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Vertraglich vorgesehene Abzüge für Spesen (Reinigung der Arbeitskleidung) vom kollektivvertraglichen Mindestgehalt führen zur Unzumutbarkeit der Beschäftigung

BIRGITSDOUTZ

Einem Arbeitslosen wurde nach Absolvierung eines Arbeitstrainings in einem Sozialökonomischen Betrieb (SÖB) ein befristetes Arbeitsverhältnis auf einem Transitarbeitsplatz zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt von € 1.373,60 angeboten. Im Dienstvertrag war vorgesehen, dass vom Arbeitsentgelt monatlich ein Betrag von € 14,– für die Reinigung des Arbeitsgewandes abgezogen werden sollte. Der Arbeitslose beanstandete diese vertragliche Regelung und weigerte sich – nachdem eine Abänderung des Vertrages nicht vorgenommen wurde –, den Dienstvertrag zu unterschreiben. Daraufhin verhängte das Arbeitsmarktservice (AMS) mit Bescheid vom 9.9.2015 eine Sperre gem § 10 AlVG und stellte fest, dass der Arbeitslose für den Zeitraum vom 7.9. bis 18.10.2015 den Anspruch auf Notstandshilfe verliere. Dagegen brachte der Arbeitslose eine Beschwerde ein, welche das AMS mit der Begründung abwies, dass dem Arbeitslosen eine vollversicherte Beschäftigung angeboten worden sei und er die Annahme der Beschäftigung aufgrund einer im Dienstvertrag vorgesehenen Reinigungspauschale verweigert habe. Eine solche Vereinbarung sei aber arbeitsrechtlich zulässig. Der Arbeitslose brachte einen Vorlageantrag ein.

Das BVwG wies die Beschwerde mit der Begründung ab, dass die Annahme der Beschäftigung dem Arbeitslosen zumutbar gewesen sei, da Arbeitsverhältnisse im Rahmen eines SÖB gem § 9 Abs 7 AlVG zumutbare Beschäftigungen sind. Die Nichtannahme einer angebotenen Beschäftigung in einem solchen Betrieb könne iSd § 10 Abs 1 AlVG daher zum Verlust der Notstandshilfe oder des Arbeitslosengeldes führen. Darüber hinaus dürfe der DG nach der Rsp für die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses vom Arbeitslosen nicht die Annahme vertraglicher Bedingungen verlangen, die in wesentlichen Punkten – wie etwa der Arbeitszeitgestaltung – zwingenden Rechtsnormen widersprächen. Die vertragliche Vereinbarung, dass monatlich € 14,– für die Reinigung der Arbeitskleidung zu zahlen sei, stelle keine wesentliche Bedingung iS dieser Rsp dar, wegen der der Arbeitslose die Unterzeichnung des Vertrages verweigern könne.

Der Arbeitslose brachte dagegen Revision beim VwGH ein. Zur Zulässigkeit der Revision führte er aus, dass die wesentliche Rechtsfrage zu klären sei, ob ein Bezieher von Notstandshilfe eine Vereinbarung, wie im Dienstvertrag vorgesehen, hinnehmen müsse, um nicht seinen Anspruch zu verwirken. Der vorgesehene Einbehalt der Leistung hätte dazu geführt, dass das kollektivvertragliche Mindestentgelt nicht zur Gänze zur Auszahlung gelangt wäre. Ein solcher Einbehalt sei daher unberechtigt, zumal dadurch das System368des kollektivvertraglichen Mindestlohns unterlaufen werde.

Der VwGH gab der Revision statt und hob das angefochtenen Erkenntnis mit der Begründung auf, dass das Angebot einer unterkollektivvertraglichen Entlohnung die zugewiesene Beschäftigung – trotz der rechtlichen Durchsetzbarkeit des kollektivvertraglichen Mindestlohnes – als unzumutbar erscheinen lasse. Im Geltungsbereich eines KollV sind vertragliche Dispositionen zwischen AG und AN in Ansehung der dort geregelten Mindestentgelte nicht zulässig. Das im Bereich kollektivvertraglicher Mindestentgelte geltende Geldzahlungsgebot schließt in diesem Bereich abweichende Sondervereinbarungen aus. Ob der Marktwert der vom AG tatsachlich gewährten Naturalbezüge im Ergebnis höher ist als jener Teil des Barentgeltes, an dessen Stelle die Sachbezüge geleistet werden sollten, ist nicht erheblich. Eine Vereinbarung, wonach aus dem ausbezahlten Mindestentgelt bestimmte mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehende Spesen zu decken sind, ist unzulässig. Der KollV Sozialwirtschaft Österreich sieht eine Zahlung der Mindestentgelte in Geld vor. Damit bleibt laut VwGH für eine Vereinbarung eines Abzuges von € 14,– vom kollektivvertraglichen Mindestentgelt für die Reinigung des Arbeitsgewandes kein Raum. Das angebotene Dienstverhältnis war dem Arbeitslosen somit aufgrund der im Dienstvertrag vorgesehenen unterkollektivvertraglichen Entlohnung nicht zumutbar und der Tatbestand für eine Sperre der Leistung gem § 10 AlVG war daher nicht verwirklicht.