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Unfallversicherungsschutz bei Veranstaltungen der Freiwilligen Feuerwehr bloß bei Teilnahme in Ausübung einer Funktion

FABIANGAMPER

Unterliegt eine Veranstaltung dem Schutzbereich der UV, so ist der Unfallversicherungsschutz (nur) für einen ehrenamtlichen Mitarbeiter zu bejahen, der dort in einer Funktion tätig wird (also mit einer Tätigkeit beauftragt wird), und – zur Wahrung des geforderten unmittelbaren Zusammenhangs – nur solange er in dieser Funktion an diesem Fest teilnimmt. 36

SACHVERHALT

Die Kl ist aktives Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr M und nahm an einem Festakt der Freiwilligen Feuerwehr A teil. Die Teilnahme war vom Kommando der Freiwilligen Feuerwehr M zum Zweck der positiven Außendarstellung und Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls gewünscht. Sanktionen bei Nichtteilnahme gab es keine. Bei der Veranstaltung marschierten die einzelnen Freiwilligen Feuerwehren auf und standen während der Ansprachen in etwa 20 bis 30 Minuten in Formation. Währenddessen sackte die Kl nach einer aufgrund eines Versagens des vasokonstriktorischen Reflexes im Bereich der Beinvenen auftretenden Synkope (spontanreversibler Bewusstseinsverlust) ohne jede Abwehrreaktion zu Boden und prallte mit dem Kinn auf dem Kopfsteinpflaster auf. Dabei erlitt sie eine Rissquetschwunde, Frakturen des aufsteigenden Unterkieferasts und des Kieferkörpers sowie Verletzungen an den Zähnen. Der Sturz der Kl hätte vor allem bei lang dauerndem Stillstehen oder beim plötzlichen Aufstehen aus der liegenden Position auftreten können. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % lag zu keinem Zeitpunkt vor, derzeit beträgt sie 5 %.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid vom 8.8.2018 lehnte die bekl Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, da die Kl nicht verpflichtet gewesen sei, am Festakt teilzunehmen und der Unfall sich nicht bei einer Tätigkeit zur „Aufrechterhaltung der Schlagkraft“ der Feuerwehr M ereignet habe. Der Sturz sei außerdem auf eine innere Ursache zurückzuführen.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Mund- und Kieferverletzungen der Kl Folge eines einem Arbeitsunfalls gleichgestellten Unfalls gem § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG seien. Aufgrund der Minderung der Erwerbsfähigkeit von unter 20 % sei nur das Feststellungsbegehren berechtigt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies auch das Feststellungsbegehren ab, weil ein Stehen für etwa 20 bis 30 Minuten nicht als außergewöhnliche Belastung zu werten sei.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts eingebrachte Revision der Bekl ist zulässig, jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] [22] 1. Zur Beurteilung des Sturzes der Klägerin als Unfall

[…] [24] Der Unfallbegriff ist im ASVG nicht definiert. Von der Rechtsprechung wird der Unfall für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung dahin umschrieben, dass es sich um ein zeitlich begrenztes Ereignis – eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung – handelt, das zu einer Körperschädigung (oder zum Tod) geführt hat (RS0084348). Dabei handelt es sich nur um eine beispielsweise Aufzählung (10 ObS 131/90 SSV-NF 4/85). Für den Unfallbegriff ist nicht konstitutiv, dass ein besonderes, ungewöhnliches Geschehen vorliegt. Nach der neueren Rechtsprechung kann auch ein zur gewöhnlichen (geschützten) Tätigkeit gehörendes Ereignis ein Unfall sein, sofern es nur zeitlich begrenzt ist (RS0084089; zuletzt 10 ObS 162/19z).

[25] Ein Sturz ist danach als Unfall anzusehen. Bei einem Sturz auf den Boden liegt das von außen wirkende Ereignis im Aufprall des Körpers auf dem Boden. [...]

[26] Da bereits ein von außen wirkendes Ereignis – der Sturz der Klägerin verbunden mit ihrem Aufprall am Boden – ein Unfall im dargestellten Sinn ist, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob das unbewegte Stehen in der Formation durch 20 bis 30 Minuten eine ‚außergewöhnliche Belastung‘ ist oder nicht. Denn auch Unfallereignisse, die auf organische Ursachen – wie hier die Synkope der Klägerin – zurückzuführen sind, werden vom Unfallbegriff erfasst (7 Ob 57/17h). Für den Unfallbegriff ist nicht maßgeblich, ob die Körperschädigung durch eine physische oder psychische Wirkung (zB einen Nervenschock) hervorgerufen wird (10 ObS 45/12hSSV-NF 26/31). Der entscheidende Unterschied eines Unfalls zu einer Krankheit liegt in der zeitlichen Begrenztheit des Ereignisses [...], die hier vorliegt.

[27] Die von der Klägerin erlittenen Verletzungen sind Folge ihres Sturzes vom 5.5.2018 und daher eines Unfalls (Unfallereignisses) im Sinn des § 174 Z 1 ASVG.

[28] 2. Zur Frage des Versicherungsschutzes gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG

[29] § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG erweitert den Versicherungsschutz (nur) für ehrenamtlich tätige Mitglieder der in § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG genannten Organisationen auf Tätigkeiten, die weder Ausbildung noch Übung oder Einsatzfall sind, sich aber im Rahmen ihres gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereichs halten. [...] Dazu gehören jedenfalls die Öffentlichkeitsarbeit (10 ObS 42/17z SSV-NF 31/32), aber auch Hilfstätigkeiten, wenn sie der Einnahme von Spenden zur Finanzierung der Organisation dienen, wie zB die Beteiligung an ortsüblichen Festtagsmärkten, die Veranstaltung eines Feuerwehrfests oder eines Feuerwehrheurigen, Errichtung eines Verkaufsstands der Freiwilligen Feuerwehr für einen Weihnachtsmarkt (10 ObS 139/17i SSV-NF 32/9 mwH).

[…]

[31] Die Veranstaltung eines Feuerwehrfests ist wie ausgeführt in der Regel geeignet, dem öffentlichen Ansehen der Feuerwehr und der Erhöhung der Spendenbereitschaft der Bevölkerung zu dienen. Die von der Feuerwehr A* veranstaltete Feier 37 aus Anlass ihres Gründungsjubiläums wäre daher nach den dazu von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien grundsätzlich geeignet, in ihrem offiziellen Teil, in dessen Rahmen sich der Unfall der Klägerin ereignet hatte, einen Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs1 Z 7 lit b ASVG für ehrenamtliche Mitglieder der veranstaltenden Feuerwehr A*, die dort in einer Funktion tätig wurden, zu begründen. [...]

[32] […] die Klägerin war nicht als Mitglied der veranstaltenden Feuerwehr A*, sondern der im selben Abschnitt etablierten Feuerwehr M* Teilnehmerin an der Veranstaltung. Zutreffend weist die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hin, dass für die Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes zwischen der schlichten Teilnahme an einer Veranstaltung wie einem Feuerwehrfest einer – benachbarten – Freiwilligen Feuerwehr und deren Organisation bzw Leitung zu unterscheiden ist (Mathy, Unfallversicherungsschutz von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr, DRdA 2018/7, 57). Unterliegt eine Veranstaltung dem Schutzbereich der Unfallversicherung, so ist der Unfallversicherungsschutz (nur) für einen ehrenamtlichen Mitarbeiter zu bejahen, der dort in einer Funktion tätig wird (also mit einer Tätigkeit beauftragt wird), und – zur Wahrung des geforderten unmittelbaren Zusammenhangs – nur solange er in dieser Funktion an diesem Fest teilnimmt [...].

[33] Die Klägerin war nach den Feststellungen jedoch nicht – insbesondere nicht für die veranstaltende Feuerwehr A* – in einer Funktion tätig, sondern nahm daran lediglich als Teilnehmerin im Rahmen ihrer Mitgliedschaft zu einer benachbarten Feuerwehr teil.

[...]

[35] 3. Da die Klägerin im Unfallzeitpunkt keine unter dem Unfallversicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG stehende Tätigkeit ausübte, erweist sich die Abweisung des Feststellungsbegehrens als berechtigt. Der Revision ist damit im Ergebnis nicht Folge zu geben.“

ERLÄUTERUNG

Der OGH hatte sich wieder einmal mit einem Unfall bei der Freiwilligen Feuerwehr zu befassen. In der vorliegenden E bestätigt der OGH seine bisherige Rsp zur Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen Mitglieder bei Veranstaltungen dem Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG unterliegen. Ehren- oder hauptamtliche Mitarbeiter genießen bei Veranstaltungen dann Unfallversicherungsschutz, wenn diese als Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit dienen und die betreffenden Mitarbeiter bei der Veranstaltung in einer Funktion tätig sind. Der Unfallversicherungsschutz gilt jedoch nur solange sie diese Funktion ausüben (vgl Müller, Versicherungsschutz ehrenamtlicher Mitarbeiter des Roten Kreuzes; satzungsmäßiger Wirkungsbereich; Wegunfall, DRdA 2009/38, 396).

Die E konkretisiert, für welche Tätigkeiten der Unfallversicherungsschutz gem § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG gegeben ist. Sie müssen in einem gewissen organisatorischen bzw ausführenden Kontext mit einer Veranstaltung einer der in § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG genannten Organisation stehen. So wurde etwa vom OGH (20.2.2018, 10 ObS 139/17i) der Unfallversicherungsschutz im Fall eines Feuerwehrkommandanten bejaht, der beim offiziellen Teil eines Empfangs der eigenen Feuerwehrjugend durch defekte Feuerwerkskörper am Auge verletzt wurde. Die bloße Teilnahme an einer solchen Veranstaltung, sei es auch beim Stehen in Formation während des offiziellen Teiles, ohne konkrete Funktion ist dagegen nicht ausreichend und daher nicht vom Schutz der gesetzlichen UV umfasst.

Klargestellt wird im vorliegenden Fall aber auch, dass bei einem Sturz ein von außen wirkendes Ereignis vorliegt und dieses jedenfalls einen Unfall iSd ASVG darstellt; eine Prüfung, ob dieses Ereignis durch eine außergewöhnliche Belastung erfolgt ist, kann folglich unterbleiben.