BorhoEntgeltsicherung bei Kurzarbeit in Fällen alternativer Kausalität
Nomos Verlag, Baden-Baden 2023, 371 Seiten, broschiert, € 109,–
BorhoEntgeltsicherung bei Kurzarbeit in Fällen alternativer Kausalität
Bei dem zu besprechenden Buch handelt es sich um eine Dissertation, die an der Universität Konstanz angenommen und im Nomos Verlag veröffentlicht wurde. Thematisch hat das Werk die Kurzarbeit und das deutsche Kurzarbeitergeld zum Gegenstand und liegt somit insb in Anbetracht der dieser Materie durch Covid-19 wiederverliehenen Relevanz am Puls der Zeit. Untersuchungsgegenstand und zentrale Aufgabe ist die Beantwortung der Frage, wie mit dem Zusammentreffen von Kurzarbeit mit anderen Ursachen des Arbeitsausfalls umzugehen ist und wie sich solche Kollisionsfälle auf die Vergütungs(ersatz)ansprüche des AN auswirken.
Vorauszuschicken ist, dass sich die relevanten Rechtsgrundlagen zur Kurzarbeit und dem Kurzarbeitergeld im deutschen Recht in systematischer Hinsicht, aber auch materiellrechtlich (zT signifikant) von den entsprechenden österreichischen Bestimmungen unterscheiden. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass das deutsche Recht als Anspruchsvor 74 aussetzung für das Kurzarbeitergeld (in Österreich Kurzarbeitsbeihilfe) keine Einbindung der Sozialpartner in Form einer Sozialpartnervereinbarung iSd § 37b Abs 1 Z 3 AMSG vorsieht. Hinzuweisen ist auch auf den Umstand, dass in Deutschland der AN die Anspruchslegitimation hinsichtlich des Kurzarbeitergeldes inne hat, während der AN nach österreichischem Recht bereits durch die vom AG zu leistende Kurzarbeiterunterstützung vermögenstechnisch abgesichert wird und es in weiterer Folge dem AG obliegt, sich als Anspruchsberechtigter um die Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe zu bemühen.
aussetzung für das Kurzarbeitergeld (in Österreich Kurzarbeitsbeihilfe) keine Einbindung der Sozialpartner in Form einer Sozialpartnervereinbarung iSd § 37b Abs 1 Z 3 AMSG vorsieht. Hinzuweisen ist auch auf den Umstand, dass in Deutschland der AN die Anspruchslegitimation hinsichtlich des Kurzarbeitergeldes inne hat, während der AN nach österreichischem Recht bereits durch die vom AG zu leistende Kurzarbeiterunterstützung vermögenstechnisch abgesichert wird und es in weiterer Folge dem AG obliegt, sich als Anspruchsberechtigter um die Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe zu bemühen.
Im Hauptteil des Werks, Teil 3, wird analysiert, wie sich die Kurzarbeit zu anderen Ursachen des Arbeitsausfalls verhält. Bearbeitet werden folgende Kollisionsfälle: A. Kurzarbeit an gesetzlichen Feiertagen, B. Kurzarbeit im Krankheitsfall, C. Kurzarbeit an gesetzlichen Feiertagen im Krankheitsfall, D. Kurzarbeit während Infektionsschutzmaßnahmen, E. Kurzarbeit und Mutterschutz, F. Kurzarbeit und gesetzlicher Mindesturlaub, G. Kurzarbeit bei vorübergehender Verhinderung. Damit sind die relevantesten Ursachen des Arbeitsausfalls abgeabgedeckt. Die Untersuchung folgt in allen Teilkapiteln des Hauptteils im Wesentlichen demselben Muster. Zunächst werden die Grundzüge der mit Kurzarbeit kollidierenden Ursache des Arbeitsausfalls, respektive deren gesetzlicher Tatbestand sowie die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen dargestellt. Im zweiten Schritt geht der Autor auf die Fragen ein, wie sich die Kollision auf die Ansprüche dem Grunde nach und auf deren Höhe auswirkt. Dabei wird der bestehende Meinungsstand in Literatur und Rsp ausführlich dargelegt. Im dritten Schritt werden Systemwidrigkeiten und Verfehlungen de lege lata offengelegt und Möglichkeiten der interessengerechten Ausgestaltung des Kollisionsfalls de lege ferenda aufgezeigt. Eine umfangreiche Darstellung des gesamten Inhalts würde den Rahmen dieses Formats zweifellos sprengen, weshalb im Folgenden beispielhaft eine Fallkonstellation – das Zusammentreffen von Kurzarbeit und Mindesturlaub – näher dargestellt werden soll.
Zunächst muss der im deutschen Recht herrschende Monokausalitätsgrundsatz, iS dessen der vom Gesetz erfasste Grund die alleinige Ursache des Arbeitsausfalls sein muss, um die Rechtsfolge auszulösen, überwunden werden, was Borho auch gelingt (S 155 ff). Kurzarbeit und Urlaub sind vielmehr alternativ kausal für den Arbeitsentfall, können nebeneinander bestehen und schließen einander nicht aus. Entfällt die Arbeitspflicht für denselben Zeitraum einerseits aufgrund von Kurzarbeit und andererseits aufgrund von Urlaub, liegt ein Kollisionsfall vor, den es aufzulösen gilt. Zu unterscheiden sind dabei jene Fälle, in denen sich Urlaub mit Kurzarbeitsphasen überschneidet, in denen die Arbeitszeit null beträgt und Kurzarbeitsphasen, in denen eine Restarbeitszeit verbleibt.
Hinsichtlich des ersten Falls räumt die Rsp und hM der Kurzarbeit Vorrang ein, da der AN nur an solchen Tagen Urlaub konsumieren könne, an denen er ohne die Freistellung tatsächlich arbeiten müsste. Durch Kurzarbeit ohne Restarbeitszeit würde der Leistungserfolg, die urlaubsbedingte Freistellung, somit verunmöglicht werden. Nach Borho ist diese Ansicht, die er als (zur Auflösung des Problems nicht geeignete) Ausformung des Monokausalitätsgrundsatzes identifiziert, abzulehnen. Borho zustimmend kann der obigen Ansicht auch vor dem Hintergrund des § 96 Abs 1 Z 3 SGB III, welcher vorsieht, dass Kurzarbeitergeld nur dann zu gewähren ist, wenn der Arbeitsausfall nicht vermeidbar ist, nicht gefolgt werden, weil im Ergebnis durch Ausschluss der Möglichkeit der Urlaubsgewährung bei Kurzarbeit die Voraussetzung der Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls zu Lasten der AlV ausgehebelt wäre.
Nicht anders wäre die Situation mE nach österreichischem Recht zu beurteilen, da auch § 37b Abs 1 Z 2 letzter TS AMSG verlangt, dass keine andere Lösungsmöglichkeit für die Beschäftigungsschwierigkeit gefunden werden kann. Dass insb der Abbau von Urlaubsansprüchen eine alternative Lösungsmöglichkeit darstellt – der AG sich somit zu bemühen hat, Urlaubsvereinbarungen abzuschließen, um Zeiten mangelnder Beschäftigungsmöglichkeiten zu überbrücken –, bestätigt nicht zuletzt auch die AMS-Bundesrichtlinie zur Kurzarbeitsbeihilfe vom 1.10.2023 (S 8). Kann der AG nicht nachweisen, dass er sich ernstlich um die Vereinbarung von Urlaub bemüht hat, riskiert er die Ablehnung eines Antrags auf Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfe. Verneint man somit die Möglichkeit zur Urlaubsgewährung in Kurzarbeitsphasen, 75 wird die Rechtsfolge der genannten Bestimmungen konterkariert. Letztlich ist somit im Kollisionsfall dem Urlaub Vorrang einzuräumen, wobei hinzunehmen ist, dass bei Urlaub das volle Urlaubsentgelt zu entrichten ist und die Entlastungswirkung der Kurzarbeit somit temporär entfällt.
Eine unnötige Verkomplizierung des Problems für die Kurzarbeitsphasen, in denen eine Restarbeitszeit bestehen bleibt, verhindert Borho unter Rückgriff auf den gefestigten Meinungsstand in Deutschland, dass Urlaub tageweise zu gewähren ist und die Vereinbarung von halbtägigem oder stundenweisem Urlaub nicht möglich ist. Im Ergebnis spielt es somit keine Rolle, ob für den betreffenden Tag eine Restarbeitszeit zu leisten gewesen wäre, da bei Überschneidung mit Urlaub ohnehin der ganze Tag als Urlaubstag zu werten ist. Den Autor in Anbetracht der – soweit ersichtlich – eindeutigen Rechtslage in Deutschland selbstverständlich freisprechend, wäre aber gerade das Verhältnis zwischen teilweisem Entfall der Arbeitspflicht aufgrund Kurzarbeit und dem halbtägigen bzw stundenweisen Urlaubskonsum sowie eine Erörterung der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen für das österreichische Publikum uU von Interesse gewesen, da – wenn auch vom Gesetz abweichend – gewichtige Stimmen in der Literatur nicht nur den (ebenso gesetzlich nicht vorgesehenen) tageweisen, sondern auch den halbtägigen und stundenweisen Urlaubsverbrauch unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig ansehen.
Sich an diese Themen aus Sicht des österreichischen Rechts rechtsvergleichend heranzuwagen, bedarf freilich einiges an Muße und Mut, zumal die der Arbeit gegenständliche Diskussion weder in der österreichischen Rsp noch in der Literatur angekommen ist. Dessen ungeachtet vermag das Werk auch der österreichischen Leserschaft Denkanstöße und wertvolle Einblicke über den Tellerrand zu geben. Zuletzt bleibt übrig, dem Autor uneingeschränktes Lob für die außerordentlich gut gelungene Arbeit auszusprechen und das Werk allen Interessierten zu empfehlen.