62Unverzüglichkeitsgrundsatz bei Entlassung wegen fortgesetzter Zeiterfassungsmanipulation
Unverzüglichkeitsgrundsatz bei Entlassung wegen fortgesetzter Zeiterfassungsmanipulation
Die Kl manipulierte wiederholt, und zwar am 2.9.2022, 3.9.2022 und zuletzt am 1.10.2022 ihre eigene Zeiterfassung zu Lasten der Bekl. Am 4.10.2022 wurde sie deswegen von der Bekl fristlos entlassen.
Die Kl wandte ein, die Bekl habe nicht rechtzeitig auf die festgestellten Falscheintragungen reagiert, weshalb das Entlassungsrecht verfristet sei.
Nachdem die Kl in den ersten Instanzen erfolglos blieb, wurde auch ihre außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vom OGH zurückgewiesen.
Der Grundsatz der Unverzüglichkeit der Entlassung besagt, dass der AG die Entlassung sofort, nachdem ihm der Entlassungsgrund bekannt geworden ist, aussprechen muss, andernfalls das Entlassungsrecht verwirkt ist. Ohne sachliche Begründung wird das Zögern derart interpretiert, dass der AG die Verfehlung offenbar nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet.
Bei einem fortgesetzten Entlassungsgrund, darunter ist die wiederholte Begehung von im Wesentlichen gleichartigen, auf derselben Neigung oder denselben Eigenschaften des AN beruhenden Handlungen oder Unterlassungen zu verstehen, welche alle demselben Entlassungstatbestand zu unterstellen sind und wegen ihres inneren Zusammenhanges durch Zeit, Ort, Ursache oder Gelegenheit nach den Regeln des Arbeitslebens eine Einheit bilden, verliert der AG nur hinsichtlich jenes Entlassungsgrundes das Entlassungsrecht, hinsichtlich dessen er die Entlassung nicht (rechtzeitig) ausgesprochen hat. Bekannte Verfehlungen dürfen dann nicht bei einer Entlassung berücksichtigt werden, wenn der AG das Verhalten zunächst längere Zeit hindurch hinnimmt. Verzögerungen, die dadurch entstehen, dass der AG dem AN Gelegenheit gibt, den Entlassungsgrund zu beseitigen oder sich zu erklären, sind in gewissem Ausmaß zu tolerieren. Entscheidend dabei ist vor allem der Verständnishorizont des betroffenen AN. In einem solchen Fall muss der AG den AN vorher zu einem pflichtgemäßen Verhalten auffordern.
Der OGH bestätigte die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Entlassung am 4.10.2022 sei rechtzeitig erfolgt. Dabei wurde berücksichtigt, dass zwischen der letzten Manipulation am 1.10.2022 und dem Entlassungsausspruch ein Wochenende lag und der langjährig beschäftigten Bekl durch das Zuwarten noch eine Möglichkeit gegeben wurde, ihr Verhalten zu erklären. Dabei war es auch vertretbar, allfällige Verzögerungen seit der erstmaligen Kenntnisnahme von den Vorfällen am 2.9.2022 und 3.9.2022 für irrelevant zu erachten, zumal insofern keine Umstände vorlagen, aus denen die Kl auf Einverständnis oder Gleichgültigkeit der Bekl schließen konnte.
Die Entlassung erfolgte daher rechtzeitig.