Qualitätssicherung in der Lehrlingsausbildung anhand des Feststellungsverfahrens
Qualitätssicherung in der Lehrlingsausbildung anhand des Feststellungsverfahrens
Der Feststellungsbescheid nach § 3a BAG ist grundsätzlich als zeitlich unbefristeter individueller normativer Verwaltungsakt konzipiert. Demnach normiert das Berufsausbildungsgesetz (BAG) eine prinzipiell bis in alle Ewigkeit geltende Möglichkeit zur Ausbildung von Lehrlingen, solange ein Betrieb ein einziges Mal ein positives Feststellungsverfahren zu einem Lehrberuf durchlaufen hat. Auch wenn derartige Konstellationen überschaubar sind, lässt die Rechtsordnung in bestimmten Fällen ein Durchbrechen dieses Grundsatzes zu.
Das heute in Kraft stehende formale Feststellungsverfahren zur Überprüfung der Ausbildungsvoraussetzungen, vor der erstmaligen Ausbildung von Lehrlingen in einem Betrieb, wurde durch die BAG-Novelle 1978, BGBl 1978/232, und damit fast ein Jahrzehnt nach dem Inkrafttreten des BAG, BGBl 1969/142, in dessen Rechtsbestand aufgenommen. Seit nunmehr beinahe 50 Jahren hat die Gesetzgebung am Feststellungsverfahren keine bedeutenden qualitativen Nachschärfungen für notwendig erachtet. Lediglich mit der BAG-Novelle 2015, BGBl I 2015/78, vor etwa einem Jahrzehnt, entschied sich die Gesetzgebung dazu, ein neues formales Feststellungsverfahren für erforderlich zu erachten, wenn seit dem Beginn des Lehrverhältnisses des letzten Lehrvertrages mehr als zehn Jahre vergangen sind. Seither wurden von der Gesetzgebung keine weiteren Adaptierungen des § 3a BAG vorgenommen.
Bei einem Feststellungsverfahren nach § 3a BAG handelt es sich um ein formales Verwaltungsverfahren. Soweit das BAG für das Feststellungsverfahren selbst keine einschlägigen Verfahrensvorschriften enthält, sind dabei jene des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) anzuwenden. Zuständige Verwaltungsbehörde für ein konkretes Verfahren ist die bei den jeweiligen Wirtschaftskammern angesiedelte Lehrlingsstelle des jeweiligen Bundeslandes. Die Lehrlingsstellen haben dabei, trotz ihrer organisatorischen Zuordnung zur gesetzlichen Interessenvertretung der AG, als objektiv unabhängige Verwaltungsbehörden zu agieren und dabei interessenpolitische Überlegungen stets außer Acht zu lassen. Maßstab der Handlungen der Lehrlingsstellen sind die ihre Aufgaben determinierenden Rechtsnormen, insb des Verwaltungsrechts, wie das auch bei jeder anderen Verwaltungsbehörde der Fall ist.
Zweck des Verfahrens nach § 3a Abs 1 BAG ist die Feststellung, ob die Voraussetzungen nach § 2 Abs 6 BAG vorliegen, bevor erstmals ein Lehrling ausgebildet wird. Der Betrieb oder die Werkstätte muss dafür so eingerichtet und geführt werden, dass den Lehrlingen die für die praktische Erlernung im betreffenden Lehrberuf notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden können. Diese Ausbildungsinhalte 144 sind in den jeweiligen Ausbildungsordnungen (vgl § 8 BAG) festgelegt. Materiellrechtlicher Prüfungsmaßstab im Rahmen des formalen Feststellungsverfahrens ist somit immer eine konkrete Ausbildungsordnung des vom jeweiligen Feststellungsverfahren betroffenen Lehrberufes.
Sollte ein potenzieller Lehrbetrieb die nach den einschlägigen Ausbildungsvorschriften festgelegten Fertigkeiten und Kenntnisse nicht in vollem Umfang vermitteln können, ist das kein absolutes Hindernis zur Lehrausbildung im betreffenden Betrieb. Die Ausbildung von Lehrlingen ist trotz dieses Umstandes zulässig, wenn gem § 2a BAG eine ergänzende Ausbildung durch Ausbildungsmaßnahmen in einem anderen hierfür geeigneten Betrieb oder in einer anderen hierfür geeigneten Einrichtung erfolgt – wenn also jener Teil der Ausbildungsinhalte, die der für die Ausbildung in Frage kommende Lehrbetrieb nicht selbst vermitteln kann, anderweitig an die potenziellen Lehrlinge weitergegeben werden kann. Mindestvoraussetzung für die Zulässigkeit eines Ausbildungsverbundes nach § 2a Abs 1 BAG ist allerdings die Möglichkeit, die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst im Lehrbetrieb vermitteln zu können. Ob die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse überwiegend selbst im Lehrbetrieb vermittelt werden können, ist bei dieser Beurteilung jedoch nicht durch eine quantitative Zählung der entsprechenden Berufsbildinhalte zu ermitteln; vielmehr ist dieser Nachweis durch eine Bewertung und Abwägung sämtlicher Berufsbildpositionen des konkreten Lehrberufes im Verhältnis zu jenen Ausbildungsinhalten, welche im Lehrbetrieb vermittelt werden können, zu erbringen – es kommt hier also auf ein qualitatives Überwiegen an.1
Das grundsätzlich antragsbedürftige Feststellungsverfahren hat zu erfolgen, bevor in einem Betrieb erstmalig Lehrlinge in einem bestimmten Lehrberuf ausgebildet werden. Der Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides ist gem § 3 Z 2 AVG iVm § 3a Abs 3 BAG bei der für den Betrieb zuständigen Lehrlingsstelle einzubringen. Im Antrag muss konkret angeführt werden, für welchen Lehrberuf die Feststellung begehrt wird. Bei Lehrberufen, die schwerpunktmäßig auszubildende Fertigkeiten und Kenntnisse beinhalten, sind im Antrag die entsprechenden Schwerpunkte anzuführen, bei modularen Lehrberufen sind das Grundmodul und die entsprechenden Haupt- und Spezialmodule anzuführen.
Durch die Neufassung des § 3a Abs 1 BAG im Rahmen der BAG-Novelle 1993, BGBl 1993/23, wurde der Grundsatz der expliziten Antragstellung jedoch abgeschwächt. Sowohl aus dem Wortlaut des ersten Satzes des § 3a Abs 1 BAG als auch aus dem Normzweck des vorletzten Satzes des § 3a Abs 1 BAG ergibt sich, dass die Lehrlingsstelle auch dann ein Feststellungsverfahren einzuleiten hat, wenn Lehrverträge zur Eintragung angemeldet werden und kein erforderlicher Feststellungsbescheid nach § 3a BAG vorliegt. In diesem Falle impliziert die Vorlage der zur Eintragung angemeldeten Lehrverträge den Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens gem § 3a BAG.
Das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen nach § 2 Abs 6 BAG ist durch die zuständige Lehrlingsstelle zu prüfen. Durch den Verweis von § 3a Abs 1 BAG auf § 2 Abs 6 BAG ist der Maßstab für die Beurteilung der sachlichen Voraussetzungen das konkrete Berufsbild des betreffenden Lehrberufes. Das Bestehen einer Verordnung in Form einer Ausbildungsordnung, die das in Betracht kommende Berufsbild gem § 8 BAG enthält, ist daher Voraussetzung für die Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 3a BAG.2 Die Behörde hat nur jenen Sachverhalt zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen, der zum Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides vorliegt; dass die erforderlichen Voraussetzungen nach Erlassung des Feststellungsbescheides geschaffen werden, darf somit nicht Grundlage für einen positiven Feststellungsbescheid sein; solange die nach § 2 Abs 6 BAG notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen, haben sie bei der Feststellung nach § 3a Abs 1 BAG außer Betracht zu bleiben.3
Gem § 3a Abs 3 BAG ist vor der Erlassung eines Feststellungsbescheides durch die Lehrlingsstelle der gem § 3 Abs 3 AKG für das jeweilige Bundesland zuständigen Arbeiterkammer bei sonstiger Nichtigkeit Mitteilung zu machen und ihr Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu geben. Auf begründetes Ersuchen hat die Lehrlingsstelle diese Frist angemessen zu erstrecken. Entscheidend für die Gewährung einer Fristerstreckung ist somit einzig und allein der Umstand, dass die zuständige Arbeiterkammer zur Abgabe einer inhaltlichen Stellungnahme mehr Zeit als die im Gesetz normierten drei Wochen benötigt und es dafür einen Grund (welcher Art auch immer) gibt. Steht der von der Lehrlingsstelle in der Folge erlassene Feststellungsbescheid im Widerspruch zur Stellungnahme der Arbeiterkammer, steht dieser gegen den Bescheid das Recht der Beschwerde gem Art 130 B-VG und gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision gem Art 133 B-VG zu. Widerspricht der Feststellungsbescheid der Stellungnahme der Arbeiterkammer nicht bzw ergreift diese dagegen kein Rechtsmittel, erwächst der Feststellungsbescheid in Rechtskraft (sofern auch der vom Feststellungsbescheid betroffene Betrieb kein Rechtsmittel anmeldet).145
Im Falle der positiven Erledigung eines Feststellungsverfahrens nach § 3a BAG steht an dessen Ende ein grundsätzlich bis in alle Ewigkeit gültiger Feststellungsbescheid, dem jener Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, der zum Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides vorlag. Nicht berücksichtigt wird dabei, ob der künftige Fortschritt technischer und wissenschaftlicher Entwicklungen, der in der Praxis zu regelmäßigen Änderungen der Berufsbilder führt, im Betrieb entsprechend Berücksichtigung findet bzw ob der Betrieb, nach den Änderungen jenes Berufsbildes, das dem Feststellungsverfahren nach § 3a BAG zugrunde lag, das weiterentwickelte Berufsbild in der Lehrausbildung tatsächlich vermittelt. § 30 Abs 3 BAG legt zwar für die überbetriebliche Lehrausbildung fest, dass eine Bewilligung auf die erforderliche Dauer des Betriebes der Ausbildungseinrichtung zu befristen ist (wie das auch für den land- und forstwirtschaftlichen Bereich §§ 14 Abs 4 iVm 44 Abs 1 Z 15 und 44 Abs 2 Land- und forstwirtschaftliches Berufsausbildungsgesetz [LFBAG] 2024 vorsehen); eine vergleichbare Bestimmung über befristete Feststellungsbescheide für die betriebliche Ausbildung ist dem BAG allerdings fremd.4
Auch wenn der Feststellungsbescheid nach § 3a BAG in seiner Grundkonzeption unbefristet ist, gibt es dennoch Konstellationen, die dem Feststellungsbescheid seinen unbefristeten Charakter streitig machen (können).
Im Zuge der BAG-Novelle 2015, BGBl I 2015/78 , wurde als weiterer Beitrag zur Qualitätsunterstützung die Bestimmung des § 3a Abs 4 BAG aufgenommen, nach der ein neuerliches Feststellungsverfahren durchgeführt werden muss, wenn seit Beginn des ersten Tages des letzten Lehrverhältnisses mehr als zehn Jahre vergangen sind.5 Haben daher Lehrberechtigte diesen Zeitraum verstreichen lassen, ohne Lehrlinge auszubilden, so müssen sie wieder einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides bei der für den Betrieb zuständigen Lehrlingsstelle stellen und das gesamte Feststellungsverfahren muss erneut durchgeführt werden. Es handelt sich bei § 3a Abs 4 BAG um die einzige Bestimmung im BAG, die ein neues Feststellungsverfahren ausdrücklich normiert. Alle anderen Konstellationen, die ein neues Feststellungsverfahren nach sich ziehen, ergeben sich dagegen nur implizit aus dem Gesetz.
Wenn im Zuge der Überwachung der betrieblichen Ausbildung durch die Lehrlingsstelle (formlos) festgestellt wird, dass ein Betrieb nicht mehr den Anforderungen des § 2 Abs 6 BAG entspricht, und sich somit die dem ursprünglichen Feststellungsbescheid zugrunde gelegten Umstände dergestalt geändert haben, dass nunmehr ein Ausbildungsverbund einzurichten wäre, da die für die Ausbildung im entsprechenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse nicht mehr zur Gänze vermittelt werden können, hat die Lehrlingsstelle vor Eintragung der betreffenden Lehrverträge den Lehrberechtigten gem § 20 Abs 2 BAG aufzufordern, mit dem Lehrling Ausbildungsverbundmaßnahmen zu vereinbaren.
§ 20 Abs 2 BAG vermag keinen Ersatz für ein formales Feststellungsverfahren nach § 3a iVm § 2a BAG zu bewirken. § 20 Abs 2 BAG ermöglicht der Lehrlingsstelle nämlich lediglich, vor der Eintragung eines Lehrvertrages eines Betriebes, bei dem die Lehrlingsstelle im Zuge der Überwachung der betrieblichen Ausbildung gem § 19 Abs 3 BAG festgestellt hat, dass der Betrieb nicht mehr den Anforderungen des § 2 Abs 6 BAG entspricht, weil die für die Ausbildung im entsprechenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse nicht mehr zur Gänze vermittelt werden können, den:die Lehrberechtigte:n aufzufordern, mit dem Lehrling Ausbildungsverbundmaßnahmen gem § 2a BAG iSd § 12 Abs 4 BAG und sohin einzelvertraglich zu vereinbaren. Einzelvertragliche Vereinbarungen von Ausbildungsverbundmaßnahmen nach § 20 Abs 2 lS BAG können sich expressis verbis immer nur auf die Ebene des Individualarbeitsrechts beziehen, wodurch auch die Wirkung dieser individuellen Vereinbarungen auf diese Ebene begrenzt wird. Keinesfalls kann daraus eine Sanierung im Hinblick auf Ausbildungsverbundmaßnahmen für alle künftigen Lehrverhältnisse abgeleitet werden, da eine nachträgliche generelle bescheidmäßige Feststellung eines Ausbildungsverbundes für alle künftigen Lehrverträge eines Lehrbetriebes ausschließlich im Rahmen eines neuerlichen Feststellungsverfahrens gem § 3a BAG denkbar wäre, da § 2a Abs 2 BAG im Hinblick auf die generelle Festlegung eines Ausbildungsverbundes ausschließlich auf § 3a BAG abstellt. Außerhalb des Feststellungsverfahrens gem § 3a BAG wurde von der Gesetzgebung nämlich keine Möglichkeit zur (nachträglichen) bescheidmäßigen Feststellung eines Ausbildungsverbundes nach § 2a BAG vorgesehen. Die Aufforderung der Lehrlingsstelle nach § 20 Abs 2 BAG (und deren Entsprechen durch die Lehrvertragsparteien) ist somit keine bescheidmäßige Feststellung eines (generellen) Ausbildungsverbundes. Diese Regelung bezieht sich durch das Abstellen auf den Lehrvertrag mit einem 146bestimmten Lehrling immer nur auf den konkreten Einzelfall und ist deshalb nicht dazu geeignet, einen (zwischenzeitlich) materiellrechtlich mangelhaften Feststellungsbescheid gem § 3a BAG zu sanieren.
Wird somit ein Lehrvertrag angemeldet und von der Lehrlingsstelle festgestellt, dass der Betrieb nicht mehr den Anforderungen des § 2 Abs 6 BAG entspricht, da die für die Ausbildung im entsprechenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse nicht mehr zur Gänze vermittelt werden können und kommt es trotz Aufforderung der Lehrlingsstelle zu keiner einzelvertraglichen Vereinbarung von Ausbildungsmaßnahmen im Lehrvertrag, müsste die Lehrlingsstelle gem § 20 Abs 3 lit a BAG bzw gem § 20 Abs 3 lit i BAG die Eintragung des entsprechenden Lehrvertrages mittels Bescheid verweigern, weil die Ausbildung in einer solchen Konstellation gem § 2a Abs 1 BAG nicht zulässig wäre. Der Bescheid, mit dem die Eintragung verweigert wird, müsste in einem derartigen Fall aussprechen, dass im Zuge der Überwachung der betrieblichen Ausbildung gem § 19 Abs 3 BAG durch die Lehrlingsstelle festgestellt wurde, dass der entsprechende Betrieb nicht mehr den Anforderungen des § 2 Abs 6 BAG entspricht. Dadurch widerspricht dieser Bescheid dem früher erlassenen Feststellungsbescheid nach § 3a BAG. Der Bescheid gem § 20 Abs 3 BAG derogiert damit dem Bescheid gem § 3a BAG, da nach der stRsp des VwGH der später erlassene Bescheid dem früher erlassenen Bescheid derogiert, wenn zwei rechtswirksame Bescheide im Widerspruch stehen.6 Da im beschriebenen Fall zwei Bescheide über die idente Sache, nämlich über die Voraussetzungen nach § 2 Abs 6 BAG, in Widerspruch stehen, tritt der später erlassene Bescheid nach § 20 BAG zur Gänze an die Stelle des früheren Bescheides nach § 3a BAG und ersetzt diesen damit vollständig. Deshalb bedarf es auch in einer solchen Konstellation eines neuen Feststellungsverfahrens, sollte der Betrieb künftig Lehrverhältnisse begründen wollen.
Gem § 2 Abs 6a BAG, eingefügt durch die BAG-Novelle, BGBl I 2015/78, kann der paritätisch besetzte Landes-Berufsausbildungsbeirat (vgl § 31a BAG), als das die Lehrlingsstelle beratende Kollegialorgan, bei Vorliegen begründeter Hinweise, dass in einem Lehrbetrieb die Ausbildungsvoraussetzungen gem § 2 Abs 6 BAG gänzlich oder teilweise nicht mehr vorliegen, im Rahmen seiner Aufgaben zu Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der betrieblichen Ausbildung bei der Lehrlingsstelle eine Prüfung über das weitere Vorliegen der Voraussetzungen beantragen. Ein derartiger Antrag setzt Stimmeneinhelligkeit im Landes-Berufsausbildungsbeirat voraus. Auch wenn § 2 Abs 6a BAG lediglich von einer Beantragung durch den Landes-Berufsausbildungsbeirat spricht, wird sich die vom Beirat beratene Lehrlingsstelle aufgrund ihrer behördlichen Überwachungsverpflichtung gem § 19 Abs 3 BAG dem Antrag jedenfalls annehmen müssen. Wenn im Zuge der Überprüfung durch die Lehrlingsstelle festgestellt wird, dass die Ausbildungsvoraussetzungen nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt vorliegen, ist über dieses Ergebnis ein Bescheid auszustellen. Mit einem derartigen Bescheid wird somit festgestellt, dass die Ausbildungsvoraussetzungen gem § 2 Abs 6 BAG gänzlich oder teilweise nicht mehr vorliegen. Bevor ein Bescheid erlassen wird, ist der zuständigen Arbeiterkammer bei sonstiger Nichtigkeit Gelegenheit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zu geben. Ein Bescheid, der gem § 2 Abs 6a BAG feststellt, dass die Ausbildungsvoraussetzungen entweder gänzlich oder nicht mehr in vollem Umfang vorliegen, steht im Widerspruch zum Feststellungsbescheid nach § 3a BAG. Auch in dieser Konstellation derogiert somit der Feststellungsbescheid nach § 2 Abs 6a BAG dem Feststellungsbescheid nach § 3a BAG und tritt aufgrund der identen Sache (Voraussetzungen nach § 2 Abs 6 BAG) zur Gänze an dessen Stelle. Deshalb bedarf es auch in solchen Fällen eines neuen Feststellungsverfahrens, sollte der Betrieb künftig Lehrverhältnisse begründen wollen.
Die praktische Relevanz der eben beschriebenen denkbaren Varianten, die nach dem BAG zum Wegfall des Feststellungsbescheides nach § 3a BAG führen, ist leider sehr überschaubar. Eine tatsächliche Qualitätssicherung der Lehrausbildung könnte mE deshalb nur eine über die erstmalige Überprüfung des Betriebes hinausgehende standardisierte Überprüfungsverpflichtung der Voraussetzungen des § 2 Abs 6 BAG gewährleisten. Auch die Gesetzgebung selbst sieht das Feststellungsverfahren nach § 3a BAG lediglich als eine (wenn auch wesentliche) Eingangskontrolle zur Sicherstellung der Ausbildungsqualität für Unternehmen, die das erste Mal Lehrlinge in einem bestimmten Lehrberuf ausbilden wollen, an.7 Nur durch eine über diese Eingangskontrolle hinausgehende Kontrolle kann auch die in § 2 Abs 6 BAG erwähnte Führung des Betriebes im Hinblick auf die Ausbildung von Lehrlingen tatsächlich beurteilt werden. Nach der derzeitigen Rechtslage wird sich die Einrichtung eines Betriebes vor dem erstmaligen Ausbilden eines Lehrlings idR gut prüfen lassen. Dagegen ist jedoch die tatsächliche Führung eines Betriebes im Hinblick auf die Ausbildung von Lehrlingen vor dem erstmaligen Ausbilden von Lehrlingen faktisch unüberprüfbar. Eine Prüfung der Führung eines Betriebes hinsichtlich der Lehrausbildung zum Überprüfungszeitpunkt ist mangels tatsächlicher Lehrausbildung zu diesem Zeitpunkt schlichtweg unmöglich.147
Dass ein Betrieb nach dem Feststellungsverfahren nach § 3a BAG nach einer gewissen Zeit nicht noch einmal überprüft wird, erscheint der Qualitätssicherung und damit in weiterer Folge dem Wirtschaftsstandort nicht dienlich. Nur durch eine auf die Eingangskontrolle folgende Überprüfung ist es möglich, nicht nur darauf zu achten, ob der Betrieb dem Grundsatz nach geeignet ist, den künftig erst aufzunehmenden Lehrlingen das Berufsbild theoretisch zu vermitteln, sondern ob das in der Praxis dann auch tatsächlich geschieht.
Die aktuell bestehenden Möglichkeiten zum Wegfall einer einmal erteilten Ausbildungsberechtigung sind nach der derzeitigen Rechtslage faktisch begrenzt und im Verfahrensablauf zusätzlich ausgesprochen schwierig. Das umfasst nicht nur die hier beschriebenen Konstellationen, sondern auch das Verbot des Ausbildens von Lehrlingen gem § 4 BAG. Das ist auch der Grund, warum den im BAG normierten theoretischen Fällen zum Wegfall der Ausbildungsberechtigung eine ausgesprochen geringe praktische Bedeutung zukommt. Auch setzen diese Möglichkeiten Anlassfälle voraus, wodurch Überprüfungen von Betrieben, die keine qualitative Lehrausbildung vermitteln, ohne einen konkreten Anlassfall praktisch überhaupt nicht in Frage kommen. Daran vermag auch die in § 19 Abs 3 BAG normierte Überwachung der Ausbildung durch die Lehrlingsstellen nichts zu ändern. Sich darauf zu verlassen, dass es in jenen Betrieben keinen Handlungsbedarf gibt, in denen keine akuten Anlassfälle auftreten, würde mE eine gewagte Annahme darstellen. Demgegenüber unterliegen Berufsschulen aus gutem Grund einem Qualitätsmanagement. Es überzeugt nicht, ein vergleichbares Qualitätsmanagement im betrieblichen Kontext auszusparen. Denn Österreich nimmt sich damit die Möglichkeit, auf der betrieblichen Ebene einen wesentlichen Beitrag zu einer qualitativen Ausbildung zu leisten und damit die Wettbewerbsfähigkeit und den Wirtschaftsstandort abzusichern.
Wenn die Lehrausbildung stets ein gewisses qualitatives Mindestmaß aufweisen soll, erscheint es unerlässlich, dieses qualitative Mindestmaß durch regelmäßig wiederkehrende und vor allem auch flächendeckende Überprüfungen zu gewährleisten. Dabei ist sowohl die Notwendigkeit der Zurverfügungstellung der dafür benötigten Ressourcen als auch die Gewährleistung einer höchstmöglichen Verwaltungseffizienz zu beachten. Inhaltlich sollte nicht nur auf jenen formalen Prüfungsmaßstab Bezug genommen werden, der im erstmaligen Feststellungsverfahren herangezogen wird. Vielmehr gilt es bei einer flächendeckenden wiederkehrenden Überprüfung auch zu berücksichtigen, ob tatsächlich eine qualitative Lehrausbildung entsprechend den einschlägigen Bestimmungen stattfindet. Dieser Umstand ist nach der momentanen Rechtslage im ersten Feststellungsverfahren einer Überprüfung überhaupt nicht zugänglich. Denn nach der Grundkonzeption des § 3a BAG liegt zum Zeitpunkt der erstmaligen Prüfung der Betriebe noch kein einziges Lehrverhältnis vor. Die Annahme einer künftigen qualitativen Lehrausbildung kann deshalb bestenfalls eine wohlwollende Zukunftsprognose darstellen.
Ob eine Qualitätssicherung am besten durch bereits grundsätzlich befristete Feststellungsbescheide, wie sie bei überbetrieblichen Lehrausbildungen bereits existieren, oder spätere Überprüfungen erreicht werden kann, ist eine Frage, die von der Gesetzgebung eingehend überlegt und danach zügig umgesetzt werden sollte. Nur so kann es gelingen, die Qualität der Lehrausbildung breitenwirksam abzusichern und dadurch auch einen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfes und zur Absicherung des Wirtschaftsstandortes zu leisten. Denn nach beinahe 50 Jahren hat sich § 3a BAG mE eine tatsächliche Reform hin zur Absicherung einer qualitativen Lehrausbildung redlich verdient.