Kietaibl/Turrini (Hrsg)Aktuelle Grundfragen des Arbeitsrechts – Eine rechtliche Betrachtung ausgewählter Vertragsklauseln

Verlag des ÖGB, Wien 2024, 82 Seiten, broschiert, € 36,–

ANDREAS MAIR (INNSBRUCK)

Der zu besprechende Sammelband vereint die schriftlichen Fassungen der im Rahmen des 50. Praktiker*innenseminars an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt gehaltenen Vorträge. Als „aktuelle Grundfragen“ werden dabei Themenstellungen behandelt, die sowohl auf aktuelle Vorgänge als auch auf Impulse der europäischen Gesetzgebung bzw Rsp reagieren.

Der von Kozak einleitend verfasste Beitrag stellt dabei die Frage nach einem allgemeinen für AN bestehenden Recht auf Beschäftigung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Damit wird eine in der juristischen Diskussion schon mehrfach behandelte Themenstellung ins Visier genommen, die aber nach wie vor von Interesse ist, wie nicht zuletzt die Vorgänge rund um den ehemaligen Burgtheaterschauspieler Florian Teichtmeister gezeigt haben, wo bei der Aufarbeitung von möglichen institutionellen Fehlverhalten des Burgtheaters auch die Existenz und die Reichweite des nach dem Theaterarbeitsgesetz (TAG) dem Schauspieler an sich zustehenden Rechts auf Beschäftigung eine Rolle gespielt haben. Kozak nähert sich der Thematik über eine Darstellung der Grundlagen. Zutreffend differenziert Kozak zwischen dem Recht auf Beschäftigung und dem Recht auf Arbeit, das ua von Art 1 ESC garantiert wird und einen Anspruch gegenüber dem Staat formuliert, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu garantieren, wobei in diesem Zusammenhang auch das in Art 6 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte („UN-Sozialpakt“, von Österreich ratifiziert mit BGBl 1978/590 ) noch zusätzlich hätte Erwähnung finden können.

Demgegenüber ist mit dem Recht auf Beschäftigung ein gegenüber dem AG bestehender Anspruch des AN gemeint, auch gegen den Willen des AG die arbeitsvertraglich definierte Tätigkeit ausüben zu können bzw vom AG die erforderlichen Mittel und Zugänge für die Ausübung dieser Tätigkeit zur Verfügung gestellt zu bekommen. Für die Anerkennung eines derartigen Rechts identifiziert Kozak das Gesetz, den KollV und den Arbeitsvertrag als mögliche Anspruchsgrundlagen. Hinsichtlich der Gesetzeslage nimmt Kozak naturgemäß § 18 Abs 1 TAG in den Blick, wonach der*die Theaterunternehmer*in verpflichtet ist, das sogenannte Mitglied angemessen zu beschäftigen. Kozak ordnet diese Bestimmung in den Gesamtkontext des TAG ein und wendet sich dann der kürzlich ergangenen E des OGH zu, in der das Höchstgericht eine unmittelbare gerichtliche Einklagbarkeit des bereichsspezifischen Rechts auf Beschäftigung verneinte. ME zu Recht artikuliert Kozak seine Verwunderung über die rechtliche Konsequenz dieser Entscheidung, besteht diese doch darin, dass bei einer Verletzung des Rechts auf Beschäftigung das Mitglied gem § 18 Abs 2 TAG sein Arbeitsverhältnis auflösen muss, um eine entsprechende Sanktionierung der arbeitgeberseitigen Rechtsverletzung zu erreichen.

Interessant ist die Beobachtung von Kozak, dass auch das Antidiskriminierungsrecht als Grundlage für ein Recht auf Beschäftigung dienen kann, wenn sich nämlich erweisen sollte, dass ein AG einen AN in diskriminierender Weise freigestellt hat und damit sich dann der antidiskriminierungsrechtlich fundierte Anspruch auf Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen, eben in Form einer Zulassung zur Tätigkeitsausübung, für den diskriminierungsbetroffenen AN aktiviert. Insgesamt kommt Kozak zum nachvollziehbar begründeten Ergebnis, dass de lege lata von einem allgemeinen Recht auf Beschäftigung ausgegangen werden kann, wobei allerdings der Autor – aufgrund der im vorliegenden Zusammenhang vorliegenden Konkurrenz von grundrechtlich geschützten Rechtspositionen – zu Recht auf die Notwendigkeit einer konkretisierenden Interessenabwägung hinweist.

Eine im Jahr 2023 verabschiedete Richtlinie der EU nimmt im zweiten Beitrag Felten zum Anlass, um sich mit dem Dauerbrenner Entgelttransparenz und Entgeltgleichbehandlung zu befassen. Ausgehend von dem deplorablen Befund, dass Österreich zu den Ländern gehört, in denen der Gender Pay Gap am stärksten 263 ausgeprägt ist, unternimmt Felten im ersten Teil seines Beitrags zunächst eine Analyse des in § 11a GlBG vorgesehenen Einkommensberichts, mit dessen Hilfe der Gesetzgeber eigentlich bestrebt ist, potenziellen Opfern einer Entgeltdiskriminierung ihre Benachteiligung vor Augen zu führen und eine Unterstützung bei der prozessualen Durchsetzung daraus resultierender antidiskriminierungsrechtlich induzierter Ansprüche zu leisten. Trotz dieser an sich richtigen und unterstützenswerten gesetzgeberischen Absicht ist in praxi dieser Ansatz mit diversen Defiziten belastet. Diese werden von Felten messerscharf aufgelistet und führen den Autor zu der Erkenntnis, dass die eigentlich mithilfe von § 11a GlBG angestrebte Entgelttransparenz sich so keinesfalls verwirklichen lässt.

Wohlwollender positioniert sich Felten gegenüber der EU-Entgelttransparenz-RL. In dieser sieht Felten nämlich zum einen das Potenzial, AG zur Reflexion über bestehende, durch überkommene stereotype Vorstellungen bedingte Entgeltstrukturen anzuhalten. Zum anderen bewertet Felten das von der RL vorgesehene Verbot entgeltbezogener Verschwiegenheitsklauseln und die Verpflichtung zur Einführung eines individuellen Auskunftsanspruches über das Entgelt und dessen Zusammensetzung als durchaus positiv.

Als einen Paradigmenwechsel bezeichnet Felten die an die EU-Mitgliedstaaten gerichtete Vorgabe, Sanktionen mit „abschreckender Wirkung“ als Antwort auf nicht erklärbare Einkommensunterschiede vorzusehen, wiewohl dann aber immer noch fraglich ist, wie die „abschreckende“ Sanktion im Einzelnen dann konkret ausgestaltet ist, um die beabsichtigte Wirkung auch zu erzeugen. Richtig ist sicherlich, dass nur über Sanktionen letztendlich eine entsprechende Sensibilisierung und Pönalisierung von diskriminierendem Verhalten erreicht werden kann. Nicht zuletzt die Erfahrungen mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und ihren gewichtigen Strafsanktionen (Art 83 Abs 4 und 5 DSGVO) haben deutlich gemacht, dass sich nur bei einer entsprechend hohen und konkreten Sanktionsandrohung auch eine Sensibilisierung und vor allem eine Verhaltenssteuerung erreichen lässt, die zudem noch von behördlicher Überwachung und Kontrolle begleitet wird (Art 51 ff DSGVO). Demgegenüber wird im Bereich der Entgeltdiskriminierung auch unter dem Regime der Entgelttransparenz-RL die Rechtsdurchsetzung nach wie vor der diskriminierungsbetroffenen Person überlassen. Somit bleibt es nach wie vor unerfindlich, wie – folgt man der Vorstellung des Richtliniengebers – es ernstlich effektiv möglich sein soll, eine strukturelle Diskriminierung (die Ursachen dafür identifiziert Felten zutreffend in Gestalt von ungleicher Verteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen, fehlenden Ganztagesbetreuungsplätzen für Kinder und männerdominierten Führungs- und Entscheidungsstrukturen) in ihrer Gesamtheit tatsächlich erfolgreich von Einzelpersonen bekämpfen zu lassen. An diesem Grunddilemma ändert auch die Entgelttransparenz- RL – leider – nichts.

Im abschließenden Beitrag widmet sich Resch arbeitsrechtlichen Fragen bei langfristiger Arbeitskräfteüberlassung. Dabei handelt es sich um eine Form der Leiharbeit, die deren auf eine an sich vorübergehende Überlassung der Arbeitskraft in den Überlasserbetrieb konzentrierte Ausrichtung verlässt und einen dauerhaften Charakter annimmt. Ausgehend von neueren, thematisch einschlägigen Entscheidungen des EuGH beschäftigt sich Resch dann ausführlich mit der Frage, wie diese Vorgaben des EuGH für das AÜG umzusetzen sind, insb welche Rechtsfolgen eintreten, wenn eine Überlassung ihren vorübergehenden Charakter verliert. ME völlig zu Recht stellt Resch den Normzweck der Leiharbeits-RL in den Mittelpunkt seiner Analyse. Diesen sieht Resch im erwünschten Rechtszustand einer dauerhaften Beschäftigung beim Beschäftiger in einem unbefristeten Vertrag, sodass als Kehrseite davon die beliebige Rückstellung der Arbeitskraft an den Überlasser als verpönt anzusehen sei. Die Rechtsfolge einer derart verpönten nicht bloß vorübergehenden Überlassung liegt nach Resch in der Entfristung der konkreten Überlassung, da diesfalls die Befristungsvereinbarung gem § 8 Abs 2 AÜG teilnichtig sei. Flankierend dazu ergibt sich nach Resch aber die Möglichkeit, eine unbefristete Dauerüberlassung dann durch Rückstellung an den Überlasser enden zu lassen, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt, zu dessen Konkretisierung Resch auf Wertungen des allgemeinen Kündigungsschutzes (§ 105 Abs 3 ArbVG) zurückgreifen möchte.

Insgesamt bieten die im vorliegenden Sammelband versammelten, überaus gedankenreichen Beiträge einen ausgezeichneten Ein- und Überblick über aktuelle arbeitsrechtliche Themenstellungen und können damit ohne Zweifel als Referenzpunkte für weitere dogmatische Vertiefungen und Erörterungen dienen. 264