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EuGH: Geschlechter- und Teilzeitdiskriminierung bei Mehrleistungen

LUDWIG DVOŘÁK (WIEN)
Art 21 Abs 1 GRC;
§ 4 Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (Anhang zu RL 97/81/EG);
Art 2 Abs 1 lit b und Art 4 Abs 1 RL 2006/54/EG
  1. Teilzeitbeschäftigte, die über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Überstunden leisten und dafür keinen Zuschlag erhalten, werden gegenüber Vollzeitbeschäftigten, die für ihre über 38,5 Wochenarbeitsstunden hinausgehenden Arbeitsstunden einen Überstundenzuschlag erhalten, ungleich behandelt.

  2. Diese Ungleichbehandlung wird weder durch das Ziel, die Anordnung von über die individuell vereinbarte Normalarbeitszeit hinausgehenden Überstunden zu vermeiden, noch durch das Ziel, Vollzeitbeschäftigte vermeintlich nicht zu benachteiligen, gerechtfertigt.

  3. Ist durch die Teilzeitdiskriminierung ein signifikant höherer Anteil der beschäftigten Frauen als der beschäftigten Männer betroffen, so liegt auch eine mittelbare geschlechtsbezogene Diskriminierung beim Entgelt iSd Art 157 AEUV vor.

[...] Ausgangsverfahren und Vorlagefragen [...]

19 IK und CM, die beim KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation eV als Pflegekräfte in Teilzeit angestellt sind, sind gemäß ihren jeweiligen Arbeitsverträgen mit einer Arbeitszeit von 40 % bzw 80 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt, die nach § 10 MTV [Manteltarifvertrag] 38,5 Stunden beträgt.

20 Da die Kl die Ansicht vertraten, dass der Bekl verpflichtet sei, ihnen gem § 10 Z 7 MTV für die geleisteten Überstunden einen Zuschlag zu zahlen oder in ihren Arbeitszeitkonten eine dem Zuschlag entsprechende Zeitgutschrift vorzunehmen, erhoben sie beim Arbeitsgericht (Deutschland) Klage auf Erteilung einer den Zuschlägen entsprechenden Zeitgutschrift sowie auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs 2 AGG.

21 Sie stützten sich darauf, dass der Bekl sie aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung gegenüber Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt habe, indem er ihnen für die Stunden, die sie über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet hätten, keine Überstundenzuschläge gezahlt habe und in ihren Arbeitszeitkonten keine Zeitgutschrift vorgenommen habe, die den ihnen zustehenden Zuschlägen entspreche. Außerdem seien sie aufgrund ihres Geschlechts mittelbar diskriminiert worden, da der Bekl der Ausgangsverfahren überwiegend Frauen in Teilzeit beschäftige.

[...]

26 Vor diesem Hintergrund hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden, in den verbundenen Rs C-184/22 und C-185/22 gleichlautenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: [...]

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 4 und 5

28 Mit seinen Fragen 4 und 5, die als Erstes und gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nur für die Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit von sich in einer vergleichbaren Lage befindenden vollzeitbeschäftigten AN hinaus gearbeitet werden, eine „schlechtere“ Behandlung von Teilzeitbeschäftigten iS dieses Paragrafen 4 Nr. 1 darstellt, und ob diese Behandlung dadurch gerechtfertigt sein kann, dass auf der einen Seite das Ziel verfolgt wird, den AG davon abzuhalten, für AN Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden. [...]

34 Was erstens die Frage betrifft, ob im vorliegenden Fall Überstundenzuschläge unter den Begriff der Beschäftigungsbedingungen iS von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung fallen, so hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass dieser Begriff auch die Vergütungsbedingungen umfasst (Urteil vom 19.10.2023, Lufthansa CityLine, C-660/20, EU:C:2023:789, Rn 41 und die dort angeführte Rsp).

[...]

39 Was drittens die Frage betrifft, ob teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte wie die Kl der Ausgangsverfahren und vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte ungleich behandelt werden, ist den Vorlagebeschlüssen zu entnehmen, dass eine teilzeitbeschäftigte Pflegekraft Überstundenzuschläge nur für die Arbeitsstunden erhält, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Pflegekraft – im vorliegenden Fall gem § 10 Z 1 MTV 38,5 Stunden – hinaus geleistet werden. [...]

41 Zwar erscheint, wie vom vorlegenden Gericht ausgeführt, die Vergütung der Überstunden für teilzeitbeschäftigte und vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte insofern gleich, als der Anspruch auf einen solchen Zuschlag für sämtliche AN erst mit Überschreitung der Grenze von 38,5 Wochenarbeitsstunden entsteht. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Festsetzung dieser einheitlichen Untergrenze sowohl für vollzeitbeschäftigte als auch für teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte für die Teilzeitbeschäftigten angesichts der in ihren Arbeitsverträgen vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit eine größere Belastung darstellt, da sie zumindest für einen Teil der Arbeitsstunden, die sie über ihre regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, zwar vergütet werden, für diese aber kein Anspruch auf einen Überstundenzuschlag besteht. Vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte erhalten nämlich ab der ersten Arbeitsstunde, die sie über ihre regelmäßige Arbeitszeit – also 38,5 Wochenarbeitsstunden – hinaus leisten, einen Überstundenzuschlag, während teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte für Arbeitsstunden, die zwar über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, aber unter der regelmäßigen Arbeitszeit von vollzeitbeschäftigten Pflegekräften liegen, keinen Überstundenzuschlag erhalten.

42 Teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte, die Überstunden leisten, die über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen und dafür keinen Zuschlag erhalten, werden gegenüber vollzeitbeschäftigten Pflegekräften, die für die Stunden, die ihre 38,5 Wochenarbeitsstunden überschreiten, einen Überstundenzuschlag erhalten, ungleich behandelt (vgl in diesem Sinne Urteil vom 27.5.2004, Elsner-Lakeberg, C-285/02, EU:C:2004:320, Rn 17). [...]

44 Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht werden somit, soweit für teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte wie die Kl der Ausgangsverfahren die Anzahl der Arbeitsstunden, ab der sie einen Überstundenzuschlag erhalten, nicht entsprechend der individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarten Arbeitszeit pro rata temporis gekürzt wird, teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte offenbar „schlechter“ behandelt als vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte, was nach Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung verboten ist, es sei denn, dies ist durch einen „sachlichen Grund“ iS dieses Paragrafen gerechtfertigt (vgl in diesem Sinne Urteil vom 19.10.2023, Lufthansa CityLine, C-660/20, EU:C:2023:789, Rn 49 und die dort angeführte Rsp). [...]

48 Im vorliegenden Fall fragt sich das vorlegende Gericht, ob auf der einen Seite das Ziel, den AG davon abzuhalten, für AN Überstunden anzuordnen, die über ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden, „sachliche Gründe“ iS von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung darstellen können.

49 Zum ersten dieser Ziele ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung dazu führt, dass von Teilzeitbeschäftigten geleistete Arbeitsstunden, die über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, ohne die für einen Vollzeitbeschäftigten festgelegte regelmäßige Arbeitszeit – also 38,5 Wochenstunden – zu überschreiten, für den AG eine geringere finanzielle Belastung bedeuten als die gleiche Anzahl von durch einen Vollzeitbeschäftigten geleisteten Überstunden, da für diese Stunden kein Überstundenzuschlag zu zahlen ist. Für Teilzeitbeschäftigte bewirkt diese Regelung also das Gegenteil dessen, was damit erreicht werden soll, da sie, wie vom vorlegenden Gericht ausgeführt, in Wirklichkeit einen Anreiz für den AG schafft, Überstunden eher bei Teilzeitbeschäftigten anzuordnen als bei Vollzeitbeschäftigten.

50 Für die Gewährung eines Überstundenzuschlags eine Untergrenze festzulegen, die für Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte einheitlich gilt, kann im Hinblick auf Teilzeitbeschäftigte somit nicht zur Erreichung des Ziels führen, AG von der Anordnung von Überstunden abzuhalten.

51 Was das zweite oben in Rn 48 genannte Ziel betrifft, so soll die mutmaßlich schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten verhindert werden. Die diesem Ziel 197 zugrunde liegenden Überlegungen beruhen auf der Prämisse, wonach es einer schlechteren Behandlung von Vollzeitbeschäftigten gleichkommt, wenn ein AG, der von einem Teilzeitbeschäftigten die Leistung von Überstunden verlangt, verpflichtet wird, diesem ab der ersten Stunde, die er über die in seinem Arbeitsvertrag individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet, einen Überstundenzuschlag zu gewähren, wie dies bei einem Vollzeitbeschäftigten der Fall ist. Diese Prämisse ist jedoch fehlerhaft, da Vollzeitbeschäftigte in diesem Fall in Bezug auf Überstunden gleichbehandelt würden wie Teilzeitbeschäftigte, vorbehaltlich der Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes.

52 Das zweite Ziel ist folglich ebenfalls nicht geeignet, die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. [...]

Zu den Fragen 1 bis 3

54 Mit seinen Fragen 1 bis 3, die als Zweites und gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art 157 AEUV sowie Art 2 Abs 1 Buchst b und Art 4 Abs 1 der RL 2006/54 dahin auszulegen sind, dass zum einen eine nationale Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nur für die Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit von sich in einer vergleichbaren Lage befindenden vollzeitbeschäftigten AN hinaus gearbeitet werden, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, und zwar selbst dann, wenn der Anteil an Frauen unter den Vollzeitbeschäftigten erheblich höher ist als der Anteil an Männern, und dass zum anderen eine solche Diskriminierung dadurch gerechtfertigt werden kann, dass das Ziel verfolgt wird, den AG davon abzuhalten, für AN Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, sowie das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden. [...]

57 Zweitens ist zur Frage, ob diese Regelung eine mittelbare Diskriminierung iS von Art 157 AEUV und der RL 2006/54 darstellt, als Erstes darauf hinzuweisen, dass eine Regelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung – wie oben in Rn 44 festgestellt – Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt [...].

58 Damit eine dem Anschein nach neutrale Maßnahme eine mittelbare Diskriminierung iS dieser Bestimmungen darstellt, muss sie als Zweites in der Praxis dazu führen, dass Personen des einen Geschlechts gegenüber Personen des anderen Geschlechts in besonderer Weise benachteiligt werden. [...]

61 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Vorlagebeschlüssen, die auf statistische Daten des Bekl der Ausgangsverfahren Bezug nehmen, dass dieser an all seinen Standorten zusammen über 5.000 Personen beschäftigt, davon 76,96 % Frauen. 52,78 % dieser AN arbeiten in Teilzeit. 84,74 % der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen und 15,26 % Männer, während bei den Vollzeitbeschäftigten 68,20 % Frauen und 31,80 % Männer sind. Sowohl in der Gruppe, die durch die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung „begünstigt“ würde, als auch in der Gruppe, die dadurch „benachteiligt“ würde, befinden sich demnach die weiblichen AN in der Mehrheit.

62 In einer solchen Situation möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine mittelbare Diskriminierung auch dann festgestellt werden kann, wenn die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten, die nicht benachteiligt ist, nicht aus erheblich mehr Männern als Frauen besteht. [...]

64 [...] Nach stRsp des Gerichtshofs kann das Vorliegen eines solchen besonderen Nachteils also ua dann festgestellt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sich eine nationale Regelung auf einen signifikant höheren Anteil von Personen eines Geschlechts im Vergleich zu Personen des anderen Geschlechts ungünstig auswirkt (Urteil vom 5.5.2022, BVAEB, C-405/20, EU:C:2022:347, Rn 49 und die dort angeführte Rsp). [...]

66 Zum anderen scheint [...] aus den statistischen Daten in den Vorlagebeschlüssen hervorzugehen, dass nur 35 % der männlichen AN des Bekl, die der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung unterliegen, teilzeitbeschäftigt und von dieser Regelung nachteilig betroffen sind, wohingegen der Anteil der weiblichen AN des Bekl, die teilzeitbeschäftigt und nachteilig von dieser Regelung betroffen sind, offenbar erheblich höher ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

67 [...] für die Feststellung einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Situationen wie jenen der Ausgangsverfahren [muss] der Anteil der Männer unter den Vollzeitbeschäftigten nicht erheblich höher sein als der der Frauen. [...]

72 Hierzu ergibt sich aus den Rn 44 bis 52 des vorliegenden Urteils, dass eine „schlechtere“ Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung nicht [...] gerechtfertigt werden kann [...].

73 Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass Art 157 AEUV sowie Art 2 Abs 1 Buchst b und Art 4 Abs 1 der RL 2006/54 dahin auszulegen sind, dass zum einen eine [solche] nationale Regelung [...] eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn erwiesen ist, dass diese Regelung einen signifikant höheren Anteil von Personen weiblichen Geschlechts als Personen männlichen Geschlechts benachteiligt, und zwar ohne dass die Gruppe der durch diese Regelung nicht benachteiligten AN – die Vollzeitbeschäftigten – gleichzeitig aus erheblich mehr Männern als Frauen bestehen muss [...].

ANMERKUNG

Das vorliegende Urteil bekräftigt die grundlegende Neubewertung der Frage der Teilzeitdiskriminierung bei Überstundenzuschlägen durch den EuGH, die er bereits in der Rs Lufthansa CityLine (EuGH C-660/20, ECLI:EU:C:2023:789, DRdA 2024, 431 [zust Obrecht]= ZAS 2024, 39 [abl Wolf/Jöst] = ASoK 2024, 139 [abl Sacherer/Moritz]) vorge- 198 nommen hat. In konsequenter Fortführung seiner Argumentation stellt er in der nunmehrigen E auch klar, dass eine solche Teilzeitdiskriminierung bei ungleicher Betroffenheit von Männern und Frauen eine mittelbare Geschlechterdiskriminierung iSd Art 157 AEUV begründet.

1.
Ausgangsverfahren

Im Ausgangsverfahren hatten teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte in Deutschland fehlende Überstundenzuschläge eingeklagt, die ihnen nach Tarifvertrag nicht bereits bei Überschreitung der individuell vereinbarten Normalarbeitszeit, sondern erst nach Erreichung der Überstundengrenze für Vollzeitkräfte zustanden, deren Normalarbeitszeit 38,5 Stunden beträgt. Die Kl erblickten darin eine Teilzeit- und Geschlechterdiskriminierung. In der ferneren Vergangenheit hatte der EuGH in der Rs Helmig (EuGH C-399/92, ECLI:EU:C:1994:415) und der Rs Voß (EuGHC-300/06, ECLI:EU:C:2007:757) in vergleichbaren Fällen keine Ungleichbehandlung erkannt. Im Wege eines Gesamtvergleichs prüfte der EuGH, ob Teilzeitbeschäftigte für die von ihnen geleistete Zahl an Arbeitsstunden das gleiche Entgelt erhielten wie Vollzeitbeschäftigte für die gleiche Zahl an Arbeitsstunden, was bei einer einheitlichen Auslösegrenze für Überstundenzuschläge zweifellos gegeben ist. Davon abweichend sprach er in der Rs Elsner-Lakeberg jedoch davon, dass die „Entgelte für Normalarbeitszeit und Mehrarbeitsvergütung gesondert zu vergleichen“ seien (EuGHC-285/02, ECLI:EU:C:2004:320, Rn 14). Bei Anwendung eines solchen Einzelvergleichs ergibt sich in Sachverhalten, wie sie der aktuellen E zugrunde liegen, zwangsläufig eine Ungleichbehandlung: Während Vollzeitarbeitskräfte für ihre Überstunden einen Zuschlag erhalten, müssen Teilzeitbeschäftigte bis zur Erreichung der Vollzeitgrenze zuschlagsfreie Mehrleistungen erbringen. Auf die Rs Elsner-Lakeberg stützte der 10. Senat des deutschen BAG daher auch seine Judikaturwende, dass anstelle eines Gesamtvergleichs ein Einzelvergleich der Entgeltbestandteile vorzunehmen sei (BAG 19.12.2018, 10 AZR 231/18 Rz 56 ff). Er entschloss sich jedoch in einem Folgeverfahren in Hinblick auf Kritik in Judikatur und Literatur (BAG 11.11.2020, 10 AZR 185/20 Rz 36) zur Vorlage an den EuGH (Rs Lufthansa CityLine). Dadurch sah sich auch der 8. Senat des BAG, der am Prüfmaßstab des Gesamtvergleichs festhalten wollte, dazu veranlasst, den vorliegenden Sachverhalt im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH heranzutragen (BAG 28.10.2021, 8 AZR 372/20 Rz 26).

2.
Teilzeitdiskriminerung in der Rs KfH
2.1.
Überstundenzuschläge im Schutzbereich der Rahmenvereinbarung

In der Rs Lufthansa CityLine bejahte der EuGH das Vorliegen einer Ungleichbehandlung von voll- und teilzeitbeschäftigten Pilot:innen, wenn für diese die gleiche – und nicht eine an die individuelle Arbeitszeit angepasste – monatliche Auslösegrenze für eine Mehrleistungsvergütung angewendet werde: Er zog dabei als Prüfmaßstab den Einzelvergleich hinsichtlich der Erreichbarkeit der Mehrleistungsvergütung heran (EuGH Rs Lufthansa CityLine, Rn 47). Der EuGH setzt diese neue Rsp-Linie nunmehr fort. Dabei stellte er unter Hinweis auf die Rs Lufthansa CityLine zunächst nochmals klar, dass Überstundenzuschläge als Teil der Vergütungsbedingungen unter den Begriff der Beschäftigungsbedingungen zu subsumieren sind und daher den Bestimmungen der mit RL 97/81/EG umgesetzten Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit unterliegen (EuGH Rs KfH, Rn 34). Anders als zur Rs Lufthansa CityLine vertreten (Sacherer/Moritz, Keine Panik auf der Lufthansa CityLine, ASoK 2024, 139 [144]), gibt es daher keine Differenzierung zwischen „tätigkeitsbezogenen Zulagen“, „Überstundenzuschlägen“ oder auch anderen, den Vergütungsbedingungen zuzuordnenden Ansprüchen.

2.2.
Einzelvergleich des Entgelts für Normalarbeitszeit und Mehrleistung

Der EuGH erkennt in einer mit der wöchentlichen Normalarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten festgelegten einheitlichen Untergrenze für Überstundenzuschläge eine Benachteiligung von Teilzeitkräften: Für sie bleiben Überstunden bei Überschreitung ihrer vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit zunächst zuschlagsfrei, während Vollzeitbeschäftigte bei Überschreitung ihrer vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden Zuschläge erhalten (EuGH Rs KfH, Rn 41). Der EuGH unterstreicht damit, dass die Prüfung einer Ungleichbehandlung durch den Vergleich der verschiedenen Qualitäten von Arbeitszeit zu erfolgen hat: Vertragliche Normalarbeitszeit einerseits und darüber hinausgehende Mehrleistungen andererseits sind getrennt zu vergleichen (Selzer, Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen, EuZA 2024, 216 [224]).

2.3.
Wöchentliche und monatliche Auslösegrenzen

Der EuGH geht in der vorliegenden E davon aus, dass ein Zuschlagsanspruch mit Überschreitung der tarifvertraglich normierten wöchentlichen Normalarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden entsteht (EuGH Rs KfH, Rn 39 f). Hier scheint insofern ein Formulierungsfehler vorzuliegen, als der zitierte Tarifvertrag (Rn 16) eine Zuschlagspflicht erst bei Überschreitung der kalendermonatlichen Arbeitszeit von 167 Stunden vorsieht. Werden Überstunden innerhalb des Kalendermonats in Zeit ausgeglichen, fallen keine Zuschläge an. Damit ähnelt diese Bestimmung der Regelung des § 19d Abs 3b Z 1 AZG, der Mehrarbeit zuschlagsfrei macht, wenn innerhalb des kollektivvertragsdispositiven Beobachtungszeitraums Zeitausgleich in Anspruch genommen wird. Dass der EuGH in seiner Prüfung von einer Zuschlagspflicht bereits ab Überschreitung der wöchentlichen Normalarbeitszeit laut KollV ausgeht, deutet allerdings darauf hin, dass er – anders als von manchen erhofft (Sacherer/Moritz, 199 ASoK 2024, 139 [146]) – keine grundlegenden Unterschiede zwischen monatlichen und wöchentlichen Auslösegrenzen zu machen scheint. Die als offengelassene „Hintertür“ kritisierte Wendung des EuGH aus der Rs Lufthansa CityLine, dass „nicht ausgeschlossen“ wäre, dass wöchentliche Auslösegrenzen anders beurteilt werden könnten als monatliche (Obrecht, Final Call für Lufthansa CityLine, DRdA 2024, 431 [438]), scheint sich damit aber weitestgehend geschlossen zu haben.

2.4.
Die eigentlichen Gründe für das Institut der Teilzeitarbeit

In der Rs Lufthansa CityLine verwarf der EuGH den Versuch, eine Ungleichbehandlung bei den Zuschlägen für Mehrleistungen damit zu rechtfertigen, dass die Mehrleistungsvergütung einen Ausgleich für die übermäßige Belastung darstelle, die erst bei Erreichung der monatlichen Auslösegrenze gegeben sei. Nicht nur hinterfragte er die Eignung der Mehrleistungsvergütung für den Ausgleich gesundheitlicher Überbelastung, er stellte auch fest, dass in einer solchen Betrachtungsweise „die eigentlichen Gründe für das Institut der Teilzeitarbeit keine Berücksichtigung finden, wie z. B. etwaige außerberufliche Belastungen des betreffenden Flugzeugführers“ (EuGH Rs Lufthansa CityLine, Rn 63). Er anerkannte maW, dass eine Überbelastung nicht nur aus der Erwerbsarbeit selbst resultieren kann, sondern zB auch aus der Mischung von unbezahlter Pflegearbeit und der aufgrund der außerberuflichen Belastung zeitlich eingeschränkten bezahlten Erwerbsarbeit (Dvořák, EuGH: 50 %-iger Zuschlag für Teilzeit-Mehrarbeit? DRdA-infas 2024, 209 [211]). Zurecht geht der EuGH also davon aus, dass die individuell vereinbarte Arbeitszeit regelmäßig auch Ausdruck der individuellen Leistungs- und Belastungsfähigkeit sein kann.

2.5.
Schützenswerte Vertragsarbeitszeit

Ein Kontrollblick auf Berufe, die in Österreich als besonders belastend wahrgenommen werden, stützt diese Überlegung: Die Teilzeitquote in der Altenpflege (51 %) oder der Behindertenbetreuung (49 %) ist mehr als doppelt so hoch wie im Schnitt der anderen Berufsgruppen (23 %) und wird in einem Forschungsbericht des zuständigen Sozialministeriums (BMSGPK, Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen, Sonderauswertung des Österreichischen Arbeitsklima Index [2021]) auch als Reaktion auf die hohe Arbeitsbelastung gedeutet (Dvořák, Leistung soll sich lohnen, in FS Klein [2024] 29 [39]). Das gilt auch für die außerberuflichen Belastungen in Österreich, besonders für Frauen: Der enge geschlechterspezifische Zusammenhang zwischen Teilzeit- und Sorgearbeit ist ua auch daran erkennbar, dass die Teilzeitquoten von Frauen zwischen 25 und 45 Jahren mit einem Kind unter 15 Jahren im Haushalt zwischen 70 und 80 % liegen, während die der Männer in gleicher Situation bei unter 10 % liegen (Statistik Austria, Abgestimmte Erwerbsstatistik 2022 [2024] 49).

Dass die Auslösegrenze für einen Zuschlag, der als Ausgleich für besondere Belastung konzipiert ist, dann ebenfalls nach dem Pro-rata-temporis-Prinzip aliquotiert werden muss, erscheint nur konsequent. Für die Annahme, dass der EuGH in der Rs KfHdie eigentlichen Gründe für das Institut der Teilzeitarbeit“ nicht mehr berücksichtigt sehen wolle (Sacherer/Moritz, Mehrleistungsvergütung auf dem Prüfstand, ASoK 2024, 410 [413]), gibt es daher keinen vernünftigen Anhaltspunkt. Dass der EuGH die zur Verwerfung des auf den Gesundheitsschutz gestützten Rechtfertigungsversuchs verwendete Formulierung aus der Rs Lufthansa CityLine nicht wörtlich wiederholt, liegt schlicht daran, dass die Vorlagefragen in der Rs KfH den Gesundheitsschutz gar nicht ins Treffen führen. Der in der Rs Lufthansa CityLine begonnene und in der Rs KfH nochmals verstärkt herausgearbeitete Fokus auf die gleiche Vergütung einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit ist aber vor allem dann schlüssig, wenn man die vertraglich vereinbarte Arbeitszeitgrenze als schützenswert erachtet, ua auch, weil die Entscheidung zur Teilzeitarbeit iZm „außerberuflichen Belastungen“ stehen könnte.

2.6.
Keine Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlung

Das vorlegende BAG hatte für den Fall, dass der EuGH eine Ungleichbehandlung erkenne, auch um Auslegung möglicher Rechtfertigungsgründe ersucht: Die Tarifvertragsparteien hätten zum einen das Ziel verfolgt, AG durch Zuschläge davon abzuhalten, Überstunden anzuordnen. Zum anderen sollten aber Vollzeitbeschäftigte nicht dadurch benachteiligt werden, dass Teilzeitbeschäftigte für Arbeitsstunden Zuschläge erhielten, die bei einer Vollzeitbeschäftigung noch zur zuschlagsfreien Normalarbeitszeit zählen würden (BAG 28.10.2021, 8 AZR 372/20 Rz 32 f). Dieser Rechtfertigungsgrund entspricht der Argumentation, mit der in Österreich bislang für Teilzeitbeschäftigte die Nichtaliquotierung von zuschlagsfrei zu leistenden Differenzstunden iSd § 19d Abs 3c AZG begründet wurde (OGH 8 ObA 89/11p ZAS 2013,185 [krit Wagner]). Der EuGH verwirft beide Rechtfertigungsgründe. Gerade der Umstand, dass Teilzeitbeschäftigte bis zur Erreichung der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit keine Zuschläge erhielten, verbillige aus Sicht des AG die gegenüber Teilzeitbeschäftigten angeordneten Überstunden und bewirke für Teilzeitbeschäftigte das genaue Gegenteil des angegebenen Ziels, Überstunden zu vermeiden (EuGH Rs KfH, Rn 49 f). Eine „fehlerhafte Prämisse“ erkennt der EuGH in der Argumentation, eine einheitliche Auslösegrenze sei erforderlich, um eine Benachteiligung von Vollzeitbeschäftigten zu vermeiden (idS jedoch Wolf/Jöst, Teilzeit: Überstundenzuschläge für Mehrarbeit? ZAS 2024, 39 [45 f]). Neuerlich betont er den Gedanken, dass nicht absolute Stundenzahlen, sondern die Normalarbeitszeit einerseits und darüber hinausgehende Mehrleistungen verglichen werden müssten. Würde die Auslösegrenze für Überstundenzuschläge von Vollzeitbeschäftigten für Teilzeitbeschäftigte nach 200 dem Pro-rata-temporis-Prinzip reduziert, befänden sich Voll- und Teilzeitbeschäftigte in der gleichen Situation: Sie erhielten beide für Überschreitungen der vertraglichen Normalarbeitszeit Überstundenzuschläge bezahlt (EuGH Rs KfH, Rn 51 f).

3.
Geschlechterdiskriminierung

In der vorliegenden E wurde auch thematisiert, inwieweit die Teilzeitdiskriminierung eine mittelbare Geschlechterdiskriminierung begründe. Dabei fragte das BAG insb danach, welche Bedeutung es habe, dass sich im betroffenen Unternehmen nicht nur unter den Teilzeit-, sondern auch unter den Vollzeitbeschäftigten Frauen in der Mehrheit befinden. Der EuGH betont zunächst in Übereinstimmung mit den Schlussanträgen (Schlussanträge des GA Athanasios Rantos, 16.11.2023, C-184/22 und C-185/22, Rn 47), dass bei statistischen Vergleichen nicht nur das jeweilige Unternehmen, sondern alle von der potenziell diskriminierenden nationalen Regelung betroffenen AN einzubeziehen seien (EuGH Rs KfH, Rn 60). Da aber davon auszugehen ist, dass in der Gesundheitsbranche auch über das Einzelunternehmen hinaus Frauen unter den Vollzeitbeschäftigten dominieren, sind die weiteren Ausführungen des EuGH von noch größerer Relevanz: Entscheidend sei nicht, ob Männer die Mehrheit der begünstigten Vollzeitbeschäftigten bilden. Wesentlich sei vielmehr, ob in der benachteiligten Gruppe der Teilzeitbeschäftigten ein signifikanter Unterschied der Betroffenheit von Männern und Frauen besteht (EuGH Rs KfH, Rn 64). Auch GA Rantos hatte unter Hinweis auf die Rs TGSS (C-389/20, EU:C:2022:120) betont, dass ausschließlich die Gruppe der benachteiligten AN zu untersuchen sei (Schlussanträge des GA Athanasios Rantos, Rn 47). In gleicher Form hatte zuletzt auch der OGH eine mittelbare Geschlechterdurch Teilzeitdiskriminierung beurteilt: Als entscheidend erachtete er, dass 90 % der Betroffenen Frauen und 10 % Männer waren, den 80 %-igen Frauenanteil unter Vollzeitbeschäftigten betrachtete er hingegen als unerheblich (OGH8 ObA 32/21w DRdA 2022, 329 [Burger]). Als weiteres Indiz für eine Geschlechterdiskriminierung zieht der EuGH jedoch heran, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen männlichen AN 35 % ausmache, während der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen weiblichen AN „bedeutend höher“ (rechnerisch nachvollzogen: 62 %) sei (EuGH Rs KfH, Rn 66).

4.
Bedeutung für Österreich

Für Österreich unterstreicht die vorliegende E den umfangreichen rechtlichen Anpassungsbedarf im Bereich der Teilzeit-Mehrarbeit, der bereits zur Rs Lufthansa CityLine konstatiert worden war (Obrecht, DRdA 2024, 436 f; Dvořák, EuGH: 50 %-iger Zuschlag für Teilzeit-Mehrarbeit? DRdA-infas 2024, 209). Die weitreichende Richtungsänderung in der Rsp des EuGH lässt sich spätestens mit dem aktuellen Urteil „weder leugnen noch wegdiskutieren“ (Schrank, Umfassender Sanierungsbedarf des AZG-Zuschlagssystems? RdW 2025, 1), selbst wenn man den vom EuGH nunmehr angewendeten Maßstäben skeptisch gegenüberstehen sollte (Schrank, Mehrarbeitsentgelt und Teilzeitbenachteiligungsverbot, in FS Mazal [2024] 406 mwN). Diese Skepsis ist mE jedoch unangebracht: Die vorgenommene Neubewertung des EuGH trägt der sozialen Wirklichkeit, gerade von Frauen, deutlich stärker Rechnung (Obrecht, DRdA 2024, 437 f), als es seine Judikaturlinie aus der Rs Helmig getan hatte und erscheint rechtlich völlig konsistent.

In Österreich stehen insb die Bestimmungen des § 19d AZG Abs 3a bis 3c auf dem Prüfstand: Der vom EuGH angewendete Maßstab für die Gleichbehandlung, die Entlohnung jeder Überschreitung der vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit miteinander zu vergleichen, lässt für unterschiedlich hohe Zuschläge für Mehrleistungen von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten keinen Raum (§ 19d Abs 3a AZG). Das gilt in noch höherem Ausmaß dafür, dass als Mehrleistung zu qualifizierende Arbeitsstunden überhaupt zuschlagsfrei bleiben, wenn sie innerhalb eines kollektivvertragsdispositiven Beobachtungszeitraums iSd § 19d Abs 3b Z 1 AZG in Zeit abgegolten werden (Dvořák in FS Klein 42 f; Schrank, RdW 2025, 1). Auch die Bestimmung des Abs 3c über zuschlagsfrei zu leis tende Differenzstunden für Teilzeit-Beschäftigte bei kollektivvertraglich verkürzter Normalarbeitszeit erfordert eine Auslegung iSd Aliquotierung nach Teilzeitgrad (Dvořák in FS Klein 42 f, so auch bereits Felten in Auer-Mayer/Felten/Pfeil [Hrsg], AZG4 [2019] Rz 40).

Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung auf Basis der in der österreichischen Debatte vertretenen Position, der Mehrarbeitszuschlag sei als reiner Flexibilitäts-, nicht aber als Belastungsausgleich konzipiert (Risak, Der Mehrarbeitszuschlag, ZAS 2007, 253 [258]; aktuell auch Sacherer/Moritz, ZAS 2024, 46), scheint nicht möglich. Zurecht wurde diese Differenzierung bereits in der Vergangenheit mit guten Argumenten in Frage gestellt (Felten in Auer-Mayer/Felten/Pfeil [Hrsg], AZG4 § 19d Rz 23). Ganz offenkundig verlangt der EuGH aber nunmehr, dass Teilzeitbeschäftigte bei Überschreitung ihrer vertraglichen Normalarbeitszeit auch als Belastungsausgleich charakterisierte Überstundenzuschläge erhalten.

ISd Rechtssicherheit wäre eine Anpassung der im Lichte der aktuellen Urteile unionsrechtswidrig erscheinenden Bestimmungen des AZG unter Einbeziehung der Sozialpartner in höchstem Maße sinnvoll, wobei dies – abseits aller rechtspolitischen Überlegungen – in Hinblick auf die auch in den Kollektivverträgen enthaltenen Regelungen zu Überstunden nur in Richtung einer Anhebung der Zuschläge auf zumindest 50 % und eine Beseitigung des Beobachtungszeitraums iSd § 19d Abs 3b Z 1 sinnvoll wären. Schon jetzt erschiene auch die Durchsetzung individueller Ansprüche auf dem Gerichtsweg möglich, wobei die Ansprüche direkt auf das Unionsrecht (Dvořák in FS Klein 44 f), aber auch auf § 12 Abs 2 GlBG (mittelbare Entgeltdiskriminierung von Frauen) bzw § 19d Abs 6 AZG (Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte) gestützt werden könnten. 201