79Zusammenrechnung geringwertiger Wirtschaftsgüter eines Bergführers zur Abgrenzung eines freien Dienstvertrages
Zusammenrechnung geringwertiger Wirtschaftsgüter eines Bergführers zur Abgrenzung eines freien Dienstvertrages
Der Revisionswerber war für den Verein K als Bergwanderführer und Naturführer tätig. Ihm wurde zu Jahresbeginn eine Excel-Tabelle mit Anfragen übermittelt. Per E-Mail hat er dann die für ihn in Frage kommenden Wanderführungen mitgeteilt. Die vom Verein erstellten und angebotenen touristischen Wandertouren wurden auf dessen Website veröffentlicht. Das Thema der Wanderung wurde jeweils vorgegeben, wobei die konkrete Themenaufbereitung dem Revisionswerber oblag. Er war berechtigt, eigenständige Entscheidungen hinsichtlich der einzelnen Tour ohne Rücksprache mit dem Verein zu treffen. Seiner Tätigkeit ist der Revisionswerber stets persönlich nachgekommen. Eine explizite Vereinbarung hinsichtlich einer etwaigen Vertretung ist nicht getroffen worden. Der Verein hat auch nicht ernsthaft damit gerechnet, dass von einer generellen Vertretungsbefugnis Gebrauch gemacht werden würde. Weisungen wurden dem Revisionswerber nicht erteilt; ein Feedback- oder Kontrollsystem hat nicht bestanden. Auch haben keine Besprechungen mit dem Verein stattgefunden. Der Revisionswerber hatte keine Berichtspflichten zu erfüllen. Für die Wandertouren wesentliche Betriebsmittel wurden ihm nicht zur Verfügung gestellt. Über Bergschuhe, Funktionsbekleidung, Rucksack, Erste-Hilfe-Ausrüstung, Schneeschuhe, Schneeschaufel, Sonde, Bücher etc hat er selbst verfügt. Der Revisionswerber hatte keine eigene Homepage. Er hat aber Visitenkarten verteilt. Die Abrechnung mit dem Verein erfolgte mittels Honorarnotenlegung nach ganzen oder halben Tagen. Ihm wurde auch Kilometergeld ausgezahlt und Aufwandersatz (etwa für Parkgebühren) erstattet. Der Revisionswerber unterlag keinem Konkurrenzverbot und keiner Verschwiegenheitspflicht. Er war zudem bei drei weiteren Auftraggebern tätig.
Mit Bescheid stellte die Österreichische Gesundheitskasse fest, dass der Revisionswerber auf Grund seiner Tätigkeit als Bergwanderführer für bestimmte Zeiträume als DN für den Verein K der Pflichtversicherung in der KV, UV und PV nach dem ASVG sowie der AlV unterlegen sei. In weiteren Zeiträumen wurde die Pflichtversicherung in der UV nach dem ASVG festgestellt. Das BVwG gab der eingebrachten Beschwerde des Revisionswerbers teilweise statt und stellte die Pflichtversicherung als freier DN fest. Es verneinte die persönliche Abhängigkeit des Revisionswerbers. Gegen dieses E richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision; der VwGH hob das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Zur Zulässigkeit der Revision wurde geltend gemacht, dass der Revisionswerber entgegen der Annahme des BVwG über wesentliche eigene Betriebsmittel verfügt habe. Es fehle Rsp, ob und unter welchen Voraussetzungen die Anschaffungskosten mehrerer geringwertiger Wirtschaftsgüter für die Beurteilung der „Wesentlichkeit“ iSd § 4 Abs 4 ASVG zusammenzuzählen seien. Der Revisionswerber habe eine LVS-Lawinenausrüstung, Bergschuhe, Funktionsbekleidung, Orientierungsmaterial, Handy-Apps, Rucksack, Erste-Hilfe-Ausrüstung, GPS-Geräte, Fachliteratur etc anschaffen müssen.
Der VwGH hielt dazu fest: Gem § 4 Abs 4 ASVG unterliegen freie DN der Pflichtversicherung nach dem ASVG, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen. Dem Gesetz selbst ist nicht zu entnehmen, nach welchen Kriterien und Maßstäben die „Wesentlichkeit“ der Betriebsmittel zu ermitteln ist. Maßgeblich dafür sei die Beurteilung der „wesentlichen Betriebsmittel“, die nach den Verhältnissen beim freien DN – und nicht beim Auftraggeber – zu erfolgen habe. Dazu wurde der folgende, mittlerweile in stRsp vielfach wiederholte Rechtssatz gebildet: „Grundsätzlich wird ein Betriebsmittel dann für seine (dadurch als unternehmerisch zu beurteilende) Tätigkeit wesentlich sein, wenn es sich 182 nicht bloß um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handelt und wenn es der freie DN entweder durch Aufnahme in das Betriebsvermögen (und der damit einhergehenden steuerlichen Verwertung als Betriebsmittel) der Schaffung einer unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder wenn es seiner Art nach von vornherein in erster Linie der in Rede stehenden betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist.“ Dabei sei stets vorausgesetzt, dass es sich um ein Sachmittel handle, welches für die konkret in Rede stehende Tätigkeit des freien DN wesentlich (iS von „dienlich“ bzw durch die Tätigkeit veranlasst) sei. Die „Dienlichkeit“ ist zwar nicht mit der „Wesentlichkeit“ gleichzusetzen und daher nicht ausreichend, um diese zu bejahen; sie ist aber Grundbedingung dafür, dass ein Betriebsmittel wesentlich iSd § 4 Abs 4 ASVG sein kann. In späteren Entscheidungen forderte der VwGH – über das Vorhandensein nicht geringwertiger Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen hinaus – immer wieder eine „Gesamtbetrachtung“, um wesentliche eigene Betriebsmittel bejahen zu können. Sollte in einer Gesamtbetrachtung der für die konkrete Tätigkeit des DN insgesamt eingesetzten Betriebsmittel die Nutzung von Betriebsmitteln des DG gegenüber dem Einsatz eigener Betriebsmittel soweit überwiegen, dass diese nur eine untergeordnete Bedeutung hätten und die mit ihnen geschaffene eigene unternehmerische Struktur des DN ganz in den Hintergrund träte, dann wären wesentliche eigene Betriebsmittel iSd § 4 Abs 4 ASVG zu verneinen.
Im vorliegenden Fall verfügte der Revisionswerber über kein Betriebsmittel, das für sich genommen nicht nur geringwertig war. Der Begriff der geringwertigen Wirtschaftsgüter stammt aus § 13 EStG 1988. Gemäß dieser Bestimmung können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren Anlagegütern als Betriebsausgaben abgesetzt werden, wenn diese Kosten für das einzelne Anlagegut € 800,- (aktuell € 1.000,-) nicht übersteigen. Es handelt sich um eine Sondervorschrift zu § 7 EStG 1988 betreffend die „Absetzung für Abnutzung“, die verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zu erfolgen hat. Von dieser Aufteilung auf mehrere Jahre wird bei Bagatellbeträgen aus Gründen der Vereinfachung abgesehen. Das Abstellen auf die Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter in der Rsp des VwGH zu § 4 Abs 4 ASVG verfolgt aber andere Zwecke, als sie dem § 13 EStG 1988 zugrunde liegen. Es geht nicht wie im Einkommensteuerrecht um die Bestimmung einer Schwelle für administrative Erleichterungen, sondern darum, Betriebsmittel zu erfassen, die zum einen als Teil des Betriebsvermögens steuerlich geltend gemacht werden (worin sich die Entscheidung manifestiert, unternehmerisch tätig sein zu wollen) und die zum anderen eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung haben. Gemessen an diesem Zweck ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Betragsgrenze durch ein Wirtschaftsgut allein oder durch die Zusammenrechnung mehrerer (nicht unbedingt eine wirtschaftliche Einheit bildender) Güter erreicht wird. Notwendig ist allerdings im Hinblick auf nicht schon ihrer Art nach nur der betrieblichen Tätigkeit dienende Güter, dass eine steuerliche Veranlagung überhaupt stattfindet, weil sonst eine Widmung für die betriebliche Verwendung nicht feststellbar ist und im Übrigen der gänzliche Verzicht auf das Absetzen von Betriebsausgaben gegen eine unternehmerisch ausgeübte Erwerbstätigkeit spricht. Geht man davon aus, dass es sich bei den wesentlichen eigenen Betriebsmitteln um solche Sachmittel handeln muss, die der konkreten Erwerbstätigkeit dienen, so ist überdies zu folgern, dass die zusammenzurechnenden Wirtschaftsgüter im Allgemeinen schon bei Aufnahme der Tätigkeit vorhanden sein und dann im Rahmen der ersten Steuererklärung (wenn auch allenfalls im Rahmen der Inanspruchnahme einer Pauschalierung) geltend gemacht werden müssen. Wird die Grenze der Geringwertigkeit dennoch (ausnahmsweise) erst durch Zusammenrechnung mit einem später hinzukommenden Betriebsmittel überschritten, so wäre die Pflichtversicherung nach § 4 Abs 4 ASVG ab dem Zeitpunkt von dessen Aufnahme in das Betriebsvermögen zu verneinen. Wurde die Geringwertigkeitsgrenze einmal überschritten – sei es durch ein einziges Wirtschaftsgut, sei es durch die Zusammenrechnung mehrerer in das Betriebsvermögen aufgenommener Güter –, so ist das Vorhandensein wesentlicher eigener Betriebsmittel zu bejahen, solange die betreffenden Wirtschaftsgüter tatsächlich genutzt werden, auch wenn sie bereits vollständig abgeschrieben sind.
Diese Grundsätze bedeuten für den vorliegenden Fall, dass wesentliche eigene Betriebsmittel iSd § 4 Abs 4 ASVG nicht schon deswegen verneint werden durften, weil die einzelnen vom Revisionswerber ins Treffen geführten Ausrüstungsgegenstände nicht die Grenze der Geringwertigkeit überschritten. Es wäre vielmehr zu prüfen gewesen, ob diese (nicht von vornherein „betriebsspezifischen“) Gegenstände – als Grundvoraussetzung für die Aufnahme in das Betriebsvermögen – zumindest überwiegend betrieblich genutzt und dementsprechend (allenfalls nach Abzug eines Privatanteils) steuerlich abgeschrieben wurden. Für die Beurteilung der „Wesentlichkeit“ wären dann zeitraumbezogen die Werte aller (sei es einzeln, sei es im Rahmen einer Pauschalierung) steuerlich geltend gemachten und noch genutzten Betriebsmittel zusammenzurechnen, und zwar mit dem einkommensteuerrechtlich anzusetzenden Betrag, ohne Abzug eines Privatanteils. Sollten die für die Tätigkeit eingesetzten Ausrüstungsgegenstände des Revisionswerbers steuerlich geltend gemacht worden sein und insgesamt die Geringwertigkeitsgrenze überschreiten, so wäre in einem zweiten Schritt noch zu prüfen, ob er darüber hinaus auch Betriebsmittel des DG nutzte, die gegenüber den eigenen Betriebsmitteln eine so überragende Bedeutung hatten, dass die durch diese konstituierte unternehmerische Struktur ganz in den Hintergrund trat. In die demnach vorzunehmende Gesamtbetrachtung hätten auch die für organisatorische Belange bereitgestellte Infrastruktur sowie etwa das Angewiesensein auf den Marktauftritt des Auftraggebers einzufließen. 183