41

Zur Relevanz der zu erwartenden Dauer der Arbeitssuche bei Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit

MARTIN SOUCEK

Der OGH hatte im vorliegenden Fall über die außerordentliche Revision des Kl gegen das klagsabweisende Urteil des Berufungsgerichtes betreffend die Anfechtung seiner Kündigung wegen Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) zu entscheiden. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass dem 59 Jahre alten, für zwei Kinder sorgepflichtigen Kl angesichts seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie der seiner Familienangehörigen der Nachweis einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung nicht gelungen sei. Er könne bei intensiver persönlicher Arbeitsplatzsuche am allgemeinen Arbeitsmarkt mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb von zehn bis zwölf Monaten ab Wirksamwerden der Kündigung zum 31.12.2023 ein dem zuletzt innegehabten annähernd vergleichbares Dienstverhältnis ohne Gehaltseinbuße (14 x € 3.380,- brutto als Marketingassistent) erlangen.

Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück und begründete seine Entscheidung wie folgt:

Die Anfechtung einer Kündigung wegen Sozialwidrigkeit iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG bedarf zum Erfolg primär des Nachweises, dass dadurch wesentliche Interessen des AN beeinträchtigt werden, wofür dieser behauptungs- und beweispflichtig ist. Dabei ist nicht nur die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes, das Alter des AN oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, sondern es ist die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des AN und seiner Familienangehörigen einzubeziehen.

Da jede Kündigung die Interessen des DN beeinträchtigt und mit sozialen Nachteilen verbunden ist, müssen Umstände vorliegen, die eine Kündigung für den AN über das normale Maß hinaus nachteilig machen; gewisse Schwankungen der Einkommenslage muss nämlich jeder AN im Lauf seines Arbeitslebens hinnehmen. Bei Einkommenseinbußen ist nicht auf starre Prozentsätze abzustellen. Mag etwa eine Einkommenseinbuße von 30 % bei einem geringen Einkommen für die Wesentlichkeit der Interessenbeeinträchtigung ausschlaggebend sein, muss dies bei einem höheren Einkommen noch nicht der Fall sein. In einer Durchschnittsbetrachtung werden Verdiensteinbußen von 20 % oder mehr auf gewichtige soziale Nachteile hindeuten (vgl OGH 29.10.2013, 9 ObA 125/13t mwN).

Ob die wesentliche Interessenbeeinträchtigung nachgewiesen werden kann, hängt ebenso wie die Frage, ob künftige Entwicklungen zu berücksichtigen sind, weil sie zum Kündigungszeitpunkt objektiv vorhersehbar waren, regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass sich hierzu regelmäßig – abgesehen von krassen Fehlbeurteilungen – keine die Befassung des OGH zulassende Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stellt.

In der Rsp wurde im Hinblick auf die zumutbare Dauer der zu erwartenden Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Einzelfall einerseits eine Dauer von etwa neun, zehn oder zwölf Monaten als Beeinträchtigung wesentlicher AN-Interessen qualifiziert (zB OGH 14.10.2008, 8 ObA 62/08p), andererseits jedoch bei prognostizierten sechs bis acht Monaten (OGH 16.6.1999, 9 ObA 145/99k) oder sechs bis zwölf Monaten und zu erwartendem Fix-Einkommen etwa in der bisherigen Größenordnung ebenso verneint (OGH 11.8.2006, 9 ObA 58/06d) wie bei innerhalb von neun bis zwölf Monaten ab Ausspruch der Kündigung erwartbarer, ungefähr gleich dotierter Vollzeitbeschäftigung (OGH 4.8.2009, 9 ObA 93/08d).

Angesichts des erheblich höheren Einkommens der Ehefrau des Kl und der Aussicht, ein gleich hohes Einkommen wie bisher zu erzielen, ist die hier festgestellte Arbeitsplatzsuchdauer nicht geeignet, eine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nahezulegen: Dessen Einschätzung hält sich im Rahmen der Rsp und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.

Dass die Dauer der zu erwartenden Arbeitslosigkeit ab Ausspruch der Kündigung zu beurteilen wäre, wie die Revision vermeint, entspricht nicht der Rsp: Stichtag für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit (Konkretisierungszeitpunkt) ist der Zeitpunkt der durch die angefochtene Kündigung herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auf den die Vorinstanzen auch abgestellt haben. 103