Kozak (Hrsg)Digitale Arbeitswelt – Wiener Arbeitsrechtsforum 2022
Manz Verlag, Wien 2024, XII, 84 Seiten, broschiert, € 34,–
Kozak (Hrsg)Digitale Arbeitswelt – Wiener Arbeitsrechtsforum 2022
Aufgrund der rasanten Entwicklung neuer Technologien befindet sich unser gesellschaftliches Zusammenleben im digitalen Wandel. Auch die Arbeitswelt erfährt durch die fortschreitende Digitalisierung eine strukturelle Veränderung. Nicht nur aus technischer, sondern auch aus juristischer Perspektive ist die Digitalisierung der Arbeitswelt sehr spannend zu betrachten, weil Antworten auf – bisher noch nie dagewesene – Rechtsfragen gesucht werden. Wolfgang Brodil, Olaf Deinert, Michael Pilz und Barbara Winkler-Penz widmeten sich einigen dieser arbeits- und datenschutzrechtlichen Fragen im Wiener Arbeitsrechtsforum 2022. Wie schon im Jahr zuvor wurden diese vier Vorträge von den Vortragenden verschriftlicht.
Der erste Beitrag von Michael Pilz beschäftigt sich mit der aktuellen arbeitsrechtlichen Judikatur mit datenschutzrechtlichem Bezug. Die Themen der ausgewählten Fälle sind sehr vielfältig, sie reichen von der Durchsuchung von E-Mail-Accounts, über die Videoüberwachung am Arbeitsplatz, bis zur Weitergabe von Gehaltsdaten und privaten Kontaktdaten durch den AG an den BR.
In den Ausführungen zu zivilrechtlichen Ansprüchen bei Datenschutzverletzungen weist Pilz völlig zurecht auf die Frage hin, wann eine Datenschutzverletzung auch einen immateriellen Schaden iSd Art 82 DSGVO darstellt. Das – im Beitrag angesprochene – Vorabentscheidungsverfahren wurde mittlerweile vom EuGH entschieden. In der E (C-300/21, Österreichische Post, ECLI:EU:C:2023:370) kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass für einen Schadenersatzanspruch ein alleiniger Verstoß der DSGVO nicht ausreicht. Nach Ansicht des EuGH braucht es sehr wohl einen Schaden und auch einen Kausalzusammenhang. Das Höchstgericht stellt allerdings auch fest, dass es keine Erheblichkeitsschwelle bei immateriellen Schäden gibt, was bedeutet, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen jeder immaterielle Schaden – unabhängig von seiner Höhe – ersetzt wird (siehe dazu Janisch, Immaterieller Schadenersatz bei Datenschutzverstoß – keine Frage der Erheblichkeit, jusIT 2023/75, 170 [172]). Eine Häufung an Schadenersatzklagen nach der DSGVO ist allerdings wohl eher nicht zu befürchten (Janisch, jusIT 2023/75, 170 [175]).
Resümierend kann festgehalten werden, dass der Beitrag vor allem aufgrund der Nähe zur Praxis überzeugt. Der Autor schafft es durch die Darstellung von sehr unterschiedlich gelagerten Fällen, die Wichtigkeit und Relevanz des Datenschutzrechts in Zeiten der Digitalisierung zu verdeutlichen. Summa summarum ein gelungener Beitrag.
Im zweiten Beitrag beschäftigt sich Olaf Deinert mit zwei aktuellen Themen des deutschen Arbeitsrechts: Whistleblowing und Home-Office. Zuerst beleuchtet der Autor die Umsetzung der Whistleblowing-RL und der Geschäftsgeheimnis-RL in das deutsche Recht. Danach stellt der Autor die deutsche Rechtslage zu Home-Office dar. Besonders spannend sind hier die Ausführungen zur Frage, ob AN einen Rechtsanspruch auf Home-Office haben. Deinert stellt fest, dass AN grundsätzlich de lege lata keinen gesetzlichen Anspruch auf Home-Office haben, wobei von dieser Regel auch einzelne Ausnahmen bestehen. Der Autor schafft es, die beiden Thematiken in aller Kürze sehr gut darzustellen. Neben der Darstellung ist aber auch die vielseitige Betrachtungsweise hervorzuheben. Es werden immer wieder rechtspolitische Aspekte angesprochen, die im jeweiligen Zusammenhang sehr interessant sind. Auch die Kritik kommt nicht zu kurz, was das Lesen des Beitrags sehr mitreißend gestaltet.
Im dritten Vortrag widmet sich Barbara Winkler-Penz den rechtlichen Bestimmungen zum Home-Office. Das Besondere an diesem Beitrag ist, dass nicht nur das nationale Arbeits- und Sozialrecht im Fokus steht, sondern auch ein Bezug zum internationalen Arbeits- und Sozialrecht hergestellt wird. Zwar werden zu Beginn einige Begrifflichkeiten definiert, allerdings fällt die Definition von „Home-Office“ iSd § 2h Abs 1 AVRAG ein wenig zu kurz aus. Beispielsweise wird nicht erwähnt, dass vereinzelte Arbeiten zu Hause nicht unter den Home-Office Begriff des AVRAG fallen.
Die Ausführungen im Kapitel II. (S 56 ff) sind grundsätzlich sehr gelungen, wobei auch hier ein Aspekt noch sehr interessant gewesen wäre, nämlich jener der Kostentragung (§ 2h Abs 3 AVRAG). Nicht nur die Ausführungen zu den relevanten Aspekten von Home-Office in der UV, sondern vor allem auch die Ausführungen zu den arbeitszeitrechtlichen Aspekten sind sehr positiv hervorzuheben. Besonders interessant sind die beschriebenen Arbeitszeitmodelle. Die Autorin zeigt in diesem Kapitel auf, dass Arbeitszeitmodelle, wie zB Schichtarbeit sowie Gleitzeit, auch im Home- Office weiterhin angewendet werden können. Völlig zurecht weist die Autorin auf die Problematik der Grenzüberschreitung bei remote work hin. Schließlich gerät dieser Gesichtspunkt in der Diskussion oftmals in Vergessenheit.
Auch wenn an mancher Stelle Kleinigkeiten noch ganz interessant gewesen wären, kann man nichtsdestotrotz von einem sehr gelungenen Beitrag sprechen. Die wesentlichen rechtlichen Fragestellungen werden beantwortet. Zudem zeigt der Beitrag sehr gut, wie ungenau die rechtlichen Bestimmungen zu Home-Office in Österreich zu diesem Zeitpunkt sind und dass rechtliche Bestimmungen zum weiteren Begriff „mobilen Arbeiten“ generell fehlen. Der gesetzliche Verbesserungsbedarf wird durch diesen Beitrag noch einmal verdeutlicht. Aus aktuellem Anlass gilt noch auf das – mit 1.1.2025 in Kraft tretende – Telearbeitsgesetz hinzuweisen (BGBl I 2024/110 ).
Im vierten und letzten Beitrag beschäftigt sich Wolfgang Brodil mit einigen ausgewählten arbeitsrechtlichen Aspekten im Datenschutzrecht. Zu Beginn werden die datenschutzrechtlichen Grundlagen und die Erlaubnistatbestände der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Datenschutzgesetzes (DSG) erläutert. Brodil erwähnt in seinem Überblick über die grundlegenden Rechtsnormen den Aspekt der freiwilligen Zustimmung zu einer Datenverarbeitung. Diese „freiwillige“ Zustimmung ist vor allem in Arbeitsverhältnissen von besonderer Bedeutung, weil nicht klar ist, ob AN überhaupt frei von Zwang in eine Datenverarbeitung zustimmen können. Schließlich arbeiten AN in 262 persönlicher Abhängigkeit und könnten jederzeit von AG gekündigt werden.
Aufgrund des verstärkten Konsums sozialer Medien stellt sich immer öfter die Frage der Zulässigkeit von sogenannten „Background-Checks“ von AG im Zuge von Bewerbungsverfahren. Der Autor schließt sich der Meinung in der Literatur an, nach welcher sich ein Betroffener nicht auf das Datenschutzrecht berufen kann, wenn er die Information selbst auf einer Internetplattform öffentlich gemacht hat. Abschließend schildert Brodil die ungeklärte Frage, ob die Belegschaft oder der BR bzw seine Mitglieder Verantwortliche iSd Art 4 Z 7 DSGVO sein können. Während die Haftung nach Art 82 DSGVO für die Belegschaft selbst ausgeschlossen wird, ist es durchaus möglich, dass der BR als Organ Verantwortlicher iSd DSGVO sein kann. Die Möglichkeit einer gemeinsamen Verantwortlichkeit gem Art 26 DSGVO zwischen Betriebsinhaber und BR wurde ebenfalls erwähnt.
Auch der letzte Beitrag des Tagungsbandes überzeugt, vor allem deswegen, weil er Einzelfragen von großer Relevanz behandelt, die bisher von der Judikatur – mangels Fallkonstellationen – nicht beantwortet wurden.
Unbestritten nimmt die Digitalisierung einen immer größer werdenden Stellenwert in unserer Gesellschaft ein. Viele Rechtsgebiete – so auch das Arbeitsrecht – werden durch die fortlaufende Digitalisierung auf den Prüfstand gestellt. Es stellt sich die Frage, ob das geltende Recht Lösungen für die auftretenden Probleme hat oder ob es die eine oder andere Gesetzesänderung braucht. Einige Fragestellungen werden in diesem Tagungsband beantwortet. Besonders hervorzuheben ist die unterschiedliche und differenzierte Betrachtungsweise der Autor:innen auf die behandelten Problematiken. Einerseits werden die Fragestellungen aus wissenschaftlicher Sicht und andererseits aus der Sicht der Praxis beleuchtet. Der Tagungsband ist somit sowohl für Wissenschaftlicher:innen an Universitäten als auch für Praktiker:innen in Betrieben und Anwält:innen sehr zu empfehlen.