54Berufsschutz auch bei qualifizierter Tätigkeit als freie Dienstnehmerin
Berufsschutz auch bei qualifizierter Tätigkeit als freie Dienstnehmerin
Für die Beurteilung des Berufsschutzes kommt es auf die vertragliche Grundlage von Tätigkeiten, die die Pflichtversicherung nach dem ASVG begründen, nicht an. Maßgeblich ist bloß, ob die jeweilige Tätigkeit inhaltlich eine qualifizierte Tätigkeit iSd § 273 Abs 1 oder § 255 Abs 1 ASVG darstellt.
Der Begriff des Angestellten ist nicht allein aus § 273 Abs 1 ASVG zu gewinnen. Voraussetzung für den Berufsschutz als Angestellte ist nur, dass Tätigkeiten iSd § 1 Abs 1 AngG verrichtet wurden.
Wenn § 4 Abs 4 ASVG die dort definierten „dienstnehmerähnlichen“ freien DN den DN gleichstellt, lässt sich daraus keine bloß partielle, auf das Versicherungsverhältnis bzw das Beitragsrecht beschränkte Gleichstellung ableiten. § 4 Abs 4 ASVG ordnet die umfassende Gleichstellung freier DN an, was auch das Leistungsrecht umfasst.
[...]
[2] Die Kl hat den ersten Studienabschnitt des Lehramtsstudiums für Bildnerische Erziehung an höheren Schulen abgeschlossen und mehrere Lehrgänge im Bereich der Kinder- und Behindertenbetreuung sowie (Sozial-)Pädagogik absolviert. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag war sie als sozialpädagogische (Einzel-)Betreuerin tätig und hat dabei in der PV-Pflichtversicherung der Angestellten insgesamt 142 Beitragsmonate erworben. Ihre Tätigkeit übte sie zunächst 16 Monate lang in einem Angestelltenverhältnis und dann 113 in einem freien Dienstverhältnis aus. In den letzten 13 Monaten war sie wieder in einem Angestelltenverhältnis tätig und in der Verwendungsgruppe 7 des KollV der Sozialwirtschaft Österreichs (SWÖ-KV) eingestuft.
[3] Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ist die Kl nicht mehr in der Lage, ihren Beruf als Sozialpädagogin weiter auszuüben. Sie ist auch nicht mehr für Tätigkeiten der Verwendungsgruppen 6 oder 5, sondern nur noch für Tätigkeiten der Verwendungsgruppe 4 des SWÖ-KV, wie etwa als Bürokraft, Rezeptionistin, Kontierungskraft oder Lern- und Freizeitbetreuerin, einsetzbar.
[4] Mit Bescheid vom 15.7.2022 wies die bekl Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Kl auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension ab.
[5] Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrt die Kl (erkennbar), ihr die Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. [...] Sie brachte vor, dass es für das Erlangen des Berufsschutzes ausschließlich auf den Inhalt der Tätigkeit und nicht darauf ankomme, in welcher Rechtsform diese ausgeübt werde. Das zeige schon § 4 Abs 4 ASVG, der freie DN den DN gleichstelle.
[6] Die Bekl hielt dem entgegen, die Kl sei überwiegend als freie DN und daher nicht als Angestellte iSd § 273 Abs 1 ASVG tätig gewesen, weshalb sie keinen Berufsschutz genieße. Eine analoge Anwendung des § 273 Abs 1 ASVG auf freie DN scheide mangels einer (planwidrigen) Lücke aus.
[7] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl [...] Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Auch wenn sich aus § 4 Abs 4 ASVG nicht ergebe, worauf sich die Gleichstellung von freien DN mit DN beziehe, sprächen mehr Argumente dafür, solche Tätigkeiten bei der Prüfung des Berufsschutzes zu berücksichtigen: Neben dem Umstand, dass § 255 Abs 1 ASVG von „Tätigkeiten“ in einem erlernten (angelernten) Beruf spreche, sollte mit § 4 Abs 4 ASVG gerade der „Flucht aus der Sozialversicherung“ entgegengewirkt werden, was für eine umfassende und nicht bloß eine beitragsrechtliche Gleichstellung spreche. Zudem nehme das ASVG eine ausdrückliche Zuordnung freier DN zur PV der Arbeiter oder der Angestellten nicht vor. Dies könne nur in der Existenz des § 14 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz ASVG begründet sein. Der Gesetzgeber habe freie DN den DN als derart ähnlich angesehen, dass er eine spezielle Regelung als entbehrlich erachtet habe. Auch das lege eine gleiche Behandlung im Leistungsrecht nahe. Für die Auffassung der Bekl spreche nur, dass eine Tätigkeit als freier DN mit Freiheiten (zB Arbeitszeit) verbunden sei, die in einem „echten“ Dienstverhältnis ein besonderes Entgegenkommen des DG erforderten, was einem Berufsschutz an sich entgegenstehe. Insgesamt würden die für die Berücksichtigung von Tätigkeiten im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses sprechenden Argumente aber überwiegen. Obwohl die Kl somit Berufsschutz iSd § 273 Abs 1549 ASVG genieße, sei die Sache nicht entscheidungsreif [...].
[9] Den Rekurs ließ das Berufungsgericht zu, weil keine höchstgerichtliche Rsp zu den Fragen vorliege, ob Tätigkeiten, die in Pflichtversicherungsmonaten aufgrund von freien Dienstverhältnissen erbracht wurden, im Zusammenhang mit § 273 Abs 1 (bzw § 255 Abs 2) ASVG zu berücksichtigen seien und gegebenenfalls welche Auswirkungen dies auf die in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten habe. [...]
[12] Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
[13] 1. Die Bekl zieht nicht in Zweifel, dass die Kl stets dieselbe Erwerbstätigkeit (Sozialpädagogin) in unterschiedlichen Rechtsformen (freier Dienstvertrag; Dienstvertrag) ausgeübt hat. Sie stellt auch nicht in Frage, dass es sich dabei inhaltlich um eine Angestelltentätigkeit handelte (vgl RS0027992), die der Pflichtversicherung in der PV der Angestellten unterlag (§ 14 Abs 1 Z 1 ASVG), und der Anspruch der Kl daher nach § 273 ASVG zu beurteilen ist. Darauf aufbauend ist unstrittig, dass die Kl dann Berufsschutz genießt, wenn sie während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte (oder nach § 255 Abs 1 ASVG) ausgeübt hat (§ 273 Abs 1 ASVG).
[14] Die Bekl vertritt im Rekurs jedoch weiterhin den Standpunkt, dass die Kl diese Voraussetzung nicht erfülle, weil sie überwiegend als freie DN tätig gewesen sei. Die in § 273 Abs 1 ASVG geforderte Tätigkeit „als Angestellte/r
“ liege nach § 1 Abs 1 und § 2 Abs 1 AngG nämlich nur bei Personen vor, die „angestellt sind
“, was auf freie DN nicht zutreffe. Diese Ansicht werde auch durch § 4 Abs 4 ASVG gestützt, der keinen eigenständigen Regelungsinhalt mehr hätte, wenn für freie DN nicht nur das Beitrags-, sondern auch das Leistungsrecht der DN (§ 4 Abs 2 ASVG) gälte. Eine generelle Gleichstellung von Tätigkeiten iSd § 4 Abs 4 ASVG mit Angestelltentätigkeiten sei vom Gesetz nicht intendiert.
[15] 2. Dem ist nicht zu folgen, weil der Begriff des Angestellten nicht allein aus § 273 Abs 1 ASVG gewonnen werden kann.
[16] 2.1. Der OGH hat bereits in seiner E 10 ObS 330/88 darauf verwiesen, dass mit Blick auf § 14 Abs 1 Z 1 und 2 ASVG der Angestelltenbegriff im Sozialversicherungsrecht tätigkeitsbezogen ist, sich also nicht nach der Bezeichnung der Tätigkeit oder der Vereinbarung der Parteien des Beschäftigungsverhältnisses richtet (RS0083738; RS0083723; so auch Felten in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 14 ASVG Rz 3; Sonntag in Sonntag, ASVG14 § 14 Rz 1; vgl RS0084342 und RS0083709). Demgemäß prüft der OGH ausschließlich anhand des Inhalts der verrichteten Tätigkeit, welchem Versicherungszweig sie zuzuordnen ist (RS0084342 [T4, T6]; RS0083723 [T2]) und ob nach den insofern relevanten Bestimmungen Berufsschutz besteht (10 ObS 199/21v; 10 ObS 182/21v ua). Voraussetzung für den Berufsschutz als Angestellter ist somit nur, dass Tätigkeiten iSd § 1 Abs 1 AngG verrichtet wurden (RS0084837 [T4]; Födermayr in Mosler/Müller/Pfeil § 273 ASVG Rz 2; Sonntag in Sonntag § 273 Rz 1 ua).
[17] 2.2. Wenn die Bekl daher selbst davon ausgeht, dass die von der Kl im Beobachtungszeitraum ausgeübte Tätigkeit als Sozialpädagogin nach § 14 Abs 1 Z 1 ASVG durchgehend der Pflichtversicherung in der PV der Angestellten unterlegen sei, folgt daraus zwingend, dass dabei Beitragsmonate „als Angestellte“ erworben wurden, die bei der Prüfung des Berufsschutzes gem § 273 Abs 1 ASVG zu berücksichtigen sind (so auch Bergauer/Urbanek, Pensionsrechtliche Fragen bei flexiblen Arbeitsverhältnissen, ZAS 2004, 105 [Bsp 2]).
[18] 3. Dem steht nicht entgegen, dass die Kl die Tätigkeit überwiegend im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs 4 ASVG ausgeübt hat.
[19] 3.1. Wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt, hat der Gesetzgeber mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBl 1996/201) durch die Bestimmung des § 4 Abs 4 ASVG erstmals auch freie DN in die SV einbezogen. Mit [dem] Arbeitsund Sozialrechtsänderungsgesetz 1997 (BGBl I 1997/139) erhielt § 4 Abs 4 ASVG im Kern seinen heutigen Inhalt. Ziel der Regelung war es, die zunehmende „Flucht aus der Sozialversicherung“ durch neue Vertragsformen, mit denen die meist schwächeren DN zu ihren Lasten in sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden, zu unterbinden und freie DN in die solidarische Beitrags- und Leistungsgemeinschaft einzubeziehen (vgl ErläutRV 72 BlgNR 20. GP 251 ff sowie ErläutRV 886 BlgNR 20. GP 76 f und 101 f). [20] 3.2. Wenn § 4 Abs 4 ASVG daher „im Sinn dieses Bundesgesetzes
“ die dort definierten „dienstnehmerähnlichen“ freien DN den DN gleichstellt, lässt sich daraus keine bloß partielle, auf das Versicherungsverhältnis bzw das Beitragsrecht beschränkte Gleichstellung ableiten. Dagegen spricht neben dem klaren Wortlaut der Bestimmung, die eine Gleichstellung iSd ASVG anordnet, ohne zwischen Beitragsrecht und Leistungsrecht zu unterscheiden, auch ihr erklärtes Ziel, die sozialversicherungsfreie Beschäftigung dienstnehmerähnlicher Personen zurückzudrängen und für ihre soziale Absicherung zu sorgen.
[21] 3.3. Demgemäß entspricht es nicht nur der Lehre, dass freie DN infolge § 4 Abs 4 ASVG – abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen wie etwa § 10 Abs 1a oder § 125 Abs 1 ASVG – im Beitrags- und Leistungsrecht wie „echte“ DN (§ 4 Abs 2 ASVG) behandelt werden (vgl Mosler in Mosler/Müller/Pfeil § 4 ASVG Rz 178; Tomandl, Sozialversicherung 2000, 45 und 51; Bergauer/Urbanek, ZAS 2004, 105 [111]; Mosler, Die sozialversicherungsrechtliche Stellung freier Dienstnehmer, DRdA 2005, 487 [488 und 498]; Schmid, Vertragstypen im Sozial- und Arbeitsrecht, SozSi 1999, 304 ua). Auch der OGH hat obiter bereits darauf verwiesen, dass Tätigkeiten aufgrund freier Dienstverträge sowohl im Rahmen des § 255 Abs 4 ASVG (10 ObS 4/05v) als auch bei Beurteilung des Berufsschutzes herangezogen werden können (10 ObS 233/03t). Auch der VwGH leitet aus der vergleichbaren Regelung des § 1 Abs 8 AlVG, mit dem die durch § 4 Abs 4 ASVG550 in der KV, UV und PV erfolgte Gleichstellung freier DN auch im Bereich der AlV vorgenommen wurde (BGBl I 2007/104; ErläutRV 298 BlgNR 23. GP 5 f), ab, dass auf diese alle für die DN geltenden Regeln des Leistungsrechts anzuwenden sind (VwGHRo 2016/08/0005).
[22] 3.4. Warum § 4 Abs 4 ASVG durch die Gleichstellung im Leistungsrecht jeder eigenständige Anwendungsbereich genommen würde, legt die Bekl nicht stichhältig dar. Denn seine primäre Funktion, Beschäftigte, die sich weder nach dem äußeren Erscheinungsbild ihrer Tätigkeit noch ihrer Schutzwürdigkeit von einem („echten“) DN unterscheiden, in die Pflichtversicherung nach dem ASVG einzubinden (ErläutRV 886 BlgNR 20. GP 101), wird dadurch nicht berührt.
[23] 3.5. Wenn das Berufungsgericht daher davon ausgeht, § 4 Abs 4 ASVG ordne die umfassende Gleichstellung freier DN an, was auch das Leistungsrecht erfasse, entspricht das der Rechtslage.
[24] 4. Daraus folgt, dass es für die Beurteilung des Berufsschutzes auf die vertragliche Grundlage von Tätigkeiten, die die Pflichtversicherung nach dem ASVG begründe, nicht ankommt. Maßgeblich ist nur, ob die jeweilige Tätigkeit (inhaltlich) eine qualifizierte Tätigkeit iSd § 273 Abs 1 oder § 255 Abs 1 ASVG ist. Es wirkt sich daher auch im Anlassfall nicht auf den Berufsschutz der Kl aus, dass sie dieselbe Angestelltentätigkeit teilweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses und teilweise als freie DN ausgeübt hat. Da durch die Änderung der Rechtsform die Zugehörigkeit zur PV der Angestellten nicht tangiert wurde (sondern sich nur aus dem zweiten statt aus dem ersten Halbsatz des § 14 Abs 1 Z 1 ASVG ergab), war sie auch durchgehend „als Angestellte
“ iSd § 273 Abs 1 ASVG tätig. Dass ihr unter dieser Prämisse Berufsschutz zukommt, bestreitet die Bekl nicht.
[25] 5. Die auf dem Berufsschutz sowie der – im Rekurs nicht bestrittenen – Annahme einer Berufsunfähigkeit von zumindest sechs Monaten Dauer aufbauende Ansicht des Berufungsgerichts, der Anspruch auf Rehabilitationsgeld setzte vor allem das Vorliegen der Voraussetzungen des § 271 Abs 1 Z 2 bis 4 ASVG voraus, ist nicht zu beanstanden (§ 273b ASVG). Ob die dazu angeordnete Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist, kann der OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, daher nicht prüfen (RS0042179). [...]
In der vorliegenden E war die Frage nach der Berücksichtigung von Beitragsmonaten als freie DN iSd § 4 Abs 4 ASVG im Rahmen des Berufsschutzes „als Angestellte/r
“ gem § 273 ASVG zu beantworten. Die Kl hat in der PV-Pflichtversicherung der Angestellten insgesamt 142 Beitragsmonate erworben, wovon in Summe 29 Monate im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses und 113 im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt wurden.
Im Kern drängte sich daher die Frage auf, ob die Gleichstellung freier DN in § 4 Abs 4 ASVG auf das Beitragsrecht bzw Versicherungsverhältnis beschränkt sei oder ob sie sich auch auf das Leistungsrecht erstrecke. Der OGH bejahte diese Frage in nachvollziehbarer Weise.
Für die Bejahung des Begriffes der Berufsunfähigkeit und des Berufsschutzes iSd § 273 ASVG ist erforderlich, dass in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag zumindest 90 Pflichtversicherungsmonate „als Angestellte/r
“ erworben wurden. Dabei wird auf den Angestelltenbegriff gem § 1 AngG abgestellt, also darauf, ob die Versicherte kaufmännische, höhere nichtkaufmännische Tätigkeiten oder Kanzleidienste verrichtet hat (vgl OGH 23.6.1998, 10 ObS 211/98x). Keine Rolle spielt dabei die Bezeichnung der Tätigkeit oder die Vereinbarung im Arbeitsvertrag, es kommt iSd stRsp allein auf den Inhalt der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit an (etwa OGH10 ObS 330/88 SSV-NF 3/2). Daher ist § 273 ASVG auf Angestellte ex contractu auch nicht anwendbar (OGH 28.6.1988, 10 ObS 158/88). Zudem ist auch die Zuordnung gewisser Beschäftigungsverhältnisse zur PV der Angestellten für die Subsumtion unter die Berufsunfähigkeit nicht bindend (OGH10 ObS 330/88 SSV-NF 3/2).
Fraglich war in der vorliegenden E, ob auch Tätigkeiten, die in einem freien Dienstverhältnis und damit in persönlicher Unabhängigkeit absolviert wurden, ebenso den hier relevanten Angestelltenbegriff erfüllen konnten.
Zwar ist, wie bereits erwähnt, die Zuordnung einer Beschäftigung zur Pflichtversicherung in der PV der Angestellten, etwa durch § 14 Abs 1 Z 1 ASVG, für die Prüfung des § 273 ASVG nicht bindend. Es sei jedoch trotzdem Folgendes festzuhalten: Der Angestelltenbegriff des § 14 ASVG umfasst grundsätzlich denselben Anwendungsbereich wie § 1 AngG. Nach hA geht er aber noch darüber hinaus. Dh, es sind auch Personen miteinbezogen, die ihrer Tätigkeit zufolge unter das AngG fallen würden, jedoch keine AG haben (Palle
, ZAS 2020, 309 [310]). Obwohl keine Bindungswirkung dieser Zuordnung besteht, gingen in vorliegendem Fall die Vorinstanzen und die Parteien davon aus, dass durchgehend eine Pflichtversicherung in der PV der Angestellten seitens der Kl gegeben war. Dies führte der OGH dementsprechend auch nachvollziehbarerweise als zusätzliches Argument dafür an, dass der Berufsschutz auch für freie DN, die faktisch Angestelltentätigkeiten durchführen, gelten sollte.
Die Bekl brachte vor, dass § 4 Abs 4 keine umfassende Gleichstellung freier DN anordne, weil die551 Bestimmung ansonsten keinen eigenen Regelungsgehalt mehr hätte. Für die Einordnung als Angestellte bräuchte es zusätzlich zur Ausübung einer Tätigkeit iSd § 1 AngG das Faktum des „Angestelltseins
“.
Der OGH hat dieser Ansicht jedoch eine Absage erteilt. § 4 Abs 4 ASVG ordnet die Gleichstellung dienstnehmerähnlicher freier DN „im Sinne dieses Bundesgesetzes
“ an. Dh, sie werden sozialversicherungsrechtlich vollumfänglich gleich behandelt wie echte DN (§ 4 Abs 2 ASVG). Die Frage, ob die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit oder persönlicher Unabhängigkeit erbracht wird, ist demnach für die Anwendbarkeit des ASVG nicht von Relevanz. Eine umfassende Gleichstellung, also sowohl im Beitrags- als auch Leistungsrecht, ist darüber hinaus aus mehreren Gründen geboten: Nicht nur der Wortlaut des § 4 Abs 4 ASVG ist eindeutig. Er spricht von einer Gleichstellung „im Sinne dieses Bundesgesetzes
“. Daraus lässt sich keine Differenzierung zwischen Versicherungsverhältnis bzw Beitragsrecht und Leistungsrecht ableiten. Zudem sprechen auch die konkreten Ausnahmebestimmungen für freie DN für das grundsätzliche Vorliegen einer umfassenden Gleichstellung. Bloß an einzelnen Stellen im ASVG (zB § 10 Abs 1a oder § 125 Abs 1 ASVG) hat der Gesetzgeber explizite Abweichungen für Versicherte gem § 4 Abs 4 ASVG vorgenommen. Im Umkehrschluss muss man daher zu dem Ergebnis kommen, dass außerhalb der Ausnahmen dieselben Regeln im Leistungsrecht für echte und freie DN gelten. Auch das Argument der Bekl, dem § 4 Abs 4 ASVG würde bei der Auslegung zugunsten einer umfassenden Gleichstellung sonst der eigenständige Regelungsgehalt entzogen, vermag nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat geradezu intendiert, die „Flucht aus dem Sozialversicherungsrecht
“ für dienstnehmerähnliche freie DN zu unterbinden. Insb sei aus den Materialien hervorzuheben, dass der Gesetzgeber selbst davon ausging, dass aufgrund der „sozialversicherungsrechtlichen Gleichstellung
“ das für freie DN geltende Sonderrecht obsolet wäre. Auch hier wird keine Differenzierung zwischen Beitrags- und Leistungsrecht unternommen (ErläutRV 886 BlgNR 20. GP 101 f).
Nicht nur die hM in der Literatur war bisher ebenso dieser Ansicht (siehe oben Rz 21). Auch der OGH selbst hat bereits die umfassende Gleichstellung – zumindest obiter dictum – bejaht. In OGH10 ObS 233/03t vom 7.10.2003 (und auch in OGH 8.3.2005, 10 ObS 4/05v zu § 255 ASVG) wurde bereits ausgesprochen, dass auch die Einbeziehung gewisser Tätigkeiten, die nicht unter § 4 Abs 2 ASVG zu subsumieren sind, uU für die Begründung des Berufsschutzes herangezogen werden. Hier verwies er explizit auf § 4 Abs 4 ASVG. Noch deutlicher ist die Rsp des VwGH zur an § 4 Abs 4 ASVG angelehnten Bestimmung des § 1 Abs 8 AlVG. Die Einführung der Regelung diente dazu, die Gleichstellung der freien DN im ASVG auch auf den Bereich der AlV zu erstrecken (ErläutRV 298 BlgNR 23. GP 6). Laut VwGH bedeutet die Gleichstellung iSd genannten Bestimmungen, dass „sowohl im Hinblick auf das Versicherungsverhältnis als auch auf das Leistungsrecht die gleichen Regeln
“ für freie und echte DN gelten (VwGH 13.10.2020, Ro 2016/08/0005 Rz 7.2; siehe auch Müller in Pfeil/Auer-Mayer/Schrattbauer [Hrsg], AlV-Komm § 2 Rz 38 [Stand 1.12.2023, rdb.at]). ME wäre eine Bejahung der Anwendbarkeit des Beitragsrechts bei gleichzeitiger genereller Verneinung der Anwendbarkeit des Leistungsrechts auf dienstnehmerähnliche freie DN iSd § 4 Abs 4 ASVG wohl auch gleichheitsrechtlich höchst problematisch. Der vorliegenden Rechtsansicht des OGH ist daher vollinhaltlich zuzustimmen.