25Kein Urlaubsverfall bei (Langzeit-)Krankenstand
Kein Urlaubsverfall bei (Langzeit-)Krankenstand
Gem § 19 Abs 3 Vertragsbedienstetenordnung 2005 der Stadt Linz (VBO Linz) iVm § 77 Oö Statutargemeinden- Bedienstetengesetz 2002 (Oö StGBG) verfällt die Hälfte des noch nicht verbrauchten Urlaubsanspruchs nach Ablauf von zwei Jahren, der Rest nach Ablauf von drei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Im Fall eines drohenden Urlaubsverfalls durch den DG hat rechtzeitig und nachweislich ein entsprechender Hinweis zu erfolgen. Überdies wird der Verfallstermin um den Zeitraum der Karenz nach (Oö) MSchG oder (Oö) VKG hinausgeschoben. Eine Hemmung der Verfallsfrist im Fall der Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs aufgrund einer Erkrankung ist dem Wortlaut des Oö StGBG nicht zu entnehmen.
Kann ein AN infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub nicht verbrauchen, dann ist nach der Rsp zum UrlG die Verjährung des Urlaubsanspruchs nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB (§§ 1494 ff) seit Beginn des Krankenstands gehemmt.
Da die VBO Linz (auch nicht durch Verweis auf andere Bestimmungen) keine eigenständige (abschließende) Regelung darüber enthält, ob und gegebenenfalls welche Hemmungs- und Unterbrechungsgründe auf die für die von ihr erfassten Vertragsbediensteten geregelten Verfallsbestimmungen anzuwenden sind, sondern ausschließlich für bestimmte Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung getroffen hat, liegt insofern eine planwidrige Unvollständigkeit vor, weil die Frage der Hemmung der Verjährung eines vereinbarten Erholungsurlaubs, den der Vertragsbedienstete wegen einer Erkrankung nicht antreten konnte, ungeregelt ist.
Die analoge Anwendbarkeit der Hemmungsvorschriften des ABGB auf die Dienstverhältnisse der Vertragsbediensteten nach der VBO Linz hat zur Folge, dass der Verfall des Urlaubsanspruchs seit Beginn des Krankenstands gehemmt ist, wenn der Vertragsbedienstete seinen Urlaub infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht antreten konnte.
[1] Der [...] Kl ist bei der Bekl seit 2003 als Vertragsbediensteter (VB) beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis kommt die VBO Linz (VBO) zur Anwendung. 233
[2] Nachdem der Kl zum Verbrauch der offenen Urlaubsstunden aus dem Jahr 2020 aufgefordert und über den allfälligen Verfall bei Nichtverbrauch informiert worden war, traf er mit der Bekl eine Urlaubsvereinbarung für den Zeitraum 14.11.2022 bis 30.12.2022. Da sich der Kl jedoch am 1.9.2022 einer unvorhersehbaren und unbedingt notwendigen Operation unterziehen musste und sich anschließend bis 7.7.2023 im Krankenstand befand, konnte er den vereinbarten Urlaub weder antreten noch verbrauchen.
[3] Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kl die Feststellung, dass ihm im Klagszeitpunkt (Anm: 6.7.2023) über das von der Bekl zugestandene Ausmaß von 102,06 Stunden hinaus ein weiterer nicht verbrauchter und nicht verjährter Urlaubsrest aus dem Urlaubsjahr 2020 von 102,06 Stunden und damit insgesamt ein Urlaubsrest von 204,12 Stunden zustehe. Da er mehr als 10 Jahre bei der Bekl beschäftigt sei und ihm die Eigenschaft als begünstigter Behinderter iSd § 14 BEinstG zukomme, richte sich sein Urlaubsausmaß nach § 72 Abs 1 Z 2 lit b und § 80 Abs 1 Z 3 Oö StGBG. Sein Urlaubsanspruch aus dem Urlaubsjahr 2020 sei (auch aus unionsrechtlicher Sicht) nicht verfallen, weil er diesen Urlaub krankheitsbedingt nicht konsumieren habe können.
[4] Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der klagsgegenständliche Teil des Urlaubsanspruchs des Kl verfallen sei.
[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das hier maßgebliche Oö StGBG, auf das die VBO verweise, sei planwidrig unvollständig, weil bei krankheitsbedingter Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs zwar ein Anspruch auf Urlaubsersatzleistung nach § 76a Oö StGBG bestehe, der Verfall des Urlaubs nach § 77 Oö StGBG aber nicht gehemmt werde. Diese Lücke sei iSd § 4 Abs 5 UrlG durch die Annahme einer aus den Bestimmungen der §§ 1494 ff ABGB ableitbaren Hemmung der Verjährungsfrist zu schließen. Da der Kl infolge seines länger andauernden Krankenstands seinen bereits geplanten, beantragten und genehmigten Urlaub (Rest aus 2020) in der Zeit von 14.11.2022 bis 30.12.2022 aufgrund seines Krankenstands nicht antreten und daher nicht verbrauchen habe können, sei der Urlaubsanspruch des Kl während seines Krankenstands nicht verfallen. Vielmehr sei die Verjährungsfrist gehemmt. Da sich der Kl bis einschließlich 7.7.2023 im Krankenstand befunden habe, würde die Verjährungsfrist mit 8.7.2023 weiterlaufen. Allerdings sei die Verjährung gem § 1497 ABGB durch die Einbringung der Klage am 6.7.2023 unterbrochen worden.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Der Landesgesetzgeber habe mit § 77 Abs 2 Oö StGBG eine abschließende Regelung getroffen, weshalb die in § 13b Oö Landes-Gehaltsgesetz (Oö LGG) angeordnete subsidiäre Heranziehung der Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Hemmung der Verjährung nicht zum Tragen komme. Eine ungewollte Regelungslücke liege nicht vor, weil der Landesgesetzgeber in Kenntnis der Möglichkeit des Zusammentreffens von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit bewusst keine Regelung über die Hemmung der Verjährung des Erholungsurlaubs im Falle von Krankheit getroffen habe. Die Frage, ob die Anordnung des Verfalls ohne Rücksichtnahme auf die Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs aufgrund einer Dienstunfähigkeit infolge Erkrankung oder Unfall im Einklang mit den unionsrechtlichen Bestimmungen stehe, müsse nicht abschließend geklärt werden, weil der Kl trotz seiner Erkrankung den unionsrechtlich gesicherten Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen verbrauchen habe können.
[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil eine Rsp zur Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen nach § 77 Oö StGBG bei Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs wegen Krankheit fehle.
[8] In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. [...]
[10] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.
[11] 1.1. Gem § 19 Abs 3 VBO gelten ua für den Verfall des Erholungsurlaubs die einschlägigen Vorschriften für die Beamten der Stadt Linz sinngemäß. Die VBO enthält keine spezifischen Verjährungsvorschriften.
[12] 1.2. Die einschlägigen Vorschriften für die Beamten der Stadt Linz finden sich im Oö StGBG. § 77 Abs 1 Oö StGBG idF des Oö Dienstrechtsderegulierungsgesetzes 2021 – Oö DRDG 2021, LGBl 2021/76 – enthält Bestimmungen über den Verfall des Erholungsurlaubs. Nach dessen Abs 1 verfällt die Hälfte des noch nicht verbrauchten Urlaubsanspruchs nach Ablauf von zwei Jahren, der Rest nach Ablauf von drei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Nach Abs 1a leg cit hat im Fall eines drohenden Urlaubsverfalls durch den DG rechtzeitig und nachweislich ein entsprechender Hinweis zu erfolgen. Hat die Beamtin eine Karenz nach (Oö) MSchG oder der Beamte eine Karenz nach (Oö) VKG in Anspruch genommen, so wird der Verfallstermin um den Zeitraum der Karenz hinausgeschoben (Abs 2 leg cit). Eine Hemmung der Verfallsfrist im Fall der Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs aufgrund einer Erkrankung ist dem Wortlaut des Oö StGBG nicht zu entnehmen.
[13] 1.3. § 2 Abs 2 Oö StGBG ordnet die sinngemäße Anwendung ua des Oö Landes-Gehaltsgesetzes (Oö LGG) an, soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist. § 13b Oö LGG enthält allgemeine Bestimmungen über die Verjährung von Ansprüchen auf Leistungen und erklärt in Abs 4 die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung mit der Maßgabe für anwendbar, dass die Geltendmachung eines Anspruchs im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist.
[14] 2. Gem § 4 Abs 5 UrlG verjährt der Urlaubsanspruch nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Diese Frist verlängert sich bei Inanspruchnahme einer Karenz gemäß dem VKG oder dem MSchG 234 um den Zeitraum der Karenz. Kann ein AN infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub nicht verbrauchen, dann ist nach der Rsp die Verjährung des Urlaubsanspruchs nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB (§§ 1494 ff) seit Beginn des Krankenstands gehemmt (RS0113021; Reissner in ZellKomm3 § 4 UrlG Rz 36 mwN; Mayr/Erler, UrlG3 § 4 Rz 34; Drs in Drs [Hrsg], Urlaubsrecht11, § 4 Rz 206 f), kann doch ein erkrankter AN seinen Urlaub gar nicht antreten. Nach Reissner ist eine derartige Sichtweise – zumindest in gewissen Grenzen – auch unionsrechtlich gefordert.
[15] 3. Der OGH hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Verfall und zur Verjährung im öffentlichen Dienstrecht einzelner Länder Stellung genommen:
[16] 3.1. In 8 ObA 41/05w (= DRdA 2006/31 [Ziehensack]) hatte der OGH die Verfallsregelung des § 60 iVm der Verjährungsregelung des § 50 des Tiroler L-VBG LGBl Nr 2/2001 zu beurteilen. Nach § 60 Tiroler L-VBG verfalle der Anspruch auf Erholungsurlaub, wenn der VB den Erholungsurlaub nicht bis zum 31.12. des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht habe. Sei der Verbrauch bis zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen nicht möglich, so verfalle der Anspruch auf Erholungsurlaub erst mit dem Ablauf des diesem Zeitpunkt folgenden Kalenderjahres. Habe der VB einen Karenzurlaub nach dem Tiroler Mutterschutzgesetz 1998 bzw dem Mutterschutzgesetz 1979 oder dem Tiroler Eltern-Karenzurlaubsgesetz 1998 in Anspruch genommen, so werde der Verfallstermin um jenen Zeitraum hinausgeschoben, um den dieser Karenzurlaub das Ausmaß von 10 Monaten übersteige. § 50 Abs 4 Tiroler L-VBG bestimme, dass für die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts mit der Maßgabe gelten, dass die schriftliche Geltendmachung eines noch nicht verjährten Anspruchs durch den VB gegenüber dem DG die Verjährung unterbreche. Da das Tiroler L-VBG keine eigenständige Regelung darüber enthalte, ob, gegebenenfalls welche, Hemmungs- und Unterbrechungsgründe auf die im Tiroler L-VBG geregelten Verfallsbestimmungen anzuwenden seien, seien die Hemmungsvorschriften des ABGB auf die im Tiroler L-VBG normierte Verfallsfrist analog anwendbar. Könne ein VB infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub nicht verbrauchen, werde der Verfall des Urlaubsanspruchs daher gehemmt.
3.2. Anders entschied der OGH in der E 8 ObA 24/09a (AnwBl 2010/8250 [Hütthaler-Brandauer]) betreffend den Fall einer bei der Stadt Wien beschäftigten Kl, der die Eigenschaft einer begünstigten Behinderten iSd BEinstG zukam. Da der Wiener Landesgesetzgeber – anders als in der zu 8 ObA 41/05w entschiedenen Fallkonstellation – für den Fall des (vereinbarten) Karenzurlaubs nach § 34 Wiener VBO 1995 gerade kein Hinausschieben des Verfallstermins vorsehen habe wollen, komme ein Heranziehen der allgemeinen Regelungen des ABGB über die Hemmung von Verjährungs- und Verfallsfristen nicht in Betracht. Der Anspruch der Kl auf Erholungsurlaub sei daher gem § 25 Abs 3 Wiener VBO (idF vor LGBl 20/2009) verfallen. Dass die Kl im Karenzzeitraum keinen Urlaub konsumiert habe, liege an der Karenzierung und nicht daran, dass sie während dieser Zeit auch krank gewesen sei. Auf die nach § 17 Abs 1 Wiener VBO 1995 subsidiäre Geltung der Besoldungsordnung 1994, deren § 10 Abs 3 vorsieht, dass die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass die Geltendmachung im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist, wurde im Verfahren nicht abgestellt.
[17] 3.3. Einen vergleichbaren Fall hatte der OGH in der E 9 ObA 67/13p betreffend eine beim Land Steiermark beschäftigte Kl beurteilt. Mit § 65 Abs 1 Stmk L-DBR habe der Gesetzgeber zwar für den Fall der Krankheit, des Unfalls oder Gebrechens sowie des Beschäftigungsverbots und der Karenz nach dem Mutterschutzgesetz, aber auch für die Unmöglichkeit des Verbrauchs des Urlaubs aus dienstlichen Gründen, Vorsorge getroffen, um einen Verfallsablauf des auf das Urlaubsjahr folgende Kalenderjahres zu verhindern, nicht aber für den Fall der grundsätzlich ohne besondere Voraussetzungen zu gewährenden allgemeinen Karenz nach § 70 Stmk L-DBR. Im Hinblick auf die umfangreiche Erfassung von Gründen für die Hemmung des Ablaufs der Verfallsfrist könne nun nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber ganz allgemein die Hemmung der Verjährung ungeregelt gelassen habe und insoweit eine Anwendung der Bestimmungen des ABGB über die Hemmung der Verjährung zur Anwendung kommen könnte. Der vom Berufungsgericht herangezogene § 163 Stmk L-DBR befinde sich im Übrigen auch in einem anderen Abschnitt des Gesetzes („Besoldungsrechtliche Bestimmungen“; vgl anders zu Gesetzesbestimmungen, die keine Regelungen zur Frage der Hemmung wegen Krankheit hätten, aber wohl allgemein auf die Hemmungs- und Unterbrechungsbestimmungen des ABGB verwiesen hätten 8 ObA 24/09a und 8 ObA 41/05w). Der Umstand, weshalb die Kl ihren Urlaub nicht habe verbrauchen können, namentlich deren Karenz, habe auf deren freier Entscheidung und Vereinbarung beruht, weshalb sie den Verfall desselben zu vertreten habe.
[18] 3.4. In der E 8 ObA 55/18y führte der OGH zur Bestimmung des § 62 Abs 7 letzter Satz NÖ LBG, wonach die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung „mit der Maßgabe anzuwenden [sind], dass die Geltendmachung eines Anspruches im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist
“, aus, dass diese jedenfalls die Anwendung der mit „Unterbrechung der Verjährung
“ überschriebenen Vorschrift des § 1497 ABGB anordne und (nur) zusätzlich statuiere, dass „die Geltendmachung eines Anspruches im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist
“ (Pkt 1.1. der E). Aus der zu § 25 Abs 3 Wiener VBO ergangenen E 8 ObA 24/09a ergebe sich nichts Gegenteiliges, zumal anders als in der zu 8 ObA 41/05w entschiedenen Fallkonstellation (auch) keine Anordnung des Landesgesetzgebers 235 zur Heranziehung der allgemeinen Regelungen des ABGB ersichtlich gewesen sei (Pkt 1.2.).
[19] 3.5. In der E 8 ObA 37/19b betreffend die Verfallsregelung des § 25 Abs 8 Grazer Gemeindevertragsbedienstetengesetzes orientierte sich der OGH an der E 8 ObA 24/09a, mit der über die fast wortidente Regelung des § 25 Abs 3 Wiener VBO (idF vor LGBl 20/2009) ein Urlaubsverfall bejaht wurde. Da der Steiermärkische Landesgesetzgeber für verschiedene Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung dafür getroffen habe, wie die Karenzierung den Verfall des offenen Erholungsurlaubs hindere, aber nicht für eine Karenzierung nach § 28 Abs 1 G-VBG, sei davon auszugehen, dass er für den streitgegenständlichen Fall dieser Karenz eben kein Hinausschieben des Verfallstermins vorsehen wollte. § 19c Abs 4 Grazer Gemeindevertragsbedienstetengesetz (ebenfalls enthalten in Abschnitt 1 – Allgemeine Bestimmungen), wonach die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung sinngemäß anzuwenden sind, wurde in dieser E (Zurückweisung der außerordentlichen Revision) nicht thematisiert.
[20] 4. Eine analoge Anwendung der Hemmungsvorschriften des ABGB setzt eine regelwidrige Gesetzeslücke voraus (RS0106092). Es muss also eine „planwidrige Unvollständigkeit“, dh eine nicht gewollte Lücke, vorliegen (RS0098756). Wurde vom Gesetzgeber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet, so fehlt es an einer Gesetzeslücke und daher auch an der Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung (RS0008866 [T8, T13]).
[21] 5. Wie der Tiroler Landesgesetzgeber in § 50 Abs 4 Tiroler L-VBG bestimmt auch der oberösterreichische Landesgesetzgeber durch Verweis auf § 13b Oö LGG (§ 2 Abs 2 Oö StGBG) ausdrücklich die Geltung jener Bestimmungen des ABGB, die sich auf die Hemmung und Verjährung der Unterbrechung beziehen. Da die VBO (auch nicht durch Verweis auf andere Bestimmungen) keine eigenständige (abschließende) Regelung darüber enthält, ob und gegebenenfalls welche Hemmungsund Unterbrechungsgründe auf die für die von ihr erfassten VB geregelten Verfallsbestimmungen anzuwenden sind, sondern ausschließlich für bestimmte Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung getroffen hat, liegt insofern eine planwidrige Unvollständigkeit vor, weil die – auch hier zu beurteilende – Frage der Hemmung der Verjährung eines vereinbarten Erholungsurlaubs, den der VB wegen einer Erkrankung nicht antreten konnte, ungeregelt ist. Es können aber die vom oberösterreichischen Landesgesetzgeber (durch Verweis auf § 13b Oö LGG) ausdrücklich als beachtlich angesehenen Bestimmungen der §§ 1494 ff ABGB zur Lü ckenfüllung für die Frage herangezogen werden, ob und welche Hemmungs- bzw Unterbrechungsgründe für Präklusivfristen gelten (vgl 8 ObA 41/05w zum Tiroler Landesvertragsbedienstetenrecht). Dass von Lehre und Rsp eine analoge Anwendung nicht nur der Unterbrechungsvorschrift des § 1497 ABGB auf Präklusivfristen, sondern auch eine analoge Anwendung der Hemmungsvorschriften des ABGB bejaht wird (8 ObA 41/05w; RS0029716), wird im Revisionsverfahren von der Bekl nicht in Zweifel gezogen.
[22] 5.1. Die analoge Anwendbarkeit der Hemmungsvorschriften des ABGB auf die Dienstverhältnisse der VB nach der VBO Linz hat zur Folge, dass der Verfall des Urlaubsanspruchs seit Beginn des Krankenstands gehemmt ist, wenn der VB seinen Urlaub infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht antreten und verbrauchen konnte.
[23] 6.1. Die Entscheidungen 8 ObA 24/09a, 9 ObA 67/13p und 8 ObA 37/19b stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Ihnen lagen (bei vergleichbarer Rechtslage) Sachverhalte zugrunde, die keine Erkrankung der VB betrafen, die diese am Urlaubsverbrauch hinderten, sondern „vereinbarte“ Karenzierungen. Da die jeweiligen Landesgesetzgeber (nur) für bestimmte Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung dafür getroffen haben, wie die Karenzierung den Verfall des offenen Erholungsurlaubs hindert, für den Fall der „vereinbarten“ Karenz aber nicht, musste davon ausgegangen werden, dass die Landesgesetzgeber für die letztgenannten Fälle eben gerade kein Hinausschieben des Verfallstermins vorsehen wollten.
[24] 6.2. Eine abschließende Regelung kann in § 77 Abs 2 Oö StGBG nicht erblickt werden. Richtig ist, dass der Bundesgesetzgeber in § 69 Abs 1 Satz 2 BDG durch den Verweis auf § 51 Abs 2 Satz 1 BDG die Regelungslücke (kein Verfall des Urlaubsanspruchs bei Krankheit) wegen der Entscheidungen des EuGHC-350/06 und C-520/06, Schultz-Hoff und Stringer, und des OGHzu 8 ObA 41/05w, geschlossen hat (vgl ErlRV 488 BlgNR 24. GP 9 f). Auch wenn der oberösterreichische Landesgesetzgeber seine Bestimmungen nicht novelliert hat, kann ihm nicht unterstellt werden, er hätte bewusst eine unionsrechtswidrige Regelung aufrechterhalten wollen. Der von der Bekl behauptete Widerspruch zur E EuGHC-214/10, KHS, liegt mangels eines vergleichbaren Sachverhalts nicht vor. Der Kl war nicht „während mehrerer Jahre in Folge arbeitsunfähig“, sodass von einem „grenzenlosen Ansammeln“ von Urlaubsansprüchen hier nicht die Rede sein kann.
[25] 6.3. Nach Ziehensack in DRdA 2006/31 würde es auch rechtspolitisch unbefriedigend erscheinen, wenn der VB, der durch längeren Krankenstand an der Urlaubskonsumation gehindert sei, vom Verfall betroffen sei, obwohl er nichts gegen denselben unternehmen könne. Beim VB, welcher seinen Urlaubsanspruch über einen längeren Zeitraum nicht ausübe, erscheine es nur legitim, dass dieser nach einer gewissen Zeitdauer verfalle. In diesem (Regel-)Fall habe es der VB auch selbst in der Hand, den ihm zustehenden Urlaubsanspruch auch tatsächlich zu verbrauchen. Wenn ihm diese Möglichkeit aber durch lang andauernden Krankenstand verwehrt bleibe, erschiene es nicht legitim, ihn den Verfallswirkungen auszusetzen.
[26] 7. Da das Klagebegehren bereits aus diesen Gründen berechtigt ist, musste auf die in der Revision aufgeworfene unionsrechtliche Frage nicht mehr eingegangen werden. [...] 236
Sowohl das allgemeine Arbeits- als auch das öffentliche Dienstrecht kennen Urlaubsverfallsregelungen. Sie finden sich bspw in § 4 Abs 5 UrlG (für das allgemeine Arbeitsrecht) und § 27h VBG (für den großen Teil des öffentlichen Dienstrechts, nämlich jenen der VB des Bundes). Nach ersterem verjährt der Urlaubsanspruch nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, wobei sich diese Frist bei Inanspruchnahme einer Karenz gemäß VKG oder MSchG um den Zeitraum der Karenz verlängert. Anders als im allgemeinen Arbeitsrecht (zur Zweijahresfrist des allgemeinen Arbeitsrechtes siehe den soeben referierten § 4 Abs 5 UrlG; § 17 AngG enthält den Verweis auf das UrlG) verjährt der Urlaubsanspruch des/r VB des Bundes nicht erst nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, sondern bereits nach einem Jahr. In diesem Punkt wurden im öffentlichen Dienst des Bundes Tätige also durchaus schlechter gestellt als AN in der Privatwirtschaft. Auch für die BeamtInnen gilt die kürzere einjährige Verjährungsfrist (§ 69 BDG). Diesen Verfallsregeln liegt der Ansatz zugrunde, dass es des Schutzes beider Parteien des Arbeitsverhältnisses bedarf: Aus Gründen der Übersichtlichkeit, des AN-Schutzes und der Sicherstellung der geordneten Personalbewirtschaftung ordnen sie daher ein zeitliches Limit für die Ausübung des Anspruchs auf Erholungsurlaub an (weiterführend dazu siehe Ziehensack, VBG Praxiskommentar § 27h VBG Rz 1b ff mwN, insb auch zum Charakter als Fallfrist).
Ohne eine derartige Regelung wäre ein vermehrtes Ansammeln von Urlaubsansprüchen denkbar, welches weder im wohlverstandenen Interesse des DN noch des DG liegt. AN sollen den ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Urlaub zur Erholung und Entspannung nutzen, um dadurch ihre Lebensfreude und Gesundheit zu stärken und dem Betrieb bzw der Dienststelle bei Dienstwiederantritt mit Tatkraft zur Verfügung zu stehen. Der DG wiederum darf bei der Personalbewirtschaftung nicht dadurch gewissermaßen „Schach matt“ gesetzt werden, dass DN über Jahre oder sogar Jahrzehnte Urlaubsansprüche ansammeln, um diese sodann in einem zu verbrauchen, wodurch sie dem AG mehrere Monate bzw möglicherweise Jahre nicht zur Verfügung stehen (Ziehensack, aaO Rz 2). Bei widersprechenden Ansichten der Parteien des Vertragsverhältnisses über das Ausmaß des noch offenen Urlaubs bedarf es der Einbringung einer Feststellungsklage beim Arbeitsgericht; deren Begehren richtet sich auf Feststellung des noch offenen Urlaubsausmaßes (also der noch zustehenden Urlaubstage bzw -stunden).
Mit Urlaubsverfallsregeln in einem Spannungsverhältnis bzw sogar in gewissem Widerspruch stehen neue EU-rechtliche Vorgaben: Durch die 3. Dienstrechtsnovelle 2019 zum VBG ( BGBl I 2019/112 ) wurde eine besondere Ausprägung der Fürsorgepflicht des DG eingeführt und dieser Ansatz auch im Beamtenrecht des Bundes ebenso wie im allgemeinen Arbeitsrecht und im sonstigen öffentlichen Dienstrecht etabliert. Es geht darum, den Naturalverbrauch des Urlaubs zu ermöglichen, dies insb bei sonst drohendem Verfall des Erholungsurlaubes oder einer absehbaren Beendigung des Dienstverhältnisses. Zu diesem Zweck bedarf es der Aktion der Vorgesetzen. Er/Sie hat „rechtzeitig, unmissverständlich und nachweislich darauf hinzuwirken, dass MitarbeiterInnen den Erholungsurlaub in Anspruch nehmen können und auch in Anspruch nehmen
“. Diese Urlaubsverbrauchsaufforderung(spflicht) (siehe dazu Ziehensack, VBG Praxiskommentar § 5b VBG unter 6. Urlaubsregelung und § 27h VBG Rz 20 ff) stellt keine zahnlose lex imperfecta dar, da der Verfall bei Nichteinhaltung ausbleibt. So ordnet § 27h Abs 3 VBG ausdrücklich die Folge an, dass der Verfall nicht eintritt, wenn Vorgesetzte nicht entsprechend § 5b Abs 1a VBG rechtzeitig, unmissverständlich und nachweislich auf die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes durch die VB hingewirkt haben.
Die Anpassungen im Bereich des Urlaubsrechts in § 5b Abs 1a wurden auf Grund der Urteile des EuGH vom 6.11.2018 in den Rechtssachen C-619/16 (Kreuziger; dazu siehe Tinhof, Keine Urlaubsverjährung mangels vorausgehender Aufklärung durch den Arbeitgeber, DRdA-infas 2019, 27 und Sagan, Zum Verlust des Urlaubsanspruches mangels Antragstellung, ZAS 2019/43) und C-684/16 (Shimizu) erforderlich. Hierzu hielten die Gesetzesmaterialien zur 3. Dienstrechtsnovelle (BDG und VBG des Bundes; 46 BlgNR 27. GP 15) fest: „Am 6. November 2018 führte der EuGH in den Urteilen zu den Rs C-619/16 und C-684/16 aus, dass eine AN oder ein AN die ihr oder ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage und den entsprechenden Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub nicht allein schon deshalb verlieren darf, weil sie oder er vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verlust des Anspruchs automatisch und ohne vorherige Prüfung erfolgt, ob sie oder er vom AG zB durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen.
Der EuGH hielt außerdem fest, dass der AG verpflichtet ist, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass die AN oder der AN tatsächlich in der Lage ist, ihren oder seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er sie oder ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun. Damit sichergestellt ist, dass der Urlaub der AN oder dem AN noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, hat der AG rechtzeitig und unmissverständlich mitzuteilen, dass der Urlaub, wenn sie oder er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraumes oder eines zulässigen Übertragungszeitraumes verfallen wird 237 (Rz 45 des Urteils C-619/16). Die Beweislast trägt insoweit der AG (Rz 46 des Urteils C-619/16).
Zwar normierte § 45 Abs 1 BDG1979 in der bisherigen Fassung (sowie Verweise auf diesen in Bestimmungen besonderer Dienstrechte, zB § 206 RStDG) bereits jetzt schon im Rahmen einer Fürsorgepflicht die ausdrückliche Dienstpflicht der oder des Vorgesetzten, darauf hinzuwirken, dass ihre oder seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Erholungsurlaub in Anspruch nehmen können und auch in Anspruch nehmen.
In Anbetracht der aktuellen Judikatur des EuGH erscheinen jedoch Klarstellungen erforderlich, die vor allem die Bestimmungen zum Urlaubsverbrauch und -verfall verfahrensrechtlich, insb hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Hinweises auf den Verfall des Anspruchs auf Erholungsurlaub oder im Falle des absehbaren Ausscheidens der Beamtin oder des Beamten aus dem Dienststand oder aus dem Dienstverhältnis, auf den Verfall des Anspruchs auf die Urlaubsersatzleistung sowie dessen Nachweisbarkeit näher determinieren.
Da den DG eine Beweislast trifft, ist er durch die aktuelle Judikatur des EuGH aufgefordert, Verfahren vorzusehen, die ein nachweisliches Hinwirken auf den Urlaubsverbrauch dokumentieren, sei es zB durch Aktenvermerke, entsprechende Formulare zur Vorlage an die oder den Bediensteten oder andere geeignete Arten einer nachweisbaren Dokumentation. Dies umfasst die Aufforderung, den Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen und auch die tatsächliche, faktische Möglichkeit der Inanspruchnahme. In diesem Zusammenhang ist die oder der Bedienstete über die ansonsten drohende Konsequenz des Verfalls des Anspruchs auf Erholungsurlaub bzw. auf Urlaubsersatzleistung aufzuklären.“
Bisherige Judikatur erschien – allerdings nur auf den ersten Blick – widersprüchlich: Bei manchen Fällen (OGH 8 ObA 24/09a AnwBl 2010/8250 [Hütthaler-Brandauer]; OGH9 ObA 67/13p ARD 6375/4/2013 = DRdA-infas 2014, A 26 = DRdA 2014, 257; OGH8 ObA 37/19b ecolex 2020/234 = DRdA-infas 2020/70) wurde das Greifen der Urlaubsverfallsregelung bestätigt, in anderen dagegen verworfen. Letztere betrafen – wie im vorliegend zu entscheidenden Fall – unvorhersehbare Krankheitszeiträume: OGH 6.10.2005, 8 ObA 41/05w (siehe dazu Ziehensack, Verfallshemmung des Urlaubsanspruches nach dem VBG, Glosse zu OGH8 ObA 41/05w DRdA 2006, 317) und 24.6.2015, 9 ObA 45/15f (näher Ziehensack, Erstreckung der Verfallsfrist für Urlaubsansprüche einer VB bei unvorhersehbarer Krankheit, Glosse zu OGH9 ObA 45/15f DRdA-infas 2015, 314).
Bei ersteren (OGH 22.10.2009, 8 ObA 24/09a; OGH 27.9.2013, 9 ObA 67/13p; OGH 16.12.2019, 8 ObA 37/19b) ging es dagegen um vereinbarte Karenzurlaube. Die Gewährung derselben lag regelmäßig im dahingehenden Interesse der DN. Aus diesem Grund erachte das Höchstgericht auch die Verfallsregelungen für durchaus sachgerecht. Die DN hatten es nämlich selbst in der Hand, den vorgesehenen Urlaubsverbrauch in natura zu planen und umzusetzen (in OGH9 ObA 67/13p wurde etwa vom AG vorgebracht: „Die Kl habe vor Antritt des Karenzurlaubs ausreichend Möglichkeit gehabt, ihren Urlaub zu verbrauchen. Auch wäre es der Kl noch möglich gewesen, den Urlaub zu verbrauchen, wenn sie wie vorweg geplant bereits am 25.6.2011 aus dem Karenzurlaub zurückgekehrt wäre. Die Verlängerung des Karenzurlaubs sei auf Wunsch der Klägerin erfolgt.
“). Für ihre diesbezüglichen Versäumnisse konnten und können sie daher den AG nicht verantwortlich machen. Manche Konstellationen (OGH8 ObA 24/09a; OGH8 ObA 37/19b) betrafen etwa (schwer) erkrankte DN, welche auch Anspruch auf Ausbezahlung einer befristeten Invaliditätspension erlangt und für diese Zeiträume entsprechend eine Entbindung von der Arbeitsverpflichtung gesucht hatten. Wäre es nicht zur Vereinbarung des Karenzurlaubs gekommen, hätte der DG mit DG-Kündigung vorgehen müssen bzw wäre es zur automatischen Beendigung des Dienstverhältnisses wegen eines Ein-Jahres-Krankenstandes (vgl § 24 Abs 9 VBG) gekommen. In einer solchen Situation wäre es nicht recht und billig gewesen, den Umstand des nicht verbrauchten Urlaubes zulasten des DG zu werten. In einem anderen Fall (OGH9 ObA 67/13p) hatte die DN während des vereinbarten Karenzurlaubs einen Auslandseinsatz für das Österreichische Bundesheer (Kosovo) durchgeführt. Da keine Verpflichtung dieser DN hierzu bestanden hatte und der Urlaubsverbrauch aufgrund des vereinbarten Karenzurlaubes gescheitert war, hielt der OGH an den Verfallsregelungen fest. Er stützte dies insb auch auf die Überlegung, dass in sonstigen Fällen von Karenzurlauben, etwa nach dem MSchG oder dem VKG, ausdrückliche Regelungen hinsichtlich des Hinausschiebens des Verfallszeitraumes bestanden/bestehen und daraus ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers abgeleitet werden muss, dass eben in anderen Fällen der Karenz die Verfallsbestimmungen sehr wohl greifen sollen (vgl bspw dies Ausführungen des OGHin 8 ObA 24/09a: „Auch schon nach der alten noch anzuwendenden Fassung der VBO ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber für verschiedene Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung dafür getroffen hat, wie die Karenzierung den Verfall des offenen Erholungsurlaubs hindert. In dieser Aufzählung ist aber die Karenz nach § 34 VBO nicht enthalten. Damit ist aber auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber für diesen Fall der Karenz eben gerade kein Hinausschieben des Verfallstermins vorsehen wollte.
“ (siehe allgemein idS auch VwGH 22.4.2009, 2008/12/0071 zu § 69 BDG). Dies erweist sich deshalb als überzeugend, da andernfalls die Personalbewirtschaftung des öffentlichen DG sich als zu diffizil, weil (viel) zu feingliedrig, erwiese. Es müsste dann die Personalstelle auch noch die einzelnen, sich verästelnden Auswirkungen von Verlängerungen von Karenz(ierungs)vereinbarungen überprüfen, statt dies den jeweiligen DN überlassen zu können, welche iSd Eigenverantwortung dann auch die Vor- und Nachteile 238 aus den selbst abgeschlossenen Karenz(ierungs)ver - einbarungen sowie deren Verlängerungen ziehen können bzw hinzunehmen haben (vgl die bezeichnenden Ausführungen des OGHin 9 ObA 67/13p: „All dies bedarf aber schon deshalb keiner abschließenden Erörterung und Feststellung, weil hier die Karenz auf einer freien Entscheidung und Vereinbarung der Kl beruht und die Kl Gründe, die sie ohne ihren freien Entschluss gehindert hätten, den Urlaub rechtzeitig zu verbrauchen, gar nicht geltend gemacht hat.
“).
In Kontrastierung hierzu arbeitete das Höchstgericht bei den anderen, also den Nicht-Karenz-, sondern Krankenstands-Fällen wie im allgemeinen Arbeitsrecht die Geltung des „Ingerenzsystems“ heraus, wonach bei Steuerbarkeit des Urlaubsverbrauchs die gesetzliche Verfallsregelung greift (siehe etwa zur vereinbarten Karenzierung wegen befristet gewährter Invaliditätspension 8 ObA 37/19b: „Welche Schritte die beklagte Partei dennoch unternehmen hätte können, um trotz Fehlens einer Arbeitsverpflichtung einen Erholungsurlaub zu ermöglichen, führt auch die Revision nicht aus.
“), demgegenüber aber die Unmöglichkeit der vorausschauenden Planung etwa auf Grund eines Langzeitkrankenstandes eine planwidrige Lücke darstellt. Letztere kann und muss sodann im Wege der analogen Anwendung anderer Vorschriften, nämlich konkret von §§ 1494 ff ABGB, geschlossen werden.
Krankheit stellt nämlich keinen Verfallsgrund dar, weil es an der Steuerbarkeit fehlt und seine Inanspruchnahme notwendigerweise, in gewisser Hinsicht schicksalsbedingt, erfolgt und als zwingender Rechtsanspruch (ius cogens) keiner Vereinbarung (Verzichtsmöglichkeit) zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses unterliegt. Die explizite Vorsehung eines Verfalls von Urlaubsansprüchen trotz unverschuldeter Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauches in natura wäre weder fair noch angemessen, sondern wohl unsachlich und gleichheitswidrig. Allerdings gilt bei innerstaatlichen Rechtsvorschriften, dass deren Anwendung so lange zu erfolgen hat, bis nicht eine Aufhebung durch den VfGH erfolgen sollte (Art 139 Abs 6 B-VG betreffend gesetzwidrige VO, Art 140 Abs 7 B-VG betreffend verfassungswidriges Gesetz). Ein anderes Kalkül gilt demgegenüber bei EU-Rechtswidrigkeit: EU-Recht verdrängt („bricht“) entgegenstehendes nationales, sohin auch innerösterreichisches Recht (vgl OGH 11.12.2023, 7 Ob 202/23s; VwGH 20.6.2024, Ro 2022/12/0007). Im vorliegenden Fall bestanden jedoch keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen EU-Recht und einen dadurch notwendig werdenden Verdrängungseffekt. Weder dieser noch ein Normenkontrollverfahren vor dem VfGH musste im Fall bemüht werden, da die Lösung des OGH darin gefunden wurde, die festgestellte Regelungslücke analog zu füllen und damit die gesetzgeberische Norm „zu Ende zu denken“.
Einzuräumen bleibt, dass die aufgezeigte und vom OGH gefundene Lösung angesichts der aufgezeigten Rsp durchaus nicht einfach, sondern nur nach entsprechender Judikaturanalyse und Systemisierung gefunden werden konnte. Die österreichweite Abklärungsnotwendigkeit durch das Höchstgericht ergab sich aus der widersprüchlichen Einschätzung durch die erste und zweite Instanz sowie die Notwendigkeit, die bisherigen OGH-Entscheidungen nach dem Ingerenzprinzip in ein überzeugendes Konzept einzugliedern, weshalb die Revision nicht nur zugelassen, sondern auch als berechtigt erachtet worden war. 239