163Verjährung nicht konsumierbaren Urlaubs bei Vertragsbediensteten
Verjährung nicht konsumierbaren Urlaubs bei Vertragsbediensteten
Der Kl ist bei der Bekl seit 2003 als Vertragsbediensteter beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis kommt die Vertragsbedienstetenordnung 2005 der Stadt Linz (VBO Linz; VBO) zur Anwendung. Nachdem der Kl zum Verbrauch der offenen Urlaubsstunden aus dem Jahr 2020 aufgefordert und über den allfälligen Verfall bei Nichtverbrauch informiert worden war, traf er mit der Bekl eine Urlaubsvereinbarung für den Zeitraum 14.11.2022 bis 30.12.2022. Diesen Urlaub konnte er aufgrund eines Krankenstands weder antreten noch verbrauchen.
Mit seiner Klage begehrt der Kl die Feststellung, dass ihm im Klagszeitpunkt über das von der Bekl zugestandene Ausmaß hinaus ein weiterer nicht verbrauchter und nicht verjährter Urlaubsrest aus dem Urlaubsjahr 2020 zustehe. Sein Urlaubsanspruch aus dem Urlaubsjahr 2020 sei (auch aus unionsrechtlicher Sicht) nicht verfallen, weil er diesen Urlaub krankheitsbedingt nicht konsumieren habe können.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das hier maßgebliche Oö StGBG, auf das die VBO verweise, sei planwidrig unvollständig, weil bei krankheitsbedingter Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs zwar ein Anspruch auf Urlaubsersatzleistung nach § 76a Oö StGBG bestehe, der Verfall des Urlaubs nach § 77 Oö StGBG aber nicht gehemmt werde. Diese Lücke sei iSd § 4 Abs 5 UrlG durch die Annahme einer aus den Bestimmungen der §§ 1494 ff ABGB ableitbaren Hemmung der Verjährungsfrist zu schließen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Eine ungewollte Regelungslücke liege nicht vor, weil der Landesgesetzgeber in Kenntnis der Möglichkeit des Zusammentreffens von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit bewusst keine Regelung über die Hemmung der Verjährung des Erholungsurlaubs im Falle von Krankheit getroffen habe.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil eine Rsp zur Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen nach § 77 Oö StGBG bei Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs wegen Krankheit fehle.
Der OGH erachtete die Revision des Kl für zulässig und berechtigt, stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her und führte aus:
Gem § 19 Abs 3 VBO gelten ua für den Verfall des Erholungsurlaubs die einschlägigen Vorschriften für die Beamten der Stadt Linz sinngemäß. Die VBO enthält keine spezifischen Verjährungsvorschriften. Die einschlägigen Vorschriften für die Beamten der Stadt Linz finden sich im Oö StGBG. § 77 Abs 1 Oö StGBG enthält Bestimmungen über den Verfall des Erholungsurlaubs. Nach dessen Abs 1 verfällt die Hälfte des noch nicht verbrauchten Urlaubsanspruchs nach Ablauf von zwei Jahren, der Rest nach Ablauf von drei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Nach Abs 1a leg cit hat im Fall eines drohenden Urlaubsverfalls durch den DG rechtzeitig und nachweislich ein entsprechender Hinweis zu erfolgen. Hat die Beamtin eine Karenz nach (Oö) MSchG oder der Beamte eine Karenz nach (Oö) VKG in Anspruch genommen, so wird der Verfallstermin um den Zeitraum der Karenz hinausgeschoben (Abs 2 leg cit). Eine Hemmung der Verfallsfrist im Fall der Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs aufgrund einer Erkrankung ist dem Wortlaut des Oö StGBG nicht zu entnehmen.
§ 2 Abs 2 Oö StGBG ordnet die sinngemäße Anwendung ua des Oö Landes-Gehaltsgesetzes (Oö LGG) an, soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist. § 13b Oö LGG enthält allgemeine Bestimmungen über die Verjährung von Ansprüchen auf Leistungen und erklärt in Abs 4 die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung mit der Maßgabe für anwendbar, dass die Geltendmachung eines Anspruchs im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist.
Gem § 4 Abs 5 UrlG verjährt der Urlaubsanspruch nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Diese Frist verlängert sich bei Inanspruchnahme einer Karenz gemäß dem VKG oder dem MSchG um den Zeitraum der Karenz. Kann ein AN infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub nicht verbrauchen, dann ist nach der Rsp die Verjährung des Urlaubsanspruchs nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB (§§ 1494 ff) seit Beginn des Krankenstands gehemmt, kann doch ein erkrankter AN seinen Urlaub gar nicht antreten.
Eine analoge Anwendung der Hemmungsvorschriften des ABGB setzt eine regelwidrige Gesetzeslücke voraus. Es muss also eine „planwidrige Unvollständigkeit“, 374 dh eine nicht gewollte Lücke, vorliegen. Wurde vom Gesetzgeber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet, so fehlt es an einer Gesetzeslücke und daher auch an der Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung.
Wie der Tiroler Landesgesetzgeber in § 50 Abs 4 Tiroler L-VBG bestimmt auch der oberösterreichische Landesgesetzgeber durch Verweis auf § 13b Oö LGG (§ 2 Abs 2 Oö StGBG) ausdrücklich die Geltung jener Bestimmungen des ABGB, die sich auf die Hemmung und Verjährung der Unterbrechung beziehen. Da die VBO keine eigenständige Regelung darüber enthält, ob und gegebenenfalls welche Hemmungs- und Unterbrechungsgründe auf die Verfallsbestimmungen anzuwenden sind, sondern ausschließlich für bestimmte Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung getroffen hat, liegt insofern eine planwidrige Unvollständigkeit vor, weil Frage der Hemmung der Verjährung eines vereinbarten Erholungsurlaubs, den der Vertragsbedienstete wegen einer Erkrankung nicht antreten konnte, ungeregelt ist. Es können aber die vom oberösterreichischen Landesgesetzgeber ausdrücklich als beachtlich angesehenen Bestimmungen der §§ 1494 ff ABGB zur Lückenfüllung für die Frage herangezogen werden, ob und welche Hemmungs- bzw Unterbrechungsgründe für Präklusivfristen gelten.
Die analoge Anwendbarkeit der Hemmungsvorschriften des ABGB auf die Dienstverhältnisse der Vertragsbediensteten nach der Vertragsbedienstetenordnung 2005 der Stadt Linz hat zur Folge, dass der Verfall des Urlaubsanspruchs seit Beginn des Krankenstands gehemmt ist, wenn der Vertragsbedienstete seinen Urlaub infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht antreten und verbrauchen konnte.