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Psychische Beeinträchtigung durch nachgelagerte Konflikte mit Vorgesetzter nach Brand in Justizanstalt stellt keinen Dienstunfall dar

FABIAN GAMPER

Der Kl ist Justizwachebeamter in der Justizanstalt *. In dieser brach in der Nacht vom 2.2. auf den 3.2.2020 ein Brand aus. Der Kl vertrat zu diesem Zeitpunkt die Anstaltsleitung und befand sich in Rufbereitschaft. Er fuhr nach Information über den Brand zur Justizanstalt, verständigte seine Vorgesetzten, übernahm das Kommando vor Ort und blieb bis zur Brandlöschung. Er erlitt durch die Tätigkeit vor Ort keine gesundheitliche Beeinträchtigung und verrichtete am nächsten Tag wieder regelmäßig Dienst. Nach dem Brand kam es zu Konflikten zwischen dem Kl und einer Vorgesetzen. Am 23.4.2022 ging der Kl in seither ununterbrochenen Krankenstand. Erstmals hatte er sich am 1.12.2021 in psychiatrische Behandlung begeben und befindet sich seit Mai 2022 in monatlicher Psychotherapie.

Mit Bescheid vom 23.11.2023 lehnte die Bekl die Anerkennung als Dienstunfall und die Gewährung von Leistungen aus der UV ab. Das Erst- und das Berufungsgericht wiesen das Klagebegehren auf Gewährung von Leistungen der UV im gesetzlichen Ausmaß und die Anerkennung als Dienstunfall ab.

Der OGH hat die außerordentliche Revision des Kl mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Dazu stellt der OGH klar: Gem § 90 Abs 1 B-KUVG sind Dienstunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder der Funktion ereignen. Zur Auslegung des B-KUVG sind Lehre und Rsp zu den entsprechenden Bestimmungen des ASVG heranzuziehen. Unter Unfall versteht man im Allgemeinen ein von außen auf Geist und/oder Körper einwirkendes, meist plötzlich eintretendes, zumindest aber zeitlich eng begrenztes Ereignis, durch das eine Gesundheitsschädigung oder der Tod bewirkt wird. „Plötzlich“ wird jedoch nicht so eng verstanden, dass bloß auf einzelne Ereignisse abgestellt wird. Auch kurz aufeinanderfolgende Einwirkungen, die erst in ihrer Gesamtheit eine messbare Gesundheitsstörung zur Folge haben, sind dann noch als „plötzlich“ anzusehen, wenn sie sich innerhalb einer Arbeitsschicht oder eines sich auf mehrere Tage erstreckenden Dienstauftrags 189 ereignet haben. Liegt eine darüberhinausgehende krankheitsbedingte Entwicklung vor, kann grundsätzlich nicht von einem Unfall gesprochen werden, auch wenn diese auf berufliche Faktoren zurückzuführen ist.

Im gegenständlichen Fall kommt daher dem Verhalten der Vorgesetzten im Rahmen der nachfolgenden dienstlichen Aufarbeitung des Brandes keine entscheidende Bedeutung zu. Eine psychische Beeinträchtigung, die sich erst allmählich durch mehrere Einwirkungen während eines längeren Zeitraumes entwickelt, kann nicht auf ein unfallartiges Geschehen zurückgeführt werden. Das Verhalten der Vorgesetzten, welches sich über einen Zeitraum, der sich über eine Arbeitsschicht erstreckt hat, wäre nur dann bedeutend, wenn einzelne Maßnahmen oder Aussagen für sich genommenen die vorliegende Gesundheitsstörung wesentlich bedingt hätten. Das Vorliegen einer solchen Sonderkonstellation oder dass die Ereignisse in der Brandnacht für sich genommen bereits die nachfolgende psychische Beeinträchtigung bedingt haben, wurde vom Kl in erster Instanz nicht behauptet. Mangels Plötzlichkeit kann daher kein Dienstunfall vorliegen.