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Soziale Gestaltungspflicht verpflichtet nicht zur Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes

RICHARD HALWAX
§ 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995

Der Kl war als Vertragsbediensteter beim Bekl, der Stadt Wien, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Bekl aufgekündigt. Der Kl brachte eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes seines Dienstverhältnisses ein, weil kein Kündigungsgrund vorliegt.

Nach Erschöpfen des Instanzenzugs erhob der Kl außerordentliche Revision gegen das abweisende Urteil des OLG Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.9.2024. Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurück.

Nach § 42 Abs 2 Z 2 des Gesetzes über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 – VBO 1995), Wr LGBl 1995/50 (in der Folge: Wr VBO 1995), ist die Bekl zur Kündigung eines Bediensteten berechtigt, wenn dieser für die Erfüllung seiner Dienstpflichten gesundheitlich ungeeignet ist. Dies ist insb dann der Fall, wenn Krankenstände auftreten, die den Bediensteten laufend in einem weit über dem Durchschnitt liegenden Maß an der Dienstleistung hindern. Dabei kommt es nicht allein auf die Dauer und Häufigkeit der in der Vergangenheit aufgetretenen Krankenstände an; entscheidend ist vielmehr, ob daraus abgeleitet werden kann, dass der DN für die Erfüllung der Dienstpflichten gesundheitlich in Zukunft nicht geeignet ist. Hierfür kommt es auf die Erfüllung bzw Nichterfüllung der dem Vertragsbediensteten übertragenen Dienstpflichten auf dem konkreten Arbeitsplatz und nicht auf die Möglichkeit ersprießlicher Arbeitsleistung auf irgendeinem anderen Dienstposten des DG an; der DG ist daher grundsätzlich nicht verpflichtet, den dauernd dienstunfähigen AN in einer anderen als der arbeitsvertraglich geschuldeten Verwendung zu beschäftigen.

Der DG ist im Rahmen seiner Fürsorgepflicht verhalten, einem partiell dienstunfähigen DN nach Möglichkeit eine leichtere Arbeit zuzuweisen, zu deren Verrichtung er weiterhin in der Lage ist; verletzt der DG diese soziale Gestaltungspflicht, ist die Kündigung nicht berechtigt. Diese Obliegenheit, dem DN tunlichst leichtere Arbeiten zuzuweisen, besteht vor allem dann, wenn das Dienstverhältnis bereits lange Zeit (hier: insgesamt mehr als 30 Jahre) gedauert hat und wenn der Personalstand des DG groß ist: Je größer dieser ist, umso eher kann eine entsprechende Verwendung gefunden werden.

Der DG ist aber im Rahmen der sozialen Gestaltungs- und Fürsorgepflicht nicht gehalten, seine Arbeitsorganisation umzustrukturieren und für den dauernd und nicht nur krankheitshalber vorübergehend nicht voll einsatzfähigen Vertragsbediensteten durch eine neue Arbeitsverteilung einen dem Rest seiner Arbeitskraft entsprechenden, bis dahin nicht existierenden Arbeitsplatz neu zu schaffen.

Der Kl meint, er sei nicht als Sargträger, sondern als Bestatter beschäftigt gewesen; nach einem für letztere Beschäftigung geltenden Beurteilungsmaßstab 176 liege kein Kündigungsgrund iSd § 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995 vor, wonach er für die Erfüllung seiner Dienstpflichten gesundheitlich gänzlich ungeeignet wäre.

Dem stehen die Feststellungen über die gesundheitlichen Einschränkungen des Kl in Ansehung insb der Hebe- und Trageleistungen entgegen, wie sie gerade mit einer Beschäftigung als Bestatter – mag er auch (wie der Kl zuletzt) Partieführer einer Trägerpartie (gewesen) sein – insb im Hinblick auf die Notwendigkeit verbunden sind, zumindest auch als Sargträger zu fungieren, ohne dass es Verwendungen und Tätigkeiten als Bestatter gäbe, die sich durchgängig im Rahmen des nach den Feststellungen deutlich – und nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft – eingeschränkten körperlichen Leistungskalküls des Kl bewegen würden.

Die Arbeitsorganisation der Bekl sieht vor, dass Bestatterpartien von vier Personen auf allen Wiener Friedhöfen eingesetzt werden; dabei wäre es nach den Feststellungen dauerhaft nicht möglich, einzelne Mitarbeiter etwa ausschließlich für Urnenbestattungen anstelle von Sargbestattungen heranzuziehen, was insgesamt dazu führt, dass der Kl keine für die Bekl sinnvoll verwertbare Arbeitsleistung in seiner bisherigen Beschäftigung mehr erbringen kann. In diesem Lichte ist das Berufungsgericht zumindest vertretbar von einer Unfähigkeit des Kl ausgegangen, seiner unstrittig dienstvertraglich vereinbarten Tätigkeit als Bestatter nachzugehen.

Soweit der Kl in diesem Zusammenhang behauptet, er könne sämtliche Tätigkeiten als Bestatter weiterhin ausüben, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt, zumal er nach diesem nicht nur bei Aufgaben als Sargträger, sondern sogar auch bei sonstigen (Teil-)Tätigkeiten (Urnentragen) im „Leichtdienst“ körperlich eingeschränkt ist.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gibt es bei der Bestattung Wien keine Stellen, welche ausschließlich für Tätigkeiten in einem solchen Leichtdienst vorgesehen wären; sie hat keinen Bedarf an einer dauernden solchen Verwendung eines AN und dies ist aus organisatorischen Gründen auf Dauer auch nicht möglich. Der Leichtdienst war generell lediglich dafür gedacht, dem Kl vorübergehend eine Beschäftigungsmöglichkeit bis zur Wiedererlangung seiner Gesundheit zu schaffen, was ihm auch wiederholt mitgeteilt wurde.

Aus dem Umstand, dass die Bekl den Kl über einen längeren Zeitraum von eineinhalb Jahren in einem solchen Leichtdienst beschäftigte, ist für den Kl nichts zu gewinnen. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Zuweisung des Kl zu einer solchen Tätigkeit um eine vorübergehende soziale Maßnahme der Bekl handelte, aber keine dauerhafte Einrichtung oder Umgestaltung ihrer Arbeitsorganisation; aus der Eignung des Kl zur Erbringung dieser Tätigkeiten könne keine bloß partielle Dienstunfähigkeit abgeleitet werden.

Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass der Kl nach den Feststellungen im Zusammenhang mit dieser Zuweisung in Aussicht gestellt hatte, seine volle Einsetzbarkeit könne und werde wiederhergestellt werden, nicht im Einzelfall unvertretbar.

Im Übrigen steht – positiv – fest, dass es weder im Bereich der Bestattung Wien, etwa als „Arrangeur“ oder im Bereich des Bestattungsmuseums, noch sonst bei der Bekl eine offene Stelle gibt, für die der Kl aufgrund seiner Ausbildung, seiner Erfahrung bei der Bekl und seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit geeignet bzw sinnvoll einsetzbar wäre, zumal er auch nicht über erforderliche rhetorische Fähigkeiten, IT-Kenntnisse, welche in bloßen Verwaltungstätigkeiten gebraucht werden, oder kaufmännische Qualifikationen verfügt.

Wenn das Berufungsgericht auf diesen Feststellungen aufbauend zum Schluss kam, dass der Bekl auch insofern keine Verletzung ihrer Fürsorgepflicht anzulasten ist, liegt darin laut OGH keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.