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Betriebsübergang: Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Übergeberin verhindert nicht Verfall der Ansprüche gegenüber Erwerberin des Betriebs

MELANIEKOCSAN
§ 1409 ABGB; § 6 Abs 1 AVRAG; KollV Hotel- und Gastgewerbe Pkt 7 lit e

Der Kl war zunächst in einem Betrieb beschäftigt, welcher im Zuge eines Betriebsübergangs an die Bekl als Betriebserwerberin übergeben wurde. Der Kl forderte seine offenen Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis nach Betriebsübergang innerhalb der kollektivvertraglichen Verfallsfrist ausschließlich bei der Betriebsübergeberin ein. Gegen die Bekl als Betriebserwerberin machte er seine Ansprüche hingegen nicht fristgerecht geltend. Der Kl forderte seine Ansprüche 6 aufgrund der Erwerberhaftung gem § 6 AVRAG klagsweise bei der Bekl ein. Die Bekl berief sich auf die Anwendbarkeit der viermonatigen Verfallsfrist gem Pkt 7 lit e KollV Hotel- und Gastgewerbe und den daraus folgenden Anspruchsverlust mangels fristgerechter Geltendmachung.

Die Vorinstanzen lehnten das Begehren des Kl ab. Die vom Kl erhobene Revision wurde vom OGH mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen. Die Beurteilung der Vorinstanzen war aus Sicht des OGH nicht korrekturbedürftig.

Der OGH bestätigte die Ansicht der Vorinstanzen, dass die verfahrensgegenständlichen Ansprüche des Kl mangels fristgerechter Geltendmachung gegenüber der Bekl verfallen sind.

Gemäß dem hier maßgeblichen Pkt 7 lit e des KollV für ArbeiterInnen im Hotel- und Gastgewerbe verfallen Lohnansprüche, wenn sie nicht vier Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom AN selbst beim AG oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist verlängert sich um den Zeitraum, um welchen die letzte Lohnabrechnung aus Verschulden des AG verspätet durchgeführt wurde. Nach dem klaren Wortlaut dieser Regelung beginnt die Verfallsfrist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. […] Ein Vorbringen zu einem die Verfallsfrist verlängernden Umstand, etwa eine verspätete Lohnabrechnung aus Verschulden der Bekl, wurde vom Kl nicht erhoben.

§ 1409 ABGB ordnet einen zwingenden Schuldbeitritt (hier des Erwerbers des Betriebs) an. Der Übernehmer haftet für die Schulden so, wie der Überträger im Zeitpunkt der Vermögensübernahme haftet. Der Übernehmer ist nicht Nachfolger des „Urschuldners“, sondern neben diesem Schuldner geworden, der dem Gläubiger gegenüber unmittelbar verpflichtet ist. Der Schuldbeitritt ändert nichts an der Rechtsnatur der Forderungen, weshalb der Erwerber jene Rechtshandlungen, die der Übergeber bis zum Zeitpunkt des Übergangs gesetzt hat, wie etwa einen Vergleich oder ein Anerkenntnis, ebenso gegen sich gelten lassen muss, wie eine bereits eingetretene Unterbrechung der Verjährung. Ansonsten kann der Erwerber alle Einwendungen aus dem Grundgeschäft erheben, auch wenn sich der Übergebende bisher nicht auf diese berufen hat (OGH 21.12.2009, 8 ObA 9/09w mwN).

Der entscheidende Zeitpunkt ist daher jener der Übergabe des Vermögens oder Unternehmens: Die Klageführung gegen den Übergeber nach diesem Zeitpunkt bewirkt demnach keine Unterbrechung der Verjährung gegen den Übernehmer. Die Solidarschuldner sind – von der Zahlung der Schuld abgesehen – voneinander unabhängig, sodass Rechtshandlungen, die von einem oder gegen einen Solidarschuldner gesetzt werden, mit Ausnahme der Zahlung der Schuld den anderen Solidarschuldner nicht berühren (OGH 21.12.2009, 8 ObA 9/09w mwN).

Von der Betriebsübergeberin wurde dem Kl nach Betriebsübergang eine Lohnabrechnung hinsichtlich der relevanten Perioden ausgefolgt. Damit wirkt aber sowohl die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dem Betriebsübergeber, als auch die aus der Lohnabrechnung ableitbare Klarstellung, welche Ansprüche strittig sind (vgl OGH 30.8.2007, 8 ObA 34/07v), nur im Verhältnis zwischen dem Kl und der Betriebsübergeberin.

Wenn der Kl darauf verweist, dass die Lohnabrechnung Perioden betrifft, in denen die Übergeberin noch AG war, übersieht er nach Ansicht des OGH, dass die Abrechnung aber erst nach Betriebsübergang erfolgte, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Übergeberin in Bezug auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse keine die Übernehmerin bindenden Rechtshandlungen mehr setzen konnte.

Da darüber hinaus keine Geltendmachung gegenüber dem Betriebserwerber innerhalb der Verfallsfrist erfolgte, sind die Ansprüche gegenüber diesem verfallen.