98

Wirksame Kündigung eines Fahrscheinkontrollors wegen Täuschung über Arbeitszeit und Umgehung des Zeitaufzeichnungssystems

AdrianaMandl

Der Kl war seit 2013 bei der Bekl als Fahrscheinkontrollor beschäftigt. Am 7.7.2022 verließ er den Dienst rund 20 Minuten vor dem eigentlichen Dienstende und ersuchte seinen Arbeitskollegen, seinen Prüfstreifen für ihn abzustempeln. Nachdem der Kl am Nachhauseweg von seinem Vorgesetzten angerufen wurde, kehrte er wieder in den Dienst zurück und behauptete, auf der Toilette gewesen sein zu sein. Den wahren Sachverhalt legte der Kl offen und entschuldigte sich, nachdem ihn sein Vorgesetzter auf die Unglaubwürdigkeit hinwies. Am 21.7.2022 kündigte die Bekl das Dienstverhältnis zum 31.10.2022. Der Zentralbetriebsrat der Bekl erklärte am 5.8.2022, die Kündigung nicht anfechten zu wollen.

Nachdem bereits die Vorinstanzen die auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gerichtete Klage abgewiesen haben, sah der OGH auch die dagegen erhobene außerordentliche Revision als nicht zulässig an und führte aus:

Nach § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des AN beeinträchtigt, sozial ungerechtfertigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung durch Umstände begründet ist, die in der Person des AN gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren. Nach der Rsp kommt es darauf an, ob die in der Person des AN gelegenen Umstände bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden, sodass die Kündigung als adäquate Reaktion und gerechte Maßnahme erscheint. Diese Umstände müssen nicht so gravierend sein, dass eine Weiterbeschäftigung des AN unzumutbar wäre. Wohl aber muss eine Weiterbeschäftigung für den AG doch in erheblichem Ausmaß nachteilig erscheinen.

Nach stRsp des OGH ist das Interesse des AN an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den betrieblichen Interessen des AG an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüberzustellen und in Abwägung dieser gegenläufigen Interessen zu beurteilen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Eine solche Interessensabwägung kann naturgemäß nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls erfolgen und begründet deshalb regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Dem Vorbringen des Kl, dass es sich um eine bloß einmalige Dienstverfehlung gehandelt habe, hat bereits das Berufungsgericht entgegnet, dass die Außendienstmitarbeiter der Bekl eine besondere Vertrauensstellung genießen, weil eine Überprüfung ihrer Tätigkeit nur eingeschränkt möglich ist. Der Kl hat nicht nur über seine Arbeitszeit täuschen wollen, sondern auch einen Arbeitskollegen angestiftet, seinen Prüfstreifen abzustempeln, um das Zeitaufzeichnungssystem der Bekl zu umgehen. Nach dem OGH hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kl durch sein Verhalten das Vertrauen der Bekl so schwer erschüttert hat, dass seine Kündigung sozial gerechtfertigt war, im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums.