77Keine Anrechnung des Kinderbetreuungsgeldes auf die Notstandshilfe ohne zeitgleichen Bezug beider Leistungen
Keine Anrechnung des Kinderbetreuungsgeldes auf die Notstandshilfe ohne zeitgleichen Bezug beider Leistungen
Die Beschwerdeführerin bezog im Zeitraum von 8.1.2022 bis 1.11.2023 pauschales Kinderbetreuungsgeld. Am 2.11.2023 beantragte sie die Zuerkennung von Notstandshilfe. Zu diesem Zeitpunkt bezog die Beschwerdeführerin kein Kinderbetreuungsgeld mehr. Die Notstandshilfe wurde mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 11.1.2024 zwar zuerkannt, dies allerdings für den Zeitraum von 2.11. bis 30.11.2023 unter Anrechnung des täglichen Kinderbetreuungsgeldes von Oktober 2023. Zusammengefasst begründet das Arbeitsmarktservice (AMS) den Bescheid damit, dass das Kinderbetreuungsgeld einen steuerfreien Bezug gem § 36a Abs 3 AlVG darstelle und somit gem § 36 Abs 3 und Abs 4 iVm § 38 AlVG auf den Notstandshilfeanspruch des Folgemonats anzurechnen sei. Die Beschwerdeführerin begehrte die volle Bezugshöhe bereits ab 2.11.2023. Das Kinderbetreuungsgeld sei gem § 36 iVm § 36a AlVG nur dann auf die Notstandshilfe anzurechnen, wenn die Leistungen (gemeint ist die Notstandshilfe und das Kinderbetreuungsgeld) gleichzeitig bezogen worden wären. Dies sei nicht der Fall gewesen. 180
Mit Beschwerdevorentscheidung wies das AMS die Beschwerde ab.
Das BVwG gab der Beschwerde Folge. Rechtlich bestätigt das BVwG zunächst, dass Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz als von der Einkommensteuer befreite Leistungen gem § 3 Abs 1 Z 5 lit b EStG gelten und daher gem § 36a Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 AlVG als auf die Notstandshilfe anzurechnendes Einkommen darstellen. Das BVwG weist darauf hin, dass der VwGH eine außerordentliche Revision zur Frage der Anrechnung von Kinderbetreuungsgeld auf die Notstandshilfe mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen hat, da die Rechtslage iSd Anrechenbarkeit des Kinderbetreuungsgeldes auf die Notstandshilfe laut VwGH eindeutig ist (VwGH 26.7.2023, Ra 2023/08/0075). Dennoch bleibe die Frage der Anrechnung des Kinderbetreuungsgeldes auf das Folgemonat ungeklärt und führe dies zu einer uneinheitlichen Rsp. Wird der Antrag auf Notstandshilfe, wie im vorliegenden Fall, erst nach Auslaufen des Kinderbetreuungsgeldbezuges gestellt, liege kein zeitgleicher Bezug von Notstandshilfe mit einem anrechenbaren Einkommen gem § 36 Abs 3 AlVG vor, welches im nächsten Kalendermonat, das auf die Erzielung des Einkommens folgt, anzurechnen wäre. Aus den dargelegten Gründen sei im vorliegenden Fall keine Anrechnung des Kinderbetreuungsgeldes auf die Notstandshilfe vom 2.11. bis 30.11.2023 vorzunehmen, weil die Beschwerdeführerin bis 1.11.2023 Kinderbetreuungsgeld bezogen hat, der Anspruch auf Notstandshilfe erst ab 2.11.2023 geltend gemacht wurde.
Das BVwG hat die Revision gem Art 133 Abs 4 B-VG für zulässig erklärt. Begründend führte das BVwG aus, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und keine Judikatur zur Frage vorliegt, ob bei Beantragung von Notstandshilfe erst nach Auslaufen des Kinderbetreuungsgeldbezuges von einem zeitgleichen Bezug von Notstandshilfe mit einem anrechenbaren Einkommen gem § 36 Abs 3 AlVG auszugehen ist, welches im nächsten Kalendermonat, das auf die Erzielung des Einkommens folgt, anzurechnen wäre. Aus Sicht des BVwG ist die Intention der Anrechnungsbestimmung darin zu sehen, dass nicht Notstandshilfe und zugleich ein anderes (die Geringfügigkeitsgrenze) übersteigendes Einkommen ohne Anrechnung auf die Notstandshilfe bezogen wird; ein solcher zeitgleicher Bezug von Leistungen innerhalb eines Kalendermonats sei aber im gegebenen Fall gerade nicht vorgelegen.