159

Jubiläumsgeld: Zeitraum einer Kündigungsentschädigung für Betriebszugehörigkeit nicht zu berücksichtigen

MargitMader
Pkt V, Pkt XV sowie Pkt XVIIIa des KollV der eisen- und metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie

Der Kl war seit 5.12.2017 bei der zur S*-Gruppe gehörenden S* GmbH beschäftigt. Am 9.12.2021 wurde über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet. Am 27.12.2021 trat der AN gem § 25 IO aus dem Arbeitsverhältnis aus. Er hatte davor bereits über mehrere Jahrzehnte für verschiedene Gesellschaften der Unternehmensgruppe gearbeitet. Vom 9.11. bis 4.12.2017 und vom 22.12.2017 bis 7.1.2018 war er bei keiner Gesellschaft der Gruppe beschäftigt gewesen. Aufgrund einer vorherigen Beschäftigung bei einer Gesellschaft der Gruppe hatte er aber für den Zeitraum 9.11.2017 bis 31.5.2018 (und damit auch für jene beiden Zeiträume, während derer er nicht bei der Unternehmensgruppe beschäftigt gewesen war) eine Kündigungsentschädigung erhalten. Unstrittig ist, dass die Zeiten der Beschäftigung des Kl bei den verschiedenen Gesellschaften der S*-Gruppe zusammenzurechnen sind. Bei Nichtberücksichtigung 368 der „beschäftigungslosen“ Zeiten des Kl errechnet sich eine 35-jährige Betriebszugehörigkeit des Kl zur Unternehmensgruppe erst im Mai 2021. Berücksichtigt man diese Zeiten hätte er bereits im April 2021 sein 35-jähriges Dienstjubiläum gehabt.

Nach Pkt XVIIIa des anzuwendenden KollV der eisen- und metallerzeugenden und -verarbeitenden Industrie gebühren „nach einer ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses […] zum 35-jährigen Dienstjubiläum 2 Monatslöhne […] als Jubiläumsgeld“. Der mit „Betriebszugehörigkeit“ überschriebene Pkt V des KollV normiert in seinem Abs 1, dass „für alle Ansprüche des Arbeitnehmers bzw der Arbeitnehmerin, die von der ununterbrochenen Dauer eines Arbeitsverhältnisses abhängen, [...] die Dienstzeiten in Betrieben des gleichen Unternehmens, die ab 1. Juli 1988 nicht länger als 90 Tage, vor diesem Zeitpunkt nicht länger als 60 Tage unterbrochen wurden, zusammenzurechnen sind“. Der mit „Fälligkeit“ überschriebene Pkt XV.4 des KollV bestimmt, dass die „Zahlung des Monatslohnes, des Vorarbeiter/innen-Zuschlages und aller pauschalierten Ansprüche (insbes. auch gem. Abschnitt VI/Pkt. 4) […] spätestens am Letzten des laufenden Monats zu erfolgen hat“ (Satz 1) und dass „Überstunden, Mehrarbeit, Zulagen und Zuschläge sowie Aufwandsentschädigungen, Wegzeiten, Prämien udgl. […] nach den tatsächlich erbrachten Leistungen bis zum Letzten des Folgemonats auszuzahlen sind“ (Satz 2).

Der Kl beantragte Insolvenz-Entgelt für das ihm zustehende Jubiläumsgeld im Ausmaß von zwei Monatslöhnen. Sein 35-jähriges Dienstjubiläum habe sich erst im Mai 2021 ereignet. Das Jubiläumsgeld stelle eine Prämie dar. Der diesbezügliche Anspruch sei nach dem KollV erst am Ende des Folgemonats, sohin am 30.6.2021, fällig geworden. Damit falle sein Jubiläumsgeldanspruch in den – vom IESG gesicherten – sechsmonatigen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung.

Die Bekl wies den Antrag ab. Beim Jubiläumsgeld handle es sich nicht um Prämie iS von Pkt XV.4 Satz 2 des KollV. Damit sei das Jubiläumsgeld des Kl nicht vom IESG geschützt. Selbst wenn man das 35-jährige Dienstjubiläum erst im Mai ansetzen wollte, wäre es mangels Anwendbarkeit von Pkt XV.4 Satz 2 des KollV bereits Ende Mai und damit mehr als sechs Monate vor Insolvenzeröffnung und somit außerhalb des geschützten sechsmonatigen Zeitraums vor Insolvenzeröffnung fällig geworden. Die Vorinstanzen gaben der dagegen gerichteten Klage statt. Auch der OGH wies die Revision der Bekl ab.

Nach § 3a Abs 1 Satz 1 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt für das dem AN gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1 IESG) oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden ist. Jubiläumsgelder sind nach der Rsp als Teil des laufenden Entgelts iSd § 3a IESG zu betrachten. Fraglich ist daher, wann der Anspruch auf das Jubiläumsgeld entstanden ist und wann er fällig wurde.

Jubiläumsgelder gelten die Betriebstreue nach mehrjähriger Betriebszugehörigkeit ab. Dem entspricht auch der vorliegende KollV, indem er an die „Dauer des Arbeitsverhältnisses“ anknüpft und für dessen Berechnung in Pkt V auf die „Betriebszugehörigkeit“ abstellt.

Hat ein AN Anspruch auf Kündigungsentschädigung, wird er im Wege des Schadenersatzes zwar so behandelt, als ob er ordnungsgemäß gekündigt und bis zum ordnungsgemäßen Ende seines Arbeitsverhältnisses beschäftigt gewesen wäre. Dies ändert aber nichts daran, dass er im Zeitraum zwischen dem nicht ordnungsgemäßen (und damit den Anspruch auf Kündigungsentschädigung auslösenden) Ende seines Dienstverhältnisses und jenem Zeitpunkt, in dem dieses ordnungsgemäß beendet worden wäre, gerade nicht betriebszugehörig war, weil sein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestand. Würde der AN erst während des Zeitraums, für den er Kündigungsentschädigung erhält, das Dienstjubiläum erreichen, würde der Anspruch auf das Jubiläumsgeld – weil das Arbeitsverhältnis nicht lange genug bestanden hätte – nicht auf Grundlage des KollV entstehen. Der entgangene Anspruch würde dem AN bloß im Rahmen der Kündigungsentschädigung ersetzt werden.

Auch im vorliegenden Fall, in dem das Dienstjubiläum erst nach der bloßen Kündigungsentschädigungszeit (konkret: 9.11. bis 4.12.2017 und 22.12.2017 bis 7.1.2018) erreicht wurde, kann diese nicht berücksichtigt werden, weil währenddessen gerade kein Arbeitsverhältnis bestand. Die Zeiten, in denen der Kl in keinem Beschäftigungsverhältnis mit einem Unternehmen der S*-Gruppe stand, sind demnach ungeachtet des Umstands, dass er für sie eine Kündigungsentschädigung erhielt, bei der Berechnung seiner 35-jährigen Betriebszugehörigkeit nicht zu berücksichtigen. Bei Jubiläumsgeldern handelt es sich um besondere Treueprämien. Da die Kollektivvertragsparteien bei der Regelung der Fälligkeit die Jubiläumsgelder nicht explizit anführten, ist davon auszugehen, dass sie sie als vom Begriff „Prämie“ in Pkt XV.4 Satz 2 des KollV miterfasst betrachteten. Der Anspruch des Kl auf das Jubiläumsgeld ist somit erst im Mai 2021 entstanden.

Damit erweist sich der Rechtsstandpunkt des Kl als zutreffend. Der Revision der Bekl war der Erfolg zu versagen. 369