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Ermittlung des Ergänzungsbetrages im Notstandshilfebezug

BIRGITSDOUTZ

Im Falle der Notstandshilfe kommen die Deckelungsbestimmungen des § 21 Abs 5 AlVG erst nach Ermittlung des Ausmaßes der täglichen Notstandshilfe gem § 36 Abs 1 Z 1 AlVG, wobei der Ergänzungsbetrag in Höhe der Differenz zwischen Grundbetrag und Ausgleichszulagenrichtsatz heranzuziehen ist, sowie nach Hinzurechnung gebührender Familienzuschläge zur Anwendung.

SACHVERHALT

Die Beschwerdeführerin beantragte am 22.2.2016 die Zuerkennung der Notstandshilfe. Im Antragsformular gab sie bekannt, dass im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter lebt und gab erhöhte Aufwendungen aus Anlass von Krankheit für Medikamente in Höhe von monatlich € 400,– bekannt und beantragte am 16.3.3016 die bescheidmäßige Feststellung der Höhe der Notstandshilfe. Das Arbeitsmarktservice (AMS) hat daher mit Bescheid vom 16.3.2016 festgestellt, dass ihr für den Zeitraum von 16.3.2016 bis laufend die Notstandshilfe in Höhe von € 5,80 gebührt.

Das AMS begründete die Leistungshöhe damit, dass der tägliche Grundbetrag in Höhe von € 16,87 und ein Ergänzungsbetrag in Höhe von € 6,55 errechnet wurde, sodass jeweils 95 % dieser beiden Werte (€ 16,15 und € 6,22) zusammengerechnet wurden und zu dieser Summe (€ 22,37) ein Familienzuschlag addiert wurde. Als Partnereinkommen hat das AMS einen täglichen Anrechnungsbetrag in Höhe von € 17,54 berechnet, sodass nach Anrechnung des Partnereinkommens und nach Abzug der Freigrenzen auf die errechnete Notstandshilfe von € 23,34 ein Betrag von € 5,80 verblieb.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

In der gegen den Bescheid des AMS vom 16.3.3016 eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, dass das AMS den Notstandshilfeanspruch nicht richtig berechnet habe. Sie begründete die falsche Berechnung damit, dass ausgehend vom Grundbetrag von € 16,87 der Ergänzungsbetrag bis zum täglichen Ausgleichzulagenrichtsatz (€ 29,43) € 12,56 betrage und dass daran auch die Deckelung des Anspruches mit 80 % des Nettoeinkommens nichts ändern würde. Die Notstandshilfe betrage 95 % des Grundbetrages (€ 16,03) und 95 % des Ergänzungsbetrages (€ 11,93) zuzüglich € 0,97 Familienzuschlag. 80 % des Nettoeinkommens seien € 24,53. Die Notstandshilfe vor Anrechnung des Partnereinkommens betrage somit gedeckelt € 24,53 und nicht € 23,34. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass sich der Ergänzungsbetrag iSd § 21 Abs 4 AlVG aus der Differenz zwischen Ausgleichzulagenrichtsatz und Grundbetrag ergebe und dies der VwGH in seinem Erk vom 24.2.2016, Ro 2015/08/0028 bereits ausgesprochen habe und dass damit der Ergänzungsbetrag genau definiert sei. Nicht die 80 %-Grenze des § 21 Abs 5 AlVG stelle die Obergrenze des Ergänzungsbetrages dar, sondern ausschließlich der Richtsatz. Ergänzend wurde in der Beschwerde die Berücksichtigung von Freigrenzen im Zusammenhang mit Ausgaben für den Schulbesuch der Tochter sowie Kosten aufgrund von mehreren Erkrankungen in der Höhe von € 200,– beantragt. Das AMS hat den Bescheid vom 16.3.2017 mit Beschwerdevorentscheidung abgeändert, da sich die zu berücksichtigende Freigrenze für Krankheiten auf € 68,40 erhöht hat, sodass der Anrechnungsbetrag zu vermindern war. Die Abänderung fand daher aufgrund der Berücksichtigung einer höheren Frei-369grenze statt, jedoch wurde die Notstandshilfe weiterhin falsch berechnet. Die Beschwerdeführerin brachte daher gegen die Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag ein und verwies nochmals auf das Erk des VwGH.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Das Bundesverwaltungsgericht folgt insoweit der Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach die Deckelung auf einen bestimmten Prozentsatz des täglichen Nettoeinkommens nur einmal und zwar erst nach Ermittlung des Gesamtanspruchs der Notstandshilfe vorzunehmen ist. Auf die Höhe des allenfalls gebührenden Ergänzungsbetrages wirkt sich § 21 Abs. 5 AlVG hingegen nicht aus. Zwar verweist auch § 21 Abs. 4 AlVG auf ‚die Obergrenzen gemäß Abs. 5‘. Dies ist jedoch nach Auffassung des erkennenden Senates lediglich als Hinweis darauf zu verstehen, dass auch im Falle der Anhebung des (unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegenden) Grundbetrages auf den täglichen Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende in Form eines Ergänzungsbetrages dennoch eine absolute Beschränkung des – aus Grundbetrag, Familienzuschlägen und allfälligem Ergänzungsbetrag bestehenden – Arbeitslosengeldes auf 80 vH des früheren Nettoeinkommens (für Personen mit Sorgepflichten) bzw. auf 60 vH des früheren Nettoeinkommens (für Personen ohne Sorgepflichten) besteht. Eine Anordnung, wie sich der Ergänzungsbetrag errechnet, wird dadurch hingegen nicht getroffen.

Auch im Falle der Notstandshilfe kommen somit die Deckelungsbestimmungen des § 21 Abs. 5 AlVG erst nach Ermittlung des Ausmaßes der täglichen Notstandshilfe gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG, wobei der Ergänzungsbetrag in Höhe der Differenz zwischen Grundbetrag und Ausgleichszulagenrichtsatz heranzuziehen ist, sowie Hinzurechnung gebührender Familienzuschläge zur Anwendung (arg.: ‚soweit dadurch die Obergrenze gemäß § 21 Abs. 5 nicht überschritten wird‘ im letzten Teilsatz des § 36 Abs. 1 AlVG). […]

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erk vom 24.02.2016, Ro 2015/08/0028, mit näherer Begründung ausgeführt, dass der Ergänzungsbetrag iSd § 21 Abs. 4 AlVG in der Differenz zwischen dem Richtsatz und dem Grundbetrag besteht. Diesbezüglich nahm der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich Bezug auf § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG und kam zu dem Ergebnis, dass dem Gesetz im Zweifel kein Regelungsinhalt zu unterstellen ist, der die Anordnung in § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG ‚zuzüglich 95 vH des Ergänzungsbetrages‘ in Bezug auf Fallkonstellationen ins Leere gehen ließe, in denen sich – obwohl iSd § 36 Abs. 1 Z 1 AlVG der Grundbetrag den Richtsatz unterschreitet – gemäß § 21 Abs. 4 AlVG kein Ergänzungsbetrag errechnet. Nichts anderes kann im Beschwerdefall gelten. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seinen Überlegungen zur Ermittlung des Ergänzungsbetrages iSd § 21 Abs. 4 AlVG die Gesetzessystematik als Ganzes im Auge hatte und auch angesichts der in § 21 Abs. 5 AlVG normierten Deckelungsbestimmungen keine andere Berechnungsmethode heranzöge als jene, die er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.02.2016 vorgezeichnet hat.“

ERLÄUTERUNG

Das Erk des BVwG bestätigt, dass auch im Falle der Notstandshilfe somit die Deckelungsbestimmungen des § 21 Abs 5 AlVG erst nach Ermittlung des Ausmaßes der täglichen Notstandshilfe gem § 36 Abs 1 Z 1 AlVG heranzuziehen sind, sodass der Ergänzungsbetrag in Höhe der Differenz zwischen Grundbetrag und Ausgleichszulagenrichtsatz gebührt. Die derzeitige Verwaltungspraxis des AMS führt dazu, dass der zustehende Tagsatz zweimal „gedeckelt“ wird: einmal bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes und einmal bei der Berechnung der darauf aufbauenden Notstandshilfe. Das BVwG hat mit dem Erk festgestellt, dass die vom AMS herangezogene Berechnungsmethode des Ergänzungsbetrages dem Gesetz und der ergangenen Judikatur des VwGH widerspricht. Das BVwG hat eine Revision für zulässig erklärt, da die Berechnung des Ergänzungsbetrages in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht und nicht eindeutig ist, ob die zugrundeliegenden Erwägungen des VwGH zur Ermittlung des Ergänzungsbetrages – wie vom Bundesverwaltungsgericht angenommen – auch im Anwendungsbereich des § 21 Abs 5 AlVG maßgeblich sind. Es wird daher abzuwarten sein, ob der VwGH den Ausführungen des BVwG folgt.