38Sittenwidrige Überwälzung des Entgeltrisikos auf Insolvenz-Entgeltfonds – kein Anspruch auf Insolvenz-Entgelt
Sittenwidrige Überwälzung des Entgeltrisikos auf Insolvenz-Entgeltfonds – kein Anspruch auf Insolvenz-Entgelt
Die Kl war von 21.9.2020 bis 3.5.2023 bei einer Gesellschaft beschäftigt, über deren Vermögen am 28.4.2023 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft war der (damalige) Ehegatte der Kl. Aufgrund ihrer administrativen Tätigkeiten hatte die Kl den Überblick über einlangende Rechnungen und die Auftragslage des Unternehmens. Ab Jänner 2022 erhielt sie keine regelmäßigen Entgeltzahlungen mehr. Stattdessen wurden nur noch kleine Teilbeträge ausbezahlt. Im Anschluss an eine Steuerprüfung im April 2022 versicherte ihr der Geschäftsführer im Rahmen einer schriftlichen Vereinbarung, dass Anträge bei der COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) anhängig seien und er die ausständigen Lohnforderungen begleichen werde, sobald die Corona-Hilfen ausbezahlt seien. Dies erfolgte jedoch auch nach einer neuerlichen Steuerprüfung im September/Oktober 2022 nicht. Die Kl meldete ihre Forderungen sowohl im Insolvenzverfahren als auch bei der bekl IEF-Service GmbH an. Die Bekl lehnte das von der Kl beantragte Insolvenz-Entgelt ab.
Nach den Feststellungen des Erstgerichts hielt es die Kl für möglich und fand sich damit ab, dass ihre AG nicht mehr in der Lage sein werde, ihre Ansprüche zu befriedigen und das Risiko der Einbringlichkeit der Ansprüche durch ihr Zuwarten auf die bekl IEF-Service GmbH abgewälzt wird.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Kl selbst zuvor Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer Gesellschaft war, die 2016 und 2018 insolvent geworden war. Dieser Umstand indiziert aus der Sicht des Gerichts, dass der Kl die Systematik der Insolvenz-Entgeltsicherung bereits bekannt war.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach diese Sachverhaltsfeststellungen iS eines bedingten Vorsatzes zu verstehen und auf das Vorliegen von Rechtsmissbrauch zu schließen ist, ist nach Ansicht des OGH auch dann nicht zu beanstanden, wenn man – wie in der Revision gefordert – die „besonderen Umstände der Coronakrise“, insb die Arbeitsmarktlage und die damit erschwerte Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, in den Fremdvergleich miteinbezieht. Die Entscheidung der Vorinstanzen war daher nicht zu korrigieren und die außerordentliche Revision der Kl zurückzuweisen.