68Keine Ex-lege-Beendigung des Dienstverhältnisses einer begünstigten Behinderten bei Vorhandensein eines zumutbaren Ersatzarbeitsplatzes, an dem langer Krankenstand hätte vermieden werden können
Keine Ex-lege-Beendigung des Dienstverhältnisses einer begünstigten Behinderten bei Vorhandensein eines zumutbaren Ersatzarbeitsplatzes, an dem langer Krankenstand hätte vermieden werden können
Die beim bekl Gemeindeverband beschäftigte Kl, die zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gem § 2 BEinstG gehört, wurde für Schreibarbeiten und am Schalter im Rahmen der Patientenannahme eingesetzt, wobei der Wechsel jeweils für bestimmte Wochen erfolgte. Schreibarbeiten sind der Kl nur noch eingeschränkt möglich, der Schalterdienst ist möglich. Dies könnte durch eine Änderung der Diensteinteilung für die in diesem Bereich tätigen sechs Mitarbeiter erreicht werden. Damit verbunden wäre für alle Mitarbeiter eine andere Gewichtung zwischen Schreib- und Schalterarbeiten. Die Bekl ging von einer Ex-lege-Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem § 70 Abs 8 Tir G-VBG aus. Dagegen brachte die Kl eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses ein.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl gegen die stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts mit folgender Begründung zurück:
Nach § 70 Abs 8 Tir G-VBG 2012 endet das Dienstverhältnis mit Ablauf der Jahresfrist, wenn eine Dienstverhinderung (ua) wegen einer Krankheit ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass vorher seine Fortsetzung vereinbart wird. Der Vertragsbedienstete ist vom DG spätestens drei Monate vor dem Ablauf der Frist nachweislich vom bevorstehenden Ende des Dienstverhältnisses zu verständigen. Im Fall eines begünstigten Behinderten ist der Behindertenausschuss spätestens drei Monate vor Ablauf dieser Frist von Amts wegen zu verständigen. Die Beendigung des Dienstverhältnisses wird – ungeachtet der dienstrechtlichen Vorschriften – frühestens drei Monate nach Einlangen der Verständigung beim Behindertenausschuss wirksam (§ 8a BEinstG).
Neben der Dauer des Krankenstands als „Resolutivbedingung“ für die Ex-lege-Auflösung des Dienstverhältnisses setzt das Gesetz demnach auch die „Dienstunfähigkeit“ des DN voraus (vgl OGH 29.9.2009, 8 ObA 43/09w zur vergleichbaren Bestimmung des § 60 NÖ LVBG).
Mit der Forderung, dass der DN durch die Krankheit an der Dienstleistung verhindert sein muss, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die arbeitsrechtliche Bedeutung einer Erkrankung von der durch sie bewirkten Dienstunfähigkeit abhängig ist. Die Krankheit muss es also dem DN unmöglich machen, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Wenn der DN zwar zur Leistung anderer Dienste als der von ihm vertraglich übernommenen fähig bleibt, ändert dies an seiner Dienstverhinderung nichts. Ob ein AN an der Verrichtung seiner Dienste verhindert ist, richtet sich nach der konkreten Arbeitspflicht des AN bzw der Verhinderung an derselben (vgl OGH 27.8.2013, 9 ObA 66/13s zur vergleichbaren Bestimmung des § 24 VBG mwN).
Die Rsp geht allerdings davon aus, dass der DG bei partieller Arbeitsunfähigkeit des DN im Rahmen der Fürsorgepflicht verhalten ist, dem DN auch leichtere Arbeit zuzuweisen. Er ist aber nicht verpflichtet, seine Arbeitsorganisation umzustrukturieren oder gar nicht existierende Arbeitsplätze neu zu schaffen, nur um der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des DN gerecht zu werden (vgl ua OGH 29.9.2009, 8 ObA 43/09w mwN; OGH 24.10.2022, 8 ObA 73/22a). Die Obliegenheit, dem DN tunlichst leichtere Arbeiten zuzuweisen, besteht vor allem dann, wenn das Dienstverhältnis bereits lange Zeit gedauert hat und wenn der Personalstand des DG groß ist. Denn je größer dieser ist, umso eher kann eine entsprechende Verwendung gefunden werden.
Nach § 6 Abs 1 BEinstG besteht ergänzend zum allgemeinen AN-Schutz eine besondere Fürsorgepflicht. Danach ist der DG zwar auch zugunsten von begünstigten Behinderten nicht verpflichtet, Posten für den DN „freizumachen“ oder ihn außerhalb der vertraglich vereinbarten Tätigkeit oder für den Fall weiter zu beschäftigen, dass er für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist. Er ist aber dazu verhalten, dem behinderten DN einen Arbeitsplatz zuzuweisen, an dem er seine Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann (§ 6 Abs 1a BEinstG).
Verletzt der DG seine Verpflichtung, dem DN eine andere zumutbare Aufgabe zuzuweisen, und hätte der DN bei dieser zuzuweisenden Aufgabe keinen Krankenstand gehabt, so kann sich der AG nicht auf eine Ex-lege-Beendigung nach Auslaufen der Jahresfrist berufen (vgl OGH 29.9.2009, 8 ObA 43/09w), sofern tatsächlich ein Ersatzarbeitsplatz vorhanden ist (OGH 24.10.2012, 8 ObA 69/12y). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass keine weitere Verwendbarkeit bestanden hätte oder mangels offener Planstellen eine solche Besetzung nicht möglich wäre, trifft den DG, ist doch der maßgebliche Sachverhalt für den einzelnen Vertragsbediensteten gar nicht überblickbar (OGH 13.6.2002, 8 ObA 79/02d).
Die Beurteilung, ob einem DN eine zumutbare Aufgabe angeboten wurde und ob der DG in einem solchen Fall ausreichende Anstrengungen unternommen hat, um für den gesundheitlich beeinträchtigten DN einen geeigneten Ersatzarbeitsplatz zu finden, 170 kann immer nur im Einzelfall erfolgen. Sie begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen. Eine solche liegt nicht vor.
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Änderung der Diensteinteilung der Bekl möglich und zumutbar ist, ist nicht korrekturbedürftig. Damit würde entgegen den Ausführungen in der Revision kein neuer Arbeitsplatz geschaffen und keine betriebliche Umorganisation erforderlich, sondern nur eine Anpassung der Diensteinteilung. Die Bekl geht selbst davon aus, dass die Kl schon bisher wie die anderen Teammitarbeiter/innen Schreibarbeiten und Schalterarbeiten zu erbringen hatte. Der vom Berufungsgericht angenommene Ersatzarbeitsplatz wäre daher nicht mit einer inhaltlichen Veränderung der Tätigkeit, sondern nur mit einer anderen Gewichtung der verschiedenen Tätigkeiten im Team verbunden. Eine „unverhältnismäßige Belastung“ für den AG und andere Teammitarbeiter wurde vertretbar verneint. Das Berufungsgericht hat auch nicht gefordert, dass – wie die Revision vermeint – ein Platz für die Kl „frei zu machen“ sei.
Auf die Frage, inwieweit § 70 Abs 8 Tir G-VBG 2012 mittelbar diskriminierend ist, kommt es in diesem Zusammenhang letztlich nicht an. Von einer „Positivdiskriminierung“ eines begünstigt behinderten DN kann bei Zuweisung eines den Bedürfnissen dieses DN entsprechenden Arbeitsplatzes im Rahmen der Fürsorgepflicht nicht gesprochen werden.
Ob das Schreiben der Arbeiterkammer als Aufforderung an den DG zu verstehen ist, das Vorhandensein eines entsprechenden Ersatzarbeitsplatzes zu prüfen, ist nicht relevant, wäre es doch Aufgabe der Bekl gewesen, dies von sich aus abzuklären (§ 6 Abs 1a BEinstG).