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Benachteiligung wegen islamischen Gesichtsschleiers oder Kopftuchs

ROBERTREBHAHN (WIEN)
  1. Benachteiligungen wegen des Tragens religiöser Kleidungsstücke sind als unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion anzusehen.

  2. Die von der Kündigung wegen des Tragens eines islamischen Gesichtsschleiers (Niqab) grundsätzlich ausgehende unmittelbare Benachteiligung wegen der Religion fällt unter die Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 1 GlBG und diskriminiert daher nicht.

  3. Der AG diskriminiert unmittelbar wegen der Religion bei den sonstigen Arbeitsbedingungen, wenn er die AN wegen des Tragens des islamischen Kopftuchs und der Abaya im Vergleich mit anderen AN im Klientenkontakt und bei der Ausübung der Tätigkeit als Testamentszeugin zurücksetzt.

  4. Abfällige Bemerkungen des AG in E-Mails wie „das Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“ bestärken das Motiv der Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen.

Die Kl war beim Bekl, einem öffentlichen Notar, vom 12.1.2009 bis zum 15.7.2014 als Angestellte beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch AG-Kündigung zum 15.7.2014. [...] Die Kl konvertierte 2005 zum Islam. Der Bekl [...] räumte der Kl von Beginn an die Möglichkeit ein, in einem separaten Raum ungestört Gebete zu verrichten. [...] Im Februar 2010 ersuchte die Kl, auch während der Arbeit das islamische Kopftuch tragen zu dürfen. Es war für sie beschämend und stellte ein Identitätsproblem dar, bei ihrer Arbeit das Kopftuch abnehmen zu müssen. Der Bekl lehnte [...] zunächst ab. Es ging ihm dabei nicht um den Islam, sondern um das äußere Erscheinungsbild der Kl. Für ihn war das Tragen des Kopftuchs mit der notariellen Tätigkeit nicht vereinbar; er befürchtete, Klienten zu verlieren. Er verlangte von allen seinen Mitarbeitern ein dezentes, neutrales Auftreten, um seine Neutralität und Objektivität als Notar zu unterstreichen und das Vertrauen der Bevölkerung in seinen Berufsstand zu wahren. Für die Kl war es schwer, das islamische Kopftuch im Notariat nicht tragen zu dürfen; sie geriet deshalb immer mehr unter Druck. Sie entschied schließlich im Oktober 2010 [...] das Kopftuch auch während der Arbeitszeit zu tragen. [In einem Gespräch] wurde dem Bekl klar, welcher Druck auf der Kl lastete. Er gestattete ihr daher das Tragen des Kopftuchs. Ab diesem Zeitpunkt trug die Kl auch die Abaya (islamisches Übergewand) während der Arbeitszeit. Im Zeitraum 25.4. bis 3.10.2011 [...] vor Beginn des Mutterschutzes der Kl [...] [änderte sich] durch das Tragen des Kopftuchs an der Häufigkeit des Klientenkontakts der Kl nichts. Sie wurde weiterhin regelmäßig als Testamentszeugin herangezogen. [...] Nach Ende des Mutterschutzes [18.5.2012] trat die Kl mit der Bitte heran, während der Karenz [...] geringfügig arbeiten zu dürfen. Obwohl der Bekl keinen Bedarf hatte, beschäftigte er die Kl bis zum Ende ihrer Karenz mit zehn Stunden pro Woche. Die Kl trug während der Arbeitszeit Kopftuch und Abaya. Sie wurde in dieser Zeit nicht als Testamentszeugin eingesetzt und hatte auch keinen Klientenkontakt. Grund dafür waren ausschließlich ihre geringfügige und wechselnde Arbeitszeit sowie der Umstand, dass sie in einem separaten Zimmer saß. Nach Ende der Karenz am 21.3.2013 arbeitete die Kl 20 Stunden pro Woche. Der Kl wurde wieder Klientenkontakt übertragen, sie wurde auch wieder als Testamentszeugin eingesetzt; beides jedoch seltener als früher. Diese Einschränkungen waren aus Sicht des Bekl nicht in der Religion der Kl begründet, sondern in ihrem äußeren Erscheinungsbild. Dieses hätte nach Meinung des Bekl speziell in sensiblen Bereichen wie Verlassenschaften oder der Errichtung eines Testaments zu Unsicherheiten bei Klienten führen und die Unparteilichkeit seines Amtes in Frage stellen können. Aufgrund einer schweren Erkrankung war die Kl ab 31.7.2013 im Krankenstand. Sie fand in dieser Zeit Hoffnung und Trost in ihrer Religion und beschäftigte sich noch mehr mit ihrem Glauben. Sie entschied sich schließlich, nunmehr auch den islamischen Gesichtsschleier (Niqab) zu tragen. Die Kl teilte dem Bekl im Dezember 2013 [...] mit, dass sie in Hinkunft auch während der Arbeit den Gesichtsschleier tragen möchte. Für den Bekl war dies aber mit der Tätigkeit in einem Notariat nicht vereinbar. [...] In der weiteren Korrespondenz über die Rückkehr der Kl im März 2014 wies der Bekl neuerlich auf die Unvereinbarkeit [...] hin und stellte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in den Raum, sollte die Kl auf den Gesichtsschleier bestehen. [...] Der Bekl schrieb der Kl das E-Mail vom 24.3.2014: „Liebe Frau [Kl], In der Vergangenheit habe ich Sie in Ihren Bedürfnissen familiärer, finanzieller und religiöser Art in jeder erdenklichen Weise unterstützt, auch durch das Dauerexperiment ethnischer Kleidung. Mit dem Kopftuch können Sie Ihren religiösen Pflichten nachkommen. Das Tragen eines Gesichtsschleiers ist mit Ihrer Beschäftigung in der Notariatskanzlei aber nicht vereinbar.“ Ein weiteres E-Mail des Bekl vom 4.4.2014 hatte folgenden Inhalt: „Liebe Frau [Kl], Als Dienstgeber ist es meine Aufgabe, auf branchenübliche Bekleidung zu achten. Mit Rücksicht auf Ihre Wünsche habe ich bis auf Widerruf den Ihnen wichtigen Bekleidungsstil toleriert. Den Klientenkontakt habe ich Ihnen nicht untersagt, sondern nur im Hinblick auf diesen Bekleidungsstil zwangsläufig eingeschränkt. [...] Eine Vermummung im Rahmen des Kanzleibetriebs werde ich weder für Klienten noch für Mitarbeiterinnen zulassen.“ [...] Der Bekl wäre damit einverstanden gewesen, dass die Kl nach der Rückkehr wieder das islamische Kopftuch in der Kanzlei trägt, nicht jedoch den Gesichtsschleier. Da die Kl auf letzteren nicht verzichten wollte, sprach der Bekl die Kündigung aus. [...]

Die Kl begehrt [...] 7.000 € an immateriellem Schadenersatz. [...] Sie bekenne sich seit Jahren zum50 Islam und habe sich 2010 entschlossen, aufgrund ihrer Religion ein islamisches Kopftuch zu tragen. Dies habe der Bekl nur widerwillig akzeptiert. Wegen des Kopftuchs sei die Kl ab 2013 nur mehr bei Klienten mit Migrationshintergrund als Testamentszeugin eingesetzt worden. Der Kundenkontakt sei auf Mandanten mit „fremdländischer Herkunft“ beschränkt worden. [...] Die Kl hätte die arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen auch mit Gesichtsschleier erbringen können. [...] Diskriminierend seien auch [...] die abschätzige Bezeichnung der Religiosität der Kl und ihrer Bekleidung als „Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und als „Vermummung“. Die Kl sei aufgrund ihrer Religion bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmittelbar diskriminiert worden. Da das Verbot, einen Gesichtsschleier zu tragen, überdies nur Frauen treffe, sei die Kl zumindest mittelbar auch aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden. Das Arbeitsverhältnis sei vom Bekl nur gekündigt worden, weil die Kl aus religiösen Gründen einen Gesichtsschleier habe tragen wollen. Diese Beendigung sei ein massiver Eingriff gewesen, der die Kl zutiefst gekränkt habe. Selbst wenn es sachlich gerechtfertigt gewesen wäre, den Gesichtsschleier zu verbieten, stellten die abschätzigen Bemerkungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls eine Diskriminierung dar. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...] Es stehe dem AG frei, allgemeine Regelungen über Arbeitsbedingungen wie zB Bekleidungsvorschriften aufzustellen. [...] Eine Diskriminierung der Kl während des Arbeitsverhältnisses sei nicht erfolgt, weil der Bekl nie etwas gegen die Religion der Kl gehabt habe, sondern nur gegen das äußere Erscheinungsbild der Kl. Das Verbot des islamischen Gesichtsschleiers, [...] wendete sich [...] lediglich gegen einen bestimmten Kleidungsstil. Die vom Bekl gewünschte „optische Neutralität“ wirke sich auf alle Religionen gleich aus und sei daher nicht diskriminierend gewesen. [...]

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurück. [...] Nach der Karenz der Kl habe der Bekl ihr zwar weiterhin nicht das Tragen des islamischen Kopftuchs verboten. Er habe daran aber Benachteiligungen bei den sonstigen Arbeitsbedingungen geknüpft, weil er die Kundenkontakte und die Tätigkeit der Kl als Testamentszeugin wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes eingeschränkt habe. Dies stelle eine unmittelbare Diskriminierung der Kl aufgrund der Religion dar. [...] Hingegen verneinte das Berufungsgericht eine Religionsdiskriminierung bei der Kündigung der Kl. [...]

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind teilweise berechtigt.

I. Zur Diskriminierung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

1. Der Schwerpunkt des vorliegenden Verfahrens liegt auf dem Thema der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen eines islamischen Gesichtsschleiers (Niqab). Die Kl wendet sich gegen die rechtliche Beurteilung, dass ihre Kündigung wegen Nichteinhaltung des individuellen Verbots des Tragens eines islamischen Gesichtsschleiers durch den Bekl keine verpönte Diskriminierung wegen der Religion bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei (§ 17 Abs 1 Z 7 GlBG). Für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit der Kl als Angestellte in einem Notariat sei es nach § 20 Abs 1 GlBG keine wesentliche und entscheidende Voraussetzung, keinen Gesichtsschleier zu tragen. Die Kl habe im Übrigen ohnehin angeboten, den Gesichtsschleier bei Kundenkontakt abzunehmen, sodass die Kündigung ein unverhältnismäßiger Eingriff gewesen sei und weniger einschneidende Maßnahmen genügt hätten. Der Bekl habe lediglich die abstrakte Gefahr gesehen, dass die Neutralität seines Amtes durch das Tragen des Gesichtsschleiers gefährdet sei. Feststellungen, dass dieser Umstand tatsächlich die Interaktion der Kl mit Klienten und Arbeitskollegen beeinträchtigt hätte, habe das Erstgericht nicht getroffen [...].

2. Gem § 17 Abs 1 Z 7 GlBG ist davon auszugehen, dass aufgrund der Religion niemand unmittelbar oder mittelbar bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses diskriminiert werden darf. [...] Der Begriff Religion ist insgesamt weit auszulegen. [...] Art 14 Abs 1 StGG gewährt jedermann die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. [...] Nach Art 9 Abs 1 EMRK ist jedermann das Recht auf Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit gewährleistet. Dieses Recht umfasst auch die Freiheit, seine Religion öffentlich oder privat unter Beachtung religiöser Bräuche auszuüben. [...] Nach der Rsp des VfGH sind die genannten Verfassungsbestimmungen insofern als eine Einheit anzusehen, als Art 14 StGG durch Art 63 Abs 2 Staatsvertrag von St. Germain ergänzt wird und die dort genannten Schranken in Art 9 Abs 2 EMRK näher umschrieben werden (VfGHB 3028/97, VfSlg 15.394). Zu den von Art 9 EMRK geschützten religiösen Gebräuchen zählt auch das Tragen religiöser Kleidung (Frowein in

Frowein/Peukert
, EMRK3, Art 9 Rn 17 mwH). Auch nach der Rsp des EGMR ist das Tragen eines islamischen Kopftuchs als ein religiös motivierter Akt zu werten (RIS Justiz RS0127397; EGMRBsw 42393, Dahlab; Bsw 44774, Leyla Sahin = ÖJZ 2006, 424). Ausgehend davon umfasst der in § 17 Abs 1 GlBG normierte Diskriminierungsschutz auch das Tragen religiöser Kleidungsstücke im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis (RV 307 BlgNR 22. GP 15; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 29). Dafür ist einerseits der schon erwähnte weite Religionsbegriff des GlBG maßgeblich, und andererseits der Umstand, dass auch das Tragen religiöser Kleidungsstücke am Arbeitsplatz grundsätzlich vom Grundrechtsschutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit umfasst ist (EGMRBsw 48420/10, Eweida ua). [...] Gerade aus dem Umstand, dass aus einem religiösen Kleidungsstück nach außen erkennbar die Zugehörigkeit des Trägers oder der Trägerin zu einer bestimmten Religion abzuleiten ist bzw dieses als Ausdruck einer bestimmten Religion aufgefasst wird, folgt die Anwendung des Diskriminierungsschutzes des § 17 GlBG auch in einem Fall, in dem anknüpfend an das Tragen eines solchen Kleidungsstücks eine Ungleichbehandlung im51 dargestellten Sinn erfolgt (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 29; Windisch-Graetz in
Rebhahn
, GlBG § 17 Rz 25).

3.1 Entgegen der Rechtsansicht des Bekl kommt es nicht darauf an, ob das Tragen eines Gesichtsschleiers in konkreten Religionsvorschriften des Islam [...] eine ausreichende Grundlage hat (EGMRBsw 48420/10, Eweida ua, Rn 82 mwN). Maßgeblich ist vielmehr, dass (auch) das Tragen des Gesichtsschleiers als Ausdruck religiöser Gebräuche und als Ausdruck einer ernsthaften Gewissensentscheidung unter dem Schutz des Art 9 EMRK steht, weil es sich dabei um die tatsächliche Übung eines bestimmten Glaubens oder eines Bekenntnisses handelt (VfGHB 3028/97, VfSlg 15.394; zum islamischen Gesichtsschleier EGMRBsw 43835/11, SAS, Rn 56; Lienbacher in

Merten/Papier
, Handbuch der Grundrechte VII/1, Grundrechte in Österreich § 12 Rz 29 mwH). Das ist beim islamischen Gesichtsschleier mit länderspezifischen Unterschieden der Fall (vgl Souissi, Das muslimische Kopftuch im Lichte der EMRK 12 f). Eine Erörterung unterschiedlich interpretierter Verse des Korans [...] braucht hier nicht zu erfolgen. Es besteht kein Zweifel daran, dass es jedenfalls für bestimmte Muslima beim Gesichtsschleier um eine Form geht, ihre Religion auszuüben (EGMR 1.7.2014, Bsw 43835/11, SAS/Frankreich, Rn 56 [NJW 2014, 2926]).

3.2 Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass Benachteiligungen wegen des Tragens religiöser Kleidungsstücke nicht als mittelbare, sondern als unmittelbare Diskriminierung (§ 19 Abs 1 GlBG) aufgrund der Religion anzusehen sind, weil religiöse Kleidungsstücke gerade keine neutralen Unterscheidungskriterien (§ 19 Abs 2 GlBG) darstellen, ist zutreffend (RV 307 BlgNR 23. GP 15; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 36; Windisch-Graetz in

Rebhahn
, GlBG § 17 Rz 26).

3.3 Wird daher wie im Anlassfall das Arbeitsverhältnis vom AG gerade deshalb beendet, weil die AN ankündigt, sich seiner individuellen Weisung, während der Arbeitstätigkeit keinen islamischen Gesichtsschleier zu tragen, zu widersetzen, so ist zu prüfen, ob ein Ausnahmetatbestand nach § 20 GlBG [...] vorliegt.

4.1 Der Bekl hat sich [...] auf das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 20 Abs 1 GlBG berufen. Er hat dazu – unter Berufung auf die E des EGMRBsw 43835/11, SAS – insb vorgebracht, dass das Tragen eines Gesichtsschleiers die Feststellung der Identität verhindere und sein Verbot auch deshalb gerechtfertigt sei, weil es der Sicherstellung der Mindestvoraussetzungen der zwischenmenschlichen Kommunikation und damit des Zusammenlebens in der Gemeinschaft diene. Vertrauen sei gerade im Berufsfeld des Bekl ein wesentlicher Bestandteil des Kontakts. Die nicht sichtbare Identität des Gegenübers bewirke bei den Beteiligten Unsicherheit in der Kommunikation und sei daher der Vertrauensbildung abträglich.

4.1.1 Gem § 20 Abs 1 GlBG ist davon auszugehen, dass bei Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in § 17 GlBG genannten Diskriminierungsgründe steht, also zB Religion, dann keine Diskriminierung vorliegt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Der Wortlaut dieser gesetzlichen Bestimmung entspricht im Wesentlichen jenem des Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG.

4.1.2 Da die Nichtdiskriminierung aufgrund der Religion ein grundlegendes Prinzip des Unionsrechts darstellt (vgl Art 21 GRC, Art 10 AEUV), ist davon auszugehen, dass eine Ungleichbehandlung – in den Grenzen des Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG bzw § 20 Abs 1 GlBG – nur unter besonderen Umständen als zulässig angesehen werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn ein bestimmtes Merkmal eine spezifische berufliche Anforderung für eine bestimmte Tätigkeit darstellt (arg „aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit“; RV 307 BlgNR 22. GP 16). Diese Anforderungen sind eng zu verstehen (Windisch-Graetz in

Rebhahn
, GlBG § 20 Rz 3), sodass nur solche berufliche Anforderungen abgedeckt sind, die für die Ausführung der betreffenden Tätigkeit wesentlich und entscheidend sind (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 20 Rz 5 mH auf EuGH Rs C-222/84, Johnston, Rn 36, 37, 40; C-273/97, Sirdar, Rn 23; C-285/98, Kreil, Rn 20, jeweils zur vergleichbaren Bestimmung des Art 2 Abs 2 der RL 76/207/EWG; vgl auch den auf diese Entscheidungen des EuGH verweisenden Erwägungsgrund 11 zur RL 2002/73/EG [...]).

4.2 ISd oben gemachten Ausführungen ist daher – bei dem grundsätzlich gebotenen engen Verständnis der Ausnahmeregelung – in einem ersten Schritt gem § 20 Abs 1 GlBG zu beurteilen, ob das Verbot des Tragens eines islamischen Gesichtsschleiers während der Arbeitszeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung ist, um die beruflichen Anforderungen an die Kl als Notariatsangestellte zu wahren.

Während der Bekl der Kl das Tragen des islamischen Kopftuchs und der Abaya während der Arbeitszeit letztlich gestattet hat, trat er ihrer Absicht, in Hinkunft einen islamischen Gesichtsschleier zu tragen, entschieden entgegen. Mit der Einzelweisung, während der Arbeitszeit keinen Gesichtsschleier zu tragen, griff der AG nicht nur in die Religionsfreiheit der Kl, sondern auch in ihre Persönlichkeitsrechte nach § 16 ABGB und Art 8 EMRK, ihr persönliches Erscheinungsbild nach eigenem Ermessen festzulegen, ein. Auch daher braucht dieser Eingriff des Bekl ausreichende Gründe (9 ObA 82/15x).

Der EGMR hat in seinem durch die Große Kammer gefällten Urteil vom 1.7.2014, Bsw 43835/11, SAS/Frankreich, in dem es um ein allgemeines gesetzliches Verbot, den Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit in Frankreich zu tragen, ging, dem Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum zuerkannt (Rn 129), solange er nur den Kern von Art 9 EMRK achtet. Die [...] Frage der Möglichkeit der Identifizierung einer Person sei aber laut EGMR nicht geeignet, ein allgemeines Verbot des Tragens des Gesichtsschleiers zu recht-52fertigen, weil das Ziel der Identitätsfeststellung auch durch die einfache Verpflichtung, sich bei Bedarf zu identifizieren, erreicht werden könne (Rn 139). Der Gerichtshof bejaht aber die Berechtigung dieses Verbots aus Gründen der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation. Es gehöre zweifellos zu den Aufgaben eines Staats, die Voraussetzungen für das Zusammenleben der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit zu garantieren, sodass das Verbot des Tragens eines Gesichtsschleiers gerechtfertigt sei, um zwischenmenschliche Beziehungen zu ermöglichen, die nicht durch die Verschleierung des Gesichts beeinträchtigt werden (Rn 141 f). Ein solches Verbot sei auch nicht unverhältnismäßig. Frankreich wolle die zwischenmenschlichen Beziehungen schützen, die nach seiner Ansicht nicht nur für den Pluralismus wichtig seien, sondern auch für Toleranz und offene Geisteshaltung, ohne die es die demokratische Gesellschaft nicht gebe. Es könne als Wahl einer Gesellschaft angesehen werden, ob das Tragen des Gesichtsschleiers in der Öffentlichkeit akzeptiert werde oder nicht. Das Verbot des Tragens des Gesichtsschleiers könne daher als verhältnismäßig zu dem verfolgten Ziel, die Voraussetzungen für ein Zusammenleben als Teil des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer zu erhalten, angesehen werden (Rn 157).

Überträgt man diese grundrechtlichen Wertungen des EGMR auf das hier zu beurteilende Verhältnis zwischen AG und AN, so ist zwar festzuhalten, dass es ein allgemeines Verbot, einen islamischen Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit zu tragen, in Österreich nicht gibt. Allerdings zählt es auch in Österreich zu den unbestrittenen Grundregeln zwischenmenschlicher Kommunikation, das Gesicht unverhüllt zu lassen (13 Os 83/08t; Schmoller, Gesichtsverschleierung im Strafprozess, in GS Mayer Maly 439 [459]: „Das Tragen einer Burka bzw eines Niqab etc im heutigen Europa beeinträchtigt generell jede Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen, die für ein beiderseits erfreuliches Zusammenleben so hilfreich wäre.“). Dies gilt auch für andere europäische Länder. So wird etwa für Deutschland zu Art 4 GG (Glaubens- und Gewissensfreiheit) vertreten, dass die Untersagung des Tragens eines gesichtsverhüllenden Schleiers, der die Kommunikation und Interaktion zwischen Lehrern und Schülern unmöglich mache, zulässig sei (Kokott in

Sachs
, Grundgesetz5 Art 4 Rn 59).

Der islamische Gesichtsschleier (Niqab) bedeckt – anders als das islamische Kopftuch (Hijab) – auch das Gesicht der Frau, lediglich ihre Augen sind noch zu sehen. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Kommunikation und Interaktion besteht nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch an einem Arbeitsplatz mit Kontakt zu Kunden, Mitarbeitern und zum AG (Bauer/Krieger, AGG4 § 3, 104 mwH). Dies gilt auch für den Arbeitsplatz der Kl in einem Notariat, an dem die Kommunikation und Interaktion nicht nur mit Parteien und Klienten, sondern auch mit Mitarbeitern und dem Bekl selbst Gegenstand der Arbeitstätigkeit der Kl als Notariatsangestellte ist. Die unbeeinträchtigte Kommunikation und Interaktion ist eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Kl die vertraglich bedungenen Arbeitstätigkeiten als Notariatsangestellte erbringen kann. Das Tragen des islamischen Gesichtsschleiers am Arbeitsplatz hindert die Kl an der Erbringung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, weil er die notwendige Kommunikation und Interaktion der Kl mit Parteien, Klienten, Mitarbeitern sowie mit dem Bekl beeinträchtigt und erschwert. Die Nichtverschleierung des Gesichts ist damit aufgrund der Art der beruflichen Tätigkeit der Kl als Notariatsangestellte und der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung. [...]

Mit seiner Weisung an die Kl, dass bei der Arbeit kein Gesichtsschleier getragen werden dürfe, verfolgte der Bekl auch ein legitimes Ziel iSd § 20 Abs 1 GlBG, weil er als AG die Erfüllung der von der Kl geschuldeten Arbeitsleistungen sicherstellen darf. Daran änderte auch das Kompromissangebot der Kl, den Gesichtsschleier jeweils bei Klientenkontakt abzunehmen, nichts. Denn dies betrifft nur einen Teil der von ihr geschuldeten Arbeitstätigkeiten. Das Erfordernis einer unbeeinträchtigten Kommunikation und Interaktion ist aber insgesamt für alle Tätigkeiten der Kl erforderlich, und zwar nicht nur in Bezug auf den Klientenkontakt, sondern auch in Bezug auf den Kontakt zu den Arbeitskollegen und zum Bekl. Dazu kommt, dass das laufende Auf- und Abnehmen des Gesichtsschleiers die Abläufe am Arbeitsplatz stören würde und auch der gebotenen Konzentration nicht förderlich wäre.

Die Anforderung des Bekl, am Arbeitsplatz im Notariat keinen islamischen Gesichtsschleier zu tragen, verletzt auch nicht die von § 20 Abs 1 GlBG geforderte Angemessenheit, weil der angestrebte Zweck – die unbeeinträchtigte Ermöglichung der für die Durchführung der vertraglich vereinbarten Arbeitstätigkeiten der Kl erforderlichen Kommunikation und Interaktion – nur durch dieses Verbot erreicht werden kann.

4.3 Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die wegen der Weigerung der Kl, sich nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenstand an die Weisung des Bekl halten zu wollen, ausgesprochene Kündigung keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion darstellt, weil die von der Kündigung wegen Beharrens auf dem angekündigten Tragen eines islamischen Gesichtsschleiers grundsätzlich ausgehende unmittelbare Benachteiligung der Kl wegen der Religion unter die Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 1 GlBG fällt. [...]

6. Zur Frage der behaupteten Diskriminierung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist daher das rechtliche Resümee zu ziehen, dass die Kl vom Bekl durch die Kündigung weder unmittelbar aufgrund der Religion, noch mittelbar aufgrund des Geschlechts diskriminiert wurde. [...]

II. Zur Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen

[...] 2. Der Bekl wendet sich gegen die Rechtsansicht, dass die Kl wegen des Tragens des islamischen Kopftuchs und der Abaya im Zeitraum 22.3. – 30.7.2013 eine unmittelbare Diskriminie-53rung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen aufgrund der Religion erfahren habe. Die Einschränkungen der Kl bei ihrer Tätigkeit im Klientenkontakt und als Testamentszeugin seien ausschließlich wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes, nicht aber wegen ihrer Religion erfolgt.

3. Diesen Überlegungen des Bekl ist nicht beizupflichten. Gem § 17 Abs 1 GlBG ist davon auszugehen, dass niemand aufgrund der Religion im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis mittelbar oder unmittelbar diskriminiert werden darf, insb auch nicht bei den sonstigen Arbeitsbedingungen (Z 6). [...] Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen ua auch dann vorliegen kann, wenn eine Person wegen der Religion bei der Zuweisung des konkreten Einsatzbereichs oder bei der Verteilung der Dienste benachteiligt wird (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 3 Rz 133; vgl auch Rebhahn in

Rebhahn
, GlBG § 3 Rz 143 ff), ist nicht zu beanstanden. [...]

4. Hier steht nun fest, dass es nach der Karenz der Kl zu Einschränkungen der Tätigkeiten der Kl im Klientenkontakt und als Testamentszeugin (jedenfalls auch) wegen [...] des Tragens des islamischen Kopftuchs und der Abaya kam. [...]

5. Dass es sich bei der Betrauung mit Tätigkeiten im Klientenkontakt und als Testamentszeuge um bei Notariatsangestellten beliebte abwechslungsreiche Tätigkeiten im Notariat handelt, ist hier ebenso wenig strittig wie der Umstand, dass die Einschränkung einer Mitarbeiterin in diesem Bereich als Benachteiligung und Zurücksetzung gegenüber den anderen Mitarbeitern empfunden wird. Nach der Lage des Falls ist daher von einer unmittelbaren Benachteiligung der Kl bei den sonstigen Arbeitsbedingungen aufgrund der Religion [...] auszugehen. Dass die Religion (religiöse Bekleidung) für die Benachteiligung der Kl bei den sonstigen Arbeitsbedingungen nur mitursächlich war, steht der Bejahung des vom GlBG geforderten Zusammenhangs nicht entgegen (8 ObA 8/09y; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 8; § 21 Rz 9).

6. Damit bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine unmittelbare Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen [...] deshalb zu verneinen ist, weil einer der in § 20 Abs 1 oder 2 GlBG genannten Ausnahmetatbestände vorliegt [...].

6.1 Auch im vorliegenden Zusammenhang ist zunächst zu prüfen, ob das vom Bekl für den uneingeschränkten Klientenkontakt und für die uneingeschränkte Betrauung als Testamentszeugin vorausgesetzte Nichttragen des islamischen Kopftuchs und der Abaya aufgrund der Art der Berufstätigkeit der Kl als Notariatsangestellte oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung iSd § 20 Abs 1 GlBG darstellt. [...]

Richtig ist, dass der Notar in seiner Amtsführung unabhängig und unparteilich zu sein hat (Wagner/Knechtel, NO6 § 7 Rz 1; 9 Ob 30/07p, RIS Justiz RS0112237). Zu diesem Zweck enthält § 7 NO auch eine weitgehende Inkompatibilitätsbestimmung [...], die sich allerdings nicht an die Kl als Notariatsangestellte, sondern an den Bekl als Notar richtet. Die Kl hat mit Zustimmung des Bekl einige Jahre lang ihre Arbeitstätigkeit ohne Einschränkungen mit islamischem Kopftuch und Abaya ausgeübt. Dass darin ein Verstoß des Bekl gegen das Gebot der Unparteilichkeit des § 7 NO zu sehen gewesen wäre, wurde nicht behauptet. Aus den Feststellungen ergibt sich auch kein Hinweis auf eine Gefährdung der Unparteilichkeit des Bekl durch die Kl infolge Tragens des islamischen Kopftuchs und der Abaya im Dienst. Aus unbestimmten „Erwartungen von Klienten“ ist für den Bekl nichts zu gewinnen, zumal das Antidiskriminierungsrecht bezweckt, allfällige Vorurteile zu überwinden. Maßstab nach § 20 Abs 1 GlBG für den vorliegenden Fall sind nicht diffuse Vorbehalte, sondern dass das Nichttragen des islamischen Kopftuchs und der Abaya eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung einer Notariatsangestellten sein muss. Dass dies hier nicht der Fall ist, ist schon daraus zu sehen, dass die Kl mehrere Jahre lang ohne Einschränkungen und offenbar auch ohne besondere Beanstandungen umfassend als Notariatsangestellte eingesetzt wurde. Für den diesbezüglichen Meinungsumschwung des Bekl nach der Karenz der Kl fehlen nachvollziehbare Gründe. [...]

6.2 Gem § 20 Abs 2 GlBG, auf den sich der Bekl auch beruft [...], liegt – soweit hier relevant – eine Diskriminierung aufgrund der Religion in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen oder anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, nicht vor, wenn die Religion dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. [...] Der Bekl erkennt in seinem Rechtsmittel selbst, dass der Wortlaut dieser Voraussetzungen auf ein Notariat nicht zutrifft. Sein Argument, dass ein Notariat aber eine Organisation sei, deren Ethos auf dem Grundsatz der Objektivität und der strikten Unparteilichkeit beruht, ist nicht zielführend. Maßgebend ist nach § 20 Abs 2 GlBG nicht irgendein Ethos, sondern nur ein Ethos, der auf religiösen Grundsätzen fußt (Windisch-Graetz in

Rebhahn
, GlBG § 20 Rz 11). Dieser ist bei einem Notariat, nicht zuletzt auch aufgrund der vom Bekl immer wieder betonten Neutralität und Abgrenzung von der Religion, nicht einschlägig. [...]

7. Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kl nach ihrer Karenz [...] einer unmittelbaren Diskriminierung wegen der Religion bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gem § 17 Abs 1 Z 6 GlBG ausgesetzt war, weil sie wegen des Tragens des islamischen Kopftuchs und der Abaya im Vergleich mit anderen AN vom Bekl im Klientenkontakt und bei der Ausübung der Tätigkeit als Testamentszeugin zurückgesetzt wurde. [...]

III. Zur Diskriminierung infolge der E-Mails

Die Kl brachte vor, auch durch die in diesen beiden E-Mails enthaltenen Bemerkungen des Bekl wie „das Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“ diskriminiert worden zu sein,54 selbst wenn es sachlich gerechtfertigt gewesen wäre, den Gesichtsschleier zu verbieten. [...] Der Bekl meint jedoch abschwächend, mit [...] „ethnische Kleidung“ nur zum Ausdruck gebracht zu haben, dass die Kl entgegen der Anforderung, sich dezent zu kleiden, farbenfrohe Kleidung bevorzugt habe. Mit „Vermummung“, was nur ein Synonym für „Verschleierung“ sei, sollte die Unvereinbarkeit jeglicher Verhüllung im öffentlichen Raum zum Ausdruck gebracht werden. [...] Das Berufungsgericht – und nun auch die Kl – übergehen allerdings, dass sich die Kl in erster Instanz im Zusammenhang mit den E-Mails nicht auf den Tatbestand der Belästigung nach § 21 GlBG gestützt hat, sondern nur Diskriminierungen nach § 17 Abs 1 Z 6 und 7 GlBG geltend gemacht hat. [...] Auch wenn sich die Kl nicht auch noch auf eine Belästigung wegen der Religion stützte, sind die abfälligen Bemerkungen in den beiden E-Mails über die religiöse Bekleidung der Kl nicht zu vernachlässigen.

Die Kl ging nach ihrem erstinstanzlichen Vorbringen offenbar von der Überlegung aus, dass die beanstandeten Bemerkungen des Bekl kurz vor der Kündigung ohnehin in der Entschädigung für eine allfällige Beendigungsdiskriminierung aufgehen würden. Sie seien jedoch diskriminierend, selbst wenn der Bekl den Gesichtsschleier zurecht untersagt hätte. Damit meinte die Kl offensichtlich die den E-Mails innewohnende Bestärkung der von ihr neben der Beendigungsdiskriminierung auch geltend gemachten Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen. Diese Überlegung der Kl ist hier durchaus schlüssig, denn nicht nur die Einschränkung der Kl beim Kundenkontakt und als Testamentszeugin hatte letztlich ihre (Mit-) Ursache in der religiösen Kleidung der Kl, sondern auch die abfälligen Bemerkungen des Bekl in den beiden E-Mails.

Die abschwächenden Erklärungen des Bekl überzeugen in diesem Zusammenhang nicht. Der Ausdruck „Dauerexperiment“ machte sich über die religiöse Überzeugung der Kl lustig. Auch wenn hier von „ethnischer“ Kleidung die Rede ist, ist klar, dass es dem Bekl nicht um die ethnische Zugehörigkeit der Kl, sondern um deren religiöse Kleidung (Religion) ging. Dass der Ausdruck „Vermummung“ gegenüber einer Muslima im vorliegenden Zusammenhang negativ besetzt ist, bedarf keiner besonderen Erörterung. [...] Auch wenn in einem Initiativantrag (IA 680/A 21. GP) zur Novelle BGBl I 2002/127 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl 1953/98 (WV), von der Einführung eines „Vermummungsverbots“ die Rede war, vermied der Gesetzgeber letztlich diesen Ausdruck, sondern sprach nur vom bei Versammlungen verbotenen „Verhüllen oder Verbergen der Gesichtszüge“, um die Wiedererkennung zu verhindern (§ 9 Abs 1 Z 1 VersammlungsG 1953).

Zusammenfassend bestärken somit die abfälligen Bemerkungen des Bekl in den E-Mails vom 24.3. und 4.4.2014 das Motiv der Diskriminierung der Kl bei den sonstigen Arbeitsbedingungen. [...]

V. Zur Entscheidung in der Sache:

[...] Nach den Verfahrensergebnissen ist davon auszugehen, dass die Kl wegen der Religion bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gem § 17 Abs 1 Z 6 GlBG vom Bekl diskriminiert wurde, uzw im Zusammenhang mit der in den E-Mails ausdrücklich bestärkten einschränkenden Zuweisung von Arbeiten. Ihr steht daher gem § 26 Abs 6 GlBG eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zu. Die Höhe der Entschädigung war gem § 26 Abs 14 GlBG zu bemessen. [...] Der OGH hat sich mit der inhaltsgleichen Bestimmung des § 12 Abs 14 GlBG in der E 9 ObA 87/15g ausführlich auseinandergesetzt. [...] Objektiv ist die Angemessenheit der Entschädigung und ihre präventive Funktion zu beurteilen. [...] Bei deren Bemessung ist zu berücksichtigen, dass die Kl betonte, dass sie besonders durch die von ihr als diskriminierend empfundene Kündigung sehr verletzt worden sei. Da ihr nun in Bezug auf die geltend gemachte Beendigungsdiskriminierung gerade nicht gefolgt wurde und die Kl bei der Diskriminierung zulässig von einer Gesamtbetroffenheit ausging, die sie pauschal mit 7.000 € bewertete, ist klar, dass davon nur ein eher kleinerer Teil für die Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen zu veranschlagen ist. [...] Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände [...] erscheint im vorliegenden Fall ein Entschädigungsbetrag für die erlittene persönliche Beeinträchtigung der Kl in Höhe von 1.200 € als angemessen.

ANMERKUNG

„Das Tragen charakteristischer Bekleidung als Bestandteil religiöser Observanz“ (so SA GA Sharpston zu EuGHC-188/15, Bougnaoui/ADDH, Rz 73) wird derzeit in vielen Staaten Europas sowohl in Bezug auf das Auftreten in der Öffentlichkeit als auch – wie hier – am Arbeitsplatz intensiv und kontrovers diskutiert, primär bis ausschließlich mit Bezug auf den Islam. Die E betrifft dazu drei Aspekte. Am häufigsten wird sich die Frage stellen, inwieweit AN das Tragen des (bloßen) Kopftuches (Hidschab) an einem Arbeitsplatz untersagt werden darf. Dazu gibt es zwei Vorlagen an den EuGH, zu denen bereits Schlussanträge vorliegen (GA Kokott zu EuGHC-157/15, Achbita; GA Sharpston zu EuGH Rs Bougnaoui). Eher selten dürfte die Frage auftreten, inwieweit das Tragen einer Abaya mit Niqab – eines den ganzen Körper und Kopf umhüllenden Umhanges, der nur eine Aussparung für die Augen hat – untersagt werden kann (Burka ist hingegen eine Ganz-Körper-Bedeckung mit einem Gittergewebe vor dem Gesicht). Häufiger dürften/könnten Aussagen von AG (oder ArbeitskollegInnen) sein, die im Arbeitskontext negativ zum Tragen der fraglichen Bekleidungselemente Stellung nehmen.

Die E des OGH ist sehr ausführlich (sodass sie stark gekürzt werden musste). Sie ist gut nachvollziehbar und nach den tradierten, an EGMR und EuGH orientierten Maßstäben prima facie auch gut vertretbar. Blickt man näher, so bleiben allerdings Fragen. Erwähnt sei, dass die Kl nur mit 17 % ihres Begehrens durchdrang, sodass sie dem AG mehr an Prozesskosten ersetzen musste als ihr an Entschädigung zugesprochen wurde.55

1.
Zur Vollverschleierung

Das Tragen der Abaya einschließlich des hier vor allem relevanten Niqab (der das Gesicht bis auf die Augen verhüllt) hat der OGH, wie schon der EGMR, als Ausübung der Religion(sfreiheit) angesehen. In der Folge diskriminiert eine damit motivierte Kündigung, wenn sie nicht nach § 20 Abs 1 GlBG (bzw Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG) gerechtfertigt werden kann. Der OGH sieht das Verbot, den Niqab im Büro zu tragen, offenbar als konkrete Maßnahme und nicht aus Ausfluss einer abstrakten Maxime des AG, obwohl die E sagt: Der AG „verlangte von allen seinen Mitarbeitern ein dezentes, neutrales Auftreten, um seine Neutralität und Objektivität als Notar zu unterstreichen“. Dies ist relevant, weil das an alle AN gerichtete Verlangen des AG, sich „neutral“ zu kleiden, uU anders zu beurteilen ist als eine Anordnung, die sich nur gegen von einer bestimmten Religion nahegelegte Bekleidung richtet (vgl unten 2).

Sieht man das Verbot als konkrete Anordnung, so kann es nur gerechtfertigt sein, wenn die spezifische Bekleidung einer spezifischen beruflichen Anforderung für die auszuübende Tätigkeit widerspricht. Der OGH hat dies bejaht, denn es „zählt auch in Österreich zu den unbestrittenen Grundregeln zwischenmenschlicher Kommunikation, das Gesicht unverhüllt zu lassen“. Der EGMR hat ein Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum seitens des französischen Gesetzgebers (aufgrund des Beurteilungsspielraumes des nationalen Gesetzgebers) für vereinbar mit der Religionsfreiheit erachtet, wenn der Gesetzgeber damit zwischenmenschliche Beziehungen ermöglichen will, die nicht durch die Verschleierung beeinträchtigt werden (EGMR 1.7.2014, 43835/11, SAS/Frankreich). Folgt man dem, dann liegt es nahe, dass ein Verbot des Niqab am Arbeitsplatz materiell zulässig ist, weil die Kommunikation – insb die nonverbale – mit AG, ArbeitskollegInnen und KundInnen hier weit enger ist als jene in der Öffentlichkeit (fraglich könnte allenfalls das Erfordernis einer Beschränkung durch Gesetz sein). Insofern hätte die Begründung des OGH zum Niqab wohl kürzer ausfallen können.

Hervorzuheben ist die – unausgesprochene – Prämisse des OGH, dass das Betätigen der Religionsfreiheit nicht Privatsache sei, die in die private Sphäre gehöre, sondern dass dieses Betätigen auch im Rahmen der Arbeitswelt (und der Öffentlichkeit) grundsätzlich legitim sei.

Die Auffassung des OGH wirft Fragen in zwei – entgegengesetzte – Richtungen auf. Zum einen ist fraglich, inwieweit die Berufung auf die Möglichkeit zu non-verbaler Kommunikation überzeugt. Zwar wird die Bedeutung dieser Art der Kommunikation allenthalben betont. Allerdings sinkt ihr Anteil an der Gesamtkommunikation sowohl in Beruf wie im privaten Bereich seit langem kontinuierlich (Telefon, Mails, Twitter, Facebook, Whatsapp usw; Ausnahmen sind Skype und die – wohl weniger verbreitete – Videotelefonie). Wenn aber ein Gut- bis Großteil der beruflichen Kommunikation heute ohne Gesichtskontakt erfolgt, dann reduziert dies die Bedeutung des unverhüllten Gesichts für die berufliche Kommunikation, jedenfalls jener mit KundInnen und den meisten ArbeitskollegInnen. Überdies wird zum Antidiskriminierungsrecht häufig gesagt, dieses müsse gerade gegen kulturelle Gewohnheiten und Vorurteile (auch von KundInnen und ArbeitskollegInnen) zur Geltung gebracht werden, um Selbstbestimmung, Würde und Chancengleichheit zu sichern. Kann man aber die „Grundregel zwischenmenschlicher Kommunikation, das Gesicht unverhüllt zu lassen“ (unabhängig von der technischen Entwicklung, jedenfalls aber in Anbetracht dieser), nicht als „nur“ kulturelle Gewohnheit sehen, die zwar in Europa bislang faktisch wie normativ „normal“ war, deren Anspruch auf Allgemeingültigkeit aber angezweifelt werden könnte? In der Arbeitswelt zumindest ebenso überzeugen könnte die vom OGH verworfene Rechtfertigung mit dem Erfordernis der Identifikation. Jedenfalls wenn man mit jemandem unmittelbar kommunizieren muss, möchten wohl viele berechtigterweise sogleich wissen, mit wem sie es zu tun haben, konkret, ob und um welche ArbeitskollegIn es sich handelt. Darüber hinaus dürfte es auch das Verhalten in der Öffentlichkeit beeinflussen, ob andere sich zeigen oder ihr Gesicht verhüllen.

Zum anderen geht es um die Auffassung von OGH und EGMR, die von einer Religion nahegelegte Bekleidung sei ein absolut geschützter Wert der Religionsausübung, der rechtlich nicht hinterfragbar sei. Die Bekleidungsanleitung selbst wird nicht rechtlich bewertet. Sie richtet sich nun nur an Frauen. Wohl in fast jedem anderen Kontext würde releviert werden, ob eine solche geschlechtsspezifische Vorgabe mit dem „europäischen Grundwert“ der Geschlechtergleichbehandlung vereinbar ist, und dass sie vom Recht nur geschützt werde, wenn sie dies ist. Der EGMR (SAS Rz 119 f) verschiebt und verkennt das Problem, wenn er sagt, der Staat könne sich für das Verbot des Niqab (dessen Tragen er als Ausdruck einer Identität sieht, die zum Pluralismus beitrage) nicht auf die Geschlechtergleichbehandlung berufen – anstatt zu fragen, ob eine religiöse Vorgabe staatlichen Schutz erhalten soll, die Geschlechter ungleich behandelt; dies wird jedenfalls ansonsten nicht als Beitrag zu Pluralismus und Freiheit (so aber SA GA Sharpston, Rz 75) gesehen. Überdies könnte man – zu Niqab und Kopftuch – in Frage stellen, ob es für den Schutz durch das Antidiskriminierungsrecht im Verhältnis zu Privaten ausreicht, wenn die Bekleidungsanleitung nur von einem Teil der Religionsangehörigen befolgt wird und/oder von wesentlichen Teilen der Religionsangehörigen nur als Empfehlung gesehen wird.

2.
Kopftuch

In Bezug auf das Tragen von Kopftuch und Abaya sieht der OGH eine unmittelbare Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen, weil die Kl deshalb im Klientenkontakt und bei der Tätigkeit als Testamentszeugin vom AG im Vergleich mit anderen AN zurückgesetzt wurde. Der OGH nimmt eine unmittelbare Diskriminierung an, und sieht das Verhalten des AG nicht als Ausdruck einer abstrakten Regelung zum Kundenkontakt. Würde eine abstraktgenerelle Regelung vorliegen, so wird die für die56 Rechtfertigung wesentliche Einordung fraglich. GA Kokott (SA Rz 47 ff) sieht in einem generellen „Verbot von religiösen, politischen oder philosophischen Symbolen“ am Arbeitsplatz (eher) eine mittelbare Ungleichbehandlung. GA Sharpston (SA Rz 108, 110) erkennt hingegen darin noch immer eine unmittelbare Ungleichbehandlung und bejaht eine bloß mittelbare erst, wenn jedes „Bekleidungselement, das in irgendeiner Weise die Individualität des Trägers zum Ausdruck bringt“ verboten ist, wozu sie auch Fanleibchen des FC Barcelona oder Schulkrawatten zählt. Dies belegt nicht nur die Unsicherheit bei der Handhabung des Antidiskriminierungsrechts an zentraler Stelle, sondern auch, wie sensibel manche sein können.

Im vom OGH entschiedenen Fall kann man für eine unmittelbare Ungleichbehandlung ins Treffen führen, dass der AG eine Vorgabe der „neutralen“ Bekleidung schon nicht allgemein unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, sondern im Gegenteil das Tragen an sich nicht beanstandet hatte. Sollte man – mit GA Kokott – ein generelles Verbot allerdings für zulässig halten, dann werden manche fragen, warum der AG diskriminiert, wenn er „weniger“ benachteiligt, nämlich nur manche – beliebtere – Tätigkeiten vorenthält, bei denen der Kundenkontakt besonders intensiv ist. Dem AG wird dann eine mittlere Position verwehrt.

Auch in Bezug auf Abaya und Kopftuch geht der OGH davon aus, die von einer Religion nahegelegte Bekleidung sei ein absolut geschützter Wert der Religionsausübung, die rechtlich nicht hinterfragbar sei. Diese These und die beiden oben dazu genannten Aspekte sind auch vor dem Hintergrund zu würdigen, dass GlBG, RL und Art 21 GRC die Weltanschauung in gleicher Weise wie die Religion schützen. Soll auch die von einer Weltanschauung nahegelegte Bekleidung oder ein anderes äußeres (Ab-)Zeichen dafür denselben Schutz im Arbeitsleben (und sonst) genießen wie die von einer Religion nahegelegte Bekleidung, sodass es für den Schutz nicht auf eine inhaltliche Bewertung des Zeichens der Selbstbestimmung ankommt? Es gibt in Vergangenheit und Gegenwart nicht wenige Weltanschauungen, die in einer Uniform oder Abzeichen sichtbaren Ausdruck fanden, welche die meisten heute bei uns jedenfalls im Berufsleben nicht sehen wollen (zB Mao-Anzug, Uniformen von Falange oder KGB; das VerbotsG wird wegen Art 4 Abs 2 EUV – Schutz der „Verfassungsidentität“ – unberührt bleiben). Fraglich ist also, ob die – weithin geteilte – These von OGH und EGMR für alle von Art 21 GRC geschützten Merkmale verallgemeinerungsfähig ist oder ob der Religion hier eine Sonderstellung zuerkannt wird. Normativ gibt es für eine Sonderstellung im Bereich der Antidiskriminierung keinen Anhaltspunkt.

Das weite Verständnis von Religionsbetätigung führt zur Frage, inwieweit das Antidiskriminierungsrecht auch das offensive Werben für Religion (oder Weltanschauung) am Arbeitsplatz schützt. GA Sharpston bejaht dies grundsätzlich, wenn sie (erst) ein Verbot des „Proselytismus“ durch den AG für gerechtfertigt hält (SA Rz 73). Sie scheint also anzunehmen, dass die anderen AN ohne ein solches Verbot das Werben dulden müssen – was die Rechte der anderen offenkundig zu wenig achtete. Allgemein fragwürdig ist die Auffassung des OGH, dass nach § 20 Abs 2 GlBGnur ein Ethos, der auf religiösen Grundsätzen fußt“, Differenzierungen rechtfertigen kann. Nach dem Normtext kommt auch jedes Ethos, das auf einer erlaubten Weltanschauung fußt, in Betracht, insb jener der Areligiosität.

Implizit behandelt der OGH (auch daher) das Notariat wie einen privaten Wirtschaftsbetrieb. Die beiden erwähnten Schlussanträge betreffen (ebenfalls) die Privatwirtschaft. Sie weisen aber darauf hin, dass für den öffentlichen Bereich/Dienst andere „berufliche Anforderungen“ gelten können, wie insb die religiöse und weltanschauliche Neutralität, auch wenn die Rechtslage dazu in den Mitgliedstaaten recht verschieden ist (vgl SA GA Sharpston, Rz 34 ff). Da das Notariat auch hoheitliche oder zumindest gerichtsähnliche Funktionen ausübt, liegt es nahe, aus der Verpflichtung des Notars zur Objektivität auch Folgen für die MitarbeiterInnen abzuleiten. Man müsste dann fragen, ob das Tragen charakteristischer Bekleidung als Bestandteil religiöser Observanz diese Objektivität beim intensiven Kundenkontakt in Frage stellen kann (was eher zu verneinen ist). Der Ansatz des OGH führt hingegen dazu, dass ein Notar einen AN, der ein Abzeichen mit zB Hammer und Sichel trägt, auch beim Einsatz für KlientInnen nicht zurücksetzen darf.

3.
Abfällige Äußerung

Die Kl sah sich auch durch in zwei E-Mails enthaltene Bemerkungen, nämlich „Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“, diskriminiert. Der OGH prüft dies, mangels Vorbringens, nicht am Tatbestand der Belästigung, sondern nur als zusätzliches unterstützendes Element zur Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen. Für eine Belästigung wäre erforderlich gewesen zu prüfen, ob dadurch ein einschüchterndes usw Umfeld geschaffen wird, was in Anbetracht des Vorverhaltens des AG wohl kaum zu bejahen gewesen wäre.

Wiederum ist fraglich, inwieweit die Auffassung des OGH verallgemeinerbar ist. Der OGH sieht in den zwei Äußerungen den Beleg für das Motiv einer Diskriminierung und damit die Äußerungen selbst wohl auch als diskriminierend. Damit legt der OGH einen recht strengen Maßstab an die Kommunikation in der Arbeitswelt an, insb wenn man sich vor Augen hält, wie lang die Liste missbilligter Merkmale in Art 21 GRC ist, deren TrägerInnen so vor abfälligen Äußerungen bewahrt werden sollen. Manche werden diesen Maßstab als Forderung nach einem besonders rücksichtsvollen Umgang begrüßen – andere werden ihn in Bezug auf „Vermummung“ als Beleg für eine gesteigerte Sensibilität, die in Anbetracht des sonst auch hierzulande Geschehenden überzogen erscheinen mag, sehen.

4.
Ausblick

Bekleidungselemente und -regeln hatten auch in Europa lange große Bedeutung als Mittel der Unterscheidung – zur Erhöhung, Erniedrigung und Abson-57derung. Sie waren (und sind) als augenfällige Symbole ein wesentliches Element der Kulturen. Nur allmählich ging im Laufe des letzten Jahrhunderts der Symbolcharakter der Bekleidung zurück, ohne ganz zu verschwinden (man denke an Markenlabels).

Religionen sowie deren Unterschiede und oft blutigen Konflikte bestimmten durch Jahrhunderte die Geschichte Europas. Nur sehr langsam schwanden Einfluss und Sichtbarkeit der Religionen (und gaben Raum für die Strukturierung der Politik nach anderen Kriterien wie der ökonomischen Position). Religion wurde für viele in Europa zur Privatsache, die jedenfalls in der Arbeitswelt nicht mehr manifest wurde – was zur friedlichen Entwicklung beigetragen haben dürfte.

EGMR und EU bewirken nun eine Umkehr dieser Entwicklung, indem sie ein Recht auf das Tragen charakteristischer religiöser Bekleidung auch in der Arbeit – und damit in einem zentralen Bereich der Gesellschaft – als Ausfluss von Selbstbestimmung sehen. Auch wer diesen Bedeutungsgewinn des Religiösen als Gewinn erachtet, sollte nicht übersehen, dass das Aufgeben des Grundsatzes, Religion (und Weltanschauung) sei Privatsache, einen Pfeiler der bisherigen europäischen Kultur wegräumt. Diese Umwertung der Werte wird sich vielleicht nicht auf das Kopftuch beschränken lassen und könnte dann langfristig Folgen weit darüber hinaus haben (ua das Zurückdrängen des Bewusstseins für ökonomische Strukturierungen der Gesellschaft; vgl zB Zizek und Eribon). Wer die Offenheit für jahrtausendalte religiöse Bekleidungsempfehlungen als Akt der Befreiung sieht, agiert allerdings dann eher als SchlafwandlerIn, wenn er/sie gleichzeitig die Verabschiedung des Kemalismus in der Türkei beklagt (Atatürk hat Fes und Kopftuch bewusst wegen deren Symbolgehalts verboten); abgesehen davon, dass manche aus diesen Meinungsgruppen bei einer anderen Religion oder deren Splitter noch vor zehn Jahren das Festhalten an jahrhundertealter Tradition als mittelalterliches Gestrigsein brandmarkten.

Das Recht der Antidiskriminierung erweist sich auch im vorliegenden Kontext als Quelle unerschöpflicher Fragen; wer nur lange genug hinsieht, entdeckt stets fragwürdige Differenzierungen. OptimistInnen werden die Wiederkehr des Religiösen in der Arbeitswelt als weiteren Schritt auf dem Weg zur umfassenden Selbstverwirklichung preisen; PessimistInnen werden sie als Zeichen für den Verfall einer Kultur beklagen. RealistInnen werden sagen: Alles ist im Fluss, aber jede Änderung hat ihre Folgen – und damit ihren Preis.