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Mangelhaftes Vorbringen zu Schwerarbeitstatbeständen: Pflicht zur amtswegigen Beweisaufnahme durch Vorbringen der qualifiziert vertretenen Partei begrenzt

JohannaRachbauer
§ 1 Abs 1 Z 4 und
Abs 2 SchwerarbeitsV;

Der qualifiziert vertretene Kl begehrte die Feststellung von Schwerarbeitszeiten und die Gewährung einer Schwerarbeitspension in gesetzlicher Höhe. Dabei stützte sich der Kl ausschließlich auf das Vorbringen, dass er Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV erworben habe. Die bekl Pensionsversicherungsanstalt hatte bereits 39 Monate als Schwerarbeitszeiten gem § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV anerkannt. Das Erstgericht stellte im Zeitraum 1.11.2000 bis 31.7.2017 65 Monate als Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV und im Zeitraum 1.8.2017 bis 31.10.2020 weitere 39 Monate als Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV fest, wies das Begehren des Kl ansonsten jedoch ab.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und entschied, das erstmals in der Berufung erstattete Vorbringen des Kl, er habe im Zeitraum 2010 bis 2020 (nicht erst seit August 2017) Schwerarbeit iSd § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV erbracht, verstoße gegen das Neuerungsverbot. Der Kl erhob dagegen außerordentliche Revision und behauptete, das Berufungsgericht habe das Vorbringen und die Feststellung unberücksichtigt gelassen, dass er im maßgeblichen Zeitraum (2010 bis 2020) stets gleichartige Tätigkeiten ausgeübt habe. Außerdem habe er mit der Bekl ein Ruhen des Verfahrens vereinbart, um den Ausgang des von ihm eingeleiteten Meldeprüfungsverfahrens bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse abzuwarten. Beides hätte das Erstgericht zum Anlass nehmen müssen, amtswegig zu prüfen, ob auch schon von Jänner 2010 bis Juli 2017 Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV vorliegen.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück und verwies darauf, dass die Beurteilung, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, und auf welchen Rechtstitel ein Anspruch gestützt wird, Fragen des Einzelfalls sind. Darauf aufbauend geht auch der Beantwortung der Frage, ob eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, in ihrer Bedeutung nicht über den konkreten Fall hinaus. 405

Nach stRsp ist das Gericht gem § 87 Abs 1 ASGG zur amtswegigen Prüfung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen verpflichtet, wenn sich aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Akteninhalt Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben. Sind die Parteien schon in erster Instanz qualifiziert vertreten, wird diese Pflicht allerdings durch das Parteivorbringen begrenzt. Im Rechtsmittelverfahren gilt ausnahmslos das Neuerungsverbot.

Nach Ansicht des OGH überzeugt das Vorbringen in der außerordentlichen Revision zur Pflicht der amtswegigen Prüfung nicht. Nachdem der Kl zunächst konkrete Monate ausdrücklich als Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 4 der SchwerarbeitsV genannt hatte, brachte er unter Bezugnahme auf das erstattete berufskundliche Gutachten in der Folge vor, es seien alle Monate als Schwerarbeitsmonate iSd § 1 Abs 1 Z 4 der SchwerarbeitsV zu werten, in denen er an mindestens 15 Tagen mindestens zwölf Stunden gearbeitet habe. Zuletzt – nach Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens – gab er bekannt, auch keine weiteren Schwerarbeitsmonate bezeichnen zu können.

Wenn das Berufungsgericht angesichts dieses Vorbringens davon ausgeht, dass sich damit weder der Kl auf Tätigkeiten gem § 1 Abs 2 SchwerarbeitsV gestützt hatte, noch daraus (konkrete) Anhaltspunkte für eine amtswegige Prüfung dieser Voraussetzungen ergeben, bedarf das keiner Korrektur im Einzelfall.