59Kein Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bei einem 14-Tage übersteigenden Krankengeldbezug
Kein Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bei einem 14-Tage übersteigenden Krankengeldbezug
Gegenstand des Verfahrens war der Anspruch der Kl auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Vor der Geburt des Kindes am 3.3.2022 befand sie sich ab 20.7.2021 im Krankenstand und bezog in der Zeit von 7.10. bis 3.11.2021 volles Krankengeld. Ab 4.11.2021 bezog sie aufgrund eines individuellen Beschäftigungsverbots Wochengeld.
Die Bekl gewährte der Kl lediglich Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens (Sonderleistung) gem § 24d Abs 2 KBGG iHv von € 33,- täglich. Die Vorinstanzen wiesen die auf Gewährung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in Höhe des § 24a KBGG gerichtete Klage mit der Begründung ab, dass die Kl im Beobachtungszeitraum des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG nicht durchgehend erwerbstätig gewesen sei, weil die Zeit des vollen Krankengeldbezugs der tatsächlichen Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nicht gleichgestellt sei. In ihrer außerordentlichen Revision zeigte die Kl keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.
Zur Beurteilung, ob eine „tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit“ vorliegt, kommt es nach § 24 Abs 2 KBGG darauf an, ob eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, die der Pflichtversicherung in der KV und PV unterlag. Maßgeblich ist daher nicht eine Erwerbsabsicht oder ein Lohnsteuerabzug, sondern ob aufgrund der Tätigkeit Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden mussten. Daher stellt der Krankengeldbezug ohne Entgeltfortzahlungspflicht – aufgrund des Erlöschens der Pflichtversicherung gem § 11 Abs 1 Satz 2 ASVG – keine tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit dar.
Die Kl argumentierte, dass ihr Krankenstand medizinisch einem Beschäftigungsverbot entsprochen habe, sowie, dass das Abstellen auf eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit von höchstens 14 Tagen unsachlich sei und die Verweigerung der Gleichstellung von Zeiten eines Krankengeldbezugs ohne Entgeltfortzahlung angesichts Art 11 Abs 2 VO (EG) 883/2004 inländerdiskriminierend sei. Der OGH führte dazu aus, dass gem § 3 Abs 3 Satz 1 MSchG ein individuelles Beschäftigungsverbot erst dann besteht, wenn nach einem fachärztlichen Zeugnis das Leben oder die Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind. Daher ist das individuelle Beschäftigungsverbot an den Nachweis einer sonstigen Gefährdung von Mutter und Kind geknüpft und wird demgemäß erst mit Vorlage des Zeugnisses nach § 3 MSchG wirksam.
Der Ansicht, wonach es unsachlich sei, nur auf die letzten 182 Tage vor Beginn des Beschäftigungsverbots abzustellen und auszublenden, dass die Kl seit April 2012 ohne Unterbrechung beschäftigt gewesen sei, hält der OGH entgegen, dass es dem Gesetzgeber freisteht, den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld von einer durchgehenden Erwerbstätigkeit während eines bestimmten Zeitraums vor der Geburt oder des Beginns des Beschäftigungsverbots abhängig zu machen. Ihre subjektive Auffassung, es sei nicht sachgerecht, die Frist des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG auf sie anzuwenden, rechtfertigt 127 es nicht, rechtsfortbildend einen Regelungsinhalt zu schaffen, dessen Herbeiführung allein dem Gesetzgeber obläge.
Die Kl erkennt richtig, dass Art 11 Abs 2 VO 883/2004 einen Kernbereich des unionsrechtlichen Begriffs der Beschäftigung darstellt. Beim Bezug von Leistungen, die darunter zu subsumieren sind, ist daher unabhängig von der nationalen Systematik von der Ausübung einer Beschäftigung auszugehen. Aus diesem Grund qualifiziert der OGH den Bezug von Krankengeld ohne Entgeltfortzahlung – abweichend von der Beurteilung nach § 24 Abs 2 KBGG – als Beschäftigung iSd Art 11 Abs 2 VO (EG) 883/2004. Es wird vom OGH aber stets betont, dass das nur für die kollisionsrechtliche Beurteilung der Leistungszuständigkeit Österreichs nach der VO 883/2004 gilt. Die Anspruchsvoraussetzungen für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld werden davon nicht berührt. Auch wenn Zeiten des Krankengeldbezugs ohne Entgeltfortzahlung als Beschäftigung iSd Art 11 Abs 2 VO (EG) 883/2004 zu werten sind, gelten sie deswegen noch nicht als gleichgestellte Zeiten iSd § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG. Dauert der Krankengeldbezug daher mehr als 14 Tage, kann der betroffene Elternteil in Österreich nur pauschales Kinderbetreuungsgeld oder die Sonderleistung nach § 24d KBGG beziehen. Die Annahme einer Inländerdiskriminierung trifft nicht zu. 128