129Auslegung der Urlaubsbestimmung des Ordensspitäler-KollV
Auslegung der Urlaubsbestimmung des Ordensspitäler-KollV
Der Bekl ist der Rechtsträger eines Krankenhauses. Kl ist der bei diesem Krankenhaus eingerichtete (Gruppen-)BR der Angestellten. Auf die Dienstverhältnisse der hier vom Kl vertretenen und im Krankenhaus beschäftigten Bediensteten ist der Kollektivvertrag für die DienstnehmerInnen der Ordensspitäler Österreichs (KollV) anzuwenden. § 5 KollV lautet auszugsweise:
„§ 5 Urlaub1. Hinsichtlich des Urlaubsanspruches gelten die Bestimmungen des Urlaubsgesetzes.2. Angestellte im Strahlendienst (Röntgen, CT, MR) erhalten für diesen Dienst einen Zusatzurlaub von 5 Werktagen pro Jahr.Angestellte im Bereich Nuklearmedizin (Isotopen etc.), Labordienst, Infektions- und TBC-Abteilungen erhalten für diesen Dienst einen Zusatzurlaub von 6 Werktagen pro Jahr.War der Angestellte bei Urlaubsantritt noch kein volles Jahr in so einer Abteilung beschäftigt, gebührt ihm der aliquote Teil des Zusatzurlaubes. Bei Bruchteilen von Tagen wird für je angefangenen Tag auf einen ganzen Tag aufgerundet.[…]5. Zusatzurlaube werden bei Teilzeitbeschäftigung im Sinne des § 22 aliquotiert.“
Im Krankenhaus besteht keine Abteilung für Infektionsmedizin. Im Anwendungsbereich des KollV gibt es keine Infektionsabteilung iSd Wiener Krankenanstaltengesetzes.
Nachdem ab Phase 3 des Wiener Pandemieplans die Überführung positiv auf Corona getesteter Personen in Krankenanstalten des Wiener Gesundheitsverbundes nicht mehr vorgesehen war, musste die Versorgung dieser Patienten im Krankenhaus des Bekl selbst durchgeführt werden. Zu diesem Zweck wurden zwei bzw zeitweise drei als solche bezeichnete COVID-Stationen für positiv auf Corona getestete Personen errichtet, und zwar die COVID-(Normal-)Stationen A 1.2 und A 4.1 sowie die COVID-Intensivstation B 5. Während der hier relevanten Zeiträume wurden COVID-Patienten grundsätzlich nur auf diesen Stationen betreut.
Die Arbeit auf den COVID-Stationen war für die Mitarbeiter sowohl psychisch als auch physisch besonders belastend. Während der verschiedenen Stufen des Wiener Pandemieplans stellte das Krankenhaus des Bekl mindestens 10 bis 24 Betten für nicht intensivpflichtige COVID-Patienten sowie mindestens 2 bis 6 Betten für intensivpflichtige COVID-Patienten zur Verfügung. Die COVID-Stationen waren nicht immer voll belegt, die COVID-Intensivstation war zeitweise gar nicht belegt.
Der Kl begehrt nach Modifikation die Feststellung, dass es sich bei den beim Bekl als Rechtsträger des Krankenhauses eingerichteten Organisationseinheiten COVID-Stationen um Infektionsabteilungen iSd § 5 Abs 2 2. Satz des KollV für die DN der Ordensspitäler Österreichs handelt und den in diesem Bereich tätigen nichtärztlichen Angestellten daher Zusatzurlaub von 6 Werktagen pro Jahr gebührt.
Der Bekl wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass es nie eine Infektions- oder TBC-Abteilung iSd § 2b Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz-Gesetz (KAKuG) oder des § 3a WrKAG in seinem Krankenhaus gegeben habe. Der Begriff der „Abteilung“, der vom KollV verwendet werde, sei gesetzlich klar definiert, eine solche Abteilung sei in den hier relevanten Zeiträumen nie eingerichtet gewesen.
Die Vorinstanzen gaben der Klage übereinstimmend statt. Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Auslegung der gegenständlichen kollektivvertraglichen Bestimmung Rsp des OGH fehle.
Der OGH erachtete die Revision als zulässig, aber nicht berechtigt und führte aus:
Der Bekl hält auch in der Revision seine Rechtsansicht aufrecht, dass ein Anspruch auf Zusatzurlaub gem § 5 Abs 2 Satz 2 KollV nur für jene DN bestehen könne, die in einer Infektions- oder TBC-Abteilung iSd einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der § 3a WrKAG, § 2b KAKuG beschäftigt seien. Eine Infektionsabteilung könne im Allgemeinen nur auf Basis eines angepassten „Regionalen Strukturplans“ eingerichtet werden (etwa dem „Regionalen Strukturplan Gesundheit der Stadt Wien“), was im Krankenhaus des Bekl nicht erfolgt sei. Übernehme der KollV gesetzliche Fachausdrücke, so seien diese nach der Rsp gleich zu verstehen wie im Bereich des Gesetzes. Die im Krankenhaus des Bekl eingerichteten COVID-Stationen seien keine Abteilungen in diesem Sinn. Ein über den Wortlaut hinausgehender Inhalt – iS einer „materiellen“ Abteilung – könne den Parteien des KollV nicht unterstellt werden. Mangels Vorliegens einer planwidrigen Lücke fehle es auch an den Voraussetzungen für eine Analogie bei der Interpretation des KollV.
Dieser Argumentation hat bereits das Erstgericht zutreffend entgegengehalten, dass sich schon bei Betrachtung der in § 5 Abs 2 Satz 2 KollV verwendeten Begriffe ergibt, dass es den Kollektivvertragsparteien nicht um exakte Abgrenzungen durch Verwendung klar gesetzlich definierter Bereiche ging, sondern vielmehr darum, jene Bedienstete zu erfassen, die ihre Tätigkeit an infektiösen Patienten zu erbringen haben und deshalb hoher Ansteckungsgefahr und den dadurch bedingten Belastungen ausgesetzt sind.
Dass die Kollektivvertragsparteien nicht die gesetzlichen Begriffe für Organisationseinheiten verwenden, ergibt sich vor allem auch aus der Verwendung des Begriffs des „Bereichs“ in § 5 Abs 2 Satz 2 KollV, der nicht als Organisationseinheit in den §§ 2a, 2b KAKuG 301 (§§ 3, 3a WrKAG) genannt ist. Schon bei einer wörtlichen Auslegung des § 5 Abs 2 Satz 2 KollV kann die Wortfolge „im Bereich“ nicht ausschließlich zum Begriff „Nuklearmedizin“ gelesen werden, weil der Satz sonst in Bezug auf die beiden anderen Tatbestände grammatikalisch unvollständig wäre (arg: „Angestellte [...], Labordienst, Infektions- und TBC-Abteilungen …“). Vielmehr muss der Begriff des „Bereichs“ schon sprachlich in diesem Satz auf jeden der Tatbestände bezogen werden. Erfasst sind danach Angestellte im Bereich Nuklearmedizin, (im Bereich) Labormedizin und in (Bereichen der) Infektions- und TBC-Abteilungen.
Der Begriff des „Bereichs“ beschreibt im Sprachgebrauch des KollV eine organisatorische Einheit.
Daher kommt auch dem Argument des Revisionswerbers, die Auslegung des KollV durch die Vorinstanzen hätte zur Folge, dass jede Blutabnahme durch einen Angehörigen des diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonals schon Labordienst iSd § 5 Abs 2 Satz 2 KollV sei und ebenso jede Behandlung eines infektiösen Patienten (etwa eines an Grippe erkrankten Patienten) eine Tätigkeit in einer Infektionsabteilung, keine Berechtigung zu. § 5 Abs 2 Satz 2 KollV erfasst nur die Tätigkeit „im Bereich“ einer Infektions- oder TBC-Abteilung, daher nicht eine individuelle, außerhalb eines solchen „Bereichs“ durchgeführte Betreuung eines infektiösen Patienten. Diese Unterscheidung entspricht jener der unterschiedlichen Prämienregelungen in § 26a KollV.
Schließlich steht fest, dass im Anwendungsbereich des KollV keine Abteilung für Infektionskrankheiten eingerichtet wurde. In diesem Zusammenhang hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die vom Bekl gewünschte Lesart des § 5 Abs 2 Satz 2 KollV zur Folge hätte, dass sie in Bezug auf ihren dritten Tatbestand keinen Anwendungsbereich hätte, was den Kollektivvertragsparteien nach der dargestellten Rsp nicht unterstellt werden kann.
Dem Argument des Revisionswerbers, dass die COVID-(Intensiv-)Stationen teilweise nicht voll und zeitweise gar nicht belegt waren, sodass aus der Belastung des Personals nicht auf das Vorliegen einer Infektionsabteilung iSd § 5 Abs 2 Satz 2 KollV geschlossen werden könne, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass diese Bestimmung nicht auf den Grad der Auslastung einer COVID-Station abstellt.
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.