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Kettendienstvertrag: Keine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit bei offensichtlichem Bemühen des Kl um ein unbefristetes Dienstverhältnis

JULIA VAZNY-KÖNIG

Der Kl war von 2020 (sic!) bis 2023 an einer Universität beschäftigt. Zwischen Kl und Bekl wurden in diesem Zeitraum 14 befristete Dienstverhältnisse abgeschlossen, unterbrochen nur durch einen Auslandstudienaufenthalt und ein kurzes Scheinbeschäftigungsverhältnis. Im April 2022 wurde dem Kl von der Bekl bereits mitgeteilt, dass eine weitere Verlängerung nicht stattfinden wird. Der Kl bemühte sich im selben Jahr um Umwandlung in ein unbefristetes Dienstverhältnis. Im Frühjahr 2023 wurde dem Kl bei einer Beratung durch die Gewerkschaft mitgeteilt, dass sein Dienstverhältnis allenfalls als Kettendienstverhältnis einzustufen sei. Am 28.6.2023, zwei Tage vor dessen Endtermin, focht der Kl die Beendigung wegen Unwirksamkeit der Befristung an.

Das OLG gab der Klage statt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.

Im Verfahren argumentierte die Bekl, dass das Dienstverhältnis nach den Behauptungen des Kl seit 2015 unbefristet gewesen sei. Der Kl hätte bereits damals seine Ansprüche geltend machen müssen. Er habe somit gegen die Aufgriffsobliegenheit verstoßen. Dadurch aber, dass der Kl stattdessen weitere befristete Verträge abgeschlossen habe, habe er zum Ausdruck gebracht, dass auch er selbst von einer wirksamen Befristung ausgehe.

Der OGH führt nun in seinem Zurückweisungsbeschluss aus, dass das Wesen der Aufgriffsobliegenheit, entgegen der Argumentation der Bekl, vielmehr im Klarstellungsinteresse des AG am Bestand oder Nichtbestand des Dienstverhältnisses begründet sei. Der AN habe das Recht, die Beendigung des Dienstverhältnisses als unwirksam anzufechten. Dies habe er im Hinblick auf die synallagmatische Arbeitsrechtsbeziehung in angemessener Zeit geltend zu machen. Andernfalls könnten sonst dem anderen Vertragspartner – dem AG –, der auf die Wirksamkeit der von ihm getroffenen Rechtsgestaltung vertraut, Nachteile entstehen. Andererseits besteht, aus Sicht des OGH, bei einem Dienstverhältnis, das aus anderen Gründen fortgesetzt wird, für den AN keinerlei Veranlassung, überhaupt tätig zu werden.

Der Kl habe zwar über ein Jahr vor dem Endtermin gewusst, dass eine Verlängerung des Dienstverhältnisses nicht stattfinden würde, er habe allerdings im selben Jahr erfolglos eine Entfristung beantragt. Daraus hätte sich aber für die Bekl ergeben müssen, dass der Kl bemüht war, das Dienstverhältnis über den vereinbarten Endtermin hinaus aufrechtzuerhalten.

Der OGH gibt auch zu bedenken, dass ein DN, aufgrund seiner typischen Unterlegenheitsposition möglicherweise zunächst bereit ist, sich den Bedingungen des DG zu unterwerfen, ohne seine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Das darf 174 allerdings nicht als Verzicht verstanden werden. Inwieweit den DN im Rahmen der Aufgriffsobliegenheit auch eine Obliegenheit für Nachforschungen in Bezug auf die Rechtslage treffe, sei eine Frage des Einzelfalls und im Konkreten nicht korrekturbedürftig.