82Berechnung des Wochengeldes während Kinderbetreuungsgeldbezug und einer parallelen geringfügigen Beschäftigung
Berechnung des Wochengeldes während Kinderbetreuungsgeldbezug und einer parallelen geringfügigen Beschäftigung
Tritt der Versicherungsfall der Mutterschaft noch während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld ein, sind bei der Berechnung des Wochengeldanspruchs parallel zum Kinderbetreuungsgeld bezogene geringfügige Einkünfte (ohne Selbstversicherung nach § 19a ASVG) nicht zu berücksichtigen.
Die Kl bezog im Zeitraum von 3.2. bis 25.11.2023 Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens von 69,83 € täglich. Von 1.4. bis 25.11.2023 war sie parallel dazu (ohne Selbstversicherung nach § 19a ASVG) geringfügig beschäftigt und verdiente € 496,39 monatlich. Der Versicherungsfall der Mutterschaft trat am 26.11.2023 ein.
Mit Bescheid gewährte die bekl Österreichische Gesundheitskasse ein Wochengeld von € 69,83 täglich und sprach aus, dass ein darüber hinausgehendes Wochengeld nicht zuerkannt werde.
Mit ihrer Klage begehrt die Kl ein höheres Wochengeld. Das Wochengeld solle den Einkommensverlust der Schwangeren während der Schutzzeit ausgleichen. Um dieses Ziel zu erreichen, sei bei der Berechnung des Anspruchs auch der Verdienst aus ihrer geringfügigen Beschäftigung zu berücksichtigen. Die Bekl hielt dem entgegen, dass geringfügig Beschäftigten ohne Selbstversicherung nach § 19a ASVG kein Wochengeld zustehe.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Frage der Berechnung des Wochengeldes im Fall des parallelen Bezugs von Kinderbetreuungsgeld und Einkünften aus einer unselbständigen geringfügigen Beschäftigung noch keine Rsp des OGH vorliege.
Dagegen richtet sich die Revision der Bekl. Diese war zulässig und auch berechtigt.
„2.1. Gemäß § 162 Abs 3 ASVG richtet sich das Wochengeld grundsätzlich nach dem auf den Kalendertag entfallenden Teil des durchschnittlichen in den letzten 13 Wochen oder (im Fall eines monatlich bemessenen oder abgerechneten Arbeitsverdienstes) drei Kalendermonaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge und unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen nach § 162 Abs 4 ASVG.
Da Geldleistungen nach dem KBGG grundsätzlich kein Arbeitsverdienst sind (10 ObS 29/18i ErwGr 2.2.), sieht § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG eine Sonderregelung vor: Fallen in den für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgebenden Zeitraum auch Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG, gilt für diese Zeiten jenes Wochengeld als Arbeitsverdienst, das aufgrund des § 162 (richtig) Abs 3b Z 2 iVm Abs 5 Z 3 ASVG gebührt hätte.
2.2. Abweichend von dieser rückwärtsgerichteten, dem Durchschnittsprinzip folgenden Berechnung (RS0117195) gebührt in den Fällen des § 162 Abs 3b ASVG ein Wochengeld in fixer Höhe: den § 19a ASVG selbstversicherten geringfügig Beschäftigten von (aktuell) 11,35 EUR täglich (Abs 3b Z 1) und den Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld in Höhe des gebührenden täglichen Kinderbetreuungsgeldes (Abs 3b Z 2).
2.3. Die Abgrenzung der Fälle des § 162 Abs 3 und des Abs 3b Z 2 ASVG richtet sich nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls. Wochengeld 185 in fixer Höhe gebührt, wenn der Versicherungsfall der Mutterschaft noch während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld eingetreten ist. Tritt der Versicherungsfall erst danach ein, gebührt dagegen ein Wochengeld in Höhe des § 162 Abs 3 ASVG; das im Beobachtungszeitraum bezogene Kinderbetreuungsgeld ist in dieser Situation nur Teil der Bemessungsgrundlage, was im Ergebnis eine „Mischberechnung“ bedeutet (10 ObS 29/18i ErwGr 3.2. und 4.; vgl auch 10 ObS 63/16m).
3. Nach der ständigen Rechtsprechung ist unter einem Arbeitsverdienst im Sinn des § 162 Abs 3 ASVG jeder Geld- und Sachbezug zu verstehen, der einer voll- oder teilversicherten Arbeitnehmerin zustand; auf seine beitrags- oder abgabenrechtliche Einordnung kommt es dabei nicht an (RS0084112; 10 ObS 91/24s Rz 15 ua). Da für die Berechnung des Wochengeldanspruchs zudem nicht auf ein oder mehrere Dienstverhältnisse, sondern auf den im Beobachtungszeitraum (insgesamt) erzielten Arbeitsverdienst abzustellen ist (10 ObS 22/16g ErwGr 3.2.2.), sind bei einer in der Krankenversicherung pflichtversicherten Dienstnehmerin auch Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung zu berücksichtigen (10 ObS 108/16d ErwGr 2.2.; 10 ObS 78/88; Drs in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 162 Rz 57 f ua).
4. Vor diesem Hintergrund ist hier unstrittig, dass ein Fall des § 162 Abs 3b Z 2 ASVG vorliegt, weil der Versicherungsfall während des Kinderbetreuungsgeldbezugs eingetreten ist und der Klägerin demgemäß ein Wochengeld in Höhe des von ihr bezogenen Kinderbetreuungsgeldes (von 69,83 EUR) zusteht. Offen ist nur, ob und, wenn ja, wie sich das parallel zum Kinderbetreuungsgeld bezogene geringfügige Einkommen auf die Anspruchshöhe auswirkt.
[…]
5.2. Der Oberste Gerichtshof hat zum Verhältnis der Abs 3 und Abs 3b des § 162 ASVG klargestellt, dass sich der Gesetzgeber dabei für zwei unterschiedliche, strikt zu trennende Berechnungsarten entschieden hat: Während in den Fällen des § 162 Abs 3 ASVG der zukünftige Einkommensausfall anhand des bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots bezogenen Durchschnittsverdienstes berechnet wird, ist im Rahmen des § 162 Abs 3b ASVG nur maßgeblich, ob bei Eintritt des Beschäftigungsverbots einer der dort definierten Fälle vorliegt. Nach dem insofern eindeutigen Wortlaut und der klaren gesetzlichen Systematik ist die Höhe des Wochengeldes daher nur in den Fällen des § 162 Abs 3 ASVG von dem in einem Beobachtungszeitraum bezogenen Durchschnittsverdienst abhängig. Ist die Versicherte im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls hingegen nach § 19a ASVG selbstversichert oder bezieht sie wie hier Kinderbetreuungsgeld, kommt es gar nicht zur Heranziehung eines Beobachtungszeitraums (10 ObS 119/22f Rz 8 f). Ob das geringfügige Einkommen – wie zu 10 ObS 119/22f – zeitlich vor oder – wie hier – parallel zu den von § 162 Abs 3b ASVG erfassten Bezügen erfolgt, gibt dabei dann nicht (mehr) den Ausschlag.
5.3. Da § 162 Abs 3b ASVG die Berücksichtigung weiterer Arbeitsverdienste nicht vorsieht, ließe sich das von der Klägerin angestrebte Ergebnis nur im Wege einer Kombination des Abs 3 und Abs 3b des § 162 ASVG erzielen, bei der der Bezug von Kinderbetreuungsgeld die Grundlage für den Anspruch auf Wochengeld nach § 162 Abs 3b Z 2 ASVG bildet und – wegen der damit verbundenen Pflichtversicherung in der Krankenversicherung – gleichzeitig Ausgangspunkt für die Anwendung des § 162 Abs 3 ASVG ist. Dabei stellt sich aber die Frage, warum der Bezug von Kinderbetreuungsgeld im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls in § 162 Abs 3b Z 2 ASVG überhaupt „abweichend“ geregelt wurde. Wäre es tatsächlich intendiert gewesen, geringfügige Einkommen auch in dieser Konstellation zu berücksichtigen, hätte es der Unterscheidung der Fälle des Abs 3 und Abs 3b Z 2 des § 162 ASVG nicht bedurft. Dafür hätte vielmehr die Regel des § 162 Abs 3 ASVG ausgereicht. Ohne § 162 Abs 3b Z 2 ASVG käme es nämlich stets, also unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Mutterschaft, zu der in § 162 Abs 3 ASVG vorgesehenen Zusammenrechnung des im Beobachtungszeitraum bezogenen Kinderbetreuungsgeldes mit geringfügigen Einkünften […]. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, der Gesetzgeber habe bei Schaffung des § 162 Abs 3b ASVG den Fall, dass Kinderbetreuungsgeldbezieher einen Arbeitsverdienst erzielen (vgl § 15e MSchG bzw § 2 Abs 1 Z 3 und § 24 Abs 1 Z 3 KBGG), nicht bedacht (vgl 10 ObS 119/22f Rz 10). Es ist insgesamt daher davon auszugehen, dass mit § 162 Abs 3b ASVG die davon erfassten Fälle abschließend geregelt werden (sollten).
5.4. Zusammenfassend scheidet die von der Klägerin angestrebte Berücksichtigung ihres parallel zum Kinderbetreuungsgeld bezogenen geringfügigen Einkommens aus. Auch wenn das Wochengeld Einkommensersatzfunktion hat (RS0117195; 10 ObS 100/17d ErwGr 4.3. ua), sprechen gegen dieses Ergebnis auch keine teleologischen Bedenken, weil den geringfügig Beschäftigten die Möglichkeit der Selbstversicherung nach § 19a ASVG offen steht. Machen sie von dieser Option Gebrauch, kommt es so wie bei Ausübung einer die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung auslösenden Beschäftigung zu einer Kumulation des Anspruchs nach § 162 Abs 3b Z 2 ASVG mit dem selbständigen Anspruch nach § 162 Abs 3b Z 1 (§ 19a Abs 6 ASVG) oder Abs 3 ASVG (Ausübung einer die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung auslösenden Beschäftigung).
6. Als Ergebnis lässt sich daher folgender Rechtssatz formulieren:
Tritt der Versicherungsfall der Mutterschaft noch während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld ein, sind bei der Berechnung des Wochengeldanspruchs parallel zum Kinderbetreuungsgeld bezogene geringfügige Einkünfte (ohne Selbstversicherung nach § 19a ASVG) nicht zu berücksichtigen. § 162 Abs 3b Z 2 ASVG stellt insoweit eine abschließende Regelung der Höhe des Wochengeldes dar. […]“ 186
Gem § 162 Abs 3 ASVG richtet sich die Höhe des Wochengeldes nach dem im Beobachtungszeitraum – in den letzten 13 Wochen oder drei Kalendermonaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft – gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge und unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen.
Abweichend davon gebührt nach § 162 Abs 3b ASVG (BGBl I 2024/64) ein Wochengeld in fixer Höhe den gem § 19a ASVG selbstversicherten geringfügig Beschäftigten sowie Kinderbetreuungsgeldbezieherinnen.
Im vorliegenden Fall war unstrittig, dass ein Fall des § 162 Abs 3b Z 2 ASVG vorliegt, weil der Versicherungsfall der Mutterschaft während des Kinderbetreuungsgeldbezugs eingetreten ist und somit der Kl ein Wochengeld in Höhe des von ihr bezogenen Kinderbetreuungsgeldes (von € 69,83) zustand. Offen war nur die Frage, ob und wenn ja wie sich das parallel zum Kinderbetreuungsgeld bezogene geringfügige Einkommen auf die Anspruchshöhe auswirkt.
Der OGH hat zum Verhältnis der Abs 3 und 3b des § 162 ASVG klargestellt, dass sich der Gesetzgeber bewusst für zwei unterschiedliche Berechnungsarten entschieden hat. Während in den Fällen des § 162 Abs 3 ASVG der zukünftige Einkommensausfall anhand des Durchschnittsverdienstes berechnet wird, ist im Rahmen des § 162 Abs 3b ASVG nur maßgeblich, ob bei Eintritt des Beschäftigungsverbots einer der dort definierten Fälle vorliegt. Wäre es vom Gesetzgeber gewollt, geringfügige Einkommen auch in diesen Fällen zu berücksichtigen, würde sich eine Unterscheidung zwischen § 162 Abs 3 und Abs 3b Z 2 ASVG erübrigen.
Der OGH führt daher zudem aus, dass es zu einer Kumulation des Anspruchs nach § 162 Abs 3b Z 2 ASVG mit dem selbständigen Anspruch nach § 162 Abs 3b Z 1 (§ 19a Abs 6 ASVG) oder Abs 3 ASVG (Ausübung einer die Pflichtversicherung in der KV auslösenden Beschäftigung) nur dann kommen kann, wenn die geringfügig beschäftigte Person die Möglichkeit der Selbstversicherung gem § 19a ASVG in Anspruch nimmt.
Im vorliegenden Fall war daher das Mehrbegehren der Kl abzuweisen.
Zu den Ausführungen des OGH stellt sich mE die Frage, ob sich eine Kinderbetreuungsgeldbezieherin – die zusätzlich zum Bezug auch eine geringfügige Beschäftigung ausübt – gem § 19a ASVG selbstversichern kann. Nach dem Wortlaut des § 19a Abs 1 ASVG kann sich nämlich eine Person nur dann selbstversichern, wenn diese nicht bereits in der KV pflichtversichert ist. Kinderbetreuungsgeldbezieherinnen sind allerdings gem § 28 KBGG iVm § 8 Abs 1 lit f ASVG in der KV teil(pflicht)versichert. Eine zeitlich überlappende Kumulation würde demnach ausscheiden.