Das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 und die Novelle des AuslBG 2017 oder die jährlichen Grüße des Murmeltiers

JOHANNESPEYRL
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Einleitung

Es ist wieder soweit: Wie jedes Jahr gibt es auch heuer wieder Umwälzungen im Fremdenrecht. Das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG 2017), eine Novelle des AuslBG sowie das Integrationsgesetz und das Arbeitsmarktintegrationsgesetz wurden in letzter Zeit im Parlament verabschiedet und treten (im Wesentlichen) teils im November, zum größten Teil aber (teils rückwirkend) mit 1.10.2017 in Kraft.

Das Spektrum der Änderungen reicht von einigen Änderungen im Bereich der qualifizierten Arbeitsmigration mit „Rot-Weiß-Rot-Karte“ (Änderungen bei Fachkräften, „Start-Up“-GründerInnen und auch längere Gültigkeitsdauer) über die Umsetzung von zwei Richtlinien in österreichisches Recht, der Saisonarbeits-RL* und der Konzernentsendungs-RL (bzw „ICT“-RL),* bis hin zu Pflicht zur Wohnsitznahme in einem zugewiesenen Quartier für abgewiesene AsylwerberInnen und „Wertekursen“ für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte.* Nicht zuletzt müssen aufgrund der Judikatur des EuGH einige Aufenthaltstitel387, die bislang nur zu einem temporären Aufenthalt berechtigten (aber auch stets verlängert werden konnten, „Aufenthaltsbewilligungen“), als Aufenthaltstitel zur Niederlassung ausgestaltet werden.

Es liegt auf der Hand, dass nicht alle weitreichenden Änderungen in diesem Beitrag dargestellt werden können. Dieser Beitrag beleuchtet daher einige Themenblöcke der vielfältigen Änderungen, die explizit den Zugang zum Arbeitsmarkt betreffen. Insb die Bestimmungen des IntegrationsG (das auch migrationsrechtlich relevante Inhalte, wie zB Verschiebung und teilweise Neugestaltung der Integrationsvereinbarung, zum Inhalt hat)* und die offenbar unvermeidlichen Verschärfungen des Asylrechts werden nicht behandelt.

Nach einem Bericht auf der Website des Parlaments wich die ursprünglich kundgemachte Beschlussausfertigung des Nationalrats zum FrÄG 2017* in drei Punkten vom Gesetzesbeschluss des Nationalrats ab, was zur Folge hat, dass das gesamte FrÄG 2017 idF BGBl I 2017/84 verfassungswidrig war.* Aus diesem Grund wurde das FrÄG Anfang Oktober 2017 noch einmal beschlossen.*

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Neuerungen bei der qualifizierten Arbeitsmigration mit „Rot-Weiß-Rot-Karte“

Gemessen an der sonstigen Dynamik des Aufenthaltsrechts stellen sich die Normen für die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften in den letzten Jahren als erstaunlich stabil dar. Auch mit der vorliegenden Novelle wird im Wesentlichen das System unverändert belassen; trotzdem sind die Änderungen aber durchaus praxisrelevant. Zuwanderung mit einer „Rot-Weiß-Rot-Karte“ zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung ist für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte in Mangelberufen, sonstige Schlüsselkräfte und StudienabsolventInnen möglich. Die Änderungen (abgesehen von der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels) betreffen die Säulen der Fachkräfte und der StudienabsolventInnen.

Die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ wird ab Geltungsbeginn von § 41 Abs 5 NAG idF FrÄG 2017 (1.10.2017) für zwei Jahre erteilt, eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ (mit der gem § 17 AuslBG ein unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden ist) kann in weiterer Folge dann erteilt werden, wenn innerhalb der letzten 24 Monate mindestens 21 Monate Beschäftigungszeiten unter den für die Erteilung der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ maßgeblichen Kriterien liegen (§ 41a Abs 1 NAG iVm § 20e Abs 1 Z 2 AuslBG). Bislang war bereits nach einem Jahr Niederlassung mit „Rot-Weiß-Rot-Karte“ die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ möglich, wenn die qualifizierte Beschäftigung mindestens zehn Monate ausgeübt wurde.

2.1
Änderung des Punkteschemas bei Fachkräften in Mangelberufen

In der Säule für Fachkräfte wird das Punkteschema leicht geändert: Nunmehr müssen 55 von insgesamt 90 Punkten erreicht werden, um eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ als Fachkraft in einem bestimmten Mangelberuf erhalten zu können (weitere wesentliche Kriterien sind eine abgeschlossene Berufsausbildung im konkreten Beruf und die Auflistung dieses Berufs in der sogenannten Fachkräfteverordnung). Punkte werden auch weiterhin für Qualifikation (von Berufsausbildung bis abgeschlossenes Studium), ausbildungsadäquate Berufserfahrung, Sprachkenntnisse (deutsch bzw englisch) und Alter vergeben,* durch eine etwas andere Gewichtung ist es nunmehr allerdings auch für ältere Fachkräfte leichter möglich, eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ zu erhalten.

2.2
Einbeziehung von Bachelor-AbsolventInnen in die StudienabsolventInnen-Regelung

StudienabsolventInnen, die ihr Studium in Österreich abgeschlossen haben, haben einen erleichterten Zugang zur „Rot-Weiß-Rot-Karte“: Sie können eine solche erhalten, wenn sie einen qualifikations- und ortsüblich (mindestens aber mit 45 % der Höchstbeitragsgrundlage) entlohnten Arbeitsplatz gefunden haben. Bislang waren nur AbsolventInnen eines Diplom- bzw Masterstudiums von dieser Regelung begünstigt,* nunmehr sind auch AbsolventInnen eines Bachelorstudiums von dieser Regelung erfasst. Auch AbsolventInnen eines Doktoratsstudiums waren dem Wortlaut nach vor 1.10.2017 nicht von der Regelung umfasst (vgl § 12 Z 2 AuslBG idF BGBl I 2017/66) und wurden nun explizit in die Auflistung aufgenommen. Argumentum a maiore ad minus war aber mE klar, dass diese AbsolventInnen auch vor Inkrafttreten dieser Novelle eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ für StudienabsolventInnen erhalten konnten.

2.3
Möglichkeit einer Beschäftigungsbewilligung für 20 Stunden für alle StudentInnen

Bislang konnten Beschäftigungsbewilligungen für drittstaatsangehörige StudentInnen mit einer „Aufenthaltsbewilligung – Studierende“ gem § 64388Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) für eine Beschäftigung, die zehn Wochenstunden und nach Abschluss des ersten Studienabschnitts eines Diplomstudiums bzw nach Abschluss eines Bachelor-Studiums 20 Wochenstunden nicht überschritten hat, ohne Arbeitsmarktprüfung erteilt werden. Nunmehr wird diese Unterscheidung aufgegeben und die Arbeitsmarktprüfung entfällt gem § 4 Abs 7 Z 2 AuslBG bei allen Anträgen auf Beschäftigungsbewilligungen für StudentInnen für bis zu 20 Stunden pro Woche.

Gem § 64 Abs 2 NAG darf die Erwerbstätigkeit das Erfordernis des Studiums als ausschließlichen Aufenthaltszweck nicht beeinträchtigen. Dies ist jedenfalls bei einer erlaubten Erwerbstätigkeit für bis zu 20 Stunden pro Woche nicht der Fall, da eine solche Möglichkeit explizit im AuslBG vorgesehen ist. Es ist zwar auch nicht ausgeschlossen, dass für StudentInnen eine Beschäftigungsbewilligung für mehr als 20 Stunden pro Woche erteilt wird, diesfalls ist aber aufenthaltsrechtlich darauf zu achten, dass das Studium weiterhin der „ausschließliche“ Zweck des Aufenthalts bleibt. Insb in den vorlesungsfreien Zeiten sollte das aber kein Problem darstellen.

2.4
Neuregelung der Zeit der Arbeitssuche nach Absolvierung eines Studiums

Drittstaatsangehörige StudienabsolventInnen, die ein Studium erfolgreich abgeschlossen haben und die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte“ anstreben, kann gem § 64 Abs 4 NAG die „Aufenthaltsbewilligung – Studierende“ zum Zweck der Arbeitssuche einmalig für die Dauer von zwölf Monaten verlängert werden, sofern die allgemeinen Voraussetzungen weiter erfüllt sind. Bislang erhielten AbsolventInnen nach Studienende lediglich für sechs Monate eine Berechtigung sui generis, diese gänzlich missglückte Regelung wird nun gleichsam repariert.

Während der Gültigkeitsdauer dieses Aufenthaltstitels bzw in einem kombinierten Zweckänderungs- und Verlängerungsverfahren (vgl §§ 24 Abs 4 und 26 NAG) können diese Personen eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ erhalten. Eine Einschränkung auf eine bestimmte „Säule“ (zB die oben angeführte „Rot-Weiß-Rot-Karte“ für StudienabsolventInnen) ist nicht mehr vorgesehen, sodass die AbsolventInnen etwa auch eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ für besonders Hochqualifizierte oder als selbstständige Schlüsselkraft erhalten können.

Eine Änderung zu einem anderen Aufenthaltszweck ist nur zu einem „Aufenthaltstitel – Familienangehöriger“ (§ 47 Abs 2 NAG) möglich. Die Unmöglichkeit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Familienzusammenführung zu Drittstaatsangehörigen (§ 46 NAG), falls die/der EhegattIn bzw eingetragene PartnerIn selbst niedergelassen sein sollte, ist mE nicht mit der RL 2003/86/EG (Familienzusammenführungs-RL) vereinbar.

Nicht gänzlich klar ist, ob nach erfolgloser Arbeitssuche und Aufnahme eines anderen Studiums eine weitere „Aufenthaltsbewilligung – Studierende“ erteilt werden darf. Da die Verlängerung des Aufenthaltstitels (eben „Aufenthaltsbewilligung – Studierende“) nicht ausgeschlossen ist und in diesem Fall keine Änderung des Aufenthaltszwecks angestrebt wird, ist dies mE zu bejahen.

Für „InhaberInnen eines Aufenthaltstitels gem § 64 Abs 4 NAG“ darf gem § 4 Abs 7 Z 2 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung von bis zu 20 Stunden pro Woche ohne Arbeitsmarktprüfung erteilt werden; diesfalls gilt die gleiche Regelung wie für StudentInnen während des Studiums. Eine Beschäftigung von über 20 Stunden pro Woche ist nach einer Prüfung des Arbeitsmarktes (Ersatzkraftverfahren) ebenso möglich. Allerdings steht das Erfordernis einer Beschäftigungsbewilligung in Zusammenhang mit einer Beschäftigung von bis zu 20 Stunden pro Woche zumindest im Spannungsverhältnis zur RL 2011/98/EU: Gem Art 3 Abs 3 RL 2011/98/EU können die Mitgliedstaaten beschließen, die Verpflichtung, eine kombinierte Erlaubnis gem Art 6 RL 2011/98/EU zu erteilen,* nicht auf jene Personen anzuwenden, die zu Studienzwecken zugelassen wurden. Obwohl in technischer Hinsicht die „Aufenthaltsbewilligung – Studierende“ verlängert wird, ist es nicht möglich, bei arbeitsuchenden AbsolventInnen davon zu reden, dass diese zu Studienzwecken zugelassen seien: Der Zweck des Aufenthalts ist trotz des Namens des Aufenthaltstitels eben die Arbeitssuche. Somit gilt die eben besprochene Ausnahme nicht für diese Gruppe, es muss also eine kombinierte Erlaubnis erteilt werden, die Ausstellung bzw Notwendigkeit eines Zusatzdokuments (hier: Beschäftigungsbewilligung) ist daher unionsrechtlich unzulässig. Da es in rechtspolitischer Hinsicht kaum zielführend ist, diesen Personen (die ja eine Erwerbstätigkeit anstreben!) während der Arbeitssuche den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verwehren, wäre es mE sachgerecht, dieser Gruppe einen Arbeitsmarktzugang für 20 Stunden pro Woche einzuräumen, ohne dass eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden müsste.

2.5
Selbstständige Schlüsselkräfte

Selbstständige Schlüsselkräfte können eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ erhalten, wenn ihre beabsichtigte Erwerbstätigkeit insb hinsichtlich des damit verbundenen Transfers von Investitionskapital in der Höhe von mindestens € 100.000,– oder der Schaffung von neuen oder Sicherung von bestehenden389Arbeitsplätzen von gesamtwirtschaftlichem Nutzen ist oder zumindest eine Bedeutung für eine Region hat (vgl § 24 Abs 1 AuslBG). Neu ist insb die konkrete Zahl von € 100.000,– bezüglich des Investitionskapitals. Nach wie vor gibt es für diese selbstständigen Schlüsselkräfte kein Punktesystem, das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) in einem Gutachten feststellen.* Nach dem Wortlaut von § 41 Abs 4 NAG ist der Antrag „ohne Weiteres“ abzuweisen, wenn das Gutachten negativ sein sollte. Diese Anordnung wurde aber durch die Rsp des VwGH relativiert: § 41 Abs 4 letzter Satz NAG darf (in verfassungskonformer Interpretation) nicht in dem Sinn ausgelegt werden, dass ein solches Gutachten durch die AntragstellerInnen nicht entkräftet oder widerlegt werden könnte oder dass die Niederlassungsbehörde an ein unschlüssiges Gutachten gebunden wäre. Vielmehr gilt auch in Bezug auf die Würdigung dieses Beweismittels, dass die in § 45 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs uneingeschränkte Anwendung finden.* Die abschließende Entscheidung kommt daher der Niederlassungsbehörde zu, die die Schlüssigkeit des Gutachtens des AMS zu überprüfen hat. Eine grundsätzliche Verpflichtung, in jedem Fall ein weiteres Gutachten des AMS einzuholen, wenn das vorliegende Gutachten als unschlüssig erachtet wird, besteht nicht und stünde auch in Widerspruch zu der oben angeführten Möglichkeit der Entkräftung bzw Widerlegung eines Gutachtens.*

2.6
Start-Up-GründerInnen

Durch BGBl I 2017/66 wurde auch eine spezielle Regelung für sogenannte „Start-Up-GründerInnen“ eingeführt. Nach den EB soll es sich dabei um Personen handeln, die in Österreich als selbstständige UnternehmerInnen ein Start-Up gründen wollen, in dem innovative Produkte, Dienstleistungen, Verfahren oder Technologien entwickelt und in den Markt eingeführt werden.*

Diesen Personen kann eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ erteilt werden, wenn sie zum einen zumindest 50 von 85 möglichen Punkten erreichen, wobei Punkte in diesem Fall für Berufsausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse sowie für eingebrachtes Kapital bzw „Aufnahme in einem Gründerzentrum oder Förderung durch eine Start-Up-Förderstelle in Österreich“ vergeben werden.* Weiters müssen sie im Rahmen eines neu zu gründenden Unternehmens innovative Produkte, Dienstleistungen, Verfahren oder Technologien entwickeln und in den Markt einführen, dazu einen schlüssigen Businessplan für die Gründung und den Betrieb des Unternehmens vorlegen, wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung des geplanten Unternehmens tatsächlich persönlich ausüben und Kapital für das zu gründende Unternehmen in der Höhe von mindestens € 50.000,– (davon zumindest die Hälfte Eigenkapital) nachweisen.

Als innovativ werden nach den EB Produkte, Dienstleistungen, Verfahren oder Technologien insb dann gelten, „wenn sie neu in Österreich eingeführt werden sollen und eine Nachfrage erwartet werden kann, ein neuartiger Zugang oder ein kreativer Ansatz gewählt wird, indem beispielsweise verschiedene Produkte bzw Branchen kombiniert werden (Interdisziplinarität), das Start-up-Unternehmen im sozialen oder ökologischen Bereich neue Angebote schafft oder soziale bzw ökologische Verantwortung übernimmt“.*

Wie bei den selbstständigen Schlüsselkräften muss die Landesgeschäftsstelle des AMS das Vorliegen dieser Voraussetzungen in einem Gutachten feststellen, wobei nach dem Wortlaut von § 41 Abs 4 NAG der Antrag auch in diesem Fall „ohne Weiteres“ abzuweisen ist, wenn das Gutachten negativ sein sollte. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum die oben angeführte Judikatur des VwGH, die im Rahmen des Verfahrens auch andere Beweismittel (zB andere Gutachten) zulässt,* nicht auch in diesen Fällen gelten soll. Rechtspolitisch ist anzumerken, dass es nicht iSd AnwenderInnenfreundlichkeit bzw Lesbarkeit von Gesetzen sein kann, wenn trotz deutlich einschränkender Interpretation des VwGH am Wortlaut einer Bestimmung (hier: § 41 Abs 4 NAG) festgehalten wird, obwohl sich letztlich ihre Bedeutung nur im Zusammenspiel mit den angeführten Judikaten erschließt.

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Umsetzung der Saisonarbeits-RL 2014/36/EU

Die Umsetzungsfrist der RL 2014/36/EU (Saisonarbeits-RL) ist bereits am 30.9.2016 abgelaufen, die Umsetzung der notwendigen Änderungen in österreichisches Recht ist daher mittlerweile recht dringend geboten. Wie in den EB zutreffend vermerkt, ist die RL 2014/36/EU mit dem bisherigen Saisonarbeitsmodell weitgehend kompatibel, daher muss dieses nur wenig umgestellt werden.* Generell handelt es sich bei Saisonarbeit mE um ein verfehltes Migrationsmodell. Es ist daher der390falsche Ansatz, diesem Modell noch durch eine RL neuen faktischen Auftrieb zu geben. Zumindest zeigt sich die RL 2014/36/EU gegenüber dem Entwurf der EK* durchaus verbessert: So ist insb das im Entwurf noch enthaltene Modell der zirkulären Migration (Erteilung von Bewilligungen für mehrere Jahre bzw Saisonen, wobei die Saisonarbeitskräfte zwischen den Saisonen zur Rückkehr in den Herkunftsstaat verpflichtet sind) in der RL nur noch als eine fakultative Option enthalten.

Wie bereits bisher kann der Sozialminister (BMASK) innerhalb des von der Bundesregierung (in der gem § 13 Abs 4 NAG verabschiedeten NiederlassungsVO) jährlich vorgegebenen Rahmens* Kontingente für Saisonarbeitskräfte verordnen. Möglich ist das aber lediglich im Falle eines vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs, der weder aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotenzial, noch mit EWR-BürgerInnen, SchweizerInnen und auch nicht registrierten Stammsaisoniers abgedeckt werden kann.

Diese Verordnung kann für eine zeitlich befristete Zulassung ausländischer Saisonarbeitskräfte in einem bestimmten Wirtschaftszweig, in einer bestimmten Berufsgruppe oder Region gelten. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten gem Art 2 Abs 2 RL 2014/36/EU die Beschäftigungssektoren auflisten, die saisonabhängige Tätigkeiten umfassen.* Diese Auflistung der Beschäftigungssektoren muss mE jedenfalls kundgemacht werden, da Unionsrecht klar und transparent umgesetzt werden muss.* Fraglich kann sein, ob es ausreichend ist, diese Auflistung im Rahmen der Kontingentverordnungen vorzunehmen, oder ob sie unmittelbar in § 5 AuslBG (bzw allenfalls in die entsprechende NiederlassungsVO gem § 13 Abs 4 NAG*) aufgenommen werden muss; aufgrund des Wortlauts von Art 2 Abs 2 RL 2014/36/EU ist ersteres (wie allerdings derzeit der Fall) mE problematisch.* Der immer noch enthaltene Verweis auf „bestimmte Berufsgruppe bzw bestimmte Region ist aber jedenfalls zu weit.*

Eine in der Praxis relevante Änderung betrifft jene Personen, die (ansonsten) visumfrei nach Österreich kommen können: Bislang galt gem § 31 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Beschäftigungsbewilligung gem § 5 AuslBG unmittelbar als Aufenthaltsrecht, zusätzlich war eine sogenannte „fremdenrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung“ nötig. Dies ist nun europarechtlich nicht mehr zulässig. Somit müssen nun auch diejenigen Personen ein Visum zu Erwerbszwecken erhalten, die eben sonst für bis zu drei Monate visumfrei nach Österreich kommen könnten: Denn eine Tätigkeit als Saisonier, zu deren Ausübung eine Beschäftigungsbewilligung nach § 5 AuslBG Voraussetzung ist, ist gem § 21 Abs 1 Z 3 FPG nur nach Erteilung eines Visums möglich. In diesem Fall ist dem Drittstaatsangehörigen ein Visum C oder ein Visum D* zu erteilen, wenn eine Beschäftigungsbewilligung vorliegt und kein Visumversagungsgrund gegeben ist. Es muss also zuerst der/dem AG eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden, in weiterer Folge wird dann den Drittstaatsangehörigen (je nach beabsichtigter Dauer) ein Visum C oder ein Visum D erteilt. Erst nach Erteilung eines Visums ist die Aufnahme der Saisonbeschäftigung erlaubt.

Beschäftigungsbewilligungen dürfen für bis zu sechs Monate erteilt werden; innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten dürfen für ein und dieselbe Saisonarbeitskraft Beschäftigungsbewilligungen für eine Gesamtdauer von längstens neun Monaten (früher: 12 Monate innerhalb von 14 Monaten) erteilt oder verlängert werden. Für Saisonarbeitskräfte, die bereits im Rahmen eines Kontingents bewilligt beschäftigt sind, dürfen gem § 5 Abs 6 AuslBG weitere Beschäftigungsbewilligungen bis zur zulässigen Höchstdauer „ungeachtet eines freien Kontingentplatzes“ erteilt werden. Damit soll Art 15 Abs 1 RL 2014/36/EU umgesetzt werden, wonach eine erteilte Bewilligung bei der/dem gleichen AG bis zur Höchstdauer (in Österreich: neun Monate) erteilt werden kann. Diese Umsetzung ist durchaus europarechtskonform, steht aber innerstaatlich in einem Spannungsverhältnis zu dem gem § 13 Abs 4 NAG festgelegten Höchstrahmen: Eine Verlängerung gem § 5 Abs 6 AuslBG ist nämlich auch dann zu gewähren, wenn dabei der Höchstrahmen gemäß der jeweils anwendbaren NiederlassungsVO dauerhaft überschritten würde. Das kann nur so aufgelöst werden, dass bei Festsetzung der Höchstzahl in der NiederlassungsVO sowie bei den Kontingenten gem § 5 AuslBG darauf geachtet wird, dass dieser Fall nicht eintritt. Sollte es dennoch zu einem solchen Szenario kommen, läge ein Fall eines Anwendungsvorranges des Unionsrechts vor und die Wortfolge in § 5 Abs 1 AuslBG, die eine Über-391schreitung verbietet, wäre bezüglich der Verlängerungen nicht anzuwenden.

Gem § 5 Abs 6 letzter Satz AuslBG sind Saisonarbeitskräfte, die mindestens einmal in den vorangegangenen fünf Jahren als Saisonarbeitskraft oder ErntehelferIn im Rahmen eines Kontingents gem Abs 1 Z 1 oder 2 AuslBG beschäftigt waren, bevorzugt zu bewilligen. Das entspricht Art 16 RL 2014/36/EU, wonach „mindestens“ eine der dort angeführten Erleichterungen für wiederholt beschäftigte Saisonarbeitskräfte gewährt werden muss. Die nur mehr fakultativ vorgesehene Möglichkeit der Gewährung von Erlaubnissen für mehrere Saisonen („zirkuläre Migration“) wurde nicht in österreichisches Recht übernommen.

Gem § 4 Abs 1 Z 11 AuslBG darf eine Beschäftigungsbewilligung für eine Saisonarbeitskraft oder eine/n ErntehelferIn nur dann erteilt werden, wenn die/der AG bestätigt, dass eine ortsübliche Unterkunft zur Verfügung steht und die Miete (falls die Unterkunft von der/dem AG zur Verfügung gestellt wird) nicht automatisch vom Lohn abgezogen wird.

Die Regelung für sogenannte „Stammsaisoniers“ bleibt unberührt: Personen, die in den Kalenderjahren 2006 bis 2010 immer mindestens vier Monate im Rahmen eines Kontingents für befristet beschäftigte AusländerInnen beschäftigt waren, konnten sich bis 30.4.2012 für weitere Beschäftigungen registrieren lassen.* Diese als „Stammsaisoniers“ registrierten Personen können ohne Arbeitsmarktprüfung eine Beschäftigungsbewilligung als Saisonarbeitskraft erhalten, wobei diese Beschäftigungsbewilligungen nicht auf ein Kontingent gem § 5 Abs 1 AuslBG angerechnet werden.

4
Umsetzung der RL zur Konzernentsendung, RL 2014/66/EU

Auch eine zweite RL im Bereich des Migrationsrechts, die 2014 erlassen wurde, wird mit dem vorliegenden Gesetzespaket in österreichisches Recht umgesetzt: Die RL 2014/66/EU gilt für Drittstaatsangehörige, die zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren Aufenthalt außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten haben und im Rahmen eines „unternehmensinternen Transfers“ als Führungskraft, Spezialist oder Trainee „vorübergehend abgestellt“* werden. Auch die Umsetzungsfrist dieser RL ist bereits am 29.11.2016 abgelaufen.

Ähnlich wie bei der Saisonarbeits-RL war auch im Fall dieser RL der Entwurf für AN-Interessen deutlich nachteiliger als die letztendlich erlassene RL. Wie auch bei Entsendungen aus einem anderen Mitgliedstaat der EU nach Österreich bestehen auch im Fall eines unternehmensinternen Transfers Gefahren bezüglich Lohn- und Sozialdumping. Diese wurden im Zuge des Verfahrens zur Erlassung der RL zwar nicht beseitigt, aber es wurden doch „Safeguards“ eingebaut (siehe dazu gleich unten) und die RL so gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der EK* deutlich verbessert.

Als unternehmensintern transferierte AN gelten Drittstaatsangehörige, die von ihren außerhalb der EU ansässigen AG während ihres Arbeitsverhältnisses in eine oder mehrere Niederlassungen, die zum gleichen Unternehmen oder zur gleichen Unternehmensgruppe gehören und ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat haben, vorübergehend abgestellt werden.

Eine solche vorübergehende Abstellung ist nur für Führungskräfte, SpezialistInnen oder Trainees möglich. Führungskräfte sind Personen, die die aufnehmende Niederlassung oder eine Abteilung oder Unterabteilung dieser Niederlassung leiten und hauptsächlich unter der allgemeinen Aufsicht des Leitungsorgans oder der Anteilseigner oder gleichwertiger Personen des transferierenden Unternehmens, der transferierenden Unternehmensgruppe oder der aufnehmenden Niederlassung steht oder von ihnen allgemeine Weisungen erhalten; SpezialistInnen müssen über unerlässliche Spezialkenntnisse für die Tätigkeitsbereiche, die Verfahren oder die Verwaltung der aufnehmenden Niederlassung und über ein hohes Qualifikationsniveau für bestimmte Arbeiten oder Tätigkeiten mit spezifischen technischen Kenntnissen, einschließlich einer angemessenen Berufserfahrung, verfügen; Trainees sind Drittstaatsangehörige mit einem Hochschulabschluss, die in ihrer beruflichen Entwicklung gefördert werden oder sich branchenspezifisch, technisch oder methodisch fortbilden.

Die RL sagt nichts darüber aus, in welcher Rechtsform diese vorübergehende Abstellung geschehen muss. Ein unternehmensinterner Transfer kann mE sowohl in Form einer Entsendung, einer Überlassung oder auch einer Begründung eines gänzlich neuen Dienstverhältnisses zur aufnehmenden Niederlassung durchgeführt werden.

Zwar müssen unionsrechtlich gem Art 5 Abs 4 lit a RL 2014/66/EU während des unternehmensinternen Transfers die Bedingungen erfüllt sein,392die für entsandte AN in vergleichbaren Situationen in den entsprechenden Beschäftigungsbranchen gelten und es wird innerstaatlich in § 18a Abs 1 Z 3 AuslBG die Einhaltung der österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gem (ua) § 3 Abs 3 bis 6 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) (die weitgehend die Bedingungen für entsendete AN regeln) verlangt. Dies spricht dafür, dass es sich bei den vorübergehenden Transfers um Entsendungen handeln könnte. Es ist aber mE nicht ausgeschlossen, dass in arbeitsrechtlicher Hinsicht andere Konstruktionen gewählt werden, solange die Bedingungen der RL bzw des österreichischen Migrationsrechts (insb § 18a AuslBG und § 58 NAG) erfüllt sind.

Gem § 2 Abs 13 letzter Satz AuslBG gelten AusländerInnen, die insb von ArbeitskräfteüberlasserInnen abgestellt werden, nicht als unternehmensintern transferierte AN in diesem Sinn. Das ist wichtig, da ansonsten Konzerne schlicht nur „ihre eigenen“ Überlassungsunternehmen in anderen Staaten gründen hätten müssen, um Personal verschieben zu können. Unionsrechtlich ist das möglich, weil gem Art 2 Abs 2 lit e RL 2014/66/EU die RL nicht für Drittstaatsangehörige gilt, die ua von ArbeitsvermittlerInnen oder Leiharbeitsunternehmen abgestellt werden, somit gibt es für diesen Bereich keine unionsrechtlichen Vorgaben. Weiters darf die aufnehmende Niederlassung nicht hauptsächlich zu dem Zweck gegründet worden sein, die Einreise von unternehmensintern transferierten AN zu erleichtern (vgl auch Art 7 Abs 1 lit c RL 2014/66/EU).

Das Verfahren zur Erlangung einer entsprechenden kombinierten Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung als unternehmensintern transferierte/r AN ist dem Verfahren zur Erlangung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte“ nachgebildet.* Die Erteilung einer einzigen Berechtigung für Arbeit und Aufenthalt ist auch unionsrechtlich geboten, da gem Art 11 Abs 5 RL 2014/66 die AntragstellerInnen einen Anspruch auf ein einheitliches Antragsverfahren haben. Die Drittstaatangehörigen können gem § 58 NAG eine Aufenthaltsbewilligung als unternehmensintern transferierte AN erhalten, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für Aufenthaltstitel* und die Voraussetzungen für eine vorübergehende Abstellung, wie oben beschrieben, erfüllt sind. Den Antrag müssen die konzernintern transferierten AusländerInnen gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung der InhaberInnen der aufnehmenden Niederlassung, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der Aufenthaltsbehörde* einbringen, allerdings kann der Antrag auch vom aufnehmenden Unternehmen im Inland eingebracht werden. Obwohl also in vielen Fällen grundsätzlich ein Inlandsantrag für die AN nicht möglich sein wird,* kann der Antrag im Ergebnis immer im Inland eingebracht werden. Dieser Antrag muss idR an das zuständige AMS weitergeleitet werden. Liegen die Voraussetzungen vor (dh wenn die Personen tatsächlich entweder Führungskräfte, SpezialistInnen oder Trainees sind und die Bedingungen des § 18a AuslBG erfüllt sind), benachrichtigt das AMS darüber die Aufenthaltsbehörde. Sind die allgemeinen Voraussetzungen (insb § 11 NAG*) erfüllt, wird der Aufenthaltstitel erteilt und die innerhalb des Konzerns versetzten AN können die Erwerbstätigkeit aufnehmen.

Führungskräfte und SpezialistInnen können gem § 58 Abs 4 NAG bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen Aufenthaltsbewilligungen bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von drei Jahren erhalten, Trainees dürfen lediglich insgesamt ein Jahr in Österreich bleiben;* eine Zweckänderung zu einem anderen Aufenthaltstitel ist möglich. In der Praxis könnte eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ (allenfalls eine „Blaue Karte EU“) in Frage kommen.

Es ist aber auch möglich, gleichsam über den „Umweg“ eines anderen Mitgliedstaates in Österreich als konzernintern transferierte/r AN in einer der drei Kategorien zu arbeiten. In diesem Fall muss der Konzern in allen drei involvierten Staaten Niederlassungen besitzen (in einem Drittstaat, in der die/der AN ihr/sein ursprüngliches Dienstverhältnis hat, in Österreich und in einem weiteren Mitgliedstaat). Drittstaatsangehörige AN, die bereits einen gültigen Aufenthaltstitel für unternehmensintern transferierte AN eines anderen Mitgliedstaates besitzen und länger als 90 Tage in das Bundesgebiet vorübergehend abgestellt werden, können eine Aufenthaltsbewilligung als mobiler unternehmensintern transferierte/r AN („mobiler ICT“) gem § 58a NAG erhalten, der Antrag muss spätestens 20 Tage vor Beginn der beabsichtigten Beschäftigung im Bundesgebiet (vgl § 21 Abs 10 NAG) eingebracht werden. Die Gesamtaufenthaltsdauer im Gebiet der Mitgliedstaaten (drei Jahre für Führungskräfte und SpezialistInnen, ein Jahr für Trainees) darf dabei nicht überschritten werden. Bis zu drei Monaten dürfen sie mit dem Aufenthaltstitel „ICT“ eines anderen Mitgliedstaates auf Grundlage dieses Aufenthaltstitels arbeiten. In diesem Fall wird gem § 18 Abs 12 und 13 AuslBG das Verfahren für drittstaatsangehörige AN, die in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthalt be-393sitzen und nach Österreich entsendet werden, angewendet. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist gem § 18 Abs 13 AuslBG eine „EU-Entsendebestätigung“ auszustellen.

5
Umsetzung des EuGH-Urteils „Mangat Singh“: Verbesserungen für ua WissenschafterInnen und KünstlerInnen

Nach dem Wortlaut des § 45 NAG können Personen mit einer (zeitlich befristeten, aber verlängerbaren) Aufenthaltsbewilligung* niemals direkt einen Titel „Daueraufenthalt – EU“ erhalten, da Personen mit einer solchen Aufenthaltsbewilligung nicht „niedergelassen“ iSd NAG sind.* Ein solcher genereller Ausschluss von allen Personengruppen, die bislang eine Aufenthaltsbewilligung erhalten konnten, war aber nach der Rsp des EuGH nicht europarechtskonform, da nach diesem Urteil auch Personen mit einem gemäß nationalem Recht „förmlich begrenzten“ Aufenthaltstitel langfristig niedergelassen iSd RL 2003/109/EG sein können.* Nunmehr hat auch der VwGH in diesem Sinn entschieden.*

Aus diesem Grund werden nun Aufenthaltstitel für bestimmte Zwecke, für die bisher eine bloße Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde, als Niederlassungsbewilligung vergeben; die betreffenden Personen sind niedergelassen iSd § 2 Abs 2 NAG und können daher nach fünf Jahren einen unbefristeten „Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt – EU“ gem § 45 NAG erhalten. In diesem Sinn wurden folgende neue Aufenthaltstitel geschaffen: „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ (§ 43a NAG), „Niederlassungsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ für insb DiplomatInnen, SeelsorgerInnen, besondere Führungskräfte, JournalistInnen und WissenschafterInnen (§ 43b NAG iVm § 1 Abs 2 AuslBG bzw § 1 AuslBVO [Ausländerbeschäftigungsverordnung]) und „Niederlassungsbewilligung – Forscher“ (§ 43c NAG).

6
Zwingende Aussetzung des Verfahrens bei Revision an VwGH bei Verfahren gemäß AuslBG

Gemäß dem neuen § 20g Abs 6 AuslBG idF BGBl I 2017/66 hat die regionale Geschäftsstelle des AMS ein Verfahren auszusetzen, wenn gegen eine E des BVwG Revision erhoben wurde.

Anlassfall ist wohl das Erk des VwGH 9.5.2016, Ra 2016/09/0035, mit dem eine außerordentliche Revision einer regionalen Geschäftsstelle des AMS abgewiesen und der Behörde aufgetragen wurde, unverzüglich der Aufenthaltsbehörde eine Bestätigung über die Erfüllung der Kriterien für eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ zuzustellen. Gemäß den EB könne es zu Vollzugsschwierigkeiten bei der Rückabwicklung kommen, wenn einer Amtsrevision letztendlich stattgegeben würde, weil ja in der Zwischenzeit ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei.*

In den meisten in Frage kommenden Fällen hat aber das AMS überhaupt keine Entscheidung zu treffen, die ausgesetzt werden könnte: Das Verwaltungsgericht entscheidet idR in der Sache selbst (§ 28 Abs 1 und 2 VwGVG), das BVwG erteilt also nicht bloß einen Auftrag an die Behörde, eine Sachentscheidung in diesem Sinn zu treffen. Somit trifft die Behörde nur die Verpflichtung, diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts umzusetzen, ein Aussetzen eines Verfahrens seitens der regionalen Geschäftsstelle des AMS ist daher nicht möglich.

Wie in den EB ausgeführt, findet sich zwar eine ähnliche Bestimmung im NAG, gem § 3b NAG ist aber eine zwingende Aussetzung nur dann vorgesehen, wenn „das Verfahren von der Behörde fortzusetzen“ ist. Im Fall des § 20g Abs 6 AuslBG fehlt ein solcher Vermerk aber; nach dem Wortlaut muss jedes Verfahren ausgesetzt werden, wenn Revision erhoben wurde. Das kann aber nur dann gelten, wenn der Behörde überhaupt noch eine Kompetenz zur Entscheidung zukommt. Denkbar ist mE eine solche Aussetzung letztlich nur in den Fällen, in denen gegen eine Zurückverweisung gem § 28 Abs 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Revision eingelegt wurde.

7
Wie es der langjährigen Übung entspricht, wurde also auch im Jahr 2017 das Migrationsrecht großflächig novelliert. Neben den mittlerweile leider ebenso üblichen Verschärfungen des Asylrechts wurden dieses Jahr wieder EU-Richtlinien in innerstaatliches Recht umgesetzt und wie üblich mussten Anpassungen aufgrund der Judikatur vorgenommen werden. Neu ist, dass selbst die Beschlussfassung bzw Kundmachung diesmal zunächst nicht verfassungskonform erfolgte und eilig repariert werden musste.394