51

Entgeltfortzahlung im Krankenstand aufgrund der Übergangsbestimmungen: Günstigkeitsvergleich § 8 AngG – DO.A

MONIKADRS (WIEN)
  1. Aufgrund der Übergangsbestimmungen des AngG ist eine Günstigkeitsprüfung vorzunehmen, und zwar zwischen den Normen der DO.A und § 8 Abs 1 AngG nF (Art X Abs 2 Z 17 AngG) einerseits und § 8 Abs 2 AngG aF (Art X Abs 2 Z 18 AngG) andererseits. Damit ordnet das Gesetz selbst eine punktuelle Günstigkeitsprüfung im jeweiligen Regelungsteil an.

  2. Nach Art X Abs 2 Z 17 AngG kommt § 8 Abs 1 AngG nF nur zur Anwendung, wenn die kollektivvertraglichen Bestimmungen der DO.A im Zusammenhang mit Ersterkrankungen keine günstigeren Regelungen vorsehen.

  3. Bei einem durchgehenden Krankenstand sind sämtliche Bestimmungen, die sich inhaltlich auf eine Wiedererkrankung beziehen, nicht anwendbar, weshalb in diesem Fall auch kein (abschließender) Günstigkeitsvergleich zwischen den Wiedererkrankungsregelungen der DO.A und des § 8 Abs 2 AngG aF (Art X Abs 2 Z 18 AngG) vorzunehmen ist.

  4. Da der insoweit zu vergleichende Regelungsgegenstand der DO.A in seiner Gesamtheit unter Anlegung eines objektiven Maßstabs günstigere Entgeltfortzahlungsregelungen aufweist, kommt § 8 Abs 1 AngG nF auf den (Erst-)Erkrankungsfall der Kl nicht zur Anwendung.

[1] Die Kl war vom 1.12.2017 bis 31.3.2022 beim bekl Sozialversicherungsträger beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis waren die Bestimmungen des AngG sowie der Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) anzuwenden.

[2] Die Kl befand sich vom 16.2.2021 bis 10.3.2022 aufgrund einer Erkrankung durchgehend im Krankenstand. Die Bekl leistete (nur) bis 6.8.2021 Entgeltfortzahlung gem § 60 Abs 1 DO.A.

[3] Die Kl begehrt von der Bekl 7.398,07 € brutto an Entgeltfortzahlung ab 1.12.2021, und zwar für die Dauer von acht Wochen volles Entgelt und für vier Wochen halbes Entgelt. [...]

[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...]

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl nicht Folge. [...]

[7] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil der OGH zur Interpretation, Bedeutung und den Konsequenzen der Übergangsbestimmungen der Novellierung des AngG durch BGBl I 2017/153 noch nicht Stellung genommen habe. [...]

[10] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

[11] 1. § 8 AngG regelt den Anspruch des Angestellten bei Dienstverhinderung.

[12] 1.1. In der bis 30.6.2018 geltenden Fassung lauteten dessen Abs 1 und 2 wie folgt:

„(1) Ist ein Angestellter nach Antritt des Dienstverhältnisses durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. Beruht die Dienstverhinderung jedoch auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit iSd Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung, so verlängert sich die Frist von sechs Wochen um die Dauer dieser Dienstverhinderungen, höchstens jedoch um zwei Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt beträgt, wenn das Dienstverhältnis fünf Jahre gedauert hat, jedenfalls acht Wochen; es erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn es fünfzehn Jahre, und auf zwölf Wochen, wenn es fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch je weitere vier Wochen behält der Angestellte den Anspruch auf das halbe Entgelt.(2) Tritt innerhalb eines halben Jahres nach Wiederantritt des Dienstes abermals eine Dienstverhinderung ein, so hat der Angestellte für die Zeit der Dienstverhinderung, soweit die Gesamtdauer der Verhinderungen die im Absatz 1 bezeichneten Zeiträume übersteigt, Anspruch nur auf die Hälfte des ihm gemäß Absatz 1 gebührenden Entgeltes.“

[13] 1.2.1. Durch die mit 1.7.2018 in Kraft getretene Neuregelung des § 8 AngG wurde der Entgeltfortzahlungsanspruch der Angestellten an den der Arbeiter nach dem EFZG angeglichen (BGBl I 2017/153). Hauptpunkte der Neuregelung waren ua (soweit im vorliegenden Verfahren relevant), dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von acht Wochen im Unterschied zur alten Rechtslage bereits nach einjähriger Dauer des Dienstverhältnisses entsteht sowie der Entfall der Wiedererkrankungsregelung des § 8 Abs 2 AngG. Letzterer Punkt bedeutet, dass mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres der Anspruch wieder in vollem Umfang entsteht. Reicht daher eine Arbeitsverhinderung von einem Arbeitsjahr ins nächste Arbeitsjahr, steht nunmehr mit Beginn des neuen Arbeitsjahres wieder der volle Entgeltfortzahlungsanspruch zu; dies gilt auch dann, wenn im alten Arbeitsjahr wegen Ausschöpfung des Anspruchs keine Entgeltfortzahlung mehr bestand (Erläut zum IA 2306/A XXV. GP, 7; Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 8 AngG Rz 98/1; Burger in Reissner, AngG4 § 8 Rz 52a; Glowacka, Angleichung Arbeiter – Angestellte bei der Entgeltfortzahlung, ZAS 2017/66, 339 [340]).

[14] 1.2.2. § 8 Abs 1 und 2 AngG idF BGBl I 2017/153 lauten:

„(1) Ist ein Angestellter nach Antritt des Dienstverhältnisses durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch 533 grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt beträgt, wenn das Dienstverhältnis ein Jahr gedauert hat, jedenfalls acht Wochen; es erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn es fünfzehn Jahre, und auf zwölf Wochen, wenn es fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch je weitere vier Wochen behält der Angestellte den Anspruch auf das halbe Entgelt.(2) Bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als die Dauer des Anspruches gemäß Abs 1 noch nicht erschöpft ist.“

[15] 1.3.1. Die Bestimmungen über das Inkrafttreten und die Übergangsbestimmungen zur Neuregelung des § 8 AngG lauten:

„Art X [Anm der Bearbeiterin: Abs 2] Z 14: § 8 Abs 1 bis 2a und 9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 153/2017 treten mit 1. Juli 2018 in Kraft und sind auf Dienstverhinderungen anzuwenden, die in nach dem 30. Juni 2018 begonnenen Arbeitsjahren eingetreten sind. Für zu diesem Zeitpunkt laufende Dienstverhinderungen gilt § 8 Abs 1 bis 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 153/2017ab Beginn dieses Arbeitsjahres.Art X [Anmerkung der Bearbeiterin: Abs 2] Z 17: Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die für Dienstnehmer günstigere Regelungen auf Entgeltfortzahlung als nach § 8 Abs 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 153/2017 vorsehen, bleiben aufrecht.Art X [Anm der Bearbeiterin: Abs 2] Z 18: Sehen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung für Dienstnehmer günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung als nach § 8 Abs 2 in der Fassung vor den Änderungen durch das BGBl I Nr 153/2017 vor, gilt für die erfassten Dienstnehmer § 8 Abs 2 bis zu einer Neuregelung weiterhin in der Fassung vor den Änderungen durch das BGBl I Nr 153/2017.“

[16] 1.3.2. Nach der Übergangsregelung des Art X [Anm der Bearbeiterin: Abs 2] Z 17 AngG bleiben somit Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (KollV, BV), die bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung für die Angestellten bei Ersterkrankungen günstigere Regelungen auf Entgeltfortzahlung vorsahen (zB längere Entgeltfortzahlungsdauer), aufrecht. Es ist daher jeweils zu prüfen, ob bereits bestehende Regelungen des KollV bzw der BV günstiger sind als die gesetzliche Neuregelung (Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 Art X AngG Rz 4).

[17] 1.3.3. Nach der Übergangsregelung des Art X [Anm der Bearbeiterin: Abs 2] Z 18 AngG gilt darüber hinaus für den Fall, dass der KollV bzw die BV für die Angestellten eine günstigere Regelung für den Fall der Wiedererkrankung vorsieht (zB Zuschuss zum gesetzlichen Krankengeld), § 8 Abs 2 für die vom KollV bzw die BV erfassten AN (egal, ob das Arbeitsverhältnis bei Inkrafttreten der Neuregelung schon bestanden hat) bis zu einer Neuregelung des KollV bzw der BV weiterhin in der alten Fassung (dh vor den Änderungen durch das BGBl I Nr 153/2017). Diese Sonderbestimmung ist notwendig, da das neue Entgeltfortzahlungsrecht bei einer Wiedererkrankung auf das Arbeitsjahr abstellt, während das Altrecht von einer Wiedererkrankung sprach, wenn die Dienstverhinderung binnen eines halben Jahres ab Wiederantritt des Dienstes nach einer Ersterkrankung eintrat und diese beiden Systeme nicht zusammenpassen (Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 Art X AngG Rz 5). Stegmüller (Angleichung der Entgeltfortzahlungssysteme: Auswirkungen auf kollektivvertragliche Entgeltfortzahlungsansprüche, ZAS 2017/67, 343 [346]) bezeichnet diese Übergangsbestimmung als ungewöhnlich. Seiner Ansicht nach sei der sozialpolitische Hintergrund der neuen Bestimmung der, dass manche kollektivvertraglichen Regelungen und Betriebsvereinbarungen derart eng mit dem Entgeltfortzahlungssystem des AngG verbunden seien, dass sie mit der neuen Gesetzeslage nur schwer kompatibel seien. Wachter (Die neuen Regelungen der Entgeltfortzahlung, in Wachter, Arbeits- und Sozialrecht, Jahrbuch 2018, 77 [84]) erklärt diese „merkwürdig anmutende Gesetzestechnik“ damit, dass Regelungsgegenstand des Art X [Anm der Bearbeiterin: Abs 2] Z 18 AngG nicht (wie in Art X [Anm der Bearbeiterin: Abs 2] Z 17 AngG) das Weitergelten der Normen der kollektiven Rechtsgestaltung sei. Vielmehr werde das Inkrafttreten des diesbezüglichen Gesetzesparagrafen, nämlich des neuen § 8 Abs 2 AngG für bestimmte AN bis zu einer Neuregelung der Normen der kollektiven Rechtsgestaltung aufgeschoben. Für die von den Normen der kollektiven Rechtsgestaltung erfassten AN wird – bis zur Neuregelung durch eine kollektivvertragliche Regelung – nicht auf den Anspruchszeitraum Arbeitsjahr umgestellt.

[18] 2. Die DO.A, ein KollV (RS0054394), regelt in ihrem § 60 die Bezüge des Angestellten bei Erkrankung. Diese Bestimmung (idF 2021) lautet in ihren hier interessierenden Punkten wie folgt:

„(1) Ist der Angestellte durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, werden die Dienstbezüge weitergezahlt, und zwar1. die ständigen Bezüge gemäß § 35 Abs 2 Z 1 bis 10 – mit Ausnahme der Erschwerniszulage gemäß § 46 Abs 1 Z 3 lit l bis lit n – nach einer anrechenbaren Dienstzeit (§ 15) von
a) weniger als 5 Jahren3 Monate zu 100 %,
b) 5 Jahren6 Monate zu 100 %,
c) 10 Jahren6 Monate zu 100 %
und 6 Monate zu 75 %,
d) 15 Jahren9 Monate zu 100 %
und 3 Monate zu 75 %,
e) 20 Jahren12 Monate zu 100 %;

2. die übrigen Dienstbezüge nach einer anrechenbaren Dienstzeit (§ 15) von

  1. weniger als 10 Jahren durch 3 Monate,
  2. 10 Jahren durch 4 Monate,
  3. wie folgt: ...
(2) Tritt innerhalb von sechs Monaten nach Wiederantritt des Dienstes abermals eine Dienstverhinderung infolge Krankheit ein, so gilt diese als Fortsetzung der ersten Erkrankung. Ist der Anspruch nach Abs 1 erschöpft, sind auf alle 534 weiteren Dienstverhinderungen infolge Krankheit ausschließlich § 8 Abs 1 und 2 AngG anzuwenden.(2a) Ein neuerlicher Anspruch nach Abs 1 entsteht erst1. nach sechs durchgehenden Monaten ohne Dienstverhinderung infolge Krankheit, oder ...“

[19] 3. Im Fall der Kl gilt zunächst – insoweit zwischen den Parteien unstrittig – § 8 Abs 1 und 2 AngG idF BGBl I 2017/153 (Art X Abs 2 Z 14 AngG). Für die Anspruchsberechtigung der Kl sind aber die Übergangsbestimmungen maßgebend. Danach ist eine Günstigkeitsprüfung vorzunehmen, und zwar zwischen den Normen der DO.A und § 8 Abs 1 AngG nF (Art X Abs 2 Z 17 AngG) einerseits und § 8 Abs 2 AngG aF (Art X Abs 2 Z 18 AngG) andererseits. Damit ordnet das Gesetz selbst eine punktuelle Günstigkeitsprüfung im jeweiligen Regelungsteil an (Reissner, Die Neuerungen aufgrund der „Arbeiter-Gleichstellungsnovelle“ BGBl I 2017/153, in Reissner/Mair, Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeitsrecht und Sozialrecht [2018] 33 [42]). Nach Auffassung des Senats erscheint daher eine normenbezogene Günstigkeitsprüfung geboten, wobei die jeweils objektiv günstigere Regelungsgruppe (Art X Abs 2 Z 17 AngG bzw Art X Abs 2 Z 18 AngG) als solche gilt (vgl insofern auch Schrank, „Arbeitnehmer-Angleichungspaket“: Inkrafttretens-, Anwartschafts-, Günstigkeits- und Umgehungsschutzfragen, RdW 2018/32, 33 [35], der aber dann für einen Gruppengünstigkeitsvergleich iSd § 3 Abs 2 ArbVG [ohne Vermischung von alt und neu] eintritt).

[20] 4. Die Revision teilt grundsätzlich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Regelung des § 60 Abs 2 DO.A günstiger sei als § 8 Abs 2 AngG aF, dies aber mit der Einschränkung, dass sich die Günstigkeit nur auf das erste Erkrankungsjahr mit jahresübergreifendem Krankenstand beziehe, weil nach der Rsp bei ununterbrochen fortdauernder krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung mit Beginn des nächsten Arbeitsjahres ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch auch dann entstehe, wenn der AN zuerst wegen Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs kein Entgelt mehr erhalten hatte.

[21] Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich diese von der Revisionswerberin zitierte Rsp (RS0111429) nur auf das EFZG bezieht. Vor der Novelle BGBl I 2017/153 galt das Arbeitsjahrprinzip für das AngG nicht. Dies war ja auch ein wesentlicher Grund für die Angleichung der (insoweit günstigeren) Entgeltfortzahlungsbestimmungen der Arbeiter und der Angestellten.

[22] 5. Soweit die Revisionswerberin ihren – auf § 8 Abs 2 AngG nF gestützten – Anspruch aus § 60 Abs 2 Satz 2 DO.A ableiten will, übersieht sie, dass § 60 Abs 2 DO.A auf ihren Krankenstand gar nicht anwendbar ist. Diese Bestimmung regelt den Fall einer abermaligen Dienstverhinderung nach Wiederantritt des Dienstes (§ 60 Abs 1 Satz 1 DO.A). Die ausschließliche Anwendbarkeit des § 8 Abs 1 und 2 AngG nach Erschöpfung des Anspruchs gem § 60 Abs 1 DO.A betrifft daher nach dem Wortlaut des § 60 Abs 2 Satz 2 auch nur „alle weiteren Dienstverhinderungen infolge Krankheit“. Wie die Kl in ihrer Revision aber selbst betont, sind sämtliche Bestimmungen, die sich inhaltlich auf eine Wiedererkrankung beziehen, schon inhaltlich nicht auf den gegenständlichen Fall anwendbar, weil bei ihr ein durchgehender Krankenstand vorlag. Demzufolge ist im vorliegenden Fall auch kein (abschließender) Günstigkeitsvergleich zwischen den Wiedererkrankungsregelungen der DO.A und des § 8 Abs 2 AngG aF (vgl Art X Abs 2 Z 18 AngG) vorzunehmen.

[23] 6. Wie bereits erwähnt, stützt die Kl im erstinstanzlichen Verfahren ihren Klagsanspruch auf § 8 Abs 2 AngG nF, welche Bestimmung sie gem § 60 Abs 2 und 2a DO.A angewendet wissen möchte. Auf die Bestimmung des § 60 Abs 2a DO.A (iVm § 60 Abs 1 DO.A) nimmt die Bekl [korr Kl – Anm der Bearbeiterin] in ihrer Revision – anders als in der Klage – zwar nicht mehr Bezug. Dennoch ist zu prüfen (RS0043352), ob der Klagsanspruch aus diesem Grund oder anderen rechtlichen Erwägungen nicht doch berechtigt ist.

[24] 7.1. Geht man davon aus, dass das durch die Novelle BGBl I 2017/153 eingeführte Arbeitsjahrprinzip, wonach die Kontingente der Entgeltfortzahlung bei Krankheiten nunmehr auf das Arbeitsjahr bezogen werden, (auch) in § 8 Abs 1 AngG nF verankert ist, weil auch bei einer Ersterkrankung, die ins nächste Arbeitsjahr reicht, nach der neuen Rechtslage mit Beginn des neuen Arbeitsjahres wieder der volle Entgeltfortzahlungsanspruch zusteht, selbst wenn im alten Arbeitsjahr wegen Ausschöpfung des Anspruchs keine Entgeltfortzahlung mehr bestand, dann kann Grundlage für den Klagsanspruch nur § 8 Abs 1 AngG nF sein. Nach Art X Abs 2 Z 17 AngG kommt § 8 Abs 1 AngG nF aber nur zur Anwendung, wenn die kollektivvertraglichen Bestimmungen der DO.A im Zusammenhang mit Ersterkrankungen keine günstigeren Regelungen vorsehen.

[25] 7.2. Vergleicht man nun § 60 Abs 1, 2a DO.A mit § 8 Abs 1 AngG nF, so ist zunächst das in § 8 Abs 1 AngG nF normierte Arbeitsjahrprinzip gegenüber dem nach § 60 Abs 2a Z 1 DO.A herrschenden Anlassfallprinzip für den Angestellten dann günstiger, wenn seine (Erst-)Erkrankung über ein Arbeitsjahr hinausgeht, weil mit Beginn des neuen Arbeitsjahres das Entgeltfortzahlungskontingent wieder aufgefüllt wird. Treten jedoch beim Angestellten innerhalb eines Arbeitsjahres zwei Ersterkrankungen auf, dann ist das Anlassfallprinzip insofern günstiger, als nach sechs durchgehenden Monaten ohne Dienstverhinderung infolge Krankheit (§ 60 Abs 2a Z 1 DO.A) wieder das volle Entgeltfortzahlungskontingent nach § 60 Abs 1 DO.A zur Verfügung steht, wohingegen nach § 8 Abs 1 AngG nF innerhalb eines Arbeitsjahres das Kontingent nur einmal zusteht. Ein Vergleich der Bezugsdauer fällt jedoch eindeutig zugunsten der DO.A aus. § 60 Abs 1 Z 1 lit a DO.A sieht schon nach einer anrechenbaren Dienstzeit von weniger als fünf Jahren eine Weiterzahlung des Entgelts für drei Monate im Ausmaß von 100 % bestimmter ständiger Dienstbezüge (§ 60 Abs 1 Z 1 DO.A) vor, während dem Angestellten nach § 8 Abs 1 AngG 535nF nur ein voller Entgeltanspruch bis zur Dauer von sechs Wochen und nach einer einjährigen Dauer des Dienstverhältnisses von acht Wochen zusteht. Erst wenn das Dienstverhältnis des Angestellten 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat, hat er einen vollen Entgeltfortzahlungsanspruch von zwölf Wochen. Durch je weitere vier Wochen behält der Angestellte jeweils den Anspruch auf das halbe Entgelt. Zudem sind die in § 60 Abs 1 Z 1 lit a) bis e) DO.A normierten Verlängerungen der Entgeltfortzahlungszeiträume nach der Dauer der Dienstzeit für Angestellte, die der DO.A unterliegen, viel günstiger, als für jene Angestellten, die in den Geltungsbereich des § 8 Abs 1 AngG fallen.

[26] 7.3. Dies führt zusammengefasst zum Ergebnis, dass (auch) § 8 Abs 1 AngG nF auf den (Erst-)Erkrankungsfall der Kl nicht zur Anwendung kommt, weil der insoweit zu vergleichende Regelungsgegenstand der DO.A in seiner Gesamtheit unter Anlegung eines objektiven Maßstabs (vgl 9 ObA 53/18m Pkt 1.3. mwN) günstigere Entgeltfortzahlungsregelungen aufweist. [...]

ANMERKUNG

In der E geht es um eine Angestellte, die seit 1.12.2017 bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) beschäftigt war und nach etwas mehr als drei Jahren (ab 16.2.2021) über ein Jahr (bis 10.3.2022) durchgehend im Krankenstand war. Strittig war, welche Entgeltfortzahlungsbestimmungen insb aufgrund der Übergangsbestimmungen des AngG zur Novelle durch BGBl I 2017/153 auf die AN anzuwenden waren: die des AngG, der DO.A (= KollV) oder beide gemeinsam.

1.
Begriffsdefinitionen

Um Missverständnisse zu vermeiden, werden vorweg einige Begriffe definiert.

Ersterkrankung ist eine erstmalige Dienstverhinderung durch Krankheit innerhalb eines bestimmten Bezugszeitraums. Dieser Bezugszeitraum ist nach dem EFZG und dem AngG nF grundsätzlich das Arbeitsjahr (dies ergibt sich aus § 8 Abs 2 AngG, auch wenn in Abs 2 primär die Wiedererkrankung geregelt ist: Anspruch auf den offenen Rest). Nach dem AngG aF und der DO.A geht es um eine neuerliche Dienstverhinderung innerhalb von sechs Monaten nach Dienstantritt, wobei das AngG aF nach hM auf den Wiederantritt nach einer Ersterkrankung abgestellt hat (vgl Drs in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 8 AngG Rz 93 mwN) und die DO.A auf den Wiederantritt nach der letzten Erkrankung (Abs 2a; Z 1: nach „sechs durchgehenden Monaten ohne Dienstverhinderung“ infolge Krankheit; Z 2 nach drei Jahren ab dem Ende eines Anspruches gem Abs 1, wenn in diesem Zeitraum mindestens zwölf Monate ohne Dienstverhinderungen infolge Krankheit vorliegen; Z 3 nach fünf Jahren ab dem Ende eines Anspruches gem Abs 1, wenn in diesem Zeitraum insgesamt mindestens 20 Wochen ohne Dienstverhinderung infolge Krankheit vorliegen).

Eine Wiedererkrankung liegt hingegen vor, wenn innerhalb des oben beschriebenen Bezugszeitraumes eine neuerliche Dienstverhinderung durch Krankheit eintritt. Die DO.A hat früher darüber hinaus auch auf die Ursache einer neuerlichen Dienstverhinderung abgestellt; heute spielt diese für die Frage, ob eine Wiedererkrankung vorliegt, auch bei der DO.A, keine Rolle mehr, auch wenn die Formulierung „Fortsetzung“ der ersten Erkrankung nicht geändert wurde (das ergibt sich aus Abs 2a, der in Z 1 ausdrücklich auf sechs Monate „ohne“ Dienstverhinderung durch Krankheit abstellt und aus den Erläuterungen zu § 60 Abs 2 und 2a, die extra festhalten, dass durch die Neuregelung die bisherige Prüfung, ob die Dienstverhinderung nach einer Ersterkrankung als Fortsetzungserkrankung zu werten ist, entfällt).

Im Gegensatz dazu stellt das EFZG und das AngG nF (nicht aber das AngG aF) in Bezug auf den Arbeitsunfall und die Berufskrankheit (und die anderen wichtigen, die Person des AN betreffenden Dienstverhinderungsgründe) auf den Anlassfall ab. Nur bei neuerlichen Dienstverhinderungen aufgrund derselben Ursache spielt das Arbeitsjahr eine Rolle (§ 8 Abs 2a AngG nF, § 2 Abs 5 EFZG), man spricht daher in diesem Zusammenhang auch von Folge- bzw Fortsetzungserkrankungen.

Irreführend ist in diesem Zusammenhang die Gegenüberstellung des OGH des in § 8 Abs 1 AngG nF normierten Arbeitsjahrprinzips (voller Anspruch pro Arbeitsjahr) gegenüber dem nach § 60 Abs 2a Z 1 DO.A herrschenden Anlassfallprinzip. Es ist zwar richtig, dass sowohl das AngG aF als auch die DO.A davon ausgehen, dass bei durchgehender Dienstverhinderung mit Beginn des Bezugszeitraums (im Gegensatz zum EFZG und zum AngG nF) kein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht. Wie aber bereits oben dargestellt, stellen beide Bestimmungen in Bezug auf „normaleKrankenstände nicht auf den Anlassfall, sondern auf einen bestimmten Bezugszeitraum ab: dh für die DO.A gilt – ebenso wie das AngG aF – das „Sechs-Monats-Prinzip“ (voller Anspruch pro Bezugszeitraum), allerdings ohne Aufleben des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach Ablauf des Bezugszeitraums bei durchgehender Dienstverhinderung (zur beschränkten Koppelung nach Abs 1 und 2 siehe Kap 5).

Das Anlassfallprinzip (voller Anspruch pro Anlassfall) ist im AngG nF und im EFZG nur für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten vorgesehen.

2.
Entgeltfortzahlung nach der DO.A

§ 60 Abs 1 DO.A sieht bei einer Dienstzeit unter fünf Jahren volle Entgeltfortzahlung für drei Monate vor (lit a) und erst nach fünf Jahren sechs Monate (lit b). Wieso die PVA trotz dreijähriger Dienstzeit das Entgelt rund 5,5 Monate (16.2. bis 6.8.2021) fortbezahlt hat, geht aus dem Sachverhalt536 nicht hervor. Sollte es sich um keinen Tippfehler handeln, wäre es zB durch anrechenbare Dienstzeiten bei anderen österreichischen Sozialversicherungsträgern im entsprechenden Ausmaß (siehe § 15 DO.A) erklärbar, und dass die AN in den letzten sechs Monaten bereits einmal Entgeltfortzahlung bezogen hat; dann würde es sich aber um eine Wiedererkrankung handeln (zur [Un-]Zulässigkeit der beschränkten Koppelung der Entgeltfortzahlungsansprüche der DO.A und des AngG aF siehe Kap 5). Dessen ungeachtet geht der OGH ausdrücklich von einer weniger als fünfjährigen Dienstzeit und einem Entgeltfortzahlungsanspruch von drei Monaten aus und dass es sich um keine Wiedererkrankung handelt.

3.
Entgeltfortzahlung nach dem AngG nF

§ 8 Abs 1 AngG nF (diese galt zum Zeitpunkt des Krankenstands der Kl; vgl Drs in ZellKomm3 § 8 AngG Rz 93, Art X Rz 4: Die Neuregelung gilt für Dienstverhinderungen, die in nach dem 30.6.2018 begonnenen Arbeitsjahren eintreten – Art X Abs 2 Z 14) sieht bei einer Dienstzeit von drei Jahren einen Anspruch auf acht (statt bisher sechs) Wochen volle und vier Wochen halbe Entgeltfortzahlung vor. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht gem Abs 2 nF mit Beginn des neuen Arbeitsjahres und zwar nach hM unabhängig davon, ob der Beginn des neuen Arbeitsjahres während einer laufenden Dienstverhinderung eintritt und welche Entgeltfortzahlungsansprüche dem Angestellten bis dahin zugestanden sind (vgl Drs in ZellKomm3 § 8 AngG Rz 98/1 mwN).

4.
Übergangsbestimmungen des AngG für Ersterkrankungen

Art X Abs 2 AngG sieht Übergangsbestimmungen vor: Kollektivverträge (bzw Betriebsvereinbarungen), die bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung für Ersterkrankungen günstigere Entgeltfortzahlungsbestimmungen vorsahen als § 8 Abs 1 AngG nF (zB längere bzw höhere Entgeltfortzahlung), bleiben aufrecht (Z 17). Es ist daher zu prüfen, ob die bereits damals geltenden Regelungen des KollV (hier DO.A) günstiger sind als § 8 Abs 1 nF. In den anzustellenden Gruppengünstigkeitsvergleich sind aufgrund des Verweises auf § 8 Abs 1 nicht alle Bestimmungen anlässlich einer Dienstverhinderung durch Krankheit einzubeziehen, sondern nur die anlässlich einer Ersterkrankung (für Wiedererkrankungen ist in Z 18 eine eigene Übergangsbestimmung vorgesehen – siehe Kap 5): Zu vergleichen ist also § 8 Abs 1 nF mit § 60 Abs 1 DO.A, der die Dauer und auch die Höhe der Entgeltfortzahlung bei Ersterkrankung regelt (die Entgeltfortzahlungshöhe wurde vom OGH nicht thematisiert) und Abs 2a, der definiert, wann wieder eine Ersterkrankung vorliegt (siehe Kap 1):

Für die „ständigen Bezüge“ (§ 35 Abs 2 Z 1 – 10 DO.A: nicht erfasst sind zB Sonderzahlungen und einzeln zu verrechnende Überstunden – siehe unten) gilt gem Z 1 Folgendes:

AngG nFDO.ADifferenz in KT
1. Jahr6 Wo + 4 Wo 50 %3 Mo (= 91 KT)21 + 28 50 %
3. – 5. Jahr8 Wo + 4 Wo 50 %7 + 28 50 %
6. – 10. Jahr6 Mo (= 182 KT)98 + 28 50 %
11. – 15. Jahr6 Mo + 6 Mo 75 %126 + 154 75 % + 28 25 %
16. – 20. Jahr10 Wo + 4 Wo 50 %9 Mo (= 273 KT) + 3 Mo 75 %203 + 63 75 % + 28 25 %
21. – 25. Jahr12 Mo = (364 KT)266 + 28 50 %
über 25 Jahre12 Wo + 4 Wo 50 %252 + 28 50 %

Für die „übrigen Bezüge“ (diese wurden in der E nicht behandelt) sieht Z 2 bei einer anrechenbaren Dienstzeit (siehe § 15 DO.A) von weniger als zehn Jahren einen Entgeltfortzahlungsanspruch für drei Monate vor, danach für vier Monate.

AngG nFDO.ADifferenz in KT
1. Jahr6 Wo + 4 Wo 50 %3 Mo (= 91 KT)21 + 28 50 %
3. – 5. Jahr8 Wo + 4 Wo 50 %7 + 28 50 %
6. – 10. Jahr
11. – 15. JahrMo (= 121 KT)37 + 28 50 %
16. – 20. Jahr10 Wo + 4 Wo 50 %23 + 28 50 %
21. – 25. Jahr
über 25 Jahre12 Wo + 4 Wo 50 %9 + 28 50 %

Bestimmte nicht ständige Bezüge (§ 35 Abs 3 Z 9: Fachzulage, Z 12: Abgeltung von Lehraufträgen) werden gar nicht einbezogen.

Für Sonderzahlungen gilt gem Z 3 die Sonderbestimmung des § 49 Abs 3 DO.A: Hat ein AN während eines Teils eines Kalenderjahres keinen Anspruch auf die ständigen Bezüge, gebühren die Sonderzahlungen nur aliquot, wobei zB Zeiten, in denen kein Anspruch auf Krankengeld gem § 138 ASVG besteht, nicht als Dienstzeit gelten.

Dabei ist zu bedenken, dass im AngG – im Gegensatz zum EFZG (§ 3 Abs 5)keine Ermächtigung der Kollektivvertragsparteien vorgesehen ist, den Entgeltbegriff zu Lasten der AN zu regeln.

Da beim Günstigkeitsvergleich des Art X Abs 2 Z 17 die gesamten Regelungen für Ersterkrankungen der DO.A mit § 8 Abs 1 AngG nF zu vergleichen sind, darf die Prüfung nicht auf die Entgeltfortzahlungsdauer beschränkt werden (siehe Rz 25), sondern hat daneben auch die Höhe der Entgeltfortzahlung, und zwar in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile, einzubeziehen. Dessen ungeachtet kam der OGH aber mE zu Recht zu dem Ergebnis, dass ein (Gruppen-)Vergleich der beiden Regelungen ergibt, dass die DO.A (§ 60 Abs 1) – unabhängig von der Dienstzeit – im Vergleich zu § 8 Abs 1 AngG nF eine für die AN (zum Teil sogar wesentlich) günstigere Regelung vorsieht (obwohl in der DO.A anlässlich der Angleichung der Bestimmungen des AngG an die des EFZG in Bezug auf die ständigen Bezüge keine537 Vorverlegung der ersten Erhöhung von fünf auf ein Jahr vorgenommen wurde). Dies gilt mE auch dann, wenn man nicht (wie der OGH) nur die Z 1, sondern auch Z 2 und 3 berücksichtigt, insb dass bestimmte nicht ständige Bezüge, wie die Fachzulage und Abgeltung von Lehraufträgen, nicht in den Entgeltfortzahlungsanspruch einbezogen werden.

Zu Recht weist der OGH auch noch darauf hin, dass ein Vergleich des „Arbeitsjahrprinzips“ mit dem „Anlassfallprinzip“ (mE „Sechs-Monats-Prinzip“ – dazu siehe Kap 1) keine Aussage zulässt, welche Regelung für den AN günstiger ist, da dies ua von der zufälligen Lage der Krankenstände abhängt (siehe bereits Drs in ZellKomm3 § 8 AngG Rz 9).

Angesicht der damals deutlich günstigeren Entgeltfortzahlungsdauer kam der OGH grundsätzlich zu Recht zu dem Ergebnis, dass § 8 Abs 1 AngG nF auf eine Ersterkrankung einer der DO.A unterliegenden Angestellten nicht zur Anwendung kommt, weil der insoweit zu vergleichende Regelungsgegenstand der DO.A (für Ersterkrankungen) in seiner Gesamtheit unter Anlegung eines objektiven Maßstabs die günstigeren Entgeltfortzahlungsregelungen aufweist (zur Neuregelung der DO.A siehe Kap 6).

5.
Übergangsbestimmungen des AngG für Wiedererkrankungen

Wie aber bereits in Kap 2 dargelegt, ist aus dem Sachverhalt nicht klar erkennbar, ob es sich tatsächlich um eine Ersterkrankung gehandelt hat. Immerhin zahlte die PVA das Entgelt für rund 5,5 Monate weiter, was nur dadurch erklärbar wäre, dass ausreichend anrechenbare Dienstzeiten vorlagen und die AN in den letzten sechs Monaten bereits Entgeltfortzahlung bezogen hat, sodass es sich im Anlassfall um eine Wiedererkrankung gehandelt hat.

Die Übergangsbestimmung des Art X Abs 2 Z 18 normiert für den Fall, dass der (bei Inkrafttreten der AngG-Novelle bestehende) KollV (bzw die BV) hinsichtlich der Wiedererkrankung (§ 60 Abs 2 DO.A) eine für die AN günstigere Regelung als § 8 Abs 2 aF vorsieht, § 8 Abs 2 AngG aF für die vom KollV (bzw BV) erfassten AN bis zu einer Neuregelung des KollV (bzw der BV) weiterhin anzuwenden ist. Dh es hat ein (Gruppen-)Vergleich aller Entgeltfortzahlungsbestimmungen zur Wiedererkrankung stattzufinden.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Sechs-Monats-Frist des AngG aF nur auf den Wiederantritt nach einer Ersterkrankung abstellt und nicht wie die DO.A auf den Wiederantritt nach der letzten Erkrankung (vgl Kap 1). Bei mehreren Dienstverhinderungen im Beobachtungszeitraum ist die Regelung des AngG also günstiger.

Darüber hinaus sehen beide Bestimmungen bei einer Wiedererkrankung zunächst eine Ausschöpfung des offenen Restanspruchs nach Abs 1 vor; dieser ist aber nach der DO.A deutlich länger.

Das AngG aF sieht außerdem für Wiedererkrankungen einen 2. Topf in halber Höhe vor (siehe Drs in ZellKomm3 § 8 AngG Rz 93 ff). Die DO.A selbst sieht zwar keinen 2. Topf vor, verweist aber in Abs 2 Satz 2 auf das AngG: Auf alle weiteren Dienstverhinderungen infolge Krankheit innerhalb desselben Bezugszeitraumes sind ausschließlich § 8 Abs 1 (falls es sich nach dem AngG um eine Ersterkrankung handelt – vgl hiezu die 2. Erläuterungen zu DO.A zu § 60 Abs 2 und 2a) und Abs 2 AngG aF (falls eine Wiedererkrankung iSd § 8 Abs 2 AngG vorliegt – zur Definition vgl Kap 1) anzuwenden. Dadurch wird für die AN grundsätzlich sichergestellt, dass es nach der DO.A zu keiner Verschlechterung im Vergleich zum AngG kommt.

Zu beachten ist auch, dass es nach hM nach dem AngG aF zu einer beschränkten Koppelung des 1. Topfes (Abs 1) und 2. Topfes (Abs 2) kommen kann, weshalb ein AN im selben Anlassfall uU zunächst auf den restlichen 1. Topf und gleich im Anschluss daran auf den 2. Topf zugreifen kann, pro Anlassfall aber nicht länger als bei einer Ersterkrankung; dh je nach Dienstzeit maximal für 10 bis 16 Wochen (vgl Drs in ZellKomm3 § 8 AngG Rz 94 mwN). Unklar ist nun wie das Wort „ausschließlich“ in Abs 2 der DO.A zu verstehen ist: Wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die beschränkte Koppelung für die DO.A nicht gilt (dh keine Koppelung von Restanspruch nach Abs 1 der DO.A und Anspruch nach dem AngG), oder soll damit nur festgehalten werden, dass sich der Entgeltfortzahlungsanspruch nach Ausschöpfung der DO.A ausschließlich nach dem AngG berechnet (dh ob eine Ersterkrankung nach dem AngG vorliegt und wie hoch der 2. Topf [= Hälfte des Anspruchs nach Abs 1 des AngG] ausfällt)? Bei der ersten Variante wäre die Regelung der DO.A uU insofern ungünstiger als nach dem AngG aF, falls der Restanspruch nach der DO.A während der Dienstverhinderung relativ schnell ausgeschöpft ist.

Zurückkommend auf die Frage, ob § 60 Abs 2 DO.A günstiger war als § 8 Abs 2 AngG aF, ist also festzuhalten, dass der Rest nach Abs 1 gem DO.A – unabhängig von der Dienstzeit, zum Teil sogar deutlich – länger war als nach dem AngG. Bedenkt man auch noch, dass die DO.A für den Fall der „Aussteuerung“ auf den Entgeltfortzahlungsanspruch des AngG verweist, wird wohl in einer Gesamtbetrachtung der Wiedererkrankungsbestimmungen der DO.A und des § 8 Abs 2 AngG alt unter Anlegung eines objektiven Maßstabs von der Günstigkeit der DO.A auszugehen sein, selbst wenn man davon ausgeht, dass die beschränkte Koppelung vom Restanspruch nach Abs 1 der DO.A und dem Anspruch nach dem AngG nicht gelten soll; dabei ist zu berücksichtigen, dass entsprechend hohe Krankenstände statistisch vor allem bei älteren AN mit in der Regel längerer Dienstzeit auftreten und gerade die von der DO.A besonders begünstigt sind. Grundsätzlich ist also nach der Z 18 das alte System weiter anzuwenden. Daher gilt mE für AN bis zu einer Neuregelung der DO.A § 8 Abs 2 AngG aF (dh keine Umstellung auf das Arbeitsjahr, Anspruch auf einen 2. Topf in halber Höhe, falls der erste Topf bereits ausgeschöpft wurde – siehe Drs in ZellKomm3 § 8 AngG Rz 93 ff), weshalb das538 Arbeitsjahrprinzip erst nach einer Neuregelung der DO.A herangezogen werden kann.

Unklar ist aber, wie der (nur) für Wiedererkrankungen normierte Verweis der DO.A auf § 8 Abs 1 und 2 AngG zu verstehen bzw auszulegen ist: statisch oder dynamisch. Im Zweifel ist mE von einem dynamischen Verweis auszugehen (zu Verweisen im Arbeitsvertrag vgl Drs/Schwab, Kritische Arbeitsvertragsklauseln [2023] Rz 60). Außerdem spricht der fehlende Zusatz (zB „idF von ...“) mE dafür, dass die Kollektivvertragsparteien von einem dynamischen Verweis ausgegangen sind; immerhin verwendet die DO.A wiederholt Zusätze wie „idF“ (13x), „in der ... geltenden Fassung“ (71x) und „in der Fassung“ (145x). Bei einem dynamischen Verweis auf das AngG erhöht sich der Entgeltfortzahlungsanspruch bereits nach einem Jahr. Damit stellt sich aber die Frage, ob der AN nicht sofort mit Beginn des neuen Arbeitsjahres ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch gebührt, auch wenn eine durchgehende Dienstverhinderung vorliegt oder ob auch in dieser Konstellation die Übergangsbestimmung des Art X Abs 2 Z 18 AngG eine Rolle spielt. Da es hier aber nicht um ein Zusammentreffen einer kollektivvertraglichen Regelung mit dem AngG geht, sondern ausschließlich um den KollV, der auf das AngG verweist, käme diesbezüglich mE nur eine Analogie in Frage, falls es durch die Umstellung des AngG auf das Arbeitsjahrprinzip zu einer nachträglichen Lücke der DO.A gekommen ist. Hier ist aber Vorsicht geboten, immerhin ist aufgrund des Verweises auf das AngG davon auszugehen, dass im Falle der „Aussteuerung“ das „normale“ Recht gelten soll.

6.
Neuregelung der DO.A

Abschließend ist noch zu berücksichtigen, dass die Übergangsbestimmungen des AngG nur solange gelten, bis der KollV (bzw die BV) eine Neuregelung vorsieht. Obwohl dies nur in Z 18 ausdrücklich festgehalten wurde, muss dies mE auch für die Übergangsbestimmung der Z 17 gelten (siehe auch Schrank, RdW 2018/32, 35).

Aber was ist unter „Neuregelung“ iSd Übergangsbestimmungen des AngG zu verstehen? Immerhin wurde § 60 Abs 1 Z 2 DO.A nach Inkrafttreten der Übergangsbestimmungen novelliert (mit der am 1.8.2019 in Kraft getretenen 102. Änderung wurden lit a sublit ee und sublit ff ergänzt). ME reicht zwar nicht jede Novelle des KollV (zB Mindestlohnerhöhungen), aber auch nicht jede Änderung der Entgeltfortzahlungsbestimmungen; immerhin lassen die Übergangsbestimmungen selbst nur einen „punktuellenGünstigkeitsvergleich zwischen den Bestimmungen zur Ersterkrankung bzw zur Wiedererkrankung zu. ME muss aber die in § 60 Abs 1 DO.A vorgesehene Ergänzung bestimmter nicht ständiger Bezüge als Neuregelung für Ersterkrankungen gesehen werden, auch wenn damit nicht die Dauer der Entgeltfortzahlung, sondern nur dessen Höhe betroffen ist. Immerhin ist in § 8 Abs 1 AngG sowohl die Dauer als auch die Höhe der Entgeltfortzahlung bei Ersterkrankung normiert. Dies bedeutet im Ergebnis aber, dass sich die Übergangsbestimmung der Z 17 überholt hat und ein neuer Günstigkeitsvergleich nach § 40 AngG anzustellen ist, der aber die gesamten Entgeltfortzahlungsbestimmungen, dh Erst- und Wiedererkrankung (wenn auch nach dem alten Recht, solange dies noch anwendbar ist), zu erfassen hat; dieser wird mE aber zu keinem anderen Ergebnis führen.

Da die kollektivvertraglichen Regelungen zur Wiedererkrankung (§ 60 Abs 2 DO.A) von keiner Neuregelung betroffen sind, ist Z 18 nach wie vor anwendbar und § 8 Abs 2 AngG gilt nach wie vor in der alten Fassung.

7.
Ergebnis

Handelt es sich trotz der angeführten Bedenken um eine Ersterkrankung, kam der OGH mE zu Recht zu dem Ergebnis, dass § 8 Abs 1 AngG nF nicht zur Anwendung kommt, da die DO.A in seiner Gesamtheit die günstigeren Entgeltfortzahlungsregelungen aufweist. Dies darf mE allerdings (aufgrund der inzwischen erfolgten Neuregelung des § 60 Abs 1 DO.A) nicht auf die Übergangsbestimmung des Art X Abs 2 Z 17 AngG gestützt werden, sondern auf einen neuen nach § 40 AngG anzustellenden Günstigkeitsvergleich.

Handelt es sich hingegen um eine Wiedererkrankung, kommt es darauf an, welcher These man folgt: Ist von einem dynamischen Verweis der DO.A auf das AngG auszugehen und verneint man die analoge Anwendbarkeit der Übergangsbestimmungen auf den Verweis der DO.A, dann würde der AN – wie von ihr gefordert – mit Beginn des Arbeitsjahres ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem AngG zustehen. Bejaht man hingegen die analoge Anwendbarkeit der Übergangsbestimmungen, dann steht der seit 16.2.2021 durchgehend im Krankenstand befindlichen AN mit Beginn des neuen Arbeitsjahres selbst bei Anwendbarkeit der beschränkten Koppelung (Restanspruch nach Abs 1 der DO.A und 2. Topf nach dem AngG) kein (neuer) Entgeltfortzahlungsanspruch zu, da sie im Anlassfall bereits wesentlich mehr als zwölf Wochen Entgeltfortzahlung erhalten hat.539