105

Kettenvertragsregelung des Landesvertragslehrpersonengesetzes nicht am Maßstab des § 879 ABGB überprüfbar

GregorKaltschmid
§ 4 LVG;
§ 5 RL 1999/70/EG

Die Kl wurde beim bekl Land als Vertragslehrperson an einer Neuen Mittelschule als Professorin beschäftigt, und zwar befristet von 7.1. bis 1.9.2019, und in der Folge jeweils verlängert bis 6.9.2020, bis 5.9.2021 und zuletzt bis 4.9.2022; von einer weiteren Verlängerung des Dienstverhältnisses über den 4.9.2022 hinaus nahm der bekl DG Abstand. Auf ihr Dienstverhältnis waren die Bestimmungen für Vertragsbedienstete im Pädagogischen Dienst nach dem 2. Abschnitt des Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 (LVG) („Neurecht“) anzuwenden.

Die Vorinstanzen wiesen das Feststellungsbegehren auf aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses ab. Der OGH erachtete die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig.

Er begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

Nach § 4 LVG („Dienstvertrag“) gilt das Dienstverhältnis von Landesvertragslehrpersonen auch dann auf bestimmte Zeit eingegangen, wenn es von vornherein auf Unterrichtsperioden (zB Schuljahr, Semester) abgestellt ist. Nach § 4 Abs 3 LVG ist § 4 Abs 4 VBG (wonach ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis nur einmal um maximal drei Monate verlängert werden darf und ein darüber hinaus fortgesetztes Dienstverhältnis als von da ab wie ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes angesehen wird) nicht anzuwenden; übersteigt die Dauer eines oder mehrerer mit einer Landesvertragslehrperson eingegangenen befristeten Dienstverhältnisse fünf Jahre, gilt das zuletzt eingegangene Dienstverhältnis ab diesem Zeitpunkt als unbefristetes Dienstverhältnis.

Der OGH hat bereits zu Befristungsbestimmungen in den §§ 24, 27 Theaterarbeitsgesetz (TAG) eingehend Stellung genommen. Dabei kam er zum Ergebnis, dass die Anwendbarkeit der Befristungs-RL sowie die Frage, inwieweit die Befristungsbestimmungen des TAG mit § 5 Nr 1 Befristungs-RL in Widerspruch stünden, nicht abschließend geklärt werden müsse, weil selbst die positive Annahme einer richtlinienwidrigen Umsetzung zu keiner Stattgebung eines Klagebegehrens auf Feststellung eines aufrechten, unbefristeten Dienstverhältnisses führen könne.

Die Grundsätze dieser Rsp gelten auch hier:

Art 30 GRC unterliegt einem Ausgestaltungsvorbehalt: Das Recht auf Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung ist nur insofern und insoweit garantiert, als es sich aus dem Unionsrecht und den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ergibt. Weder der Unions- noch der nationale Gesetzgeber haben aber für den Fall eines Verstoßes gegen dieses Grundrecht das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses normiert, sodass Art 30 GRC keine Rechtsgrundlage für ein Begehren auf Feststellung eines unbefristeten Dienstverhältnisses bildet, ohne dass hier die Frage der Anwendbarkeit von Art 30 GRC auf befristete Dienstverhältnisse abschließend geklärt werden muss.

Ließe man, wie von der Kl in ihrer Revision angestrebt, § 4 Abs 3 LVG als unionsrechtswidrig unangewandt, könnte dies dem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen, weil letztlich offen bliebe, was dann gelten sollte und woraus die Kl ihr Feststellungsbegehren auf Vorliegen eines unbefristeten Vertrags dann ableiten möchte. Auch die Befristungs-RL ist nicht unbedingt und genau genug, um daraus konkrete Ansprüche ableiten zu können und einem Einzelnen zu ermöglichen, sich vor einem nationalen Gericht darauf zu berufen. Die Befristungs-RL verpflichtet (nur) die Mitgliedstaaten, eine oder mehrere der in § 5 Nr 1 lit a bis c der Rahmenvereinbarung in der Befristungs-RL genannten Maßnahmen zu erlassen, um die missbräuchliche Verwendung von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen wirksam zu verhindern, sofern ihr innerstaatliches Recht keine „gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen“ zur Verhinderung eines solchen Missbrauchs umfasst; die Mitgliedstaaten verfügen über einen Spielraum, wie sie dieses Ziel zu erreichen gedenken. Solange ein Mitgliedstaat von (zumindest) einer dieser Methoden Gebrauch macht, erfüllt er nach der Rsp des EuGH die unionsrechtlichen Anforderungen der Befristungs-RL.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, § 4 Abs 3 LVG schreibe iS von § 5 Nr 1 lit b der Rahmenvereinbarung eine maximale Gesamtdauer von befristeten Dienstverhältnissen von fünf Jahren vor, womit den unionsrechtlichen Anforderungen der Befristungs-RL Genüge getan werde, hält sich daher im Rahmen der dargelegten Unionsrechtslage und der Rsp. Auf die Frage einer zusätzlichen sachlichen Rechtfertigung der Nichtverlängerung kommt es damit unter diesen Umständen nicht an.

In einer „Nichtverlängerungserklärung“ des DG ist nach stRsp keine auf Beendigung eines auf unbefristete Zeit abgeschlossenen Dienstvertrags gerichtete Erklärung, sondern nur die Ablehnung des Abschlusses eines neuen Dienstvertrags nach Ablauf der Befristung zu erblicken.

Zwar bietet der nationale Gesetzgeber grundsätzlich die Möglichkeit, Kettenarbeitsverhältnisse im Einzelfall im Hinblick auf eine allfällige Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB überprüfen zu lassen; dies scheitert hier aber daran, dass die (fortlaufenden) Befristungen nicht nur nicht dem Gesetz (§ 4 Abs 3 LVG) widersprechen, sondern dieses selbst die Anwendung der restriktiveren Befristungsbeschränkung in § 4 Abs 4 VBG ausschließt und mehrere Befristungen 242 bis zu einer von ihm selbst bestimmten längeren Gesamtdauer ausdrücklich zulässt. Zu Ausnahmebestimmungen vom in § 4 Abs 4 VBG normierten Verbot von Kettenarbeitsverträgen hat aber der OGH bereits ausgesprochen, dass im Anwendungsbereich jener Bestimmungen Kettenverträge ohne Prüfung auf deren sachliche Rechtfertigung erlaubt sind, weil ihnen sachliche Gründe für die Befristung iSd vom EuGH judizierten Grundsätze immanent sind.

Wenn aber eine positivgesetzliche Regelung die Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses im dargelegten Sinne ausdrücklich zulässt, sind Kettenarbeitsverträge grundsätzlich zulässig. Im Übrigen ist auch sonst aus dem nationalem Recht kein durchzusetzender Anspruch auf Einstellung oder Beförderung oder ein Kontrahierungszwang abzuleiten. Die Revision zeigt solches auch nicht auf. Auch insofern kommt es auf die Frage einer zusätzlichen sachlichen Rechtfertigung der Nichtverlängerung nicht an.

Anmerkung: Im Heft DRdA-infas 2/2023 wurde die E des OGHzu 8 ObA 58/22w (Kettenvertragsregelung des Theaterarbeitsgesetzes nicht am Maßstab des § 879 ABGB überprüfbar, DRdA-infas 2023/45, 105), auf welche hier Bezug genommen wird, ausführlich besprochen.