48Kein Ruhen des Leistungsanspruches während des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung aus einem geringfügigen, nicht anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnis
Kein Ruhen des Leistungsanspruches während des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung aus einem geringfügigen, nicht anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnis
Die Beschwerdeführerin steht seit 6.7.2019 mit Unterbrechungen durch Krankengeldbezüge im Notstandshilfebezug. Von 15.11.2014 bis 31.1.2024 war sie bei der Firma R geringfügig beschäftigt. Von 1.2. bis 11.7.2024 erhielt sie eine Urlaubsersatzleistung. Beim Dachverband der Sozialversicherungsträger ist für die Monate Juni 2024 ein Entgelt in Höhe von € 506,28 und im Monat Juli 2024 ein Entgelt in Höhe von € 185,51 gespeichert. Mit Bescheid vom 7.8.2024 sprach das Arbeitsmarktservice (AMS) aus, dass die Beschwerdeführerin für den Zeitraum 19.6 bis 11.7.2024 gem § 16 Abs 1 lit l iVm § 38 AlVG keine Notstandshilfe erhalte, da der Anspruch aufgrund des Anspruchs auf Urlaubsersatzleistung ruhe. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und brachte vor, dass es sich bei der Urlaubsersatzleistung um ein Entgelt handle, das die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreite. Der Ruhenstatbestand des § 16 AlVG sei daher nicht anwendbar.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 2.8.2024 wies das AMS die Beschwerde als unbegründet ab. § 16 Abs 1 lit l AlVG gelte nach dem Wortlaut auch bei Urlaubsersatz aus einer geringfügigen Beschäftigung. Der Gesetzgeber habe die Frage des Leistungsbezugs während einer Urlaubsersatzleistung nicht über die Definition der Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) gelöst, also nicht generell an die Dauer der Pflichtversicherung angeknüpft, somit sei in der Gesamtsystematik bei Urlaubsersatz immer ein Ruhen angeordnet.
Das BVwG gab der Beschwerde statt. Die derzeitige Rechtslage in Österreich gestatte es, neben dem Bezug von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe eine geringfügige Beschäftigung auszuüben. Bedenke man, dass eine Konsumation des vorhandenen Urlaubs während einer geringfügigen Beschäftigung den Bezug von Notstandshilfe nicht berühre, dann könne auch für den Bezug einer Urlaubsersatzleistung nichts anderes gelten. Es käme sonst zu einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung gegenüber Personen, die ihren Urlaub zur Gänze während eines aufrechten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses verbrauchten. Die ordentliche Revision gem Art 133 Abs 4 B-VG wurde nicht zugelassen.
Das AMS brachte dagegen eine Amtsrevision ein und begründete diese damit, dass Rsp des VwGH zur Frage der Anwendbarkeit des § 16 Abs 1 lit l AlVG auf Urlaubsersatzleistungen aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen fehle. Der VwGH 109 erklärt die Revision für zulässig, aber nicht für berechtigt und führte dazu aus:
Richtig ist, dass der Wortlaut des § 16 Abs 1 lit l AlVG Urlaubsersatzleistungen aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nicht ausschließt. § 16 Abs 4 AlVG, der diesen Ruhenstatbestand näher regelt, knüpft allerdings an das Ende des „anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnisses“ an. Ein anspruchsbegründendes Beschäftigungsverhältnis konnte bis 31.3.2024 nur ein nicht nur geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sein. Mit Wirkung vom 1.4.2024 hat der VwGH aber die Wortfolge „Abs. 2“ in § 1 Abs 4 AlVG (betreffend die Abgrenzung des Kreises der in der AlV Pflichtversicherten) aufgehoben (vgl VfGH 6.3.2023, G 296/2022). Diese Aufhebung hat dazu geführt, dass nun alle DN, die aus einer oder mehreren Beschäftigung(en) ein Entgelt erzielen, das die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 ASVG übersteigt, gem § 1 Abs 1 lit a AlVG arbeitslosenversichert sind. Die Pflichtversicherung in der AlV besteht also auch für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, wenn das daraus zustehende Entgelt zusammen mit dem Entgelt aus weiteren (geringfügigen oder vollversicherten) Beschäftigungsverhältnissen über der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Das bedeutet, dass nun auch aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis (wenn auch nicht für sich allein) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld resultieren kann. Es stellt sich also die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis anspruchsbegründend iSd § 16 Abs 4 AlVG ist.
Fest steht, dass das Ruhen gem § 16 Abs 1 lit l iVm Abs 4 AlVG nicht immer dann eintritt, wenn ein der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegendes geringfügiges Beschäftigungsverhältnis beendet und daraus eine Urlaubsersatzleistung bezogen wird. Sind daneben noch ein oder mehrere andere Beschäftigungsverhältnisse aufrecht, aus denen (insgesamt) ein Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt wird, besteht nämlich auf Grund des § 12 Abs 1 AlVG mangels Arbeitslosigkeit noch kein Anspruch, der ruhen könnte. Der Leistungsanspruch wird nur begründet – um in der Folge während des Bezugs der Urlaubsersatzleistung zu ruhen –, wenn die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dazu führt, dass insgesamt kein Entgeltanspruch über der Geringfügigkeitsgrenze mehr besteht (vgl VwGH 19.11.2024, Ra 2024/08/0103).
Als „anspruchsbegründendes“ Beschäftigungsverhältnis iSd § 16 Abs 4 AlVG ist also jenes zu verstehen, dessen Beendigung gem § 12 AlVG die Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe herbeigeführt hat. Wird in der Folge ein daneben zunächst noch aufrechtes oder während der Arbeitslosigkeit aufgenommenes (weiteres) geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (§ 12 Abs 6 lit a AlVG) beendet und auf Grund dessen eine Urlaubsersatzleistung bezogen, so führt dies – da es sich nicht um ein anspruchsbegründendes Beschäftigungsverhältnis iSd § 16 Abs 4 AlVG handelt – nicht zum Ruhen des Anspruchs. Dafür sprechen auch teleologische Überlegungen: Zweck des Ruhenstatbestandes ist nämlich ausweislich der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (282 BlgNR 17. GP 8) die Vermeidung einer „nicht vertretbaren Doppelversorgung“. Zu einer solchen nicht vertretbaren Doppelversorgung kommt es aber jedenfalls dann nicht, wenn die Urlaubsersatzleistung weder allein noch zusammen mit einer noch aufrechten Beschäftigung die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, werden doch Bezüge bis zu dieser Höhe neben Leistungen der AlV in der Systematik des AlVG generell nicht als schädlich angesehen. Es erschiene auch grob unsachlich, den Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe neben einer aufrechten geringfügigen Beschäftigung zu ermöglichen, den Anspruch aber bei Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses und Bezug einer Urlaubsersatzleistung – also letztlich für den Zeitraum des während der aufrechten Beschäftigung nicht konsumierten Urlaubs – ruhen zu lassen.
Da sich nach diesen Grundsätzen nicht ergibt, dass das geringfügige Beschäftigungsverhältnis der schon jahrelang im Bezug von Notstandshilfe stehenden Mitbeteiligten anspruchsbegründend iSd § 16 Abs 4 AlVG war, indem seine Beendigung die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, hat die auf Grund dieses Beschäftigungsverhältnisses bezogene Urlaubsersatzleistung nicht das Ruhen des Anspruchs auf Notstandshilfe bewirkt.