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VBG: Umfang der Vordienstzeitenanrechnung, wenn einschlägige Vortätigkeit nur für ein Drittel der Tätigkeiten relevant ist?

RichardHalwax

Der Kl absolvierte eine HTL für Informatik und erwarb so eine technische Grundqualifikation. Von 1.8.2000 bis 31.12.2014 war er als IT-Techniker bei der Ö* GmbH & Co KG beschäftigt. Etwa drei Viertel dieser Tätigkeit standen im Zusammenhang mit IT-Tätigkeiten. Dabei konnte er einschlägige fachliche Erfahrungen und zudem allgemeine berufspraktische Kompetenzen erwerben. Großteils berufsbegleitend absolvierte der Kl das Lehramtsstudium für Mathematik sowie für Geographie und Wirtschaftskunde an der Pädagogischen Hochschule (PH) S* und schloss dieses am 15.6.2015 ab. Ein Lehramtsstudium für Informatik wurde zu dieser Zeit an der PH S* noch nicht angeboten.

Der Kl ist seit dem Wintersemester 2015/16 an der Praxismittelschule der PH S* als Vertragsbediensteter beschäftigt. In seinem ersten Schuljahr unterrichtete der Kl acht Wochenstunden Geographie und Wirtschaftskunde, acht Wochenstunden Mathematik und fünf Wochenstunden elektronische Datenverarbeitung bzw Informatik. Darüber hinaus unterstützte er bereits in den ersten sechs Monaten seiner Tätigkeit den damaligen IT-Kustos – also den EDV-Betreuer der Schule – und übernahm diese Aufgabe in der Folge zur Gänze.

Im Bereich der Mittelschulen müssen Lehrer häufig Fächer unterrichten, die nicht ihrer fachbezogenen Ausbildung entsprechen. Die Fächer Informatik und elektronische Datenverarbeitung unterscheiden sich in dieser Hinsicht von anderen Fächern, weil sie noch nicht so lang im allgemeinen Lehrplan enthalten sind, dass jeder Lehrer aufgrund seiner 249eigenen Schulausbildung eine Grundausbildung in diesem Bereich hätte und daher über die entsprechenden notwendigen Vorkenntnisse für das Unterrichten verfügen würde.

Sowohl in Bezug auf die Lehrtätigkeit im EDV-Bereich als auch in Bezug auf die Unterstützung des IT-Kustos konnte der Kl aufgrund seiner Vorkenntnisse das gesamte Anforderungsprofil von Anfang an erfüllen. Dafür waren in erster Linie – nämlich zu 80 % – die technischen Grundkenntnisse aus der HTL-Ausbildung relevant. Die durch die Vortätigkeit bei der Ö* GmbH & Co KG erworbenen allgemein berufspraktischen und fachspezifischen Fähigkeiten waren in eher untergeordnetem Umfang von Relevanz. Allerdings hob sich der Kl durch diese Kompetenzen, welche über die durch die HTL-Ausbildung erworbenen Kenntnisse hinausgehen, von typischen Berufseinsteigern ohne Praxiserfahrung ab und war daher im Bereich IT/EDV erheblich besser verwendbar als typische Berufseinsteiger. Für die Lehrtätigkeit in den Fächern Mathematik sowie Geographie und Wirtschaftskunde waren die genannten Kompetenzen nur in sehr geringem Ausmaß von Bedeutung.

Für die vergleichsweise erheblich bessere Verwendbarkeit des Kl im Bereich des IT-Kustodiats sowie der Lehrtätigkeit in den Fächern Informatik und elektronische Datenverarbeitung war eine dreijährige einschlägige berufspraktische Tätigkeit notwendig. Dies allerdings im Hinblick auf die HTL-Ausbildung des Kl. Für jemanden ohne HTL-Abschluss wären drei Jahre zum Erwerb des Basiswissens – welches der Kl aufgrund seiner HTL-Ausbildung bereits mitbrachte – sowie weitere drei Jahre zum Erwerb der berufspraktischen Fertigkeiten erforderlich, welche den Kl für seine Tätigkeit bei der Bekl qualifizieren.

Am Beginn des Dienstverhältnisses wurden dem Kl neben sechs Präsenzdienstmonaten zwei Jahre seiner Tätigkeit bei der Ö* GmbH & Co KG als Vordienstzeit angerechnet. Weil infolge einer Novelle des Dienstrechts die Deckelung der Anrechenbarkeit des Präsenzdienstes von sechs Monaten entfiel, rechnete die Bekl im Jahr 2021 weitere zwei Monate des Präsenzdienstes an und setzte den neuen Besoldungsstichtag des Kl mit 1.1.2015 fest.

Der Kl begehrt wegen unrichtiger Einstufung für den Zeitraum August 2018 bis Juni 2023 eine Entgeltdifferenz in Höhe von insgesamt € 21.039,- brutto samt gestaffelten Zinsen sowie die Feststellung, dass er nach der Gehaltsstufe pd3 zu entlohnen sei und die nächste Gehaltsvorrückung in die Gehaltsstufe pd4 mit 1.7.2024 stattzufinden habe.

Die im ersten Rechtsgang ergangenen Urteile der Vorinstanzen wurden vom OGH mit Beschluss vom 31.8.2022 aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Leistungsbegehren betreffend die Gehaltsdifferenzen aus dem Zeitraum von Juli 2022 bis Juni 2023 und dem Feststellungsbegehren im Umfang der Feststellung der Entlohnung nach der Gehaltsstufe pd3 und nächsten Vorrückung in die Gehaltsstufe pd4 mit 1.7.2027 statt und wies das Mehrbegehren ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wies das Berufungsgericht das gesamte Klagebegehren zur Gänze ab. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil zu den Regeln der Anrechnung bei einer Relevanz von Vordienstzeiten für nur einen Teil der in den ersten sechs Monaten ausgeübten Tätigkeit eine Klarstellung durch den OGH geboten erscheine.

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts war die Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Im Aufhebungsbeschluss des OGH zu 9 ObA 49/22d vom 31.8.2022 wurde bereits zu der vom Berufungsgericht bezeichneten Rechtsfrage grundsätzlich Stellung genommen.

Aus den im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen ergab sich, dass die berufspraktische Tätigkeit des Kl bei der Ö* GmbH & Co KG als einschlägig iSd § 26 Abs 3 Satz 2 VBG 1948 idF BGBl I 2015/65 anzusehen war und daher diese Zeiten grundsätzlich gem § 26 Abs 3 VBG 1948 (§ 1 Abs 1 Anrechnungsverordnung) als Vordienstzeiten anzurechnen waren. Im Revisionsverfahren war nur mehr strittig, in welchem Umfang dies zu geschehen hat.

Nach den Feststellungen genügte für die vergleichsweise erheblich bessere Verwendbarkeit des Kl im Bereich des IT-Kustodiats sowie der Lehrtätigkeit in den Fächern Informatik und elektronische Datenverarbeitung eine einschlägige Vortätigkeit von drei Jahren. Für die Lehrtätigkeit in den Fächern Mathematik sowie Geographie und Wirtschaftskunde war die vom Kl durch seine Vortätigkeit gewonnene Berufserfahrung hingegen nur in sehr geringem Ausmaß von Bedeutung. Dies ist beim Ausmaß der Anrechnung zu berücksichtigen. Die einschlägige Vortätigkeit des Kl war daher für ein Drittel seiner in den ersten sechs Monaten seines Dienstverhältnisses bei der Bekl erbrachten Tätigkeiten relevant.

Ausgehend davon, dass die einschlägige Vortätigkeit des Kl im erforderlichen Umfang von drei Jahren nur für ein Drittel seiner in den ersten sechs Monaten seines Dienstverhältnisses bei der Bekl erbrachten Tätigkeiten relevant war, ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, eine Anrechnung von mehr als zwei Jahren habe nicht zu erfolgen, nicht zu beanstanden. Die Behauptung, ein typischer Berufseinsteiger verfüge nicht über einen HTL-Abschluss, verhilft seinem Klagebegehren nicht zu einem Erfolg, weil selbst bei Berücksichtigung einer einschlägigen Vortätigkeit des Kl im Ausmaß von sechs Jahren nur zwei Jahre angerechnet werden könnten.250