45Keine Geschäftsführerhaftung beim Belassen von erheblichen Barmitteln auf Geschäftskonto bei einer einzigen Hausbank
Keine Geschäftsführerhaftung beim Belassen von erheblichen Barmitteln auf Geschäftskonto bei einer einzigen Hausbank
Die Kl ist als Gesellschaft in der Musikbranche tätig, und der Bekl ist seit Gründung derselben Ende 2015 einer der beiden Geschäftsführer.
Seit 2016 unterhielt die Kl ein Geschäftskonto bei der C* AG (in der Folge: C*). Bereits ab 2017 lagen dort Gelder der Kl in Millionenhöhe. Im Frühling/Sommer 2020 stiegen die Barmittel der Kl auf mehr als 21 Mio € an. Ende Juni/Anfang Juli 2020 befanden sich etwa 95 % davon auf dem Geschäftskonto bei der C*. Am 28.7.2020 wurde über das Vermögen der C* der Konkurs eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Kontostand der Kl bei der C* € 20.292.217,63. Abzüglich des der Kl aus der Einlagensicherung zugeflossenen Betrags blieben € 19.792.217,63 uneinbringlich.
Die Kl machte Schadenersatzansprüche klagsweise in der zuvor erwähnten Höhe, gestützt auf eine Geschäftsführerhaftung des Bekl, geltend. Die Vorinstanzen wiesen das Schadenersatzbegehren übereinstimmend ab.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurück. In seiner Begründung führte der OGH aus, dass der Geschäftsführer einer GmbH nach § 25 Abs 1 GmbHG der Gesellschaft gegenüber verpflichtet ist, bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Ein Geschäftsführer, der seine Obliegenheiten verletzt, haftet der Gesellschaft für den daraus entstandenen Schaden. Diese Haftung ist eine Verschuldenshaftung. Eine Erfolgshaftung trifft den Geschäftsführer nach dieser Gesetzesstelle nicht, zumal das Unternehmensrisiko die Gesellschaft trägt. Eine Eigenhaftung des Geschäftsführers kommt in Betracht, wenn er seine Organisations- und Überwachungspflichten schuldhaft verletzt hat. Relevant ist dabei, dass die Frage, ob ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht vorliegt, stets unter Zugrundelegung einer Ex-ante-Sicht zu beurteilen und ein „Rückschaufehler“ zu vermeiden ist.
Ergänzend führte der OGH aus, dass unter der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes die Fähigkeiten und die Kenntnisse zu verstehen sind, die von einem Geschäftsführer in dem betreffenden Geschäftszweig und nach der Größe des Unternehmens üblicherweise erwartet werden können, wobei der Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt werden darf. Zu berücksichtigen ist, dass die rechtliche Beurteilung, ob gesetzlichen Präventions-, Prüfungs- und Sorgfaltspflichten ausreichend nachgekommen wurde, grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls darstellt, die nur dann im Revisionsverfahren überprüfbar ist, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste.
Der OGH verwies im gegebenen Zusammenhang auf die Rsp, dass auch gewagte Geschäfte von Vorstands- bzw Aufsichtsratsmitgliedern einer AG, diesen nicht immer als Verschulden anzulasten sind. Dass das Eingehen unverhältnismäßiger oder sogar existenzbedrohender Risiken im Einzelfall einen haftungsbegründenden Ermessensmissbrauch bzw eine Ermessensüberschreitung begründen kann, ist richtig. Im konkreten Fall sah der OGH jedoch keinen Grund zur Beanstandung der Beurteilung des Berufungsgerichts, der Bekl habe mit seiner Entscheidung, den größten Teil des Eigenkapitals der Kl auf Geschäftskonten bei der eigenen Hausbank zu belassen, keine Maßnahme gesetzt, die mit einem unverhältnismäßig hohen Schadensrisiko verbunden gewesen sei. Dem festgestellten Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, dass der Bekl das (konkrete) Risiko der Veranlagung des Gesellschaftsvermögens bei seiner Hausbank ex ante hätte erkennen können. Die außerordentliche Revision legt auch nicht dar, welche konkreten Informationen der Bekl einholen hätte müssen und aufgrund welcher erhaltenen Informationen er anders gehandelt hätte bzw handeln hätte müssen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Bekl habe das allgemeine Risiko, dass die langjährige Hausbank der Kl (allenfalls durch betrügerisches Handeln eines ihrer Vorstandsmitglieder) in Insolvenz verfallen könne, nicht als konkrete Möglichkeit in seine Veranlagungsentscheidung einbeziehen müssen, ist vertretbar.
Festzuhalten ist nach den Ausführungen des OGH, dass gem § 25 Abs 1a GmbHG ein Geschäftsführer jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes handelt, wenn er sich bei 106 einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Liegen die Voraussetzungen der „Business Judgement Rule“ vor, begründen unternehmerische Entscheidungen, auch wenn sie sich als Fehler erweisen und Schaden verursachen, keine Haftung des Geschäftsführers („Safe Harbour“). Den Geschäftsführer trifft zwar nicht automatisch eine Haftung; eine solche kann aber eintreten, wenn das Verhalten im Einzelfall als sorgfaltswidrig einzustufen ist und die übrigen Haftungsvoraussetzungen (insb Schaden und Kausalität) gegeben sind.
Nachdem die Ansicht des Berufungsgerichts, der Bekl habe bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht verletzt, nicht korrekturbedürftig war, war die außerordentliche Revision der Kl zurückzuweisen.