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Freizeit iSd § 7 Abs 9 KollV auch für teilzeitbeschäftigte Expeditarbeiter bei überwiegender Nachtarbeit

LYNNROTHFISCHER
§§ 11 Abs 3 AngG; 879 ABGB; § 7 Abs 9 des KollV für Expeditarbeiter und andere

Eine Expeditarbeiterin war im Durchschnitt zu fünf bis sechs Nachtdiensten pro Woche mit einem Arbeitseinsatz von über 70 % bzw 80 % einer Vollzeitkraft eingeteilt. Auf das Dienstverhältnis waren der Kollektivvertrag für Expeditarbeiter und andere (KollV) sowie die zwischen der Belegschaftsvertretung und dem AG abgeschlossene ,,Hausvereinbarung-Expedit“ anwendbar.

Nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses begehrte die Kl die Abgeltung von Freizeitguthaben für ,,ständig in der Nacht beschäftigte Expeditarbeiter“ im Ausmaß von zwei bezahlten Nächten pro Monat gem § 7 Abs 9 KollV.

Der AG verstand die Formulierung „ständig in der Nacht beschäftigt“ so, dass damit ausschließlich Vollzeitbeschäftigte mit einer Sechs-Tages-Woche gemeint sind. Solchen AN stünde nur eine freie Nacht pro Woche zur Verfügung, weshalb zusätzliche Freizeit sachlich gerechtfertigt sei. Selbst wenn man bei Teilzeitmitarbeitern einen Anspruch bejahen würde, sei dieser zu aliquotieren. Da die Hausvereinbarung keine Freizeitansprüche regle, bestehe im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs zudem aufgrund überkollektivvertraglicher Entlohnung der AN kein Anspruch auf freie Nächte.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die Kl erbrachte ihre Arbeitsleistung nahezu ausschließlich in der Nacht. Der Begriff ,,ständig“ sei nicht mit ,,ausschließlich“ gleichzusetzen, sondern bedeute mit großer Häufigkeit, regelmäßig, dauernd, aber nicht ausschließlich. Es bestehe daher keine Grundlage für eine Aliquotierung des Freizeitanspruchs. Auch sei kein Günstigkeitsvergleich aufgrund der Hausvereinbarung vorzunehmen. Dieser könne gerade nicht entnommen werden, dass durch allfällige Überzahlungen ein fehlender Anspruch auf Freizeit konsumiert werden sollte.

Der OGH bestätigte die Berufungsentscheidung und gab der ordentlichen Revision des Bekl keine Folge:

§ 7 Abs 9 des KollV regelt zusätzlich bezahlte Freizeit ausgehend vom Grundfall der Vollzeitarbeitskraft.

Entgegen der Ansicht der Bekl kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Personen, 14die nicht Vollzeit beschäftigt sind, keinen Freizeitanspruch haben. Der KollV sieht vor, dass bei Vollzeitbeschäftigten die Arbeitszeit auf fünf oder sechs Werktage gleichmäßig zu verteilen ist. Dass § 7 Abs 9 KollV die bezahlte Freizeit nur Mitarbeitern zugestehen will, die an sechs Tagen beschäftigt sind, hätte einer ausdrücklichen Klarstellung durch die Kollektivvertragsparteien bedurft. Allein die Formulierung „ständig in der Nacht Beschäftigte“ legt diese Auslegung nicht nahe. Vielmehr ist die Regelung dahin zu verstehen, dass mit „ständig“ gemeint ist, dass die Arbeitsleistung regelmäßig weit überwiegend in der Nacht erbracht wird. Die damit verbundene Mehrbelastung und Einschränkung soll durch zwei freie bezahlte Nächte ausgeglichen werden.

Wenn die Bekl meint, dass dieses Ergebnis gleichheitswidrig sei, weil bei einer Fünf-Tages-Woche die „bezahlte freie Nacht“ mehr wert sei als bei AN, bei denen die Normalarbeitszeit auf sechs Werktage gleichmäßig verteilt werde, so ist ihr zu entgegnen, dass die Kollektivvertragsparteien die Verteilung auf fünf oder sechs Werktage ausdrücklich vorgesehen haben und auch nachvollziehbar von einer vergleichbaren Belastung ausgingen.

Geht man aber davon aus, dass der Freizeitausgleich dazu dienen soll, die Erschwernisse und Einschränkungen von laufender Nachtarbeit abzugelten, gibt es keine sachliche Rechtfertigung, Teilzeitbeschäftigten einen solchen Ausgleich generell zu verwehren. Eine vergleichbare Belastung besteht, wenn auch allenfalls nur in geringerem Umfang, auch bei Teilzeitbeschäftigten, die ständig – wie hier fünf bis sechs Mal pro Woche – in der Nacht tätig sind.

Bezogen auf das Vorbringen, der Anspruch müsse zumindest aliquotiert werden, führte der OGH aus, dass sich eine Aliquotierung ohnehin schon daraus ergibt, dass die „freien Nächte“ iSd § 7 Z 9 des KollV dann auch weniger Stunden umfassen. Gegen eine weitere Aliquotierung spricht auch die Textierung des KollV selbst. Dieser sieht nämlich für den Sonderfall, dass wenn aufgrund von Krankheit oder unbezahlter Freizeitkonsumation nicht gearbeitet wird, vor, dass für zwei nicht gearbeitete Wochen eine freie Nacht entfällt. Auch wenn sich dieser Zusatz wie die Grundregel auf Vollzeitbeschäftigte bezieht, lässt sich daraus die Wertung der Kollektivvertragsparteien erkennen, einen pauschalen Zugang zu wählen.

Richtig sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass mit „ständig in der Nacht beschäftigt“ nicht gemeint ist, dass jede Schicht in der Nacht geleistet wird, sondern dass dieses Kriterium auch erfüllt ist, wenn die Arbeitsleistung weit überwiegend in der Nacht erbracht wurde.

Der Bekl kann auch nicht darin gefolgt werden, dass im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs die Höhe der Entlohnung den im § 7 Abs 9 KollV enthaltenen Freizeitansprüchen gegenübergestellt werden kann. Wie sie selbst ausführt, liegt der Zweck dieser zusätzlichen Freizeit darin, ständig in der Nacht beschäftigten Mitarbeitern zusätzliche freie Abende und damit eine zusätzliche Erholungsmöglichkeit zu gewähren. Damit besteht aber kein sachlicher Zusammenhang mit einer überkollektivvertraglichen Entlohnung, die diese zusätzliche Erholungsmöglichkeit gerade nicht beinhaltet.

Da die Kl ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung jedenfalls regelmäßig fünf oder mehr Nächte pro Woche beschäftigt war, standen ihr daher pro Monat zwei bezahlte freie Nächte zu.