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DO.A: Keine Umreihung in Gehaltsstufe G mangels dauerhafter Übertragung einer bestimmten und eigenverantwortlichen Vertretungsbefugnis

ChristosKariotis

Der Kl ist bei der Bekl bzw deren Rechtsvorgängerin seit 1.1.2016 als Assistent der Geschäftsleitung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt die Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) zur Anwendung. Der Kl war ab 1.1.2018 in der Gehaltsgruppe F, Dienstklasse I, seit dem 1.11.2021 ist er in der Gehaltsgruppe F, Dienstklasse II, eingereiht und bezieht eine Funktionszulage in der Höhe von 20 %.

Dem Kl wurde am 8.7.2016 gem § 5 Abs 6 der Satzung der (Rechtsvorgängerin der) Bekl eine Vertretungsbefugnis vom leitenden Angestellten Dr. P* mit Zustimmung des Präsidenten ausgestellt, wonach er mit Wirkung ab 25.7.2016 gegen jederzeitigen schriftlichen Widerruf für die Dauer der vorübergehenden Abwesenheit oder Verhinderung des leitenden Angestellten ermächtigt wurde, die diesem delegierten laufenden Angelegenheiten des Bürobetriebs in dessen Namen zu erledigen sowie Schreiben im Namen der Bekl zu unterfertigen und Banktransaktionen durchzuführen, soweit all dies zur Aufrechterhaltung des Bürobetriebs notwendig war und diese Angelegenheiten keinen unnötigen Aufschub duldeten.

Einen Beschluss des Vorstands gab es für diese Vertretungsbefugnis nicht. Der Kl machte tatsächlich Gebrauch von der Vertretungsbefugnis und erledigte Arbeiten des leitenden Angestellten in Fällen von dessen Abwesenheit oder Verhinderung. Diese Vollmacht wurde am 6.12.2022 mit sofortiger Wirkung widerrufen.

Der Kl begehrte nun Gehaltsdifferenzen zur Gehaltsstufe G, Dienstklasse I, für die Monate 11/2019 bis 12/2022. In Gehaltsgruppe G, Dienstklasse I, sind gem § 37g DO.A in der für den vorliegenden Fall geltenden Fassung (Fassung für den Zeitraum Juli 2016 bis 31.7.2019) der leitende Angestellte einer Landesstelle und dessen bestellter ständiger Stellvertreter (Z 1) sowie Angestellte einzureihen, denen, ohne zum ständigen Stellvertreter des leitenden Angestellten bestellt zu sein, vom Vorstand die Befugnis erteilt wurde, den leitenden Angestellten in bestimmten Angelegenheiten zu vertreten. In Gehaltsgruppe G, Dienstklasse II, sind gem § 37h DO.A der leitende Angestellte des Versicherungsträgers (Z 1) sowie bestellte ständige Stellvertreter des leitenden Angestellten (Z 2) einzureihen. Der Kl geht davon aus, er wäre in diese Gehaltsstufe einzureihen gewesen, weil er typische Tätigkeiten des Stellvertreters des leitenden Angestellten übernommen habe.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, weil § 37g Z 2 DO.A voraussetzt, dass die Befugnis zur Vertretung des leitenden Angestellten durch den Vorstand erteilt werden muss und im Übrigen sprächen auch die eingeschränkten Befugnisse dafür, dass es sich hier um keinen dauernden und regelmäßigen Arbeitsinhalt des Kl gehandelt habe.

Der OGH hat der Revision des Kl nicht Folge gegeben und hielt fest, dass der normative Teil eines KollV nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB auszulegen ist. Den Kollektivvertragsparteien kann grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechend praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, die einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen soll. Von den Kollektivvertragsparteien verfasste und kundgemachte Anmerkungen zu Bestimmungen sind als authentische Interpretation anzusehen (RS0010088 [T43]). Die Erläuterungen zur DO.A stellen eine solche authentische Interpretation der Bestimmungen der DO.A durch die Kollektivvertragsparteien dar (RS0054448).

Die DO.A samt Erläuterungen legt als KollV und Einstufungsnorm die ausschließlichen, keine Analogieschlüsse erlaubenden, Voraussetzungen für die Einstufung in eine bestimmte Gehaltsgruppe fest (RS0054613 [T4]).

Nach § 36 Abs 2 DO.A ist die Einreihung aufgrund der in den §§ 37 bis 39 angeführten Tätigkeitsmerkmale davon abhängig, dass der jeweils dargestellte Aufgabenbereich dauernd Arbeitsinhalt der betreffenden Tätigkeit ist; bei Überlagerung von Tätigkeiten aus verschiedenen Aufgabenbereichen ist der Angestellte nach der höherwertigen Tätigkeit einzureihen, wenn sich diese in einem erheblichen Ausmaß und regelmäßig wiederholt. „Dauer“ iSv § 36 DO.A bedeutet nach den Erläuterungen ein beharrendes Gleichbleiben eines Arbeitsinhalts im Zeitablauf, also eine fortwährende Tätigkeit. Eine nur vorübergehend ausgeübte Tätigkeit kann daher als 354 Grundlage für die Einreihung nicht herangezogen werden. Eine vorübergehende Verwendung iS dieser Bestimmung ist nach den Erläuterungen in der Regel dann gegeben, wenn sie auf einen von vornherein bestimmten, kürzeren Zeitraum beschränkt ist und eindeutig klargestellt wird, dass die Übertragung dieser Tätigkeit nicht endgültig ist.

Dementsprechend muss das die höhere Einstufung rechtfertigende Tätigkeitsmerkmal ein dauernder und regelmäßiger Arbeitsinhalt sein. Der Grundsatz des § 36 Abs 2 letzter Halbsatz DO.A, dass der Angestellte bei Überlagerung von Tätigkeiten aus verschiedenen Aufgabenbereichen (nur) dann nach der höherwertigen Tätigkeit einzureihen ist, wenn sich diese „in einem erheblichen Ausmaß und regelmäßig wiederholt“, gilt sinngemäß auch dort, wo die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit dann eine höhere Einstufung rechtfertigt, wenn dem betreffenden Angestellten ein zusätzlicher Aufgabenbereich übertragen ist. Erheblich ist keine „überwiegende“, sondern eine im Verhältnis zu den sonstigen Agenden ins Gewicht fallende Tätigkeit des betreffenden Angestellten.

Die Grenze zwischen einer „dauernden“ und einer bloß „vorübergehenden“ Verwendung kann nicht allein nach dem zeitlichen Ausmaß einer solchen Tätigkeit gezogen werden (RS0055031). Relevantes Abgrenzungsmerkmal zwischen einer längeren „vorübergehenden“ Verwendung iSv § 50 Abs 1 DO.A und einer längeren „dauernden“ Verwendung iSv § 36 Abs 2 DO.A ist eine bereits im Zeitpunkt der Übertragung der Aufgaben getroffene, klar definierte Vereinbarung, dass die Verwendung durch Zeitablauf ohne weitere Willenserklärung aufgehoben wird (OGH 28.4.2014, 8 ObA 53/13x Pkt. 3.).

Nach den Erläuterungen zu den §§ 37a bis 37j setzt die Einreihung eines Angestellten als „Leiter einer Organisationseinheit“ voraus, dass eine solche Organisationseinheit im Dienstpostenplan vorgesehen ist; sie bedarf darüber hinaus eines konstitutiven Akts der Bestellung. Dies gilt sinngemäß auch für die Stellvertreter der Leiter von Organisationseinheiten.

Bereits die Überschrift des § 37g DO.A („Bereichsleitender Dienst“) weist darauf hin, dass nach dieser Vorschrift Personen einzustufen sind, denen die eigenverantwortliche Leitung eines Bereichs, also eines über eine bloße Organisationseinheit iSd § 37f DO.A hinausgehenden Teils des Versicherungsträgers, übertragen wurde. Dementsprechend sind davon gem § 37g Z 1 DO.A in der bis 31.7.2019 geltenden Fassung die leitenden Angestellten einer Landesstelle (grundsätzlich samt deren ständigen Stellvertreter) erfasst. In diesem Fall ist der eigenständig geleitete Bereich daher örtlich abgegrenzt.

Dagegen stellt § 37g Z 2 DO.A auf die Übertragung bestimmter Angelegenheiten ab, die in Vertretung des leitenden Angestellten des Versicherungsträgers zu erledigen sind. Auch hier geht es um die dauerhafte (§ 36 Abs 2 DO.A) Übertragung der eigenständigen Leitung eines Bereichs des Versicherungsträgers, der diesfalls im Allgemeinen nicht örtlich, sondern fachlich abgegrenzt ist. Dementsprechend sind nach § 37g Z 4 und 5 DO.A in der ab 1.8.2019 geltenden Fassung die Leiter bestimmter Fachbereiche der Österreichischen Gesundheitskasse und deren Expertisezentren in derselben Gehaltsgruppe einzustufen.

Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Grundsatz, dass die Einreihungsbestimmungen ein leistungsbezogenes Gehaltsschema für die Bediensteten des Sozialversicherungsträgers sein sollen (RS0054854). Es ist demnach davon auszugehen, dass im bereichsleitenden Dienst nach § 37g DO.A Bedienstete einzureihen sind, denen ein grundsätzlich vergleichbarer Verantwortungsbereich zugeordnet ist.

Die dem Kl übertragene Vertretung des leitenden Angestellten im Falle dessen vorübergehender Abwesenheit oder Verhinderung war nicht auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt, betraf aber nur solche, die zur Aufrechterhaltung des Bürobetriebs notwendig waren und überdies keinen unnötigen Aufschub duldeten. Sie war zeitlich jeweils auf den Vertretungsfall begrenzt und insofern nur vorübergehend. Die Vertretungsbefugnis wurde ihm zwar unbefristet, aber gegen jederzeitigen Widerruf erteilt. Der Vorgang der Betrauung des Kl war demnach auch nicht mit einem in den Erläuterungen der DO.A und der Judikatur geforderten konstitutiven Bestellungsakt, also der Besetzung einer Leiterposition, vergleichbar.

Da dem Kl keine Angelegenheiten iS eines (Fach-)Bereichs zur eigenverantwortlichen Erledigung dauerhaft übertragen wurden, ähnelt seine Vertretungsbefugnis auch nicht den anderen in § 37g DO.A geregelten Fällen.

Zwar besteht nach der Judikatur der Unterschied zwischen dem ständigen Stellvertreter des Leiters (einer Organisationseinheit) und dem nur fallweise mit der Vertretung betrauten Angestellten darin, dass Ersterer einen generellen, von der einzelnen Vertretung unabhängigen Auftrag zur Vertretung besitzt, während der mit der fallweisen Vertretung beauftragte Angestellte einen an den jeweiligen konkreten Vertretungsfall gebundenen und auf diesen auch inhaltlich abgestellten Auftrag erhält (RS0055007 [T1]). Insofern betonte der OGH aber die Bedeutung des konstitutiven Bestellungsakts iS einer Postenbesetzung nach erfolgtem Ausschreibungsverfahren (OGH 17.10.2002, 8 ObA 99/02w). Eine zwar unbefristet, aber gegen jederzeitigen Widerruf erteilte und auf unaufschiebbare Angelegenheiten eingegrenzte Vertretungsbefugnis ist daher auch iS dieser Rechtsprechungslinie einer bloß fallweisen und nicht einer ständigen Stellvertretung zuzuordnen. 355

Im Übrigen strebt der Kl auch gar nicht die Einreihung als ständiger Stellvertreter des leitenden Angestellten in die Gehaltsgruppe G, Dienstklasse II, nach § 37h Z 2 DO.A an, zumal er selbst erkennt, dass seine nach § 5 Abs 6 der Satzung der (Rechtsvorgängerin der) Bekl erteilte Vertretungsbefugnis nicht die in § 5 Abs 7 oder 8 der Satzung normierten Voraussetzungen der Bestellung eines ständigen Stellvertreters erfüllt.

Die Einreihung des Kl in die Gehaltsgruppe G, Dienstklasse I, scheitert deshalb schon daran, dass ihm keine bestimmten Angelegenheiten iSd § 37g Z 2 DO.A übertragen wurden. Solche wären nur dann anzunehmen, wenn er mit der eigenverantwortlichen Leitung eines (Fach-)Bereichs betraut wäre.