104Kündigung eines befristeten Projektmitarbeiters einer Universität nach Wegfall der Drittmittelfinanzierung
Kündigung eines befristeten Projektmitarbeiters einer Universität nach Wegfall der Drittmittelfinanzierung
Der Kl war aufgrund eines auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrags bei der Bekl für den Zeitraum 11.11.2019 bis 10.11.2022 als Projektmitarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Kl zur bekl Universität ist der Kollektivvertrag für die AN der Universitäten (KollV) anzuwenden. Der Arbeitsvertrag des Kl wurde ausschließlich zur wissenschaftlichen Mitarbeit und Durchführung eines Drittmittelprojekts abgeschlossen und zur Gänze aus den Förderungsmitteln der Europäischen Kommission finanziert. In seinem Arbeitsvertrag wurde vereinbart: „Abweichend von § 20 Abs. 1 KV kann das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 20 Abs. 2 KV nach einer Dauer von 18 Monaten gekündigt werden
.“
Der Kl wurde mit 29.10.2020 wegen eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens aus dem Projekt ausgeschlossen. Ab diesem Tag wurde das Gehalt des Kl aus Mitteln der Bekl und nicht mehr aus dem EU-Projekt finanziert. Die Bekl hätte ab 29.10.2020 das Gehalt des Kl nicht mehr durch Fördermittel der EU bezahlen und abrechnen dürfen. Das Projekt selbst ist unverändert aufrecht geblieben. Die Bekl kündigte das Arbeitsverhältnis des Kl mit Schreiben vom 11.8.2021 zum 30.9.2021.
Der Kl begehrt die Zahlung von Entgelt samt Sonderzahlungen von 1.8. bis 1.10.2021 sowie an Kündigungsentschädigung bis zum Ende der vereinbarten Befristung und die Feststellung der Verpflichtung der Bekl zur Zahlung der ab 1.11.2022 fällig werdenden Differenzen an Kündigungsentschädigung sowie Urlaubsersatzleistung bis 10.11.2022. Er brachte, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, vor, dass die Kündigung mangels der Erfüllung der Voraussetzungen des § 20 KollV unwirksam sei.
Die Bekl wandte dagegen ein, dass die Kündigung des Kl rechtswirksam ausgesprochen worden sei, weil die EU Fördermittel zur Finanzierung des Arbeitsverhältnisses des Kl infolge des Ausschlusses des Kl vom Projekt durch das Supervisory Board nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten, sodass die Bekl sämtliche Personalkosten zu tragen hätte.
Die Vorinstanzen gaben dem Leistungsbegehren teilweise statt. Die Berufung sei jedoch teilweise berechtigt, weil das Erstgericht bei der Berechnung der Ansprüche des Kl die Verwendungszulage nicht berücksichtigt habe. Die Revision wurde für zulässig erachtet, weil § 20 Abs 2 KollV nicht klar und eindeutig formuliert sei und Rsp des OGH zur Auslegung dieser Bestimmung fehle. 240
Der OGH erachtete die dagegen erhobene Revision des Kl für zulässig, jedoch für nicht berechtigt und führte aus:
Der Kl macht in der Revision allein geltend, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs 2 KollV für eine Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht vorlägen, weil weder die Finanzierung des Projekts durch den Dritten im vorliegenden Fall weggefallen noch reduziert worden sei. Dem kommt keine Berechtigung zu:
Der normative Teil eines KollV ist nach stRsp gem §§ 6 und 7 ABGB auszulegen. In erster Linie ist bei seiner Auslegung deshalb der Wortsinn zu erforschen und die sich aus dem Text ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Dabei darf den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten.
§ 20 KollV regelt Fragen im Zusammenhang mit befristeten Arbeitsverhältnissen. § 20 Abs 1 und Abs 2 KollV enthalten Regelungen zur Vereinbarung einer Möglichkeit der Kündigung. Befristete Arbeitsverhältnisse enden mit Ablauf der vereinbarten Vertragszeit. Nach stRsp zu § 1159 ABGB, § 19 AngG können die Parteien des Arbeitsvertrags auch für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer Kündigung vereinbaren. § 20 KollV bemüht sich vor diesem Hintergrund um eine Präzisierung und schränkt die Option der Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich ein. Eine vertraglich vereinbarte Kündigungsmöglichkeit ist bei Befristungen von bis zu zwei Jahren rechtsunwirksam. Bei längeren Befristungen kann eine Kündigung erst nach zwei Jahren ausgesprochen werden. Diese Frist schränkt § 20 Abs 2 KollV bei Arbeitsverhältnissen von Projektmitarbeitern auf 18 Monate ein, wenn die Projektfinanzierung durch Dritte nicht mehr gesichert ist.
Projektmitarbeiter sind nach den gesetzlichen Vorgaben AN der Universität. Sie werden entweder aus deren Personal rekrutiert oder neu aufgenommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem drittmittelfinanzierten Projekt sind gem § 26 Abs 6 Universitätsgesetz (UG) auf Vorschlag der oder des Universitätsangehörigen, die oder der dieses Vorhaben durchführt, gegen Ersatz der Personalkosten in ein zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis zur Universität aufzunehmen.
ProjektmitarbeiterInnen sind Angehörige des wissenschaftlichen/künstlerischen Universitätspersonals, die befristet für die Dauer von wissenschaftlichen/künstlerischen Projekten aufgenommen werden, welche von Dritten finanziell gefördert werden. ProjektmitarbeiterInnen sind im Begriffsverständnis des KollV all jene, die im Rahmen von Drittmittelprojekten gem § 26 Abs 1, § 27 Abs 1 Z 2 oder 3 oder § 10 Abs 2 UG finanziert werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Personalkostenrefundierung aus Mitteln von definierten, an der jeweiligen Universität über Drittmittelkonten abgewickelten Projekten gem §§ 26, 27 oder 10 Abs 2 UG erfolgt.
Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs 2 KollV schon nach dessen Wortlaut dann vorliegen, wenn der Wegfall oder die Reduzierung der Projektfinanzierung durch Dritte einer Beschäftigung eines AN im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, das durch Projektfinanzierung durch Dritte begründet wurde, nicht nur vorübergehend entgegensteht.
Wie dargestellt sind in jedem Fall die Personalkosten einschließlich sämtlicher Nebenkosten und der mit der Personaladministration verbundenen Kosten der Beschäftigung von ProjektmitarbeiterInnen aus dem Drittmittelprojekt zu finanzieren. Fehlt es an dieser Finanzierung der Beschäftigung eines Projektmitarbeiters, so eröffnet § 20 Abs 2 KollV – bei Vorhandensein einer entsprechenden schriftlichen Vereinbarung – die begünstigte Kündigungsmöglichkeit, um finanzielle Nachteile von der Universität abzuwenden. Der KollV stellt also entgegen der Ansicht des Kl nicht allein darauf ab, dass die Finanzierung eines Projekts wegfällt oder reduziert wird, sondern schon nach seinem Wortlaut darauf, dass ein Wegfall oder eine Reduktion der Finanzierung der Beschäftigung eines Projektmitarbeiters nicht nur vorübergehend entgegensteht.
Mit der Regelung des § 20 Abs 2 KollV wollen die Parteien des KollV auch einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen: Die Intention dieser Bestimmung ist nach ihrem Wortsinn und im Zusammenhang mit der dargestellten Rechtslage, dass die Kündigungsmöglichkeit dann bestehen soll, wenn die Beschäftigung eines Projektmitarbeiters nicht mehr durch Drittmittel finanziert werden kann. Die Interessen der Universität sind dadurch gesichert, dass sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Abs 2 KollV nicht in Gefahr läuft, das Arbeitsverhältnis eines Projektmitarbeiters selbst weiter fortführen und finanzieren zu müssen. Die Interessen des AN sind dadurch gewahrt, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nach § 20 Abs 2 KollV auch dann erst nach einer Beschäftigungsdauer von 18 Monaten möglich ist, wenn bereits zuvor Drittmittel fehlen oder reduziert werden, mit denen die Beschäftigung des Projektmitarbeiters finanziert wird.241