), Unproduktivität (keine Erstellung von Handelswaren oder Werken der Kunst).*
Dem weiteren Text liegt das Verständnis des EU-Rechts und der Europäischen Sport-Charta zugrunde. In Grenzfällen, abhängig von Bevölkerungsstrukturen und geographischen Lagen, kann die sportrechtliche Praxis mit uneinheitlichen Auffassungen zum Begriff Sport konfrontiert sein. Die Beurteilung hat dann je nach Fallgestaltung anhand der dargelegten Kriterien zu erfolgen.
Sportrecht wird seit jeher* als Zweisäulenmodell verstanden. Die erste Säule bildet die Lex Sportiva. Sie besteht aus Normen nationaler oder internationaler 411 Sportorganisationen. Beispiele sind die IFAB*-Spielregeln für den Fußball, die ÖFB*-Vorschriften für Meisterschaften oder das Lizenzierungshandbuch der Österreichischen Fußballbundesliga. Die Verbindlichkeit der Lex Sportiva für Sportler und Vereine (Clubs) entsteht durch eine privatautonome, individuelle, meist im Zuge eines Lizenzierungsverfahrens* abgegebene Erklärung, sich den Verbandsnormen zu unterwerfen.
Die zweite Säule bildet die Lex extra Sportiva. Sie umfasst die sportrelevanten Normen des staatlichen und überstaatlichen Rechts. Ihr zugehörig sind beispielsweise die Straßenverkehrsordnung (Genehmigung eines Radrennens auf öffentlichen Verkehrsflächen), das Strafrecht (§ 147 Abs 1a StGB: schwerer Betrug durch Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs nach der Anlage der Anti-Doping-Konvention) oder das gesamte Arbeitsrecht, sobald es auf professionelle Sportausübung Anwendung findet. Auch primär- und sekundärrechtliche Normen der EU, Normen des Europarats oder der ILO (Internationalen Arbeitsorganisation) können unter den Begriff der Lex extra Sportiva fallen. Praktisch relevant wird das dann, wenn Sachverhalte aus dem Bereich des Sports nach Kriterien des überstaatlichen Rechts beurteilt werden müssen.
Die Normen der Lex extra Sportiva gelten kraft hoheitlicher Durchsetzungsmacht des Staates. Jene der Lex Sportiva bedürfen zur Verbindlichkeit einer privatrechtlichen Unterwerfungserklärung der Sportler oder der den Sport organisierenden Vereine, Verbände, Dachverbände und Gesellschaften. Die Verbindlichkeit tritt sowohl im vertikalen Verhältnis ein, also zwischen der die Norm schaffenden Organisation und jenen, die sich durch Erklärung unterworfen haben. Sie tritt aber auch im horizontalen Verhältnis ein zwischen Sportlern untereinander sowie zwischen Vereinen, Verbänden und Dachverbänden. Verstöße gegen die Lex Sportiva werden vereins- und verbandsintern und allein sportrechtlich sanktioniert.* Beispiele sind Ermahnungen, Verwarnungen, Ausschlüsse, Sperren, Geldstrafen, Lizenzentzüge ua. Die Grenzlinie zwischen Lex Sportiva und Lex extra Sportiva steckt den Rahmen der Autonomie des Sports ab.
Art 12 StGG* gewährt Staatsbürgern das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Die dadurch etablierte Vereinsfreiheit umfasst die Freiheit der Vereinsbildung, der Vereinstätigkeit und das Recht auf den Bestand des Vereins.*
Im überstaatlichen Recht ist die Vereinsfreiheit mehrfach verankert. Sie findet sich in Art 22 AEMR*, Art 22 IPbpR*, Art 11 EMRK* und Art 12 GRC*. Als Konsequenz dessen ist eine Verletzung der Vereinsfreiheit auch eine Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grund- und Menschenrechten.*
Die organisierte Ausübung des Sports geschieht weitgehend, aber nicht ausschließlich, in der Rechtsform des Vereins. Nationalstaatliche Verbände*, Kontinentalverbände* und weltweit agierende oberste Dachverbände* sind durchwegs Vereine. Sie bilden die „pyramidale Struktur des Sports“ oder „Vereins- oder Verbandspyramide“ oder „Verbandskette“. Der organisierte Breiten- und Hobbysport wird ausnahmslos, der professionelle Mannschaftssport jedoch nur sehr vereinzelt in Vereinsform betrieben.
Grundsätzlich wird Sport in Vereins-, Verbands- und Dachverbandsform* organisiert. Von dieser Praxis wurde für den professionellen Sport schon vor Jahrzehnten, meist aus Haftungsgründen, abgegangen. Von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, pflegen Vereine den professionellen Sportbetrieb* aus der 412 Organisationsform Verein aus- und in eine Kapitalgesellschaft* einzulagern. Die Bezeichnung „Verein“ für eine professionellen Sport organisierende Kapitalgesellschaft ist rechtlich verfehlt, in der Praxis aber üblich. Sie ist durch die Lex Sportiva gedeckt.* Der KollV für Fußballspieler/innen* der Österreichischen Fußball-Bundesliga spricht daher nicht von Vereinen, sondern von „Klubs“. Der Verein genießt grund- und menschenrechtlichen Schutz, der in der Vereinsfreiheit seine Ausformung findet. Ein vergleichbarer Schutz kommt Kapitalgesellschaften nicht zu. Folglich sind berufliche Betätigungen in Kapitalgesellschaften, seien sie sportlicher oder sonstiger Art, dem „normalen“ Wirtschaftsleben zuzuordnen und dem vereinsrechtlichen Grundrechtsschutz und der sehr häufig strapazierten „Autonomie des Sports“ entzogen.
Die „Autonomie des Sports“ ist die grund- und menschenrechtlich normierte Vereinsfreiheit. Diese umfasst (siehe oben Pkt 2.1.) ua die Freiheit der Vereinstätigkeit und damit die Freiheit zur Regelung der inneren Angelegenheiten. Die Lex Sportiva regelt die inneren Angelegenheiten einschließlich Spielregeln der den Sport organisierenden Vereine, Verbände und Dachverbände. Soweit es sich um innere Angelegenheiten handelt, sind staatliche Eingriffe nur unter Voraussetzungen erlaubt, die das Gesetz im Rahmen des Ausgestaltungsvorbehalts zur Vereinsfreiheit zulässt.* Eine darüber hinaus gehende „Autonomie des Sports“ ist rechtlich nicht begründbar. Die „Autonomie des Sports“ darf nicht verwechselt werden mit den „Besonderheiten des Sports“. Letztere sind ein Begriff des EU-Rechts. Darauf wird in Pkt 5. eingegangen.
Dienstverhältnisse, die ein Verein, oder Verband eingeht, sind keine innere Angelegenheit des Vereins. Dies gilt unabhängig davon, ob Gegenstand des Dienstverhältnisses die Ausübung von Sport oder eine sonstige Tätigkeit ist (als Arzt, Trainer, Manager, Platzwart etc). Entgegen häufigen Behauptungen von Vereinen, Verbänden, Dachverbänden oder Sportorganisationen kommt die Autonomie des Sports auf Dienstverhältnisse nicht zur Anwendung.*
Für die Zwecke dieser Darstellung interessiert der Berufssport.* Ihn gilt es von anderen Erscheinungsformen des Sports, insb vom Hobby- oder Freizeitsport, abzugrenzen. Es ist zu klären, wann ein Dienstverhältnis iSd Arbeits- oder Sozialrechts vorliegt. Die selbständige Ausübung des Berufssports ist unter der Voraussetzung, dass es sich um „tatsächliche“* Selbständige handelt, nicht Gegenstand der weiteren Erörterung. „Tatsächliche“ Selbständige sind solche, deren Berufsausübung in Form der Selbständigkeit rechtlich unzweifelhaft ist. Beispiele sind Tennis-* oder Golfprofessionals, Springreiter, je nach Fallgestaltung auch Profiboxer*, Bergsteiger etc. Das Instrumentarium zur Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit liefern staatliche und überstaatliche Normen, Entscheidungen der Gerichte und Auffassungen im Schrifttum. Begrifflichkeiten der Lex Sportiva sind für Zwecke behördlicher Rechtsanwendung zur Frage des Bestehens eines Dienstverhältnisses idR nicht geeignet.
Das für die Sportart Fußball relevante FIFA-Reglement betreffend Status und Transfer von Spielern definiert den Professional als „Spieler, der über einen schriftlichen Vertrag mit einem Verein verfügt und für seine fußballerische Tätigkeit mehr Geld erhält, als zur Deckung seiner Auslagen tatsächlich notwendig ist. Alle übrigen Fußballer sind Amateure
“. Ähnlich definiert das Regulativ für die dem ÖFB angehörigen Vereine und Spieler den „Nichtamateur“*: 413 „Nichtamateure sind Spieler, die für ihre fußballerische Tätigkeit höhere entgeltwerte Leistungen erhalten, als zur Deckung ihrer Aufwendungen tatsächlich notwendig sind.
“
Es ist davon abzuraten, eine gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, anhand der Worte „Professional“, „Profi“, „Berufssportler“, „Amateur“, „Partner“* oder einer wie auch immer sonst lautenden Wortkreation zu treffen. Für die arbeitsrechtliche Beurteilung sind die dogmatischen Kriterien des Arbeitsrechts, je nach Fallgestaltung auch des Sozialrechts, maßgeblich. Keinesfalls kann eine Einordnung nach Kriterien der Lex Sportiva erfolgen. Diese ist nur für das sportrechtliche Verhältnis zwischen Athleten und Vereinen, Vereinen untereinander, Vereinen und Verbänden, Verbänden untereinander und Verbänden und Dachverbänden von Bedeutung. Das Kriterium „soweit zur Deckung seiner Auslagen notwendig
“, ist zur Beurteilung eines Dienstverhältnisses in gleicher Weise ungeeignet wie das Erfordernis eines schriftlichen Vertrags.
Im Rahmen des österreichischen Rechts definiert § 1151 Abs 1 ABGB den Dienst- und Werkvertrag. „Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, ein Werkvertrag.
“ Der Begriff „Dienstleistung“ wird nicht definiert und bleibt der Ausgestaltung durch Lehre und Rsp vorbehalten.
Die in den letzten Jahren gerichtsanhängig gewordenen sportbezogenen Fälle betrafen vorwiegend den Anwendungsbereich des Sozialrechts. Für diesen definiert § 4 Abs 2 ASVG als DN Personen, „die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen
“.
Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber § 1151 Abs 1 ABGB ist das Erfordernis der Entgeltlichkeit. Während § 1151 ABGB auch einen unentgeltlichen Dienstvertrag kennt, ist die Leistung von Entgelt konstitutives Merkmal des Arbeitsvertrags im Sozialrecht. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da sich am Entgelt die Höhe der Beitragszahlung, in vielen Fällen auch der Leistung orientiert. Für den Bereich des Sports ist darüber hinaus und je nach Fallgestaltung § 49 ASVG zu beachten.
Zunächst definiert dessen Abs 1 den Begriff des Entgelts: „Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer […] aus dem Dienst[…]verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst[…]verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.“
§ 49 Abs 28 ASVG nimmt Zahlungen unter näher definierten Umständen vom Entgeltbegriff aus: pauschale Reiseaufwandsentschädigungen, die Sportvereine (Sportverbände) an SportlerInnen oder Schieds(wettkampf)richterInnen oder SportbetreuerInnen (zB TrainerInnen, MasseurInnen) leisten, und zwar bis zu € 120,- pro Einsatztag, höchstens aber € 720,- pro Kalendermonat der Tätigkeit, sofern diese nicht den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen bildet und Steuerfreiheit nach § 3 Abs 1 Z 16c zweiter Satz EStG 1988 zusteht.*
Sind die Voraussetzungen des § 49 Abs 28 ASVG erfüllt, begründet die Sportausübung kein Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen SV. Schutz Betroffener kann sich in dieser Konstellation nur aus einem Versicherungsverhältnis abseits der Sportausübung ergeben. Auf den Sport zurückzuführende Unfälle und Krankheiten sind durch die gesetzliche UV nicht gedeckt.
Auf der Ebene der Vereinten Nationen findet sich in Art 3 lit b) des ILO-Übereinkommens 155* der – allerdings wenig ergiebige – Ansatz einer Definition. Demnach umfasst der Ausdruck „Arbeitnehmer“ alle Beschäftigten, einschließlich der öffentlich Bediensteten.
Das Unionsrecht enthält lediglich in Art 3 der Arbeitsschutz-Rahmen-RL* Definitionen der Begriffe AN und AG: AN ist „jede Person, die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, einschließlich Praktikanten und Lehrlingen, jedoch mit Ausnahme von Hausangestellten; Arbeitgeber sind natürliche oder juristische Personen, die als Vertragspartei des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer die Verantwortung für das Unternehmen bzw. den Betrieb tragen
“.
Die EU-Arbeitsbedingungen-RL* brachte keine Definition. Sie verweist nur „auf die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgestellten Kriterien für die Feststellung des Status
414eines Arbeitnehmers
“.* Als paradigmatisch gilt die E C-66/85 (EuGH 3.7.1986, Deborah Lawrie-Blum/Land Baden-Württemberg). Der EuGH formulierte darin folgende, auch heute noch maßgeblichen Leitsätze*:
Der Begriff des AN kann nicht je nach nationalem Recht unterschiedlich ausgelegt werden, vielmehr hat er eine gemeinschaftsrechtliche Bedeutung.
Da der AN-Begriff den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten festlegt,* ist er weit auszulegen.
Der AN-Begriff ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen.
Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Die EuGH-E Rs Ruhrlandklinik (siehe FN 41) hält an diesen Merkmalen fest (Rn 27). Es ist daher von einer gefestigten Rsp des EuGH auszugehen.
Allerdings kennt das europäische Arbeitsrecht Bereiche, in denen es auf das nationale Verständnis des AN-Begriffs verweist. Solche Bereiche sind beispielsweise die AN-Überlassung*, die Insolvenz* oder der Betriebsübergang*. Stellen sich Fragen aus diesen Rechtsbereichen (Insolvenzen der den Sport organisierenden Clubs sind Alltagsgeschäft), ist das nationalstaatliche Begriffsverständnis zugrunde zu legen, nicht das europarechtliche. In Österreich sind keine unlösbaren Probleme zu erwarten, da das nationalstaatliche Verständnis vom europarechtlichen nicht entscheidend abweicht.
Für die Qualifikation als echter Dienstvertrag kommt es weder auf die Bezeichnung durch die Parteien noch darauf an, ob sie sich der rechtlichen Tragweite ihres Verhaltens bewusst sind. Maßgeblich ist die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen. Die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit (persönliche Arbeitspflicht, Weisungsunterworfenheit, Einordnung in Betriebsstruktur, Unselbständigkeit, wirtschaftliche Abhängigkeit) müssen nicht alle vorliegen und können auch in unterschiedlicher Ausprägung bestehen.* Entscheidend ist, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und der Bedeutung nach bei Anstellung einer Gesamtbetrachtung überwiegen.*
Angesichts der im Wesentlichen übereinstimmenden Kriterien zum AN-Begriff in der Judikatur des EuGH und des nationalstaatlichen OGH* – an die sich die Praxis jedenfalls zu halten hat – kann von einer weitläufigen Darstellung abweichender Meinungen im Schrifttum abgesehen werden.
Erhellend ist aus sportrechtlicher Sicht die auf deutsches Verfassungsrecht gestützte Auffassung von Nolte zum Begriff des Berufssportlers.* Er verweist zunächst auf Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Nach dieser Bestimmung haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Beruf ist eine auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage. Sportler, die den Sport zur Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage ausüben, sind demgemäß Berufssportler. Art 12 GG findet eine (teilweise) Entsprechung im österreichischen StGG 1867* und der GRC* In der EMRK werden Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten zwar nicht explizit geregelt, nach der Rsp des EGMR sind diese Rechte jedoch Bestandteil des durch Art 8 geschützten Rechts auf Privatleben.* Die Definition von Nolte ist zur Klärung von Abgrenzungsfragen daher geeignet.
Hingegen hat eine Bezeichnung als „Amateur“ keine arbeitsrechtliche Bewandtnis.* In Mannschaftssportarten, insb Fußball oder Eishockey, können Athleten auch in unteren „Amateurligen“* Berufssportler sein.*415
Innerstaatlich ist der schon oben unter Pkt 3.3. dargestellte AN-Begriff des § 4 Abs 2 ASVG iVm § 49 Abs 1 und 28 ASVG maßgeblich. Entgelt sind Geld- und Sachbezüge, auf die der pflichtversicherte DN Anspruch hat oder die er vom DG oder von einem Dritten erhält. Vom Entgeltbegriff ausgenommen sind nach obenhin beschränkte pauschale Reiseaufwandsentschädigungen, die Sportvereine (Sportverbände) leisten, sofern diese nicht den Hauptberuf und die Hauptquelle der Einnahmen bilden und Steuerfreiheit nach § 3 Abs 1 Z 16c zweiter Satz EStG 1988 zusteht.
Zu beachten ist: Liegt eine Entgeltleistung iSd § 49 Abs 1 ASVG vor, die nicht dem Abs 28 unterliegt, können schon geringfügige Leistungen des DG (zB Sachleistungen) zu einer AN-Qualifikation führen.* Demnach fallen Punkte-Prämien, Prämien für die Teilnahme am Wettspiel, Leistungsprämien, Ausstattungsgegenstände uä ohne Einschränkung unter den Entgeltbegriff und zwar unabhängig von deren Höhe. Der OGH argumentiert, die bezeichneten Prämien können schon begrifflich keinen Aufwandersatz iSd § 49 Abs 28 ASVG darstellen.
In dem für den Berufssport sehr wichtigen Bereich des Sozialrechts* verweisen die Bestimmungen der Union auf das mitgliedstaatliche Verständnis zum AN-Begriff. Die Koordinierungsverordnung* enthält in ihrem Titel I „Allgemeine Bestimmungen“ Definitionen grundlegender Begriffe zu ihrem Regelungsgegenstand. Diese Begriffe sind daher nicht durch den Rechtsanwender, sondern ausschließlich nach Art 1 der Verordnung selbst auszulegen. Von Definitionen umfasst sind ua die Begriffe „Beschäftigung“, „selbstständige Erwerbstätigkeit“ und „Versicherter“.
Der AN-Begriff ist weder eine Angelegenheit der Autonomie noch der Besonderheiten des Sports. Auftretende Fragen sind nach herkömmlichen dogmatischen Kriterien des Arbeitsrechts zu beurteilen. Definitionen nach Bestimmungen der Lex Sportiva sind nur im Innenverhältnis zwischen Sportlern, Vereinen, Verbänden und Dachverbänden maßgeblich.
Der Dualismus ist ein anachronistisches Spezifikum* des österreichischen Arbeitsrechts. Im Wesentlichen hat er historische Gründe.* Teile des Schrifttums erachten die Unterscheidung mittlerweile als nicht mehr nachvollziehbar.*
Mit der Gleichstellungsnovelle des Jahres 2017* wurde eine weitgehende Angleichung im Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§§ 8, 9 AngG; §§ 2, 5 EFZG) und der Kündigungsfristen (§ 1159 ABGB; § 20 AngG) herbeigeführt. Dennoch bestehen nach wie vor Unterschiede. Sportarbeitsrechtlich relevant bleiben die Entlassungsgründe nach § 82a GewO 1859 für Arbeiter und § 27 AngG für Angestellte. Die verbliebenen Unterschiede im Bereich der Fälligkeit der Entgeltzahlung spielen in der Praxis kaum eine Rolle.
Im Zuge der Formulierung des KollV für Fußballspieler/innen der österreichischen Fußballbundesliga* einigten sich die Kollektivvertragsparteien auf einen Musterspielervertrag. In dessen Pkt I. Z 1. werden die dem KollV unterworfenen professionellen Fußballer ausdrücklich als Arbeiter qualifiziert. Diese Qualifizierung wird sowohl für arbeitsrechtliche als auch für sozialrechtliche Fragen als maßgeblich bezeichnet.
Die über Jahrzehnte heftig geführte Diskussion über die Einreihung von Mannschaftssportlern als Arbeiter oder Angestellte hatte 1972 ihren Ausgang genommen. Tomandl/Schrammel* vertraten auf der Basis des notorischen Wissens über den Fußballsport die Ansicht, das Fußballspiel verlange keine Schulung. Die fachliche Durchdringung leiste der Trainer, nicht der Spieler. Entscheidend seien, neben den Spielregeln, körperliche Voraussetzungen. Lizenzspieler seien daher (unqualifizierte) Arbeiter. Diese Auffassung wurde vom OGH übernommen* und, soweit überblickbar, bis dato beibehalten.
Im Schrifttum entwickelten sich gegenteilige Meinungen.* Im Jahr 2010 versuchte ein Autorenkollektiv 416* anhand wissenschaftlicher Kriterien, eine empirisch und rechtsdogmatisch argumentierbare Grundlage zur Entscheidung des Streits zu schaffen.* Es gelangte zum Ergebnis, männliche Berufssportler der Mannschaftssporten Fußball und Eishockey der obersten Leistungsstufen* seien Angestellte nach dem Begriff der höheren, nicht kaufmännischen Dienste iSd § 1 Abs 1 AngG. Entscheidend für diese Beurteilung seien Ausbildungsdauer und -intensität, psychische Belastung und kognitive Anforderungen an männliche Berufssportler höchster Leistungsstufen. In der Judikatur des Höchstgerichts fand das Ergebnis bislang keinen Niederschlag. Tomandl revidierte 2012 seine 40 Jahre zuvor vertretene Meinung, auch eine Judikaturwende erscheine ihm nicht unwahrscheinlich.*
Männliche Berufssportler der obersten Leistungsstufen im Mannschaftssport sind Angestellte nach § 1 Abs 1 AngG. Ob die Aussage auf weibliche Sportler zutrifft, ist Gegenstand von Untersuchungen. Die maßgeblichen Kriterien sind der zeitliche und inhaltliche Umfang der Ausbildungsgänge, die physischen und psychischen Anforderungen im Wettbewerb und die Bedeutung der Tätigkeit für den DG. Die Bestimmungen des AngG sind nach dessen § 2 Abs 1 Z 1 ua auf Vereine jeder Art anzuwenden. Liegt die Angestellteneigenschaft vor, ändert eine vertragliche Einstufung als Arbeiter nichts an der Angestellteneigenschaft.*
Mit „Besonderheiten des Sports“ wird argumentiert, wenn es gilt, das Verhalten von Verbänden rechtskonform darzustellen. Immerhin handelt es sich um einen Begriff des europäischen Primärrechts. Behördliche Entscheidungsorgane zeigen sich oft nachhaltig beeindruckt.
Die Wortfolge besondere Merkmale des Sports entstammt Art 165 AEUV*. Dessen Abs 1, 2. Satz lautet: „Die Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion.
“
Das darf nicht losgelöst von den Kompetenzartikeln des EUV* gelesen werden. Demnach gelten nach Art 5 Abs 1, 3, 4 EUV die Grundsätze der Subsidiarität, der begrenzten Einzelermächtigung und Verhältnismäßigkeit. Nach Art 6 AEUV ist die Union – lediglich – für die Durchführung von Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten in den Bereichen […] Jugend und Sport zuständig. Dh, die Union hat im Sport keine Rechtsetzungskompetenz, sondern lediglich eine solche zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung mitgliedstaatlicher Maßnahmen. Allein deshalb können besondere Merkmale des Sports zu keiner inhaltlichen Änderung der arbeitsrechtlichen Dogmatik führen. Die Union fördert jedoch die Zusammenarbeit mit den für den Sport zuständigen internationalen Organisationen*, erlässt Fördermaßnahmen und Empfehlungen. Auf institutioneller Ebene wird ein Sportministerrat etabliert.* Mit der Wortfolge „besondere Merkmale des Sports“ wird im Wesentlichen der Autonomie der Sportorganisationen, deren hierarchischer Struktur*, der weitreichenden Regelungskompetenz im Rahmen der Lex Sportiva und der Möglichkeit der Weiterentwicklung der Sportarten Rechnung getragen.*
Auf die komplexen Probleme im Zusammenhang mit Gleichbehandlung und Antidiskriminierung können (platzbedingt) nur wenige Streiflichter geworfen werden.
Herkömmlicher Sport* orientiert sich überwiegend an Vorgaben der Olympischen Charta (OCh). Sie ist nach ihrem Selbstverständnis „die zusammenfassende Gesetzesregelung*der vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) angenommenen Grundprinzipien, Regeln und Durchführungsbestimmungen
“. Zum gegenständlichen Thema sind Regel 2 Z 6-8 (Diskriminierungs- und Dopingverbot, Frauenförderung) 417 und Regel 40 (Fairplay und Gewaltlosigkeit) einschlägig. Die internationalen und indirekt auch nationalen Verbände werden in Regel 25 zur Einhaltung verpflichtet. Daraus resultieren vier Grundprinzipien: Fairness, Chancengleichheit, Integrität und Schutz der Gesundheit. Zu deren Verwirklichung schafft die Lex Sportiva die entsprechenden Normen. Sie sorgen je nach Sportart für Einteilungen innerhalb von Disziplinen und Wettbewerben nach Geschlecht, Gewicht, Qualifikation, Größe und Alter.
Auch die Lex extra Sportiva enthält Normen mit ähnlicher Zielrichtung. Hervorzuheben sind das Europarat-Übereinkommen gegen Doping aus 1989 und die 2005 geschaffene UNESCO-Anti-Doping-Konvention.* Das österreichische Strafrecht qualifiziert die Täuschung über die Anwendung eines verbotenen Wirkstoffs […] nach der Anlage der Anti-Doping-Konvention zu Zwecken des Dopings im Sport als schweren Betrug (§ 147 Abs 1a StGB).
Testosteron ist ein männliches Sexualhormon. Die Durchschnittswerte liegen bei Frauen zwischen 0,06 und 1,68 nmol/l*, bei Männern zwischen 7,7 und 29,4 nmol/l.* Die meisten Anabolika leiten sich in der chemischen Zusammensetzung und Wirkung von Testosteron ab. Sie wirken anabol (aufbauend) und androgen (vermännlichend). Im Allgemeinen kommt es zum Aufbau von Muskelmasse, Kraft und einer Verringerung des Körperfettanteils.
Transmenschen sind Personen, die sich nicht oder nicht vollständig mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen aufgrund der biologischen äußeren Merkmale zugeordnet wird. Transmänner wurden bei der Geburt als weiblich qualifiziert, empfinden sich jedoch als Mann. Transfrauen wurden bei der Geburt als männlich qualifiziert und fühlen sich als Frau. Non-binäre Transmenschen fühlen sich weder eindeutig männlich noch weiblich. Demgegenüber haben intergeschlechtliche Menschen von Geburt an einen Körper, der nicht der medizinischen Norm von männlich oder weiblich entspricht.*
Mit Stand Dezember 2023 existieren in 15 Staaten Gesetze, die eine Änderung des Geschlechtseintrags in Personenstandsregistern per Selbstauskunft ermöglichen. Nach Argentinien 2012 folgten Chile, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay, die Schweiz, Spanien und Finnland. Der Deutsche Bundestag verabschiedete am 12.4.2024 das am 1.11.2024 in Kraft tretende Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG). In Österreich haben intersexuelle Menschen, deren biologisches Geschlecht nicht eindeutig männlich oder weiblich ist, ein Recht auf eine ihrer Geschlechtlichkeit entsprechende Eintragung im Personenstandsregister oder in Urkunden.*
Der IAAF (nunmehr World Athletics) ist der internationale Dachverband für den Leichtathletiksport und ein vom IOC anerkannter Verband. Ausgehend von der Tatsache, dass Männer gegenüber Frauen aufgrund des höheren Testosteronwerts über eine etwa 18 % größere und stärkere Muskelmasse verfügen, müssen zum Schutz von Frauen (protected class) Männer- und Frauenkategorien eingerichtet sein. Das sich aus staatlichen Personenstandsnormen ergebende behördliche Geschlecht sei ein für die sportrechtliche Zuordnung grundsätzlich geeignetes Kriterium. Ausnahmen erfordern jedoch eine Einteilung nach biologischem Geschlecht. Unter Ausnahmen fallen behördlich gesehene Frauen mit Testosteronwerten im männlichen Bereich, zumal diese die gleichen Leistungsvorteile hätten wie Männer (relevante Athletinnen). Für diese Athletinnen mit Differences of Sex Development (DSD) wurde 2017 ein Testosteron-Wert von 5 nmol/l festgelegt. Wollte eine relevante Athletin in teilnahmebeschränkten Events* in der Frauenkategorie antreten, bedurfte es über wenigstens sechs Monate eines (medikamentös gesenkten) Testosteronwerts unter 5 nmol/l. 2023 wurde der Wert auf 2,5 nmol/l gesenkt und auf alle Disziplinen ausgeweitet.*
Dagegen wandte sich die Leichtathletin Caster Semenya an den CAS*. Sie verfügt äußerlich über weibliche Geschlechtsattribute, gleichzeitig über die männlichen Geschlechtschromosome XY als Symptom des intersexuellen Befundes 5α-Reduktase-2-Mangel. Folge dessen ist ein natürlicher* Testosteronspiegel im typischen Männerbereich.
Die am 30.4.2019 ergangene E des CAS qualifizierte das IAAF-Reglement als grundsätzlich diskriminierend. Um das Ziel der Integrität der weiblichen Leichtathletik und der Aufrechterhaltung der protected class bei bestimmten Wettbewerben erreichen zu 418 können, sei das Reglement notwendig, angemessen, verhältnismäßig und im Ergebnis gerechtfertigt.
Semenya erhob gegen diese E die gem Art 77 des Bundesgesetzes über das Schweizerische Bundesgericht zulässige Beschwerde. Mit Urteil vom 25.8.2020 wurde sie abgewiesen.*Semenya rief daraufhin den EGMR an. Mit Urteil vom 11.7.2023 stellte er fest, dass Art 13* iVm Art 14 zusammen mit Art 8 der Konvention verletzt seien. Am 6.11.2023 beantragte die Schweiz gem Art 43 Abs 1 EMRK die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer. Das Ergebnis ist abzuwarten.
Die Einkünfte weiblicher Mannschaftssportler erreichen nicht annähernd jene der männlichen. Nach einem Bericht der Tageszeitung Der Standard* verdienen Frauen in der deutschen Ersten Bundesliga im Schnitt € 3.500,-, Männer zwischen € 30.000,- und € 500.000,- monatlich, Spitzenbezüge reichen bis 19 Mio € jährlich. In Österreich kann in der obersten Spielklasse der Frauen durch Einkünfte von durchschnittlich € 500,- bis € 600,- der Lebensunterhalt nicht gedeckt werden. Männer in der Admiral Bundesliga verdienen durchschnittlich über € 10.000,- monatlich. Die Angaben decken sich mit den Erfahrungen des Autors, vielfältigen Berichten im Internet und letztlich mit den von den Spielergewerkschaften* eingeholten Auskünften.
Unterschiede bestehen auch abseits der Einkünfte. Im österreichischen Frauenfußball gibt es mit durchschnittlich 668 pro Match bei der Spielgemeinschaft SCR Altach/FFC Vorderland die meisten Zuschauer. Die Vergleichszahl der bestbesuchten Männer-Mannschaft (SK Rapid Wien) beläuft sich auf 18.845. Ähnlich das Verhältnis der Eintrittspreise: Bei Rapid Wien von € 22,- bis € 48,-, bei der Spielgemeinschaft von € 3,- bis € 5,-. Eine Angleichung der Werte durch Lizenzrechte, Werbeeinnahmen und Sponsorengelder ist nicht feststellbar.
Die Ausbildung weiblicher Fußballprofis ist verglichen mit männlichen im Wesentlichen gleich, sofern sie in Akademien erfolgt. Eine Ausbildung auf Club-Ebene muss anhand der in Akademien vorgegebenen Kriterien im Einzelfall auf Gleichwertigkeit hin überprüft werden. Die Leistungserbringung im Wettbewerb ist insofern gleich, als ein Spiel nach identischen Regeln 90 Minuten dauert. Die athletische Leistung ist geschlechterbedingt nicht gleich (siehe dazu oben unter 6.3.). Die Meisterschaft der Frauen umfasst 18 Spiele, jene der Männer (inklusive Europacup-Play-off) 35. Die psychische Belastung im Spiel ist wegen der im Frauenfußball kaum vorhandenen wirtschaftlichen Dimensionen mit jener der Männer nicht vergleichbar.
Nach Art 157 Abs 1 AEUV und Art 4 der RL 2006/54/EG ist für gleiche oder gleichwertige Arbeit gleiches Entgelt zu leisten. Die innerstaatliche Umsetzung findet sich in § 3 Z 2 iVm § 12 Abs 2 GlBG. Nach § 11 GlBG dürfen betriebliche Einstufungsregelungen und kollektivvertragliche Normen zu keiner Diskriminierung führen. Mit den maßgeblichen Beurteilungskriterien setzte sich der EuGH in der Rs Kenny* auseinander. Demnach sind die Begriffe gleiche und gleichwertige Arbeit anhand einer Gesamtschau von objektiven Kriterien wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen zu prüfen. Das Wort „wie“ bringt eine demonstrative Aufzählung zum Ausdruck. Folglich können weitere, jedoch objektive Kriterien zur Beurteilung herangezogen werden.
Für die inländische Praxis sind folgende Eckpunkte zu beachten: Eine Benachteiligung auf der Basis wirtschaftlicher Gründe des Unternehmens kann gerechtfertigt sein.* Gleichwertigkeit ist nur zu bejahen, wenn die Tätigkeiten nach den vom Markt erkennbar zugrunde gelegten Bewertungskriterien als gleichwertig anzusehen sind.*
Neben diesem Kriterium ist auf die vom EuGH entwickelte Judikatur zu „ein und derselben Quelle“ zu verweisen. „Ein und dieselbe Quelle“ liegt vor, wenn die Arbeit in demselben privaten oder öffentlichen Betrieb oder Dienst verrichtet wird.* Lassen sich bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit die bei den Entgeltbedingungen festgestellten Unterschiede nicht auf ein und dieselbe Quelle zurückführen, so fehlt eine Einheit, die für die Ungleichbehandlung verantwortlich ist und die die Gleichbehandlung wiederherstellen könnte. Eine solche Situation fällt nicht unter Art 141 Abs 1 EG*. Diese Judikatur ist auch nach Inkrafttreten des AEUV aufrecht.*419
Unterschiedliche Entgeltzahlungen an Frauen und Männer können Bestand haben, wenn professioneller Frauen- und Männersport in gänzlich unterschiedlichen, voneinander unabhängigen und auch nicht von identischen Mehrheitsgesellschaftern beherrschten Betrieben organisiert wird.
Folgt die Judikatur der Auffassung, wirtschaftliche Gründe aufgrund von Zuschauerzahlen, Eintrittspreisen, Übertragungsrechten, Lizenzen etc rechtfertigen unterschiedliche Entgelte, wäre es möglich, auch innerhalb von Vereinen oder Vereinsstrukturen eine unterschiedliche Bezahlung beizubehalten. Allerdings könnte die EuGH-Judikatur zu „ein und derselben Quelle“ auch eine Angleichung erzwingen. Wird nämlich von ein und demselben Verein, wenn auch in verschiedenen Sektionen oder Betrieben, Frauen- und Männerfußball organisiert, läge „ein und dieselbe Quelle“ und damit das Gebot der Gleichbehandlung unabhängig von sektoralen Umsätzen vor. Auch hier bleibt abzuwarten, welche Variante sich in der Judikatur durchsetzt.
Freiwillige Interessenvertretungen auf AN-Seite sind seit Jahren existent. Als erste etablierte sich 1988 die Vereinigung der Fußballer (VdF)* für den Fußballsport, Vertretungen für Eishockey und Basketball folgten. 2022 verließ die VdF den ÖGB und etablierte sich als eigenständiger Verein. Am 20.4.2023 beantragte sie beim Bundeseinigungsamt die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit. Mit Bescheid vom 23.11.2023 wurde der Antrag erstinstanzlich abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 Z 2 ArbVG* seien nicht erfüllt.
Bislang existiert im Bereich des Berufssports nur der KollV für Fußballer/innen, der entgegen seiner Bezeichnung und auch entgegen der Terminologie im Anwendungsbereich (§ 1 Z 2) ausschließlich (!) für den Berufsfußball der Männer gilt! Er wurde 2008 zwischen der ÖFBL* und der Gewerkschaft Younion abgeschlossen und entfaltet seine Wirkung für (wörtlich) Spieler/Spielerinnen in den Klubs, die an den Bewerben der ÖFBL teilnehmen. Das sind gegenwärtig die Admiral Bundesliga und Admiral 2. Liga. Es sei daher an dieser Stelle nochmals festgehalten, dass der Frauenfußball nicht von der ÖFBL, sondern vom ÖFB organisiert wird und daher dem KollV nicht unterliegt. In Österreich sind derzeit 550 bis 600 Fußballprofessionals tätig. Im Eishockey liegt die Zahl der Professionals bei Männern zwischen 200 und 300. Grob gerechnet etwa 65 bis 75 % davon erreichen ein Jahresnettosalär von über € 12.000,-. Bei den Frauen beträgt die Zahl zwischen etwa 5 und 10. Diese Spielerinnen sind im Ausland engagiert. 420