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Keine Berufsunfähigkeitspension trotz Tätigkeitsschutz: Kein unzumutbarer sozialer Abstieg bei Verweisung eines Geschäftsführers auf gleichwertige leitende Tätigkeiten der zweiten Führungsebene

JohannaRachbauer

Der Kl beantragte mit Stichtag 1.4.2021 eine Berufsunfähigkeitspension. Durch die Vollendung des 60. Lebensjahres wurde mit 1.8.2023 ein neuer Stichtag für eine Berufsunfähigkeitspension aufgrund Tätigkeitsschutz gem § 273 Abs 3 iVm § 255 Abs 4 ASVG ausgelöst. In den letzten 15 Jahren war der Kl bei verschiedenen im Bereich der Beratung, Planung und Organisation im (auch internationalen) Verkehrsbereich tätigen Unternehmen überwiegend als Geschäftsführer, ansonsten als kaufmännischer Angestellter mit (denselben) Leitungs- und Managementfunktionen beschäftigt. Zuletzt war er bis 31.12.2019 bei einem lokalen Bahnunternehmen als geschäftsführender Vorstand tätig. Er hatte dabei die Aufsicht über 20 bis 22 Mitarbeiter, war für sämtliche Vorgänge im Unternehmen verantwortlich und für alle rechtlichen und kaufmännischen Agenden sowie die Personalführung und das Marketing zuständig. Die Tätigkeiten des Kl waren sowohl nach dem KollV für die Handelsangestellten (KVH) als auch nach der Dienst- und Besoldungsordnung für die Bediensteten der österreichischen Privatbahnen (DBO) der höchsten Stufe zuzuordnen (Beschäftigungsgruppe 6 bzw Dienstverwendung „Direktor“). Diese umfassen Angestellte mit umfassenden Kenntnissen und mehrjähriger praktischer Erfahrung, die eine leitende, das Unternehmen entscheidend beeinflussende Stellung einnehmen.

Da der Kl seit 1.1.2020 ohne Beschäftigung ist, ist ein „Dequalifizierungseffekt“ eingetreten, sodass seine Tätigkeit als Vorstand, Geschäftsführer und leitender Angestellter zum Stichtag 1.4.2021 nur mehr in der Beschäftigungsgruppe 5 des KVH bzw als Dienstverwendung „Abteilungsleiter I“ der DBO einzustufen ist. Das geht darauf zurück, dass seine lange 391 Absenz vom Arbeitsmarkt zu einem Ausschluss von Tätigkeiten in der ersten Führungsebene führt.

Aufgrund seines Leistungskalküls ist der Kl in der Lage, zum neuen Stichtag 1.8.2023 Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 5 nach dem KVH bzw Tätigkeiten als „Abteilungsleiter I“ der DBO zu verrichten, wobei es sich um leitende Tätigkeiten in der zweiten Führungsebene im kaufmännischen Bereich handelt.

Die Vorinstanzen gaben der Klage für die Zeit von 1.4. bis 31.12.2021 statt und wiesen das darüber hinausgehende Begehren ab.

Der OGH entschied, dass die dagegen erhobene außerordentliche Revision nicht zulässig ist, da die Frage, ob eine Verweisungstätigkeit eine „zumutbare Änderung“ der iSd Tätigkeitsschutzes nach § 273 Abs 3 iVm § 255 Abs 4 ASVG maßgebenden „einen“ Tätigkeit darstellt, grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist.

Der OGH verweist in seiner rechtlichen Beurteilung auf die stRsp zum Verweisungsfeld beim Tätigkeitsschutz: Dieser stellt nicht auf die Anforderungen an einen bestimmten Arbeitsplatz, sondern auf die „Tätigkeit“ mit dem am allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt ab. Eine Verweisung iSd § 255 Abs 4 ASVG ist dann zumutbar, wenn die Verweisungstätigkeit bereits bisher als eine Teiltätigkeit ausgeübt wurde, damit keine gravierende Lohneinbuße verbunden ist und das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich ist. Bei qualifizierten Angestellten ist maßgeblich, ob bei der ausgeübten Tätigkeit und der Verweisungstätigkeit die anzuwendenden Berufskenntnisse, das Maß an Verantwortung, Kontakte mit anderen (Kunden, Mitarbeitern etc), Führungsaufgaben sowie die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit in der Arbeitsverrichtung ähnlich sind, was iS von „vergleichbar“ oder „funktionell gleichartig“ zu verstehen ist. Gewisse Einbußen an sozialem Prestige und – auch bedingt durch die etwaige um eine Stufe niedrigere kollektivvertragliche Einstufung – an Entlohnung müssen jedoch hingenommen werden.

Auf den vorliegenden Sachverhalt bezogen urteilt der OGH, die Bejahung der Verweisbarkeit des Kl auf eine leitende Tätigkeit der zweiten Führungsebene durch das Berufungsgericht halte sich in dem von der Rsp vorgegebenen Rahmen. Das Berufungsgericht hat zu Recht betont, dass der Kl zuletzt als Alleinvorstand tätig und dabei für alle rechtlichen und kaufmännischen Agenden, für die Personalführung und das Marketing zuständig war. Wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, dass es sich dabei um den primären Aufgabenbereich des Kl und nicht bloß um Teiltätigkeiten mit nur untergeordneter Bedeutung gehandelt habe, entspricht das seinem Vorbringen. Warum es sich dabei nicht um die – abstrakt gesehen – typischen (Kern-)Aufgaben der Unternehmensführung handeln sollte, klärt der Kl nicht auf.

Die Feststellungen lassen auch die Beurteilung zu, dass die möglichen Verweisungstätigkeiten im Vergleich zur bisherigen Tätigkeit des Kl keine deutlich untergeordneten (Teil-)Tätigkeiten der bisherigen Tätigkeit darstellen, sondern Aufgaben umfassen, die von ihm auch bisher maßgeblich zu verrichten waren (insb Personalwesen, Marketing). Die der zweiten Führungsebene zuzuordnenden Verweisungstätigkeiten sind zudem nicht nur nach Vorgaben zu verrichten, sondern durch Verantwortung und selbständiges Arbeiten gekennzeichnet. Dass mit diesen (Anm: Verweisungstätigkeiten) Einschränkungen an Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit einhergehen, muss der Kl akzeptieren. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Stellung als Vorstand einer Lokalbahn mit 22 Mitarbeitern in der Öffentlichkeit ein wesentlich höheres Ansehen genießt, als die in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten.

Im Verweisungsfeld von Angestellten liegen alle Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie gleichwertige – nicht gleiche – Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen. Innerhalb dieses Bereichs scheiden lediglich Verweisungen aus, die einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeuten würden. Auch ein Geschäftsführer kann daher nicht nur auf eine andere Geschäftsführertätigkeit, sondern (berufsschutzerhaltend) auch eine gleichwertige Tätigkeit im Rahmen seiner Berufsgruppe verwiesen werden. Dass es dabei auf den sozialen Wert zum Stichtag ankommt, hat der Kl schon in der Berufung nicht bestritten. Über die Prüfung einer möglichen Lohneinbuße muss nicht entschieden werden, weil die Einstufung der bisherigen Tätigkeit des Kl zum (neuen) Stichtag jener der Verweisungstätigkeiten entspricht.