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Verwarnung und Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen gegenüber uneinsichtigem Arbeitnehmer wahrt Entlassungsrecht nach Erhebungen über das Wochenende

KlausBachhofer

Der Kl benutzte vorschriftswidrig die Betriebsein- und -abfahrt und die Betriebsumkehren der Bekl und verstieß mehrfach gegen deren interne Richtlinien und widersetzte sich Anweisungen seiner Vorgesetzten. Aufgrund der Reaktion des Kl, der auf die von seinem Vorgesetzten (wiederholt) aufgezeigte Gefährlichkeit seines Verhaltens mit den Worten „dann müsst`s mich halt anzeigen“ antwortete, und weil er im Zuge der von der Geschäftsführerin ausgesprochenen Verwarnung trotz Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ weiterhin kein Unrechtsbewusstsein und keine Einsicht zeigte, wurde er wegen Vertrauensunwürdigkeit fristlos entlassen. In einem Gespräch am 21.4.2023 wurde der Kl von der Geschäftsführerin verwarnt und arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht. Dennoch zeigte er keine Einsicht und keine Reue. Im weiteren Gesprächsverlauf trat überdies zu Tage, dass der Kl auch seine Führungskräfte nicht akzeptierte und deren Weisungen und Vorgaben nicht befolgte.

Die trotz Verwarnung und Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen uneinsichtige Reaktion des Kl 230 und die in der Folge der Geschäftsführerin erstmals bekannt gewordenen weiteren Verfehlungen des Kl ergaben für diese einen Gesamtsachverhalt, den diese über das Wochenende ua mit dem Regionalleiter, dem Vorstand, dem Vorgesetzten des Kl und dessen Stellvertreter sowie der Rechtsvertreterin der Bekl abklärte. Nach Beendigung dieser Erhebungen am Montag, den 24.4.2023 um circa 12 Uhr, informierte sie den Vorstand von den Ergebnissen, der um 15 Uhr die Zustimmung zur Entlassung erteilte, die sodann noch am selben Tag ausgesprochen wurde.

Der Kl sützte sich in seiner Bekämpfung der Entlassung insb auch auf Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Unverzüglichkeitsgrundsatz und mangelnder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, zumal durch die im Zuge des Gesprächs vom 21.4.2024 erfolgte Verwarnung die gegen ihn erhobenen Vorwürfe abgetan worden wären und die Bekl dadurch auf ihr Entlassungsrecht verzichtet hätte.

Die Vorinstanzen waren übereinstimmend ua der Auffassung, dass die Bekl (aus objektiver Sicht) befürchten musste, dass der Kl auch in Hinkunft seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen wird und wiesen das Klagebegehren ab.

Der OGH bestätigte in Zurückweisung der vom Kl erhobenen außerordentlichen Revision deren Rechtsansicht und hielt fest:

Unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 Fall 3 AngG fällt jede Handlung oder Unterlassung eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines AG unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des AG gefährdet sind. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Angestellten das Vertrauen des AG so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses (auch nur bis zum nächsten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf der Vertragszeit) nicht mehr zugemutet werden kann.

Richtig ist, dass dann, wenn der AG ihm zur Kenntnis gelangte Vorfälle bloß zum Anlass für eine Ermahnung genommen hat, eine derartige Erklärung nach hL und stRsp dahin verstanden werden kann, dass der AG auf das Recht, den AN wegen dieses Verhaltens zu entlassen, verzichtet hat. Für die Beurteilung einer derartigen schlüssigen Verzichtserklärung ist der objektive Erklärungswert entscheidend. Ein danach vom AN eingenommenes oder ein dem DG erst später zur Kenntnis gelangtes Verhalten kann aber auch in einem solchen Fall die Entlassung rechtfertigen.

Davon, dass die Geschäftsführerin der Bekl im Gespräch mit dem Kl am 21.4.2023 auf eine Entlassung wegen der hier in Rede stehenden Vorfälle verzichtete, durfte der Kl aber nicht ausgehen. Der Kl wurde zwar verwarnt, es wurden ihm aber auch arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht. Dennoch zeigte der Kl keine Reue und keine Einsicht. Dazu kam, dass im weiteren Gesprächsverlauf zu Tage trat, dass der Kl auch seine Führungskräfte nicht akzeptierte und deren Weisungen und Vorgaben nicht befolgte.

Die Gründe für die vorzeitige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses sind nach der Rsp bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechts unverzüglich, dh, ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen. Der AG darf mit der Ausübung seines Entlassungsrechts nicht wider Treu und Glauben so lange warten, dass der AN aus diesem Zögern auf einen Verzicht auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss; der AN, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, soll darüber hinaus nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden.

Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf dabei nicht überspannt werden. Dem AG muss zwischen dem Bekanntwerden des Entlassungsgrundes und dem Ausspruch der Entlassung eine angemessene Überlegungsfrist gewährt und ihm Gelegenheit gegeben werden, sich über die Rechtslage zu informieren. Es muss dabei den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebsverhältnissen, insb der Organisationsform des Unternehmens, Rechnung getragen werden.

Mit dem Ausspruch der Entlassung am Tag der Information und Erteilung der Zustimmung des Vorstands am 24.4.2023 wurde der Unverzüglichkeitsgrundsatz gewahrt.