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Bescheidpflicht auch bei Ausgleichszulagenjahresausgleich

FABIANGAMPER

Über den Antrag der pensionsberechtigten Person auf eine (nachträgliche) Leistung an Ausgleichszulage infolge eines – über Antrag oder amtswegig durchgeführten – Jahresausgleichs gem § 296 Abs 5 bis 7 ASVG hat der Pensionsversicherungsträger gem § 295 iVm § 222 Abs 1 und 2 sowie § 367 Abs 1 ASVG einen Bescheid zu erlassen. Dabei handelt es sich um einen Bescheid über eine Leistungssache iSd § 354 Z 1 ASVG, soweit nicht eine der dort normierten Ausnahmen vorliegt, der gem § 65 Abs 1 Z 1 ASGG beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten werden kann.

SACHVERHALT

Der Kl bezieht eine Invaliditätspension samt Ausgleichszulage. Mit Bescheid vom 6.9.2018 stellte die Bekl die Ausgleichszulage ab 1.8.2017 neu fest und sprach aus, dass über die ab 1.9.2018 gebührende Ausgleichszulage zu einem späteren Zeitpunkt bescheidmäßig entschieden wird. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Der Kl erhielt ebenfalls am 6.9.2018 ein Schreiben mit dem Inhalt, dass die Durchführung des Ausgleichszulagen-Jahresausgleiches für das Jahr 2017 einen Mehrbetrag ergeben hat und die gebührende Nachzahlung überwiesen wird. Bei einer persönlichen Vorsprache bei der Bekl erhielt der Kl die Auskunft, dass über 42 den Ausgleichszulagen-Jahresausgleich kein Bescheid erlassen wird. Daraufhin stellte der Kl einen Antrag auf bescheidmäßige Erledigung seines bei der persönlichen Vorsprache gestellten Antrags. Daraufhin erhielt der Kl bloß ein formloses Schreiben, dass für einen Ausgleichszulagen-Jahresausgleich kein Bescheid erteilt werde.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Am 11.4.2019 brachte der Kl beim BVwG eine Säumnisklage wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der Bekl ein. Die Bekl beantragte die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Klage. Das BVwG leitete die Klage gem § 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) an das Erstgericht weiter, weil die behauptete Säumnis eine Leistungssache gem § 354 ASVG betreffe.

Das Erstgericht wies die Klage mit Beschluss zurück. Es stehe zwar aufgrund der rechtskräftigen Bescheide fest, dass der Kl im Jahr 2017 Ausgleichszulage bezogen habe und über die Höhe des Ausgleichszulagenanspruchs mit Bescheid abzusprechen sei; aber eine Pflicht zur bescheidmäßigen Absprache über den Jahresausgleich sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr stelle der bereits rechtskräftige Bescheid ohnehin einen Exekutionstitel gem § 1 Z 11 EO dar, und der Kl könne Ansprüche aus einer vermeintlich unrichtigen Abrechnung auf diesem Wege geltend machen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kl nicht Folge. Verfahrensrechtliche Bescheide würden – abgesehen vom hier nicht relevanten Fall des § 68 ASGG – grundsätzlich nicht der Überprüfung durch das Arbeits- und Sozialgericht im Rahmen der sukzessiven Kompetenz unterliegen. Dies schließe auch die Möglichkeit einer Säumnisklage aus, wenn die „Behörde“ nicht mit einem die Kernfrage der Gewährung oder Nichtgewährung der begehrten Leistung meritorisch erledigenden Sachbescheid, sondern einem anderen verfahrensrechtlichen Bescheid säumig sei. Der Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zugelassen.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Kl, mit dem er eine meritorische Entscheidung über seine Klage anstrebt.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] [18] Die Feststellung des Bestands, des Umfangs oder des Ruhens eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung – wie der Invaliditätspension – ist, soweit dabei nicht die Versicherungszugehörigkeit, die Versicherungszuständigkeit, die Leistungszugehörigkeit oder die Leistungszuständigkeit in Frage steht, gemäß § 354 Z 1 ASVG eine Leistungssache.

[19] Gemäß § 295 Abs 1 ASVG sind auf die Ausgleichszulage, auf das bei der Feststellung der Ausgleichszulage zu beobachtende Verfahren und auf das Leistungsstreitverfahren über die Ausgleichszulage die Bestimmungen des ASVG über die Pensionen aus der Pensionsversicherung anzuwenden. Einer der in § 295 Abs 2 ASVG genannten Ausnahmefälle liegt nicht vor.

[20] Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergibt sich, dass die Beklagte über den Antrag auf Feststellung einer Ausgleichszulage (vgl § 296 Abs 2 ASVG) mit Bescheid zu entscheiden hat. Soweit es sich dabei um eine Leistungssache gemäß § 354 Z 1 ASVG handelt, ist dieser Bescheid unter den Voraussetzungen des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG beim Arbeits- und Sozialgericht anfechtbar. Wird ein Bescheid entgegen dieser Pflicht nicht erlassen, so wird der Pensionsversicherungsträger unter den Voraussetzungen des § 67 Abs 1 Z 2 und 3 ASGG säumig. [...]

[27] Die pensionsberechtigte Person kann den Jahresausgleich beim leistungszuständigen Versicherungsträger bis 31. März des folgenden Kalenderjahres beantragen. Der Jahresausgleich kann aber auch vom Versicherungsträger von Amts wegen im Verlauf (also bis zum Ende) des folgenden Kalenderjahres vorgenommen werden (§ 296 Abs 5 ASVG). Der Jahresausgleich bewirkt daher in beiden Fällen eine nachträgliche Korrektur der bereits geleisteten Zahlungen an Ausgleichszulage für das vergangene Kalenderjahr. [...]

[29] Um die angestrebte Verwaltungsvereinfachung zu erreichen, nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass eine pensionsberechtigte Person in einer der oben dargestellten Situationen nach § 296 Abs 5 bis 7 ASVG zunächst eine niedrigere Ausgleichszulage erhält als ihr letztlich – nach Durchführung des Jahresausgleichs – zusteht. Die Korrektur erfolgt erst nachträglich im Wege des Jahresausgleichs. Daher kommt dem Argument des Erstgerichts, die rechtskräftige Entscheidung über die Ausgleichszulage bilde einen Exekutionstitel, der dem Berechtigten zur Durchsetzung seines Rechts verhelfe, keine Berechtigung zu: Denn die rechtskräftige Entscheidung über die Feststellung der Ausgleichszulage vor Durchführung des Jahresausgleichs (im Fall des Klägers wäre das der Bescheid vom 6.9.2018) bildet lediglich einen Exekutionstitel gemäß § 1 Z 11 EO über den im Bescheid festgesetzten, aber vor Durchführung des Jahresausgleichs (bei Vorliegen der Voraussetzungen in der Regel) zu niedrig festgesetzten Anspruch auf Ausgleichszulage.

[30] Mit dem Jahresausgleich erfolgt – über Antrag oder amtswegig – eine weitere (nachträgliche) Entscheidung über die Ausgleichszulage [...]. Dass sich dieser Anspruch nicht schon aus § 296 Abs 1 ASVG, sondern erst aus der Anwendung der Abs 5 bis 7 dieser Bestimmung ergibt, ändert nichts daran, 43 dass es sich dabei um einen Anspruch auf Ausgleichszulage handelt. Auf das Verfahren zu dessen Feststellung sowie auf das Leistungsstreitverfahren kommen wie bereits dargestellt ebenfalls § 295 iVm § 222 Abs 1 und 2, § 367 Abs 1 und § 354 ASVG zur Anwendung. Es handelt sich daher bei der Entscheidung über den sich aus dem Jahresausgleich ergebenden Anspruch auf Ausgleichszulage nicht um einen bloß verfahrensrechtlichen Bescheid.

[31] Ergebnis: Über den Antrag der pensionsberechtigten Person auf eine (nachträgliche) Leistung an Ausgleichszulage infolge eines – über Antrag oder amtswegig durchgeführten – Jahresausgleichs gemäß § 296 Abs 5 bis 7 ASVG hat der Pensionsversicherungsträger gemäß § 295 iVm § 222 Abs 1 und 2 sowie § 367 Abs 1 ASVG einen Bescheid zu erlassen.

[32] Dabei handelt es sich um einen Bescheid über eine Leistungssache im Sinn des § 354 Z 1 ASVG, soweit nicht eine der dort normierten Ausnahmen vorliegt, der gemäß § 65 Abs 1 Z 1 ASGG beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten werden kann [...].“

ERLÄUTERUNG

Die Ausgleichszulage hat den Zweck PensionsbezieherInnen ein gewisses Mindesteinkommen sicherzustellen. Die Ausgleichszulage gebührt in der Höhe der Differenz zwischen dem Richtsatz und der Summe aus Pension, Nettoeinkommen und zu berücksichtigenden Beträgen nach § 294 ASVG. Der Anspruch ist für den einzelnen Kalendermonat zu prüfen. Daher werden unregelmäßige Einkommen in den Monaten zur Gänze angerechnet, in denen sie anfallen. Dies kann in einzelnen Kalendermonaten zu einer „außerordentlichen“ Kürzung oder zum Entfall des Ausgleichszulagenanspruchs führen.

Fälle, die einen Jahresausgleich gem § 296 Abs 5 bis 7 ASVG notwendig machen, sind insb wiederkehrende Einkünfte der PensionsbezieherInnen, die weniger als vierzehnmal jährlich anfallen und somit nicht dem Rhythmus des Pensionsversicherungsrechts entsprechen. Weiters müsste bei regelmäßigen wiederkehrenden, aber in der Höhe variierenden Einkünften der Ausgleichszulagenanspruch für jeden einzelnen Kalendermonat neu festgestellt werden. Vergleichbar ist die Situation, wenn die Pension nur für Teile eines Kalenderjahres gebührt. Der Jahresausgleich dient daher sowohl der Vermeidung von Nachteilen für PensionsbezieherInnen in den angeführten Situationen, als auch einer Verwaltungsvereinfachung für den Pensionsversicherungsträger.

Die Berechnung des Jahresausgleichs erfolgt gem § 296 Abs 6 ASVG in mehreren Schritten: Nach der Z 1 leg cit wird zuerst die Summe der im betreffenden Jahr in Betracht kommenden Ausgleichszulagenrichtsätze gebildet. Bei Pensionsbezügen, die ein gesamtes Kalenderjahr bestanden haben, ist somit das 14-fache des jeweiligen Richtsatzes heranzuziehen, wenn sich dieser während des laufenden Jahres nicht verändert hat. Für Monate, in denen wegen Nichtvorliegens eines gewöhnlichen Inlandsaufenthalts oder Strafhaft kein Anspruch auf Ausgleichzulage bestand bzw auch der Pensionsanspruch ruhte, wird gem Z 2 leg cit kein Richtsatz der Berechnung zugrunde gelegt. Stattdessen sind für diese Monate die sonst erbrachten Geldleistungen der PV anzurechnen.

Im zweiten Schritt wird der Gesamtbetrag aus den im Satz 1 Z 3 leg cit genannten jährlichen Einkommen bzw sonstigen Ansprüche gebildet. Dazu zählen insb die Pensionen, einschließlich Sonderzahlungen und Ausgleichszulagen, sonstige Nettoeinkommen sowie die nach § 294 ASVG anzurechnenden Unterhaltsansprüche.

Abschließend ist dieser Gesamtbetrag (Z 3) von der oben ermittelten Summe (Z 1 und 2) abzuziehen. Ergibt diese Subtraktion eine positive Zahl (im Gesetz Mehrbetrag genannt), ist diese dem Pensionsberechtigten zu erstatten (nachzuzahlen).

Durch die klare Feststellung der Bescheidpflicht und der Zugehörigkeit zum Leistungsrecht gem §§ 295 iVm 222, 369 und 354 ASVG wird für AusgleichszulagenbezieherInnen einerseits Rechtssicherheit hergestellt und andererseits die finanziell risikofreie Rechtsschutzmöglichkeit im sozialrechtlichen Verfahren gem der §§ 65 ff ASGG vor dem Arbeits- und Sozialgericht bestätigt.