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Zusatz-Zeitguthaben für Nachtschwerarbeit in Krankenanstalten sind entgeltfortzahlungspflichtig

G.BURGER
  1. Die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung bei einer Dienstverhinderung infolge Krankheit, Unfalls oder eines vergleichbaren Tatbestandes gehen vom Ausfallsprinzip aus. Das Verständnis vom Wesen der Entgeltfortzahlung beruht darauf, dass der AN in den Entgeltfortzahlungsfällen so gestellt werden solle, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht, also so, als ob die Arbeitsleistung nicht entfallen sei. Erkrankt der AN in einem Zeitpunkt, in dem er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet oder bereits durch andere Umstände als durch Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist, so besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

  2. In den Fällen der Nachtschwerarbeit nach Art V NSchG-Novelle 1992 wird zwar die Arbeitszeit, zu der der AN eingeteilt ist, nicht ausdrücklich höher bewertet. Dadurch aber, dass dem AN zwei Stunden zusätzlicher Zeitausgleich zusteht, kommt es auch in diesem Fall zu einer Verkürzung der Normalarbeitszeit unter Fortzahlung des Entgelts, selbst wenn diese erst in der nachfolgenden Diensteinteilung zu berücksichtigen ist, und damit zu einer entgeltwerten Gegenleistung des DG.

[1] Die Bekl ist Rechtsträgerin einer Krankenanstalt iSd § 2 Abs 1 KAKuG. Der Kl ist der dort eingerichtete gemeinsame BR. Im Krankenhaus gilt der KollV, abgeschlossen zwischen dem K* und dem ÖGB, Gewerkschaft Vida.

[2] Die Dienstzeiteinteilung für die AN erfolgt monatlich im Vorhinein. Dabei werden die Wünsche der AN nach Möglichkeit berücksichtigt. Das betrifft auch den Abbau der nach Art V der NSchG-Novelle 1992 erworbenen Zeitguthaben für Nachtschwerarbeit. Erkrankt ein AN an einem Tag, an dem eine Arbeitsleistung (Nachtschwerarbeit) zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr vorgesehen ist, wird kein Zeitguthaben iSd Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 berücksichtigt.

[3] Der Kl begehrt (neben anderen, nicht mehr revisionsrelevanten Feststellungen) die Feststellung, dass die im Betrieb der Bekl im Anwendungsbereich des Art V der NSchG-Novelle 1992 Beschäftigten auch dann Anspruch auf ein Zeitguthaben von zwei Stunden für zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr zu erbringende Nachtschwerarbeit haben, wenn die Arbeitsleistung aufgrund einer Dienstverhinderung infolge Krankheit, Unfalls oder eines vergleichbaren Tatbestandes entfällt und für die Dienstverhinderung Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. [...]

[4] Die Bekl bestritt, die Ersatzruhezeit sei kein zusätzliches Entgelt für den Nachtdienst und die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft. [...] Es sei davon auszugehen, dass nicht schon die Einteilung für den Nachtdienst den Anspruch auf Zeitausgleich auslöse, sondern nur die konkrete Ausgestaltung. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, jeden regelmäßig geleisteten Nachtdienst als tatsächlich geleistete Schwerarbeit anzuerkennen, wäre eine entsprechende Regelung zu erwarten gewesen. Es bestehe daher kein Anspruch auf ein zweistündiges Zeitguthaben, wenn der Nachtdienst wegen einer Dienstverhinderung ausfalle, für die ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehe.

[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren in diesem Umfang ab. [...]

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl gegen die Abweisung dieses Teils des Klagebegehrens Folge und der Klage in diesem Umfang statt.[...]

[10] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

[11] 1. Voranzustellen ist, dass von der begehrten Feststellung unstrittig mindestens drei AN der Bekl betroffen sind.

[12] 2. Art V NSchG-Novelle 1992, BGBl 1992/473, sieht Schutzmaßnahmen für das Krankenpflegepersonal vor, das für Nachtschwerarbeit eingesetzt wird. [...]

[14] 3. Nach den Materialien (AB 629 BlgNR 18. GP 2) soll damit für besonders belastende Arbeiten des Pflegepersonals in Krankenanstalten ein Ausgleich geschaffen werden. Für jede geleistete Nachtschwerarbeit iSd § 2 gebührt ein Zeitausgleich von zwei Stunden. Um gesundheitliche Schäden der in der Nacht Arbeitenden gering zu halten, soll dieses Zeitguthaben möglichst rasch nach Leistung des Nachtdienstes verbraucht werden.

[15] 4. Anders als bei der Ermittlung von Schwerarbeitsmonaten nach § 4 SchwerarbeitsV iVm Art XI Abs 6 NSchG hat der Gesetzgeber in Zusammenhang mit der Gewährung des Zeitausgleichs in Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 nicht normiert, dass Arbeitsunterbrechungen außer Betracht bleiben sollen. Vielmehr stellt Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 ebenso wie der Ausschussbericht auf geleistete Nachtdienste ab.

[16] Dass das Gesetz in diesem Zusammenhang vom Regelfall der „geleisteten“ Arbeit ausgeht, lässt jedoch keinen Rückschluss auf Fälle der Entgeltfortzahlung zu, denen typischerweise eine Situation zugrunde liegt, in der vom AN gerade keine tatsächliche Leistung, also auch keine Nachtschwerarbeit erbracht wird (vgl 9 ObA 107/16z).

[17] 5. Der Antrag des Kl bezieht sich ausschließlich auf Dienstverhinderungen, bei denen Ansprüche auf Entgeltfortzahlung entsprechend den § 2 EFZG und § 8 AngG bestehen. Die Fälle, in denen die Dienstleistung entfällt, ohne dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, sind daher nicht verfahrensgegenständlich.

[18] Die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung gehen vom Ausfallsprinzip aus, nach dem der AN während eines Urlaubs oder Krankenstands grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten hat, das er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (RS0058728; RS0058546).545

[19] Die Vereinbarung von Zeitausgleich hat zwar auch Entgeltcharakter („bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht“), führt aber nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. Die Gewährung einer Ersatzruhe für Nachtdienste ist im Allgemeinen nicht als „zusätzliches“ Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft zu qualifizieren, sondern als Frage der Verteilung der Arbeitszeit 9 ObA 8/10g(; RS0052257; RS0051784).

[20] Das führt nach der Rsp dazu, dass eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall nur in Zeiten bestehen kann, in denen der AN zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet ist. Erkrankt der AN in einem Zeitpunkt, in dem er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet oder bereits durch andere Umstände als durch Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist, so besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung (9 ObA 11/13b). Andererseits sind etwa im Zusammenhang mit dem Einarbeiten von Fenstertagen bei Erkrankung an Tagen, an denen eingearbeitet werden soll, die in den Krankenstand fallenden Teile der Einarbeitungszeit als erbracht anzurechnen (vgl Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 8 AngG Rz 36; Kallab/Hauser, EFZG6 § 2, 94).

[21] 6. In der E 9 ObA 107/16z war eine dem vorliegenden Fall vergleichbare Fragestellung zu § 8 Abs 3 des KollV zur Regelung der Arbeitszeit für Mitarbeiter der ÖBB zu behandeln. Diese Bestimmung beinhaltet, dass bei Nachtarbeit aufgrund eines „Nachtfaktors“ 8/10 einer Zeiteinheit als ganze Zeiteinheit zu werten sind, also 48 Minuten als eine Arbeitsstunde. Der OGH führte aus, dass die Nichtanwendung des Nachtfaktors für solche Zeiten, in denen ein AN zwar nach der jeweils geltenden Diensteinteilung zur Nachtarbeit eingeteilt sei, seine (geplante) Arbeitsleistung jedoch (insb wegen Krankheit) nicht erbringen könne, zur Folge hätte, dass der AN für seine (krankheitsbedingte) Abwesenheit – im Ausmaß des nichterworbenen Zeitguthabens – zusätzliche Arbeitszeit leisten müsste. Dies liefe aber dem Verständnis vom Wesen der Entgeltfortzahlung zuwider, das gerade darauf beruhe, dass der AN in den Entgeltfortzahlungsfällen so gestellt werden solle, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht, also so, als ob die Arbeitsleistung nicht entfallen sei.

[22] 7. Burger in Reissner (Hrsg), AngG4 (2022) § 8 Rz 60, geht unter Bezugnahme auf diese Entscheidung davon aus, dass dann, wenn wegen erschwerter Arbeitsbedingungen bestimmte Arbeitszeiten zwar nicht höher entlohnt, wohl aber mit einem zusätzlichen Zeitguthaben als weitere Entlohnung versehen würden, es dem Wesen der Entgeltfortzahlung entspreche, auch diese im Fall der Dienstverhinderung zu gewähren (so auch Melzer in Löschnigg/Melzer, AngG11 § 8 Rz 146).

[23] Nach Drs (in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 8 AngG Rz 103) ist bei der Bemessung des fortzuzahlenden Entgelts der weite arbeitsrechtliche Entgeltbegriff heranzuziehen, darunter falle auch der kollektivvertragliche Nachtfaktor, dh die Höherbewertung dieser ausgefallenen, aber in der Diensteinteilung vorgesehenen Nachtarbeitszeit in Form eines Zeitguthabens zugunsten des AN.

[24] Geiblinger (Der Erwerb von NSchG-Zeitguthaben während Abwesenheitszeiten, ÖZPR 2021/23 [38]) führt ebenfalls unter Bezugnahme auf 9 ObA 107/16z an, dass der Nichterwerb des NSchG-Zeitguthabens bei Krankheit zur Folge hätte, dass der AN ausschließlich aufgrund seiner Krankheit keine entsprechende Verkürzung der Normalarbeitszeit anlässlich der nächsten Dienstzeiteinteilung erhalten würde, wie dies ansonsten in Art V § 3 Abs 1 Z 2 NSchG-Novelle 1992 vorgesehen sei. Dies würde dem Ausfallsprinzip widersprechen und bedeuten, dass der AN im nächsten Beobachtungszeitraum mehr arbeiten müsste, als er dies ohne Krankenstand zu machen hätte. Auch im Bereich der NSchG-Novelle 1992 dürfe es daher nicht auf die tatsächlich erbrachte unmittelbare Betreuungsund Behandlungsarbeit für Patienten während der Nacht ankommen.

[25] 8. Die Revision der Bekl argumentiert dagegen, dass anders als in der E 9 ObA 107/16z der Anspruch auf Zeitausgleich nicht mit der Einteilung zur Nachtarbeit, sondern nur abhängig von der dort erbrachten Arbeitsleistung anfalle.

[26] Richtig ist, dass der der Vorentscheidung zugrunde liegende KollV ausdrücklich vorsah, dass unabhängig von der zu erbringenden Arbeitsleistung die Arbeitszeit im Nachtzeitraum mit einem Nachtfaktor von 0,8 berechnet wird. Damit lag dem Nachtdienst ein von vornherein höher bewerteter Zeitfaktor zugrunde, der durch eine Erkrankung des AN nicht zu dessen Nachteil geändert werden kann.

[27] In den Fällen der Nachtschwerarbeit nach Art V NSchG-Novelle 1992 wird zwar die Arbeitszeit, zu der der AN eingeteilt ist, nicht ausdrücklich höher bewertet. Dadurch aber, dass dem AN zwei Stunden zusätzlicher Zeitausgleich zusteht, kommt es auch in diesem Fall zu einer Verkürzung der Normalarbeitszeit unter Fortzahlung des Entgelts, selbst wenn diese erst in der nachfolgenden Diensteinteilung zu berücksichtigen ist, und damit zu einer entgeltwerten Gegenleistung des DG.

[28] Auch wenn es richtig ist, dass der Zweck des Zeitausgleichs nach Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 der Ausgleich der mit der konkreten Schwerarbeit verbundenen Belastung ist, mit dem Ziel, gesundheitliche Schäden der in der Nacht Arbeitenden gering zu halten, ändert das nichts daran, dass der AN in Fällen der Entgeltfortzahlung so zu stellen ist, wie wenn er die Arbeit tatsächlich erbracht hat, weshalb sich die Entgeltfortzahlung auch an der Arbeit zu orientieren hat, zu deren Leistung er vorgesehen war. Hätte er aber die Nachtschwerarbeit geleistet, wäre ihm auch zwingend der Zeitausgleich zu gewähren gewesen.

[29] 9. Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

ANMERKUNG
1.
Grundlegung

Das NSchG ist legistisch nicht sehr geglückt. Schon die Stammfassung von 1981 hatte eine fragwürdige Systematik (vgl Schrammel, Das Nachtschicht-546Schwerarbeitsgesetz – eine legistische Fehlleistung des Gesetzgebers? ZAS 1982, 43), eine Angleichung des geschlechtsunterschiedlichen Anfallsalters für das Sonderruhegeld nach Art X NSchG ist bis heute nicht in Aussicht gestellt und besondere Schutzmaßnahmen für das Krankenpflegepersonal, das Nachtschwerarbeit leistet, finden sich nicht im NSchG selbst oder in einem anderen Gesetz (etwa im KA-AZG), sondern im begleitenden Art V der Novelle des NSchG, BGBl 1992/473 – dazugestöpselt im parlamentarischen Entstehungsprozess (erhellend die abweichende persönliche Stellungnahme der Abgeordneten Heindl in AB 629 BlgNR 18. GP 10: „Den Abgeordneten wird eine Viertelstunde Zeit gegeben, um sich mit dieser in ihrem Grundgedanken so wichtigen Materie auseinanderzusetzen.“). Dass dieser NSchG-Novelle 1992 noch eine Druckfehlerbereinigung (Z 14 BGBl 1992/662) folgte – geschenkt. In mittlerweile 6 Paragraphen unterteilt, tritt Art V NSchG-Novelle 1992 wie ein eigenständiges Gesetz auf (das RIS behilft sich mit der Artikelüberschrift als Gesetzeskurztitel). Freilich sind dies zuvorderst nur legistische Mängel, mit denen Jurist:innen umzugehen wissen. Gesetzesästhetik ist keine rechtswissenschaftliche Kategorie.

Als Ausgleich für die besonders belastende Arbeit des Pflegepersonals in Krankenanstalten sieht Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 für jeden Nachtdienst iSd Art V § 2 leg cit ein Zeitguthaben im Ausmaß von zwei Stunden vor. Obwohl im Gesetzeswortlaut nur die Artikelüberschrift „Krankenpflegepersonal“ erwähnt und sonst nur vom „Arbeitnehmer“ gesprochen wird, gilt dieses Zusatz-Zeitguthaben nicht auch für Ärzte (OGH9 ObA 256/97fDRdA 1998, 59 = infas 1998 A 11; Binder, Zeitguthaben aus Nachtschwerarbeit auch für Ärzte? RdM 1998, 45 [46 ff]; ErläutAB 629 BlgNR 18. GP 2; aA BMAS 50.200/1-2/94 ARD 4548/8/94: „Überschrift [...] nicht maßgeblich“; Wolf, Zeitguthaben für Nachtschwerarbeit in Krankenanstalten [Teil I], RdM 1997, 69 [71 ff]). Obacht: Art V § 3a leg cit, mit dem seit 2023 eine „Entlastungswoche als Schutzmaßnahme für das Pflegepersonal“ – praktisch eine 6. Urlaubswoche ab dem vollendeten 43. Lebensjahr – gewährt wird, hat wiederum einen eigenen persönlichen Geltungsbereich. Das Zusatz- Zeitguthaben von zwei Stunden erhalten AN nur, wenn sie in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr für mindestens sechs Stunden – nicht unbedingt zusammenhängend – in den in Art V § 2 Abs 1 NSchGNovelle 1992 taxativ aufgezählten Einrichtungen (Intensivstation, OP-Bereich usw) beschäftigt sind und während dieser Zeit unmittelbar Betreuungsund Behandlungsarbeit für Patient:innen leisten. In diese Zeit darf aber keine Arbeitsbereitschaft regelmäßig und in erheblichem Ausmaß fallen. Weil ein erhebliches Ausmaß erst ab etwa einem Drittel anzunehmen ist, darf diese 6-Stunden-Frist zu maximal einem Drittel aus Arbeitsbereitschaft bestehen, sodass eine unmittelbare Betreuungsund Behandlungsarbeit für Patient:innen von vier Stunden (+ zwei Stunden Arbeitsbereitschaft) ausreichend ist (RIS-Justiz RS0112285; Schwarz/Ziniel, NSchG2 [1998] 92).

2.
Problematik

In der Krankenanstalt der Bekl wurden für AN, die zwar im Dienstplan zum Nachtdienst von mindestens sechs Stunden eingeteilt waren, jedoch wegen eines Krankenstandes den Nachtdienst nicht leisten konnten, diese zwei Stunden Zusatz-Zeitguthaben nicht gutgeschrieben, sondern (offenbar) allein nur die Stunden des durch Krankheit ausgefallenen Nachtdienstes. Dagegen erhob der BR eine Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG mit der Begründung, das zweistündige Zeitguthaben sei Entgelt und daher in den Entgeltfortzahlungsfällen der Krankheit, des Unfalls und vergleichbarer Tatbestände ebenso zuzugestehen. Das Erstgericht vertrat den Rechtsstandpunkt der Bekl, wonach diese Ersatzruhezeit für den Nachtdienst kein zusätzliches Entgelt sei und daher erst gebühre, wenn tatsächliche Leistungen der Betreuungs- und Behandlungsarbeit erbracht werden.

3.
Lösung

Ausgehend von § 2 EFZG und § 8 AngG, auf deren Basis der (gemeinsame) BR die Feststellung begehrt, bestätigt der OGH das Ausfallsprinzip, wonach dem AN – egal ob Arbeiter:in oder Angestellte:r – während eines Krankenstands grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten hat, das er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (Rz 18). Dies setzt voraus, dass der AN in dieser Zeit auch zu einer Arbeitsleistung verpflichtet war. Erst so kann der AN „an der Leistung seiner Arbeit verhindert“ sein (§ 2 Abs 1 EFZG bzw § 8 Abs 1 AngG: „seiner Dienste“). An Tagen hingegen, an denen der AN zu keiner Dienstleistung verpflichtet ist, steht ihm auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch zu, etwa während der wöchentlichen Ruhezeit, eines unbezahlten Urlaubs (OGH10 ObS 23/23iDRdA-infas 2024/81, 178 [Wielander]), einer vorher vereinbarten oder gesetzlich in Anspruch genommenen Karenz (Drs in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 8 AngG Rz 37) oder während der Freizeitphase einer geblockten Altersteilzeit (RIS-Justiz RS0121539). Gleiches soll auch während eines bereits vereinbarten Zeitausgleichs gelten (OGH9 ObA 11/13bDRdA 2014/7, 53 [abl Ch. Klein] = EvBl 2013/123, 870 [zust Niksova] = ZAS 2013/54, 327 [zust Kiesel]). Bei AN mit Gleitzeitvereinbarung, deren Zeiten der Arbeitsleistung weder vom AG eingeteilt noch mit dem AN jeweils zu vereinbaren ist, sondern wesensgemäß vom AN selbst festgelegt wird, wird die fiktive Normalarbeitszeit herangezogen (OGH8 ObA 71/03d Arb 12.412).

Solange der AN an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist, ist – unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen des § 2 EFZG bzw § 8 AngG, welche aber hier ausdrücklich nicht verfahrensgegenständlich sind (Rz 17) – seine Arbeitszeit als erbracht anzusehen und entsprechend sein Entgelt fortzuzahlen. Dabei ist vom weiten arbeitsvertraglichen Entgeltbegriff auszugehen, worunter grundsätzlich jede Art von Verdienst verstanden wird, den der AN vom AG dafür bekommt, dass er ihm seine547 Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Dies muss nicht stets ein Geldbetrag sein, sondern es zählen auch Sachbezüge oder überhaupt alle geldwerten Vorteile dazu, soweit diese auch während der Dienstverhinderung in Anspruch genommen werden können, so zB eine Dienstwohnung oder die umfassende Privatnutzung eines Firmenfahrzeuges. Lediglich Aufwandsentschädigungen, denen ein konkreter Aufwand des AN gegenübersteht, welcher wegen der Dienstverhinderung wegfällt, sowie Sachbezüge, die wegen ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit der Dienstleistung während des Krankenstandes nicht in Anspruch genommen werden können (so OGH9 ObA 121/10zDRdA 2012/35, 417 [Mosler] = ZAS 2012/33, 121 [krit Drs] bezüglich Essensgutscheine, die nur am Arbeitsplatz oder in unmittelbarer Nähe davon konsumiert werden können), sind kein fortzahlungspflichtiges Entgelt.

Es ist zwar zutreffend, dass die Gewährung eines auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleichs kein (zusätzliches) Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft ist (RIS-Justiz RS0051781) und daher der Anspruch aus einer Vereinbarung über Zeitausgleich keinen Entgeltcharakter hat, sondern auf eine andere Verteilung der Arbeitszeit beruht (RIS-Justiz RS0051784). Die Rsp bezieht dies aber nur auf den Verbrauch des Zeitguthabens, nicht auf dessen Entstehung. Sie verneint ja nicht, dass zB Überstunden, die ohne Dienstverhinderung geleistet worden wären, zum Entgelt gehören und inklusive Zuschlag fortzahlungspflichtig sind, auch wenn die Abgeltung der Überstunde bereits durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1,5 vereinbart wurde. Die Ausgleichsvereinbarung bleibt weiter bestehen, weshalb die während der Dienstverhinderung tatsächlich nicht geleisteten Überstunden inklusive Zuschlag trotz Dienstverhinderung als Zeitguthaben zugunsten des AN zu verbuchen sind. Sollte hingegen (auch) der geplante Zeitausgleich in die Zeit der Dienstverhinderung fallen, sind die Ausgleichsstunden – dann als andere Verteilung der Normalarbeitszeit – vom Zeitguthaben zu Lasten des AN wieder abzubuchen.

Entsprechend ist jedes Zeitguthaben während der Dienstverhinderung gutzuschreiben, das der AN erhalten hätte, wenn er nicht an der Leistung seiner Arbeit verhindert worden wäre. Sieht zB ein KollV einen Nachtfaktor dergestalt vor, dass 48 Minuten tatsächliche Arbeitszeit mit 60 Minuten geleistete Arbeitszeit bewertet wird, was einem Zuschlag von 25 % entspricht, so ist diese Bewertung in der Zeit der Entgeltfortzahlung ebenso fortzusetzen (OGH9 ObA 107/16zDRdA-infas 2017/64, 89 [Halwax]). Dem kann die E des OGH9 ObA 8/10gDRdA 2011, 68 = infas 2010 A 63 nicht entgegengehalten werden, weil diese sich nur auf den Entgeltbegriff des § 4 Abs 2 AVRAG bezieht, welcher enger sei (dazu schon aA Schneller, Betriebsübergang, Kollektivvertragswechsel und Vertrauensschutz, DRdA 2011, 3 [15 ff] und Gahleitner, Ausgewählte Rechtsfragen zur Beziehung zwischen Arbeitszeit und Entgelt, DRdA 2012, 123 [128 f] ).

Und so reiht sich auch die hier vorliegende E passend ein: Gebühren für jeden Nachtdienst iSd Art V § 2 NSchG-Novelle 1992 zwei zusätzliche Zeitguthabenstunden, so ist dies Entgelt iSd § 2 EFZG bzw § 8 AngG. Art V § 3 Satz 3 NSchG-Novelle 1992 verbietet zwar, dieses Zeitguthaben in Geld abzulösen, zieht aber das Zeitguthaben nicht aus dem Entgeltbegriff, weil Entgelt nicht zwingend ein Geldbetrag sein muss. Das Zusatz-Zeitguthaben ist geldwert, weil der AN an einem anderen Arbeitstag – als Ausgleich der erhöhten Arbeitsbelastung während des Nachtdienstes – weniger zu arbeiten hat und dafür trotzdem das gleiche Arbeitsentgelt erhält. Davon abgesehen wandelt sich auch dieses Zeitguthaben dann in einen Geldanspruch, wenn ein Zeitausgleich wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist (so Radlingmayr, Verbrauch und Abgeltung des Zeitguthabens aus Nachtschwerarbeit, ASoK 2022, 414).

Die Bekl hat versucht, das zusätzliche Zeitguthaben als „Ersatzruhezeit“ darzustellen, um die Rsp- Linie des RS0052257, begründet mit OGH14 Ob 114/86 , Arb 10.543, fruchtbar zu machen, wonach eine wahlweise Ersatzruhezeit, die der KollV für pharmazeutische Fachkräfte anstelle eines Nachtarbeitszuschlags für einen Nachtdienst ermöglicht, kein (zusätzliches) Entgelt sei. Doch eine Ersatzruhezeit ist ein Substitut eines anderen Anspruchs, der nicht gewährt wurde, der aber im Falle eines Krankenstands auch nicht weggefallen wäre. Das zusätzliche Zeitguthaben des Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 ist hingegen kein Ersatz für einen anderen Anspruch, der sonst nicht gebührt, sondern steht zusätzlich zu den entgeltfortzahlungspflichtigen Zeiten des Nachtdienstes zu. Durch die Bejahung seiner Entgelteigenschaft wird daher kein Anspruch doppelt fortgezahlt.

Auch führte die Bekl ins Treffen, dass das zusätzliche Zeitguthaben nach dem Gesetzeswortlaut ja nur dann zustehe, wenn tatsächlich für mindestens 6 Stunden unmittelbar Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patient:innen geleistet worden seien – ein Tatbestandsmerkmal, das nicht bereits mit der Einteilung für den Nachtdienst, sondern erst nach getaner Arbeit erfüllt sei. Dies ist zwar zutreffend, gilt aber für jede Arbeitsleistung: Ein Entgelt gebührt grundsätzlich erst mit erbrachter Arbeitsleistung – ohne Arbeit, kein Entgelt. Darauf, dass aber so getan wird, als hätte der AN die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht, beruht gerade das Verständnis vom Wesen der Entgeltfortzahlung. Die Frage, ob mindestens 6 Stunden unmittelbar Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patient:innen geleistet worden wären (allenfalls inklusive maximal 2 Stunden Arbeitsbereitschaft), ist daher – gleich wie etwa bei der Erbringung von Überstunden – mit einer Durchschnittsbetrachtung zu beantworten: Wurde bisher in einem ausreichenden Beobachtungszeitraum diese Voraussetzung für das zusätzliche Zeitguthaben während der eingeteilten Nachtdienste erfüllt, so ist auch davon auszugehen, dass im zwar eingeteilten, aber wegen der Dienstverhinderung tatsächlich nicht geleisteten Nachtdienst für mindestens 6 Stunden unmittelbar Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patient:innen geleistet worden wäre, womit der AN das Zusatz-Zeitguthaben erworben hätte.548

4.
Fazit

Mit der Qualifizierung der zusätzlichen Zeitguthabenstunden des Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 als Entgelt iSd § 2 EFZG bzw § 8 AngG, das bei Krankheit oder Unfall fortzuzahlen bzw gutzuschreiben ist, ist dem OGH zuzustimmen. Begehrt und vom OGH zugesprochen wurde auch die Feststellung im Falle einer Dienstverhinderung infolge „eines vergleichbaren Tatbestandes“. Wenngleich hier wohl nur die Gleichstellungsfälle des § 2 Abs 2 EFZG – Kur- und Erholungsaufenthalte usw – gemeint sein können, gilt die Fortzahlung der zusätzlichen Zeitguthabenstunden auch in anderen Fällen, in denen das Ausfallsprinzip Anwendung findet, insb bei Dienstverhinderungen aus anderen, wichtigen Gründen, im Urlaub oder im Fall einer Pflegefreistellung (ebenso Geiblinger, Besprechung der Entscheidung OGH9 ObA 34/23z ÖZPR 2024, 8 [10]).