65Tageweiser Urlaubsverbrauch bei unterschiedlich langen Dienstschichten: Unzulässigkeit der Bemessung der vom Urlaubskontingent abzuziehenden Urlaubstage abhängig von eingeteilten Arbeitsstunden
Tageweiser Urlaubsverbrauch bei unterschiedlich langen Dienstschichten: Unzulässigkeit der Bemessung der vom Urlaubskontingent abzuziehenden Urlaubstage abhängig von eingeteilten Arbeitsstunden
Auf die im Betrieb der Bekl beschäftigten AN finden die Bestimmungen des KollV für AN der österreichischen Eisenbahnunternehmen Anwendung. Die betroffenen AN sind in einem „Turnusdienst“ tätig, bei dem sie innerhalb eines zweimonatigen Durchrechnungszeitraums für unterschiedliche Dienstschichten in der Dauer von 5 bis maximal 15 Stunden täglich eingeteilt werden. Im Schnitt leistet jeder Vollzeit-AN vier Schichten pro Woche.
Die betroffenen AN der Bekl erhalten pro Urlaubsjahr 35 Wochentage (anstatt 30 Werktagen) bzw 42 Wochentage (anstatt 36 Werktagen) Urlaub. Dies entspricht mathematisch wiederum 5 bzw 6 Wochen Urlaub. Gleichzeitig bemisst die Bekl in diesem Urlaubssystem einen Urlaubstag (= Wochentag) mit 5,5 Stunden. Wünscht ein Mitarbeiter für einen bestimmten Tag Urlaub, errechnet die Bekl anhand der für diesen Tag hinterlegten Schicht und der sich daraus ergebenden Stundenanzahl die in Abzug zu bringenden Urlaubstage. Bei einer hinterlegten Dienstschicht von 5 Stunden wird daher 1 Urlaubstag abgezogen, bei einer hinterlegten Dienstschicht von 12,8 Stunden 2 Urlaubstage und im Falle eines eingeteilten Dienstes in der Dauer von 15 Stunden werden 3 Urlaubstage vom Urlaubskontingent in Abzug gebracht.
Der BR der Bekl brachte eine Feststellungsklage mit dem Begehren ein, festzustellen, dass AG nicht berechtigt seien, das individuelle Urlaubsguthaben bei tageweisen Urlaubsverbrauch auf Basis der hypothetisch an tatsächlichen Urlaubstagen geleisteten Arbeitsstunden/Dienstschichten zu bemessen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und gab dem ursprünglichen Klagebegehren des BR statt. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl zurück und begründete dies wie folgt:
Nach § 4 Abs 3 UrlG kann der Urlaub in zwei Teilen verbraucht werden, doch muss ein Teil mindestens sechs Werktage betragen. Der Verbrauch einzelner Urlaubstage wird – ungeachtet des Teilungsverbots nach § 4 Abs 3 UrlG – von Lehre und Rsp für wirksam erachtet, sofern diese Teilung auf Initiative des AN erfolgt ist. Dem AN sollen dabei losgelöst von der Einteilung seiner Arbeitszeit auch bei (in seinem Interesse gelegener) Vereinbarung eines tageweisen Urlaubsverbrauchs stets fünf (bzw sechs) Urlaubswochen zur Verfügung stehen. Folglich ist bei Verbrauch kürzerer Urlaubsteile als einer Woche durch einen AN, der keine Sechs-Tage-Woche hat, eine Umrechnung des Urlaubsanspruchs auf (tatsächliche) Arbeitstage vorzunehmen.
Die Anzahl der an einem Arbeitstag zu leistenden Arbeitsstunden spielt bei der Berechnung des Freistellungsanspruchs keine Rolle (vgl OGH 24.10.2021, 8 ObA 35/12y). Dem UrlG liegt ein kalendarischer Urlaubsbegriff zugrunde. Der Urlaub wird vom ersten 166 Kalendertag nach Arbeitsende bis zum letzten Kalendertag vor Wiedereintritt bemessen. Damit wird das Ausmaß des Urlaubs unabhängig vom jeweiligen Ausmaß der Arbeitszeit festgelegt. Es wird kein bestimmtes Ausmaß an Freistellungsstunden, sondern ein zusammenhängender Erholungszeitraum eingeräumt.
Der OGH führte zur Argumentation der Bekl aus, dass es nicht Gegenstand des Verfahrens ist, wie viele Tage Urlaub den AN insgesamt gewährt werden, sondern ob die Bekl berechtigt ist, bei der Konsumation von tageweisem Urlaub die Zahl der vom Urlaubskontingent abzuziehenden Tage abhängig von der am Tag der Freistellung tatsächlich eingeteilten Arbeitsstunden zu bemessen. Je nach Dauer der Schicht, die entfällt, reduzierte die Bekl den verbleibenden Urlaub trotz Abwesenheit von nur einem Arbeitstag um bis zu drei Urlaubstage. Dass bei Entfall eines Arbeitstages der Abzug von drei Urlaubstagen in Abhängigkeit von der Dauer der eingeteilten Arbeit nicht dem UrlG entspricht, bedarf nach den zuvor dargestellten Grundsätzen keiner weiteren Begründung.
Ergänzend ist der Bekl entgegenzuhalten, dass es bei ihrer Vorgangsweise zu einer weiteren Benachteiligung der AN kommt. Da stets „ganze“ Urlaubstage (= 5,5 Stunden) in Abzug gebracht wurden, entsprach der Entfall von 15 Arbeitsstunden an einem Schichttag dem Abzug von 16,5 Stunden an Urlaubszeit. Je häufiger ein AN Urlaub an einzelnen Tagen mit längerer Schicht konsumiert, umso mehr weicht damit die Anzahl der tatsächlich konsumierten Urlaubstage vom kalendarischen Urlaubsanspruch von 5 Wochen ab. Im Extremfall hätte die Konsumation von 12 einzelnen Urlaubstagen bei langer Schichteinteilung zum Verbrauch der gesamten 5 Wochen Urlaub geführt.
Unrichtig ist auch das Argument der Bekl, dass ein täglicher Urlaubsverbrauch nicht möglich wäre, weil in den einzelnen Arbeitswochen nicht immer gleich viele Arbeitstage anfallen. Wird im Rahmen eines Schichtturnusses in einzelnen Wochen jeweils eine unterschiedliche Anzahl an Tagen gearbeitet, ist nach der Rsp die durchschnittliche Anzahl der Arbeitstage pro Woche bei der Berechnung des Urlaubsausmaßes in Urlaubstagen heranzuziehen (OGH 27.5.2021, 9 ObA 54/20m).
Der OGH hat somit im Anwendungsbereich des UrlG klargestellt, dass die pauschale Bewertung eines Urlaubstages unzulässig ist. Ein Urlaubstag muss stets ein Urlaubstag bleiben.