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Selbsterhaltungsfähigkeit beim Bezug der Waisenpension – Sonderzahlungen bei Ermittlung des Nettoerwerbseinkommen zu berücksichtigen

ANDREATUMBERGER

Die 22-jährige Kl absolviert seit November 2015 eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin. Ihr Einkommen im Jahr 2016 beträgt € 850,– netto monatlich exklusive Sonderzahlungen, aber inklusive Fahrtkosten-372vergütung (€ 87,– monatlich) sowie Gefahrenzulage (€ 60,– monatlich). Inklusive Sonderzahlungen bezog die Kl von Jänner bis einschließlich Oktober 2016 ein Nettoeinkommen von € 9.607,04, somit durchschnittlich € 960,70 netto pro Monat.

Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) lehnte den Antrag auf Gewährung der Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.7.2016 über das 18. Lebensjahr hinaus ab. Gem § 252 Abs 2 Z 1 ASVG besteht die Kindeseigenschaft auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Die Kindeseigenschaft wird bei einer Berufsausbildung aber nur dann über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus verlängert, wenn im Rahmen der Ausbildung kein oder nur ein geringes, die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht sicherndes Entgelt bezogen wird. Nach stRsp ist zur Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit auf den Ausgleichszulagenrichtsatz als Entscheidungshilfe abzustellen.

Das Erstgericht wies die gegen den Bescheid der PVA eingebrachten Klage mit der Begründung ab, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl nicht Folge; ob die Fahrtkostenvergütung von € 87,– einen echten Aufwandersatz darstelle (der nicht als Einkommen zu berücksichtigen wäre), könne dahingestellt bleiben, weil die Sonderzahlungen bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden monatlichen Nettoeinkommens miteinzubeziehen seien. Die Sonderzahlungen seien als auf zwölf Monate aufzuteilende – real zur Verfügung stehende – Einkünfte anzusehen, die das durchschnittliche monatliche Einkommen entsprechend erhöhen. Bei dieser Berechnungsmethode sei die Kl jedenfalls als selbsterhaltungsfähig anzusehen (€ 763,– netto monatlich ohne Fahrtkostenersatz mal 14 dividiert durch 12 = € 891,16, welcher Betrag den Ausgleichszulagenrichtsatz für 2016 von € 882,78 überschreite).

Die Revision der Kl ist zur Klarstellung zulässig; sie ist aber nicht berechtigt. Die Kl brachte in ihrer Revision vor, dass nach der Berechnungsmethode des OLG auch der heranzuziehende Ausgleichszulagenrichtsatz in der Höhe von € 882,78 mal 14 dividiert durch 12 zu berechnen sei, sodass er sich auf € 1.029,91 brutto erhöhe. Diesem Argument entgegnet der OGH, dass aufgrund der Monatsbezogenheit des Richtsatzes dafür eine gesetzliche Grundlage fehlt. Der Umstand, dass eine Ausgleichszulage 14-mal pro Jahr ausbezahlt wird, hat auf die Höhe des Richtsatzes als Vergleichswert keinen Einfluss. Unabhängig von der Auszahlung 14-mal pro Jahr (§ 105 Abs 3 ASVG) handelt es sich beim Ausgleichszulagenrichtsatz um einen jeweils auf den Monat bezogenen Betrag.

Da auch die Ausgleichszulage dem Pensionsberechtigten ein Mindesteinkommen sichern soll, wird bei der Ermittlung des Nettoeinkommens aus unselbständiger Arbeit für Zwecke der Ausgleichszulage bei infolge Sonderzahlungen ungleich hohen Monatseinkünften auf das auf einen Monatsdurchschnitt umzulegende Jahreseinkommen abgestellt. Auch bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ist der Monatsdurchschnitt der vom Versicherten erzielten Jahreseinkünfte maßgeblich. Diese Überlegungen sind auf die Berechnung des Erwerbseinkommens zur Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Waisenpension übertragbar. Auch die Sonderzahlungen bilden ein Einkommen, das das real zur Verfügung stehende durchschnittliche monatliche Einkommen entsprechend erhöht. Es wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Personen mit und Personen ohne Anspruch auf Sonderzahlungen gegeben, würde man diese nicht in die Berechnung des Nettoeinkommens zur Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit einer Waise miteinbeziehen. Im Ergebnis ist somit das Nettoeinkommen € 891,16 inklusive der Sonderzahlungen dem Ausgleichszulagenrichtsatz (brutto) € 882,78 ohne Sonderzahlungen gegenüberzustellen, weshalb im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Waisenpension besteht.