170Bewertung einer Mitarbeiterbeteiligung als Voraussetzung für Beitragspflicht
Bewertung einer Mitarbeiterbeteiligung als Voraussetzung für Beitragspflicht
Die revisionswerbende Partei hat ihren DN stille Beteiligungen an ihrem im Bereich Anlagenbau für die Zement- und Mineralienindustrie tätigen Unternehmen ermöglicht. Mit den in Frage kommenden DN wurden jährlich im Dezember Verträge über die Errichtung einer echten stillen Gesellschaft abgeschlossen. Die Kapitaleinlage der stillen Beteiligung betrug für jeden Beteiligten € 1.460,- jährlich und wurde von der revisionswerbenden Partei zur Gänze unentgeltlich eingeräumt. In den Verträgen war jeweils eine Gewinnbeteiligung in Form eines jährlich auszuzahlenden Anteils am Jahresgewinn des Unternehmens der revisionswerbenden Partei vorgesehen. Der Gewinnanteil wurde in jedem Vertrag mit einem bestimmten Prozentsatz des Jahresgewinns festgelegt, und zwar zwischen 0,1 % und 1 %. Dieser Prozentsatz setzte sich aus einem Basisanteil und einem sogenannten „Agio-Grundlagenanteil“ zusammen. Bei Letzterem handelte es sich um Aufschläge, die aufgrund diverser Kriterien wie Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (Verkauf, Verfahrenstechnik, Konstruktion, Abwicklung, alle) und/oder Bestehen eines gewissen Ausbildungsstandes (abgeschlossenes Studium etc) gewährt wurden. Die tatsächlich als Gewinnanteil ausbezahlten Beträge ergaben in den Jahren 2009 bis 2013 – bezogen auf die Kapitaleinlagen – für die einzelnen DN durchschnittliche Renditen zwischen 97,94 % und 297,66 %.
Mit Bescheid vom 22.12.2016 verpflichtete die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (nunmehr: ÖGK) die revisionswerbende Partei, Sozialversicherungsbeiträge, 383 Nebenumlagen und Zuschläge für die Jahre 2010 bis 2013 von insgesamt € 69.885,09 nachzuentrichten. Im Zuge der Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben sei eine durchschnittliche Rendite in Höhe von 12 % auf das eingebrachte Kapital als angemessen betrachtet worden. Deshalb sei bei der Nachverrechnung für jeden DN 12 % des insgesamt eingebrachten Kapitals „in Abzug gebracht“ worden. Der übersteigende Teil der Gewinnausschüttungen sei als beitragspflichtige Sonderzahlung zu behandeln; dafür seien Beiträge bis zur jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage nachzuverrechnen. Für die Annahme, dass die Gewinnbeteiligungen als Gegenleistung für die erbrachten Arbeitsleistungen im Rahmen der Dienstverhältnisse erbracht worden und damit als Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG anzusehen seien, spreche die unterschiedliche Höhe der Gewinnbeteiligung für dieselbe Einlage. Die Höhe der Gewinnbeteiligungen habe sich nach Kriterien gerichtet, deren Wurzeln eindeutig im Dienstverhältnis lägen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass das „Vertragskonzept zur Umgehung der gesetzlich festgelegten Beitragsverpflichtung von den den DN zu gewährenden Entgeltteilen gewählt“ worden sei. Da es sich bei den ausbezahlten Gewinnbeteiligungen aus der echt stillen Beteiligung in wirtschaftlicher Betrachtungsweise und nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt um Gegenleistungen für erbrachte Arbeitsleistungen im Rahmen des Dienstverhältnisses handle, seien diese als beitragspflichtiges Entgelt gem § 49 ASVG zu qualifizieren.
Dagegen erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde. Die Gewinnanteile seien – mit Ausnahme zweier DN – in voller Höhe als angemessen anzusehen und die Umqualifizierung in Gehaltsbestandteile daher rechtswidrig. Die hohen Gewinnanteile seien infolge einer außerordentlichen und nicht erwartbaren positiven Entwicklung des Geschäftsganges bei einem risikoreichen Auftrag in Venezuela entsprechend hoch ausgefallen. Das BVwG wies die Beschwerde der revisionswerbenden Partei mit einem Verweis auf § 49 Abs 3 Z 18 lit c ASVG iVm § 3 Abs 1 Z 15 lit b EStG 1988 als unbegründet ab und erklärte die Revision gem Art 133 Abs 4 B-VG für nicht zulässig.
Gegen dieses E erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den VfGH, der deren Behandlung mangels verfassungsrechtlicher Relevanz mit Beschluss ablehnte und sie dem VwGH zur Entscheidung abtrat. Der VwGH entschied, dass die außerordentliche Revision zulässig und auch berechtigt ist. Er hielt Folgendes fest:
Das BVwG ging im angefochtenen Erkenntnis und im Unterschied zum Bescheid der ÖGK in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, dass während des „Prüfzeitraumes“ an alle DN der revisionswerbenden Partei, mit denen Verträge zur Einräumung stiller Beteiligungen (Gewinnbeteiligungen) abgeschlossen worden seien, aus diesem Titel Geldbeträge von jeweils (gemeint wohl: jährlich) mehr als € 1.460,- ausgeschüttet worden seien. Nach § 49 Abs 3 Z 18 lit c ASVG – so die vom BVwG vorgenommene rechtliche Würdigung – gelte der Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Abgabe von Beteiligungen am Unternehmen des DG nicht als (sozialversicherungsrechtlich relevantes) Entgelt, wenn er nach § 3 Abs 1 Z 15 lit b EStG 1988 einkommensteuerbefreit sei. Die genannte Bestimmung des EStG 1988 in der fallbezogen anzuwendenden Fassung normiere eine Wertgrenze von € 1.460,-. Die gewährten Vorteile seien daher gem § 3 Abs 1 Z 15 lit b EStG 1988 nicht von der Einkommensteuer befreit gewesen. Das habe zur Folge, dass die zur Auszahlung gelangten Gewinnausschüttungen (gemeint wohl: soweit sie diese Wertgrenze übersteigen) nicht vom Ausnahmetatbestand des § 49 Abs 3 Z 18 lit c ASVG erfasst seien und damit (gemeint wohl: insoweit) als Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG zu gelten hätten. Das BVwG legte jedoch die Einkommensteuerbefreiung für den „Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Abgabe von Kapitalanteilen (Beteiligungen) am Unternehmen des Arbeitgebers [...] bis zu einem Betrag von 1.460 Euro jährlich
“ gem § 3 Abs 1 Z 15 lit b EStG 1988 inhaltlich rechtswidrig aus:
Die von dieser Bestimmung vorgesehene Begrenzung mit dem Betrag von € 1.460,- bezieht sich nicht auf die Höhe der Ausschüttungen aus Mitarbeiterbeteiligungen (sodass nur Gewinnausschüttungen bis zu dieser Höhe pro Mitarbeiter bzw Mitarbeiterin und Jahr einkommensteuerbefreit wären), sondern auf den Wert der (jährlich) einem Mitarbeiter bzw einer Mitarbeiterin eingeräumten Beteiligung selbst. Die Beurteilung, ob der Vorteil aus der (hier: unentgeltlichen) Abgabe einer Mitarbeiterbeteiligung den Betrag von jährlich (für den hier betroffenen Zeitraum) € 1.460,- je DN übersteigt, erfordert also zunächst die Bewertung der Mitarbeiterbeteiligung. Die Bewertung des geldwerten Vorteils hat iSd § 15 Abs 2 EStG 1988 in der während des hier maßgeblichen Zeitraumes geltenden Fassung mit den üblichen Mittelpreisen einer solchen Mitarbeiterbeteiligung am Verbrauchsort zu erfolgen (gemeiner Wert); bei an einer Börse notierten Beteiligungen, etwa Aktien oder Partizipationsscheinen, sei das der Börsenkurs am Tag der Übertragung der Beteiligung. Im vorliegenden Fall wird in die somit gebotene Ermittlung des gemeinen Wertes jeder einzelnen stillen Beteiligung zum Zeitpunkt ihrer Einräumung die jeweils in ganz unterschiedlichem Ausmaß (nämlich zwischen 0,1 % und 1 %) eingeräumte Beteiligung am Jahresgewinn einzufließen haben. Soweit der gemeine Wert jeder Beteiligung im Zeitpunkt ihrer Einräumung den Betrag von € 1.460,- überschritt, fällt er nicht unter die Ausnahmeregelung des § 49 Abs 3 Z 18 lit c ASVG iVm § 3 Abs 1 Z 15 lit b EStG 1988 und stellt daher sozialversicherungsbeitragspflichtiges Entgelt dar.
Da das BVwG somit wie dargelegt die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 384