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Keine Vereitelung einer zumutbaren Stelle durch Hinweis auf laufende Ausbildung und Äußerung des Wunsches einer späteren Beschäftigung entsprechend dieser Ausbildung

BIRGIT SDOUTZ

Das Arbeitsmarktservice (AMS) sprach mit Bescheid vom 11.1.2024 den Verlust des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld für 42 Tage aus. Die Entscheidung begründete das AMS damit, dass die Beschwerdeführerin das Zustandekommen einer vom AMS zugewiesenen Beschäftigung als Pflegeassistentin vereitelt habe, da sie beim Vorstellungsgespräch angegeben habe, dass sie nicht als Pflegeassistentin 177 arbeiten möchte. Dagegen brachte die Beschwerdeführerin eine Beschwerde ein und begründete diese damit, dass sie die ihr vorgeworfene Vereitelungshandlung nicht gesetzt habe und gewillt gewesen sei, in der ihr zugewiesenen Beschäftigung als Pflegeassistentin zu arbeiten. Dies werde auch durch eine unterzeichnete Bestätigung dieser Firma bestätigt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.3.2024 wies das AMS die Beschwerde ab. Dem Vorbringen, dass sie keine Vereitelungshandlung gesetzt habe, könne nicht gefolgt werden. Sie habe sich zwar auf die Stellenzuweisung beworben, sei dann aber nicht zum (ersten) Vorstellungsgespräch erschienen, da laut den Angaben der Beschwerdeführerin die Einladung im Spam-Ordner gelandet sei. Das Unternehmen habe ihr eine zweite Chance eingeräumt und die Stellenzuweisung erneut zugesendet, sodass die Beschwerdeführerin am 18.12.2023 zum Vorstellungsgespräch erschienen ist. Bei diesem Vorstellungsgespräch habe die Beschwerdeführerin dann aber zu verstehen gegeben, dass ihr Interesse nicht im Pflegebereich, sondern in der Autismushilfe im Kinderbereich liege. Aufgrund ihres Verhaltens sei die Beschwerdeführerin nicht als geeignete Kandidatin in Frage gekommen, weshalb von einer Einstellung Abstand genommen worden sei. Sie habe seitdem auch keine Arbeitslosigkeit ausschließende Erwerbstätigkeit aufgenommen.

Die Beschwerdeführerin brachte dagegen einen Vorlageantrag ein Das BVwG gab der Beschwerde nach einer mündlichen Verhandlung, in der insb die genauen Umstände des Bewerbungsgesprächs geklärt wurden, statt und führte zum Vorwurf der Vereitelung einer zumutbaren Beschäftigung aus:

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung iSd § 10 Abs 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Nach der Judikatur des VwGH reicht für die Annahme der Kausalität aus, dass durch das Verhalten des Arbeitslosen die Chancen für das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses verringert wurden. Ist die Kausalität im Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt (vgl VwGH 13.11.20213, 2013/08/0020).

Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf ihren Zukunftswunsch, im Autismus-Bereich zu arbeiten, war ursächlich dafür, dass sie die ausgeschriebene Stelle nicht erhielt, weil die beiden in dieser Situation entscheidenden Mitarbeiter des potenziellen DG nach dieser Aussage der Beschwerdeführerin der Meinung waren, dass die Beschwerdeführerin kein Interesse für die mobilen Dienste habe. Allerdings sei im gegebenen Fall nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin billigend in Kauf genommen hätte, die angebotene Stelle durch ihren Hinweis auf ihre Ausbildung im Autismus-Bereich sowie ihren Zukunftswunsch, in diesem Bereich zu arbeiten, nicht zu erhalten:

Die Beschwerdeführerin habe Interesse am Erlangen der angebotenen Beschäftigung gezeigt und sich – vom Verfassen und Absenden der Bewerbung über die Kontaktaufnahme mit dem potenziellen DG bis inklusive des Vorstellungsgesprächs – dementsprechend bewerbungsadäquat verhalten. Sie habe den potenziellen DG lediglich bei dazu passender Gelegenheit im Bewerbungsgespräch auf ihre damals noch laufende Ausbildung und ihr (nachvollziehbares) Interesse, irgendwann in ihrem Ausbildungsbereich Fuß zu fassen, hingewiesen. Dieser Hinweis sei im vorliegenden Fall als üblicher Vorgang in einem Bewerbungsgespräch zu sehen, zumal laufende oder anstehende (Zusatz-)Ausbildungen oder Qualifikationen nicht unwesentliche Informationen in Hinblick auf den Betrieb eines DG darstellen (können). Laut BVwG musste die Beschwerdeführerin aber nicht damit rechnen, die angebotene Stelle nicht zu bekommen. Wesentlich ist der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Bewerbungsgespräch nie gesagt hat, nicht als Pflegeassistentin beim potenziellen DG arbeiten zu wollen. Vielmehr hat sie laut BVwG in der mündlichen Verhandlung den glaubhaften Anschein erweckt, dass sie die Stelle gerne angenommen hätte, zumal sie eigenen Angaben zufolge seit 13 Jahren ausgebildete Pflegeassistentin ist und in diesem Bereich auch gearbeitet hat. Dass es letztlich zu keiner Einstellung der Beschwerdeführerin gekommen ist, liegt nach Ansicht des BVwG am Zugang der das Bewerbungsgespräch führenden Mitarbeiter des potenziellen DG. Diese haben das Interesse der Beschwerdeführerin an der Stelle automatisch mit ihrem Hinweis auf ihre Ausbildung und ihren fernen Zukunftswunsch, eine der Ausbildung entsprechende Beschäftigung zu haben, verneint.

Das BVwG gab der Beschwerde statt und hob den angefochtenen Bescheid auf. 178