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Ausbildungskostenrückersatz: Schriftformerfordernis verlangt Unterschrift beider Parteien bei sonstiger Nichtigkeit

AntonioLerche

Der Bekl war bei der Kl als Angestellter beschäftigt. Am 24.1.2020 unterfertigte er eine „Rückzahlungserklärung für die Kosten von Ausbildungsveranstaltungen“ mit einer Bindungsdauer von 36 Monaten. Die Kl unterzeichnete diese Vereinbarung nicht. Das Dienstverhältnis endete am 31.10.2021 durch DN-Kündigung. Die Kl begehrte die Rückzahlung des aliquot reduzierten Teils der Ausbildungskosten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sah in der fehlenden Unterschrift der Kl das Schriftformerfordernis verletzt, was zur gänzlichen Nichtigkeit der Vereinbarung führt und die Rückforderung von Ausbildungskosten ausschließt.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung Folge und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es beurteilte das Schriftformgebot als Schutznorm für AN, die auch dann erfüllt sei, wenn nur der AN die Vereinbarung unterzeichnet, während der AG seine Willenserklärung auf andere Weise abgibt. Um die übrigen Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs zu prüfen, fehlten Feststellungen.

Der dagegen erhobene Rekurs des Bekl wurde zugelassen, weil höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, ob eine schriftliche Vereinbarung iSd § 2d Abs 2 AVRAG zwingend auch eigenhändig vom AG zu unterschreiben sei. Der OGH gab dem Rekurs Folge und stellte das klagsabweisende erstgerichtliche Urteil wieder her.

Nach § 2d Abs 2 AVRAG kann eine Rückerstattung von Ausbildungskosten nur auf Basis einer schriftli235chen Vereinbarung zwischen AG und AN verlangt werden. Bei einem zweiseitig verbindlichen Vertrag ist dem Formerfordernis der Schriftlichkeit grundsätzlich nur dann entsprochen, wenn beide Parteien den Vertrag unterzeichnet haben, kommt ein dem Schriftlichkeitsgebot unterliegender Vertrag doch kraft ausdrücklicher Anordnung des § 886 ABGB erst mit der Unterschrift „der Parteien“ zustande.

Zwar richtet sich die Reichweite des Formgebots auch nach dem Formzweck. Dieser liegt im Schutz des AN, dem die Reichweite der Verpflichtung, die er eingeht, deutlich gemacht werden soll, aber letztlich auch in der Erleichterung und Sicherung des Beweises des Umfangs der Vereinbarung. Wenn daher der Gesetzgeber die Schriftlichkeit nicht auf die Verpflichtungserklärung des AN beschränkt, kann das nicht als planwidrig überschießend und unsachlich angesehen werden.

Eine Rückzahlungsvereinbarung wie die vorliegende ist auch nicht nur einseitig verbindlich. Aus ihr resultiert auch die Verpflichtung des AG für den Fall, dass der AN die in Aussicht genommene Ausbildung absolviert, zumindest vorläufig die Kosten dafür zu übernehmen sowie diese auch endgültig zu tragen, sofern die Bedingungen für den Kostenersatz nicht eintreten.

Dass der – beidseitig unterfertigte – Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2012 eine allgemeine Bestimmung hinsichtlich des Rückersatzes von Ausbildungskosten beinhaltete, ließ der OGH für die Erfüllung des Schriftformerfordernisses nicht genügen, da darin keine konkrete Ausbildung und keine Gesamtkosten angeführt waren, die jedoch als wesentliche Vertragspunkte der Rückzahlungsvereinbarung anzusehen sind.

Die Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung war im vorliegenden Fall somit als nichtig zu beurteilen und die Rückzahlungsforderung nicht berechtigt.