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Anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit und dauerhafte Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft im FamZeitbG

ELISABETHBARTMANN (WIEN)
  1. Gem § 29 NÖ-GemO wird das Amt eines Mitglieds eines (niederösterreichischen) Gemeinderats (darunter fallen auch Stadträte gem § 24 Abs 1 Satz 2 NÖ-GemO) ausdrücklich als Ehrenamt bezeichnet. Die dafür bezogene Aufwandsentschädigung stellt kein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit dar und ist für den Familienzeitbonus nicht per se anspruchsschädlich.

  2. Für die Annahme einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ ist es ausreichend, wenn sie auf eine längere Zeit angelegt ist. Das ist bei einem Vater, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht und für rund fünfeinhalb Monate zu Mutter und Kind zieht, zweifellos der Fall.

[1] Der Kl und seine Lebensgefährtin sind die Eltern des am 4.5.2021 geborenen V*.

[2] Gegenstand des Verfahrens sind der vom Kl geltend gemachte Anspruch auf Familienzeitbonus aus Anlass der Geburt seines Sohnes für die Zeit von 11.5.2021 bis 10.6.2021 sowie die Fragen, ob eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG auch dann vorliegt, wenn sie nur für eine beschränkte Dauer besteht, und ob eine politische Funktion auf Gemeindeebene als anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG zu qualifizieren ist.

[3] Die Lebensgefährtin des Kl lebt und arbeitet in der Steiermark und ist dort hauptwohnsitzlich gemeldet. Der Kl ist in Niederösterreich unselbständig beschäftigt und seit 2019 Stadtrat für Kultur in W*. Seit Beginn der Lebensgemeinschaft Mitte 2019 verbringen der Kl und seine Lebensgefährtin immer wieder Tage zusammen in W* und in der Steiermark.

[4] Bis 31.3.2021 war der Kl in W* hauptwohnsitzlich gemeldet. In der Zeit von 1.4.2021 bis 15.9.2021 wohnte der Kl bei seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn und war dort hauptwohnsitzlich gemeldet. Am 16.9.2021 meldete er seinen Hauptwohnsitz wieder in W* an.

[5] Dass der Kl die Absicht hatte, ab 1.4.2021 dauerhaft in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der Mutter und dem Kind zu leben, konnte nicht festgestellt werden.

[6] Der Kl unterbrach zwar seine (in den letzten 182 Tagen) vor dem beantragten Bezugsbeginn ausgeübte Erwerbstätigkeit (unstrittig). Sein Gemeinderatsmandat und seine Funktion als Stadtrat legte er für den Anspruchszeitraum aber nicht zurück, weil dies mit einem endgültigen Mandatsverlust verbunden gewesen wäre. Er nahm in dieser Zeit an einer Sitzung des Kulturausschusses und einer Stadtratssitzung teil; Gemeinderatssitzungen fanden nicht statt. Weitere, mit seinen politischen Funktionen verbundene Tätigkeiten übte er im Anspruchszeitraum nicht aus. Die für seine politische Tätigkeit zustehende Aufwandsentschädigung von (rund) 1.050 € bezog er weiter. Er wurde auch nicht von der SV (KV und UV) abgemeldet.

[8] Mit Bescheid vom 24.11.2021 wies die Bekl den Antrag mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 3 iVm Abs 4 FamZeitbG ab.

[9] Mit seiner Klage begehrt der Kl, ihm für den beantragten Zeitraum den Familienzeitbonus im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Sämtliche Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt. [...]

[11] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Zwar schade die politische Tätigkeit des Kl nicht, weil es sich bei der Funktion als Gemeinde- und Stadtrat um ein Ehrenamt und keine Erwerbstätigkeit handle. Allerdings mangle es an einem gemeinsamen Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG, weil dieser nicht auf Dauer ausgerichtet gewesen sei.

[12] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Kl, mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

[13] In der vom OGH freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte die Bekl, die Revision zurück-, hilfsweise abzuweisen.

[14] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist auch berechtigt.

[15] 1. Der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind ist (ua) an die Voraussetzung geknüpft, dass er sich im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG) und mit dem Kind und dem anderen Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG).

[16] 1.1. Als Familienzeit definiert § 2 Abs 4 Fam- ZeitbG den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG) unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt sowie weder Leistungen aus der AlV noch eine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält. Ein gemeinsamer 358 Haushalt liegt nach § 2 Abs 3 FamZeitbG nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei eine höchstens bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet.

[17] 1.2. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zum FamZeitbG (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1) ergibt, sollen damit erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Das Neugeborene soll rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen können und dieser soll seine Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, Behördenwegen, Haushaltsarbeiten, etc bestmöglich unterstützen, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken (jüngst 10 ObS 109/22k; 10 ObS 13/22t ua).

[18] 2.1. Im Verfahren ist nicht strittig, dass der Kl seine zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG während des Anspruchszeitraums unterbrochen hat. Die Bekl vertritt jedoch (weiterhin) die Ansicht, dass der Kl auch seine Tätigkeit als Mitglied des Gemeinderats bzw als Stadtrat (vgl § 24 Abs 1 Satz 2 NÖ-GemO) unterbrechen hätte müssen.

[19] 2.2. Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass mit dem Begriff „andere Erwerbstätigkeit“ in § 2 Abs 4 FamZeitbG keine Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG, sondern eine andere als eine kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit, wie etwa eine geringfügige Beschäftigung oder eine Beschäftigung unter der Versicherungsgrenze, gemeint ist (jüngst 10 ObS 88/23y mwN). Aus dem Umstand, dass der Kl als Stadtrat (nur) in der KV und UV teilversichert war, lässt sich daher weder für den Standpunkt des Kl noch der Bekl Entscheidendes ableiten.

[20] 2.3. Wie schon die Vorinstanzen ausgeführt haben, kommt es vielmehr darauf an, ob die Tätigkeit als Mitglied des Gemeinderats bzw als Stadtrat eine Erwerbstätigkeit darstellt. Das hat der OGH – wenn auch in einem anderen Zusammenhang – schon wiederholt verneint und betont, dass (niederösterreichische) Gemeinderatsmandatare ein Ehrenamt ausüben und die dafür bezogene Aufwandsentschädigung kein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit darstellt (vgl RIS-Justiz RS0086758; RS0050693). Damit setzt sich die Bekl nicht auseinander. Sie geht auch auf die weitere Begründung der Vorinstanzen nicht ein, dass § 29 NÖ-GemO das Amt eines Mitglieds des Gemeinderats ausdrücklich als Ehrenamt bezeichne und darunter auch Stadträte fallen (§ 24 Abs 1 Satz 2 NÖ-GemO). Abgesehen vom Hinweis, dass dies zumindest ein Anhaltspunkt auch für die sozialrechtliche Einordnung dieser Tätigkeit ist, bedarf es dazu somit keiner Ausführungen. Die Bekl zieht sich im Wesentlichen auf die Aufgaben von Stadträten (geschäftsführenden Gemeinderäten) und deren Bedeutung für die Verwaltung einer (Stadt-)Gemeinde zurück. Dieses Argument mag allenfalls auf Gemeindefunktionen in Statutarstädten zutreffen (vgl 10 ObS 261/94 SSV-NF 9/19). Warum die Funktion des Kl damit vergleichbar sein soll, weil sie über eine ehrenamtliche TätigkeTätigkeit weit hinausgehe, zeigt die Bekl aber nicht auf.

[21] 2.4. Als Zwischenergebnis folgt daher, dass die während des beantragten Bezugszeitraums (eingeschränkt) ausgeübte Tätigkeit als Stadtrat nicht anspruchsschädlich ist.

[22] 3.1. Nach der stRsp des OGH besteht eine „dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG (erst) dann, wenn eine solche tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auch auf Dauer zu führen (RS0133073; 10 ObS 69/20z; 10 ObS 148/19s SSV-NF 34/23 ua). Dies wird aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2) abgeleitet, in denen von einem auf Dauer angelegten Zusammenleben die Rede ist (10 ObS 60/22d; 10 ObS 82/21p ua). Der OGH hat dazu auch klargestellt, dass kein gemeinsamer Haushalt besteht, wenn der Anspruchswerber von vornherein nicht beabsichtigt, eine solcherart dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu begründen, sondern nur vorübergehend, etwa allein zum Zweck der Erlangung des Familienzeitbonus, mit dem anderen Elternteil und dem Kind „zusammenzieht“ (10 ObS 50/19d SSV-NF 33/68 [ErwGr 3.4.]).

[23] 3.2. In der Rsp ist jedoch bislang noch nicht geklärt, auf welchen Zeitraum eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft angelegt sein muss, damit sie als dauerhaft gilt:

[24] In den Entscheidungen zu 10 ObS 147/19v und 10 ObS 82/21p wurde lediglich betont, dass der einmal (in der entsprechenden Absicht) begründete gemeinsame Haushalt durch einen späteren unvorhersehbaren und nur vorübergehenden Krankenhausaufenthalt der Mutter (und des Kindes) nicht wieder wegfällt. Zu 10 ObS 148/19s (SSV-NF 34/23), 10 ObS 69/20z und 10 ObS 60/22d war diese Frage ebenfalls nicht zu klären, weil darin nicht zu beurteilen war, auf welchen Zeitraum die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft angelegt sein muss, um sie als dauerhaft zu qualifizieren, sondern „nur“, ab welchem Zeitpunkt sie (bei bestehender Absicht, sie auf Dauer zu führen) tatsächlich vorliegt. Selbst in der E zu 10 ObS 50/19d (SSV-NF 33/68) hatte der dortige Kl von Anfang an die Absicht, dauerhaft mit seiner Lebensgefährtin und dem Kind an derselben Adresse wohnen zu bleiben, und hat das trotz zwischenzeitiger Ummeldung auch faktisch getan, was auch die tragende Begründung für die Bestätigung der Klagestattgebung durch die Vorinstanzen war (ErwGr 4.2.).

[25] 3.3. In der Lehre wird nur auf die notwendige Absicht verwiesen, die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer zu führen (Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG4 § 2 FamZeitbG Rz 21; Holzmann-Windhofer/Kuranda in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG2 [2022] § 2 FamZeitbG 343; Schrattbauer, Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 [258]), ohne auf die hier interessierende Frage einzugehen. 359

[26] 3.4. Geklärt ist in der Judikatur des OGH nur, dass das Fehlen einer Eingrenzung des Begriffs „dauerhaft“ in § 2 Abs 3 FamZeitbG nicht auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen ist, sondern ein unbestimmter Gesetzesbegriff vorliegt, dessen Inhalt im Wege der Auslegung zu ermitteln ist (10 ObS 50/19d SSV-NF 33/68 [ErwGr 2.6.]). Tragfähige Ergebnisse ergibt dabei nur eine teleologische Interpretation.

[27] Vor dem Hintergrund des § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG scheidet der Bezug des Familienzeitbonus für getrennt lebende Eltern de lege lata aus (vgl I. Faber, DRdA 2022, 18 [20]). Das ist angesichts der dargestellten Intention des Familienzeitbonus, den raschen Aufbau einer Beziehung zwischen Vater und Kind zu fördern und eine Unterstützung der Mutter kurz nach der Entbindung zu gewährleisten, auch konsequent. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der gemeinsame Haushalt aber nicht „auf ewige Zeiten“ angelegt sein, was im Übrigen auch nicht der Lebensrealität eines großen Teiles der Bevölkerung entspricht. Ebenso wenig lässt sich aus dem Leistungszweck des Familienzeitbonus ableiten, dass nur Väter Familienzeit mit Mutter und Kind verbringen sollen, die bereits in einem gemeinsamen Haushalt mit ihnen leben oder einen solchen „auf Dauer“ aufnehmen wollen. Dafür bieten weder die Gesetzesmaterialien noch das Gesetz Hinweise. Im Gegenteil spricht das erklärte Ziel des Gesetzgebers, durch finanzielle Anreize eine vermehrte Beteiligung der Väter an den vor allem in der Frühphase nach der Geburt typischerweise von den Müttern übernommenen Betreuungs- und Pflegeaufgaben zu erreichen, dafür, dass auch von der Mutter ansons ten getrennt lebende Väter zur Inanspruchnahme von Familienzeit motiviert werden sollen. Diesem Ziel würde eine extensive Auslegung des Begriffs „dauerhaft“ zuwiderlaufen. Eine solche wäre auch gerade in den nicht seltenen Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Lebensgemeinschaft zwischen den Eltern besteht und unterschiedliche private und berufliche Mittelpunkte ihrem Lebensmodell entsprechen, sogar kontraproduktiv, weil sie die Inanspruchnahme von Familienzeit durch Väter, die sich um ihre Familie kümmern wollen, nicht attraktiver macht, sondern erschwert. Es ist auch kein aus dem Leistungszweck ableitbarer Grund erkennbar, den (ohnehin nur für kurze Zeit gewährten) Familienzeitbonus an eine bestimmte „dauerhafte“ Art des partnerschaftlichen Zusammenlebens der Eltern zu knüpfen.

[28] 3.5. Die teleologische Auslegung ergibt daher, dass es für die Annahme einer „dauerhaften Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft“ ausreicht, wenn sie auf eine längere Zeit angelegt ist. Das ist bei einem Vater, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht und für rund fünfeinhalb Monate zu Mutter und Kind zieht, zweifellos der Fall. [...]

[29] 4. Als Ergebnis folgt daher, dass der Kl neben den sonstigen (unstrittigen) Anspruchsvoraussetzungen auch jene des § 2 Abs 1 Z 3 und 4 Fam-ZeitbG erfüllt. [...]

[30] 5. Der Revision ist daher Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

In der vorliegenden E hat sich der OGH abermals mit den Voraussetzungen des Anspruches auf Familienzeitbonus iSd § 2 FamZeitbG auseinandergesetzt. Die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen es aufgrund der vielfältigen faktischen Lebensrealitäten von Paaren innerhalb der Familienzeit nicht immer, jegliche Fallkonstellation abzudecken. Diese Diskrepanz wird nicht nur durch die vorliegende E, sondern auch durch diverse andere Judikate in diesem Themenkomplex deutlich. Umso mehr ist es daher zu begrüßen, dass sich der OGH im vorliegenden Fall erneut mit einzelnen Voraussetzungen des FamZeitbG befasst hat.

Die E lässt sich in zwei Bereiche unterteilen: einerseits der Begriff der Familienzeit iSd § 2 Abs 1 Z 3 iVm Abs 4 FamZeitbG und andererseits die Definition des gemeinsamen Haushalts iSv § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG. Zu ersterem wurde die Frage untersucht, ob die ehrenamtliche Ausübung eines Mandats als Stadtrat eine Erwerbstätigkeit darstellt und die Weiterführung dieser innerhalb der Familienzeit anspruchsschädlich ist. Beachtenswert ist dabei, dass (insb) diese Frage wohl unter den konkreten Gesichtspunkten des vorliegenden Sachverhalts zu betrachten ist; inwieweit allgemein gültige Aussagen bezüglich jeglicher ehrenamtlichen Tätigkeit als Stadtrat daraus abzuleiten sind, ist fraglich (siehe 2.). Eine ausführliche Erörterung erfolgte auch in Bezug auf den zweiten Bereich. Hierzu wurde die in der Rsp bisher noch nicht geklärte Frage untersucht, auf welchen Zeitraum eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft angelegt sein muss, damit sie als dauerhaft gilt (siehe 3.). Vorwegzuschicken ist, dass dem OGH in beiden Fragen im Ergebnis zuzustimmen ist.

2.
Familienzeit und anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit

Einen Anspruch auf den Familienzeitbonus hat ein Vater gem § 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG nur dann, wenn er sich (neben der Erfüllung der anderen Voraussetzungen iSv § 2 Abs 1 FamZeitbG) im gesamten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet. Familienzeit wird in Abs 4 leg cit wiederum mit jenem gesetzlich festgelegten Zeitraum (§ 3 Abs 2 leg cit) definiert, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu seine Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der AlV sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält.

2.1.
2.1. Ehrenamt als Erwerbstätigkeit

Für die Frage, ob die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit als Stadtrat dem Vorliegen der Familienzeit entgegensteht, wäre (erstens) grundsätzlich die (Nicht-)Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit iSv 360 § 2 Abs 1 Z 5 oder (zweitens) die (Nicht-)Ausübung einer anderen (nicht kranken- und pensionsversicherungspflichtigen) Erwerbstätigkeit (zur konkreten Unterscheidung siehe die vom OGH selbst zitierte E mwN OGH 24.7.2023, 10 ObS 88/23y mwN) relevant. Im vorliegenden Fall war schließlich die zweite Variante zu prüfen, weil das Mandat zwar eine KV und UV bedingte, jedoch keine PV vorlag (vgl Holzmann-Windhofer/Kuranda in Holzmann-Windhofer/Weißenböck [Hrsg], Kinderbetreuungsgeldgesetz2 [2022] 346). Vorgelagert und damit auch der Knackpunkt der gegenständlichen Frage war allerdings, ob die ehrenamtliche Tätigkeit überhaupt eine Erwerbstätigkeit darstellt.

Wie der OGH in nachvollziehbarer Weise anführt, kann eine gesetzliche Normierung, dass es sich bei der Ausübung des Mandats als Stadtrat um ein Ehrenamt handelt (vgl hierzu § 24 Abs 1 Satz 2 NÖ- GemO), als Indiz für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung gewertet werden. In Bezug auf das AlVG und das Sonderunterstützungsgesetz (SUG) gibt es dazu auch bereits höchstgerichtliche Rsp, wonach Aufwandsentschädigungen von Gemeinderatsmandataren in den jeweiligen Fällen nicht als Einkommen aus einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit gewertet wurden (siehe RS0086758, RS0050693). Der OGH geht hier also grundsätzlich konsistent vor, indem er auch im vorliegenden Fall ebenjene Maßstäbe anlegt.

2.2.
Differenzierte Ansicht je nach Ausprägung der (ehrenamtlichen) Tätigkeit

Fraglich ist jedoch, ob diese soeben beschriebene Indizwirkung in allen Fällen allein entscheidend für das Vorliegen einer Erwerbstätigkeit ist. Kurz gesagt: Kann aus der E allgemeingültig abgeleitet werden, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit als Stadtrat nie eine Erwerbstätigkeit darstellt?

Für diese Frage ist jener Teil der E von Interesse, wonach im gegenständlichen Fall keine über die ehrenamtliche Tätigkeit weit hinausgehende Funktion vorlag bzw für eine solche keine ausreichenden Argumente vorgebracht werden konnten (Rn 20). Eine Erwerbstätigkeit könne nach den Ausführungen des OGH in anderen Angelegenheiten (zumindest) in Bezug auf Gemeindefunktionen in Städten mit eigenem Statut vorliegen, wenn sie über eine ehrenamtliche Tätigkeit weit hinausgehen und somit den Charakter einer Erwerbstätigkeit annehmen (siehe bspw in Bezug auf eine vorzeitige Alterspension, OGH 28.2.1995, 10 ObS 261/94; siehe auch in Bezug auf das AlVG und SUG, OGH 17.10.1995, 10 ObS 169/95). Legt man dies wiederum auf das FamZeitbG um, könnte daher in einzelnen Fällen trotz der gesetzlichen Definition als Ehrenamt möglicherweise eine Erwerbstätigkeit bejaht werden, deren Weiterführung wiederum dem Anspruch auf Familienzeitbonus entgegenstehen würde. Der OGH musste sich damit, offenbar mangels konkreten Vorbringens, nicht im Detail auseinandersetzen. Die Anmerkung des OGH könnte allerdings darauf schließen lassen, dass neben dem Indiz der ehrenamtlichen Ausgestaltung auch Funktionen, Tätigkeiten und Ausmaß des Mandats mitentscheidend sein können, um das Vorliegen von einer Erwerbstätigkeit iSd FamZeitbG zu beurteilen. Dies wäre insb in jenen Fällen schlüssig, in denen einerseits das Ausmaß der Tätigkeit einer Erwerbstätigkeit nahekommt und andererseits die Höhe der Aufwandsentschädigung nicht mehr bloß als Ersatz für tatsächlich vorliegende Aufwendungen, sondern als Erwerbseinkommen, mit dem der Lebensunterhalt bestritten werden kann, zu werten ist (vgl hierzu ebenfalls OGH 17.10.1995, 10 ObS 169/95). Im vorliegenden Fall lassen sich aus dem Sachverhalt für eine solche Beurteilung jedoch keine Anhaltspunkte ableiten.

Der faktische Umstand, dass ein ehrenamtliches Mandat als Stadtrat zumeist nicht zum Zwecke der Familienzeit (oder auch sonstigen Zwecken) unterbrochen werden kann, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Auch im vorliegenden Fall war eine entsprechende Unterbrechung nicht möglich, weil dies mit einem endgültigen Mandatsverlust verbunden gewesen wäre. In Anbetracht der sonst sehr strengen Anforderungen an die Unterbrechung von Erwerbstätigkeiten kann dieser Umstand de lege lata aber wohl allein keine andere Beurteilung begründen.

2.3.
Die konkrete Tätigkeit als Unterbrechung der Familienzeit

Nimmt man an, dass ein ehrenamtliches Mandat als Stadtrat unabhängig vom Ausmaß der Tätigkeit keine Erwerbstätigkeit darstellt, ist die Weiterführung des Mandats in einem ersten Schritt in den unterschiedlichen Konstellationen nicht anspruchsschädlich; in einem zweiten Schritt stellt sich aber dennoch die Frage, ob auch in jedem Fall – insb in Bezug auf ein höheres Ausmaß der Tätigkeit (siehe 2.2.) – Familienzeit vorliegt. Zweck des FamZeitbG ist es, dass Väter sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, um eine frühzeitige emotionale Bindung zwischen Vater und Kind zu fördern und den Zusammenhalt in der Familie zu stärken (siehe hierzu Rn 17 der E mwN; ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1). Inwiefern also bei häufigen oder arbeitsintensiven ehrenamtlichen Tätigkeiten während der Familienzeit diesem Zweck entsprochen werden kann, ist zumindest fraglich. In diesen Fällen könnte man uU zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich des Anspruches kommen oder eine Aliquotierung (vgl hierzu OGH 29.3.2022, 10 ObS 161/21f) in Betracht ziehen.

Im vorliegenden Fall gab es zur Untersuchung dieser Frage zwar offenbar keinen Anlass (bloß zweimalige Teilnahme des Kl an einer Sitzung), dennoch wäre zukünftig eine höchstgerichtliche Stellungnahme zu tageweisen Unterbrechungen der Familienzeit interessant. Man denke in diesem Zusammenhang bspw an eine E des OGH in einem anderen Kontext, wonach aufgrund eines stationären Krankenhausaufenthalts des Kindes und der eigenen Krankheit des Vaters, die ihn daran hinderte, das Kind zu betreuen, keine Familienzeit vorlag (OGH 19.11.2019, 10 ObS 132/19p). Verbringt ein Vater bspw – angelehnt an den vorliegenden Fall – 361 ein paar Tage getrennt von seiner Familie in Niederösterreich, um seiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachzugehen, könnte eine ähnliche Einschätzung erfolgen; dies auch in Anbetracht des geforderten Zusammenlebens im gemeinsamen Haushalt, der hier in der Steiermark gelegen ist (vgl auch Holzmann-Windhofer/Kuranda, KBGG2 342).

3.
Dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft

Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Familienzeitbonus ist gem § 2 Abs 1 Z 4 Fam- ZeitbG, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben. Gem § 2 Abs 3 leg cit liegt dies wiederum nur dann vor, wenn alle drei in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (siehe bspw I. Faber, Kinderbetreuungsgeld und Familienzeitbonus – Ausgewählte Fragen des gemeinsamen Haushalts, der Ausübung einer Erwerbstätigkeit und der Koordinierung von Familienleistungen, DRdA 2022, 18 [20]; Schrattbauer, Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 [258]). Im vorliegenden Fall galt es den Begriff „dauerhaft“ näher zu konkretisieren und im Ergebnis teleologisch zu interpretieren.

3.1.
Ex-ante-Betrachtung

Eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft wird grundsätzlich dann angenommen, wenn ein solches Zusammenleben tatsächlich aufgenommen wird und dies auch mit einer auf Dauer angelegten Absicht geschieht (siehe Rn 22 der E mwN). In einem ersten Schritt gilt es daher, diese Absicht immer ex-ante zu beurteilen (vgl hierzu auch Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny [Hrsg], KBGG4 [2023] § 2 FamZeitbG Rz 21). Die faktischen Umstände oder das Verhalten der Eltern können für diese Frage wichtige Indizien liefern (siehe Holzmann-Windhofer/Kuranda, KBGG2 343).

Wird der gemeinsame Haushalt bewusst nur vorübergehend begründet, bspw bloß zum Zweck, den Familienzeitbonus zu erlangen, ist die dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft grundsätzlich nicht gegeben ([Rn 22]; OGH 19.11.2019, 10 ObS 50/19d). Ein Indiz hierfür könnte bspw sein, wenn das Zusammenziehen tatsächlich nur innerhalb der Anspruchsfrist erfolgt. Eine extensive Auslegung des Begriffs „dauerhaft“ hat aber nach der Rsp nicht zu erfolgen ([Rn 27]; siehe sogleich 3.2.).

3.2.
Die tatsächliche Dauer der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft

In seiner bisherigen Rsp hat der OGH in Bezug auf die dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgesprochen, dass deren tatsächliche Dauer nur von Bedeutung ist, als diese zumindest während des Bezugs des Familienzeitbonus bestehen muss. Daraus leitet der OGH allerdings keine Mindestdauer iSd Bezugszeitraums ab (OGH 19.11.2019, 10 ObS 50/19d).

Der OGH nutzt den vorliegenden Fall, um auf den Zweck des Gesetzes und bezüglich der dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft auf die unterschiedlichen Lebensrealitäten der betroffenen Personen einzugehen. Grundlegend soll das FamZeitbG durch finanzielle Anreize eine höhere Beteiligung von Vätern in Bezug auf Betreuungsund Pflegeaufgaben unmittelbar nach der Geburt erreichen. Für den OGH spricht der Zweck des FamZeitbG außerdem dafür, dass auch von der Mutter ansonsten getrennt lebende Väter durch den Familienzeitbonus zur Inanspruchnahme von Familienzeit motiviert werden sollen. Eine extensive Interpretation der Dauer einer gemeinsamen Lebensgemeinschaft hält er in diesem Zusammenhang für nicht für zweckmäßig. Dieser Schlussfolgerung ist zuzustimmen, kann ein gemeinsamer Haushalt doch – selbst bei entsprechendem Willen – nicht immer „auf ewig“ bestehen.

Der OGH hält in weiterer Folge fest, dass es für die Annahme einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ ausreicht, wenn sie auf eine längere Zeit angelegt ist. Eine Mindestdauer wird also in konsistenter Weise auch hier nicht statuiert, sondern festgehalten, dass fünf Monate im vorliegenden Fall ausreichend lang waren. Ob auch kürzere Zeiträume den Voraussetzungen entsprechen können, bleibt damit für die jeweilige Einzelfallbetrachtung offen. Liegt im Zeitpunkt der Begründung eines gemeinsamen Haushalts aber grundsätzlich eine dauerhafte Absicht vor, wäre dies wohl denkbar. 362