TrübenbachNeue Wege zur Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern – Ansätze aus dem angelsächsischen Rechtsraum zur Förderung von Entgeltgleichheit

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2024, 428 Seiten, broschiert, € 119,90

HERBERT HOPF (WIEN)

Beim Equal Pay Day, der vor über 50 Jahren in den USA geschaffen wurde und der mittlerweile auch in über 20 europäischen Ländern begangen wird, handelt es sich um den internationalen Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern, der auf den bestehenden Gender-Pay-Gap aufmerksam macht. Er wird je nach Berechnungsmethode und Lage der Entgelt(un)gleichheit in den beteiligten Ländern an unterschiedlichen Tagen begangen. Er markiert mit seinem jeweiligen Datum symbolisch die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern und kennzeichnet damit rechnerisch den Tag, bis zu dem oder ab dem Frauen unentgeltlich arbeiten würden, wenn sie ab oder bis zu dem Tag die gleiche Lohnsumme wie die Männer bekämen.

Es handelt sich um einen Tag der Mahnung. In Österreich fiel er im Jahr 2024 auf den 1. November. Mit diesem Tag haben Männer jenes Einkommen erreicht, für das Frauen noch bis zum Jahresende arbeiten müssen. Der Umstand, dass es den Equal Pay Day bereits so lange gibt, indiziert, dass die bestehenden Gleichbehandlungsgesetze und begleitenden Maßnahmen offenbar nicht ausreichen und es daher weiterer Anstrengungen bedarf, um dem Ziel der Entgeltgleichheit deutlich näher zu kommen.

Der deutsche Autor Hagen Trübenbach erforscht im vorliegenden Werk, basierend auf einer funktionalen Rechtsvergleichung zwischen dem deutschen und dem angelsächsischen Rechtsraum, neue Ansätze zur Förderung der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern. Dies sollte vor dem Hintergrund des Equal Pay Day alle interessieren, denen Gleichbehandlung beim Entgelt ein wichtiges Anliegen ist.

Bei dieser Arbeit handelt es sich um die im Sommersemester 2023 angenommene Dissertation des Autors im Fachbereich Rechtswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Sie befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von März 2022 unter Berücksichtigung ausgewählter Entscheidungen und Veröffentlichungen bis August 2023.

Trübenbach geht bei seinen Analysen zutreffend davon aus, dass Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern ein elementares Prinzip der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten ist, das in Art 157 AEUV mit unmittelbarer Drittwirkung vorgeschrieben wird (EuGH 8.4.1976, 43/75, Defrenne II). Auszugsweise besagt Art 157 (ex-Art 141 EG), dass jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen hat (Abs 1), wobei unter „Entgelt“ iS dieses Artikels die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen sind, die der AG aufgrund des Dienstverhältnisses dem AN unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt (Abs 2).

Der Autor zeigt auf, dass rechtlicher Befund und Lebenswirklichkeit voneinander abweichen. So beträgt nach den Angaben des deutschen Statistischen Bundesamts die „unbereinigte“ Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern 18 % (2000) bzw die „bereinigte“ Lücke immer noch 6 % (2018). Für Österreich gelten ähnliche Zahlen (vgl etwa equal-pay-day.at/epd-2024-in-oesterreich). Bei der Arbeitswelt handelt es sich um einen zentralen Lebensbereich, der wie kaum ein anderer von überkommenen Rollenbildern von Frauen und Männern geprägt ist. Obwohl also das Prinzip des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit seit vielen Jahren im europäischen Recht und in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verankert ist, ist die geschlechtsspezifische Entgeltlücke weiterhin – zu Lasten der Frauen – beträchtlich.

Nach einer Analyse der rechtlichen Grundlagen kommt Trübenbach im Rahmen einer akteurszentrierten Untersuchung zu dem Ergebnis, dass sich zwei Akteure, nämlich die AG und die behördliche Diskriminierungsbekämpfung, besonders für eine stärkere Förderung von Entgeltgleichheit eignen würden.

Bevor auf seine weiteren Überlegungen eingegangen wird, sei erwähnt, dass der Autor unter den Akteuren zutreffend auch die Gerichte nennt, diesen aber insb aufgrund ihres bloß „reagierenden Charakters“ und der lediglich „retrospektiven Natur“ der Rsp nur eine beschränkte Rolle einräumt, wenn es darum geht, bei der Entgeltgleichstellung den Abstand zwischen Theorie und Praxis zu verringern. Die Gerichte haben jene Rolle, die ihnen das Gesetz gibt, und füllen diese auch aus. Dabei sei jedoch angemerkt, dass besonders den Höchstgerichten nicht nur die „Retrospektive“, sondern auch eine in die Zukunft gerichtete Leitfunktion zukommt und ihre Rsp der Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit dient, die über den jeweiligen Einzelfall hinausgeht und auch dem Rechtsschutz in der Zukunft dient. Gegen die dem Autor vorschwebende stärkere Forcierung der Rolle der AG und besonderer staatlicher Antidiskriminierungseinrichtungen spricht aber natürlich nichts.

Auf die Auswahl der Akteure folgt dann eine umfangreiche rechtsvergleichende Analyse verschiedener Ansätze aus dem angelsächsischen Rechtsraum. Bei diesem Rechtsvergleich stellt der Autor auf das britische Entgeltgleichheitsrecht, das US-amerikanische Entgeltgleichheitsrecht mit besonderem Blick auf das Recht des Staates Massachusetts und schließlich auf das Entgeltgleichheitsrecht der kanadischen Provinz Ontario ab.

Umgelegt auf die beiden ausgewählten Akteure sollen nun zuerst die AG stärker in die Pflicht genommen und zur Durchführung von Entgeltprüfverfahren angehalten werden, und zwar durch die Auferlegung eines Prüfverfahrens (nach dem Vorbild Großbritanniens), durch ein Anreizmodell in Gestalt der Einräumung 257 einer Einrede gegen Entgeltgleichheitsklagen nach Durchführung eines Prüfverfahrens (nach dem Vorbild des Staates Massachusetts) oder durch ein obligatorisches Entgeltprüfverfahren (nach dem Vorbild der Provinz Ontario). Auf nähere Einzelheiten kann hier leider aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Es besteht aber kein Zweifel, dass sowohl bei der Klärung vergangener als auch bei der Verhinderung künftiger Entgeltdiskriminierung zuallererst bei den AG angesetzt werden muss.

Im weiteren Verlauf nimmt der Autor den zweiten, von ihm ausgewählten Akteur ins Blickfeld und arbeitet anhand einer detaillierten Analyse von drei spezialisierten Behördenmodellen (die britische Equality and Human Rights Commission [EHRC], die US-amerikanische Equal Employment Opportunity Commission [EEOC] und das kanadische [Ontario] Pay Equity Office [PEO]) heraus, dass spezialisierten Einrichtungen, soweit sie mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet sind, ebenfalls eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Entgeltdiskriminierung zukommt. Er fordert demzufolge auch für Deutschland eine unabhängige, auf die Arbeitswelt fokussierte, mit speziellen Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnissen und ausreichenden Ressourcen ausgestattete Bundesbehörde.

Zusammenfassend verspricht sich die vorliegende Forschungsarbeit vom Rechtsvergleich mit dem angelsächsischen Recht und einer davon ausgehenden, in das deutsche Recht zu implementierenden stärkeren Einbindung der AG und einer Stärkung der Gleichbehandlungsbehörden neue Ansätze bei der Förderung der Entgeltgleichheit und der Verringerung des Gender- Pay-Gaps. Welches Ergebnis die konkreten Ansätze tatsächlich bringen könnten, kann im Rahmen einer Buchrezension nicht geklärt werden. Beachtlich sind sie allemal, weil die bisherigen Konzepte nur langsam voranschreiten, sodass es weiterer verstärkter Anstrengungen bedarf.

Sein Ansatz, das angelsächsische Recht stärker in den Blick zu nehmen, ist auch schon deshalb interessant, weil in unserem Rechtsrahmen die Wahrnehmung meist beim Unionsrecht endet, wohingegen die herrschende Globalisierung nicht an den Unionsgrenzen haltmacht. Wer einen Einstieg in das britische, US-amerikanische oder kanadische Gleichbehandlungs- und Diskriminierungsrecht sucht, insb auch in Bezug auf die dort tätigen Gleichbehandlungsbehörden, wird im vorliegenden Werk fündig.

Dass der Autor mit seiner Auswahl der beiden Akteure auch im europäischen Trend liegt, zeigen zwei aktuelle von den Mitgliedstaaten bis Juni 2026 umzusetzende Richtlinien, die im vorliegenden Werk nicht mehr berücksichtigt werden konnten, auf die hier daher abschließend hingewiesen werden soll:

Die RL (EU) 2023/970 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.5.2023 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen setzt insb auf eine Intensivierung der Berichtspflichten der AG.

Die RL (EU) 2024/1500 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.5.2024 über Standards für Gleichbehandlungsstellen im Bereich der Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen und zur Änderung der Richtlinien 2006/54/EG und 2010/41/EU setzt auf eine Stärkung der Gleichbehandlungsstellen.

Für Österreich gesprochen würde ich mir wünschen, dass sich der Gesetzgeber – ebenfalls ein wichtiger Akteur auch nach Auffassung Trübenbachs – nicht nur darauf beschränkt, von der Europäischen Union vorgegebene Mindeststandards umzusetzen, sondern (wieder) mehr Eigeninitiative ergreift und Pioniergeist bei der Überwindung des Gender-Pay-Gaps entwickelt.